Geld von Weimer: Was verschweigt Friedrich Merz?

Der Kulturstaatsminister hat Treffen mit Kabinettskollegen und anderen Mandatsträgern verkauft. Das ist gesichert. Was hatten die derart verhökerten Politiker davon? Das ist unklar. TE hat sie befragt. Chronik einer Recherche.

picture alliance/dpa | Michael Kappeler

Wer Berufspolitiker verstehen will, darf nicht nur auf das hören, was sie sagen. Mindestens genauso wichtig ist das, was sie nicht sagen. Den Satz, liebe Leser, merken wir uns bitte kurz. Wir werden ihn gleich noch brauchen.

Schnell noch die Ausgangslage zur Erinnerung: Die Weimer Media Group (WMG) gehört zu jeweils 50 Prozent unserem Kulturstaatsminister Wolfram Weimer und seiner Ehefrau Christiane Goetz-Weimer. Die WMG veranstaltet seit Jahren am Tegernsee den sogenannten „Ludwig-Erhard-Gipfel“ (LEG). Da gibt es mehrere Vorträge von Politikern und Wirtschaftskapitänen zu politischen und wirtschaftlichen Themen.

Für schlappe 80.000 Euro pro Karte können sich ausreichend solvente Interessierte ein VIP-Ticket kaufen. Damit, so wirbt Weimers WMG, erhalte man exklusiven Zugang zu hoch- und höchstrangigen Entscheidungsträgern. Mit anderen Worten: Weimer verkauft Treffen u. a. mit seinen heutigen Kabinettskollegen.

Das ist für sich genommen schon mindestens unappetitlich. Ob es auch strafrechtlich relevant ist, prüft derzeit die Staatsanwaltschaft nach mehreren Anzeigen. Die betreffen Weimer und seine Frau. Doch was eigentlich haben die angepriesenen und letztlich verhökerten Politiker von dem für Weimer einträglichen Geschäft?

Wir haben einfach mal nachgefragt. Das Ergebnis ist erhellend.

Phase Eins

Man nehme sich das Programmheft des Ludwig-Erhard-Gipfels, verfügbar auch im Internet. Um eventuelle statistische Ausreißer zu dämpfen, betrachte man die vergangenen drei Veranstaltungen – also 2023 und 2024 und 2025.

Danach notiere man sich alle Berufspolitiker, die einmal oder mehrmals als Teil des Vortrags- und Bühnenprogramms genannt werden: alle Amts- und Mandatsträger aller Ebenen – also Bürgermeister, Abgeordnete, Regierungsmitglieder aus Gemeinden und Kommunen bis hinauf zur EU.

Sodann schreibe man sie alle wie folgt an:

Sehr geehrte/r …

Sie werden in der Selbstdarstellung der Weimer Media Group (WMG) als Gast des sogenannten „Ludwig-Erhard-Gipfels“ aufgeführt.

Entsprechend der Vorschriften zur Auskunftspflicht von (ehemaligen) Abgeordneten und Amtsträgern gegenüber der Öffentlichkeit bitten wir Sie hiermit höflich um folgende Informationen:

1. Haben Sie in den Kalenderjahren 2023 und/oder 2024 und/oder 2025 Zuwendungen und/oder Vergünstigungen beliebiger Art von der Weimer Media Group und/oder deren Gesellschaftern, Dr. Wolfram Weimer bzw. Christiane Goetz-Weimer, erhalten?

2. Falls ja: wann genau und in welcher Höhe?

3. Falls ja: Waren die Zuwendungen bzw. Vergünstigungen an eine Gegenleistung gekoppelt (falls hierzu ja: an welche)?

Für Ihre Antworten haben wir uns XYZ (verschiedene Daten, Red.) vorgemerkt. Vielen Dank im Voraus.

Und nun warte man auf Antwort.

Phase Zwei

Man stellt fest: Es gibt Politiker, die selbst antworten – und solche, die das ihre Büros erledigen lassen. Dann gibt es Politiker, die sofort antworten (lassen) – und solche, die sich mehr Zeit nehmen; manchmal auch bis weit über die gesetzte Frist hinaus. Schließlich gibt es noch jene, die gar nicht antworten.

Und es gibt Friedrich Merz.

Zu ihm kommen wir gleich. Aber der Reihe nach: Die meisten der Angefragten antworten schnell und höflich. Bei all jenen, die antworten, lautet die Antwort: nein. Also: keine Vergütungen, keine sonstigen persönlichen Vorteile.

Die EU-Abgeordnete Svenja Hahn von der FDP legt Wert darauf, dass sie für ihre Teilnahme am LEG 2025 nicht nur kein Honorar bekommen, sondern auch die Reise- und Hotelkosten selbst getragen hat.

Ihre Partei- und Fraktionskollegin Marie-Agnes Strack-Zimmermann dagegen hat sich das Hotel von der WMG bezahlen lassen, aber nach eigenen Angaben kein Honorar oder andere Zuwendungen bekommen und auch die Reisekosten selbst übernommen.

Dasselbe gilt für die Grüne Diana Preztell, ihres Zeichens Oberbürgermeistern von Mannheim. Auch sie hat am Tegernsee umsonst übernachtet, aber ansonsten „keine weiteren Zuwendungen oder Kostenerstattungen“ erhalten.

Kanzleramtsminister Thorsten Frei und der Parlamentarische Staatssekretär Philipp Amthor, beide CDU, schicken eine durchaus freundliche Entschuldigung dafür, dass sie erst nach der gesetzten Frist antworten. Dann geben beide an: keinerlei Vergütungen.

Hier eine Übersicht der Antworten:

Phase Drei

Nun betreten die Problemfälle die Bühne. Mehrere Volksvertreter sehen sich nicht bemüßigt, auf Fragen aus dem Volk zu reagieren. Da bekommt man auch auf Nachfrage einfach keine Antwort.

Dabei sind die Damen und Herren Berufspolitiker durchaus auskunftspflichtig: bundesweit zum Beispiel nach dem Informationsfreiheitsgesetz (IFG) oder nach dem Abgeordnetengesetz (AbgG). Dazu gibt es in vielen Bundesländern eigene einschlägige Bestimmungen, in Bayern zum Beispiel das Bayerische Pressegesetz (BayPrG) oder auch das Bayerische Datenschutzgesetz (BayDSG).

Eine CSU-Parlamentspräsidentin, ein CDU-Ministerpräsident, eine grüne Oberbürgermeisterin, amtierende und ehemalige Bundesminister, Abgeordnete und ehemalige Parteivorsitzende von Grünen, SPD und FDP: Sie alle ignorieren unsere Anfrage komplett:

Und dann ist da noch Friedrich Merz.

Kurz vor Ablauf der Frist lässt der Bundeskanzler, Bundestagsabgeordnete und CDU-Vorsitzende in Personalunion einen Mitarbeiter seines Abgeordnetenbüros im Deutschen Bundestag folgendes Schreiben auf den Weg bringen:

„Ich möchte Sie bitten, sich in dieser Angelegenheit an die Pressestelle der CDU Deutschlands zu wenden, da wir uns ausschließlich zu Angelegenheiten äußern können, die unmittelbar das Bundestagsmandat von Herrn Merz betreffen.“

Das soll offenbar bedeuten, dass Merz 2023 und 2024 (da war er ja noch nicht Kanzler) nicht in seiner Rolle als Bundestagsabgeordneter, sondern in seiner Rolle als Parteivorsitzender am LEG teilgenommen hat.

Schön und gut. Also wenden wir uns, wie erbeten, an die CDU-Pressestelle und setzen eine neue, enorm großzügige Frist für eine Antwort. Auch die verstreicht, und nichts passiert. Keine Reaktion.

Friedrich Merz schickt Presseanfragen zu seinen Verwicklungen mit dem Ludwig-Erhard-Gipfel und mit der Weimer Media Group also zunächst in eine Runde Behörden-Pingpong („Bitte wenden Sie sich an…“) – und spielt dann toter Käfer.

Die Moral von der Geschicht‘

Einmal ganz abgesehen von der abgrundtiefen Arroganz der Macht, die hier sichtbar wird: Was haben die Berufspolitiker, die eine Antwort verweigern, eigentlich zu verbergen?

Warum will der Bundeskanzler ums Verrecken nicht sagen, ob er für seine Auftritte bei seinem Busenfreund Weimer Geld oder sonst irgendwelche Vergünstigungen bekommen hat?

Wie war das doch noch gleich? Wer Berufspolitiker verstehen will, darf nicht nur auf das hören, was sie sagen. Mindestens genauso wichtig ist das, was sie nicht sagen.

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Kommentare ( 38 )

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Europafriend
10 Stunden her

Es wird Merz und der Eisberg steigt auf. Erfrischendes Bild:
„… und spielt dann toter Käfer.“ Ich hatte mal einen Marienkäfer im Zimmer oberhalb des Fensters, ein paar Monate lang – der bewegte sich kein bisschen. Und nach ca. 8 Monaten war er dann weg vom Fenster, ich weiß nicht, wo er geblieben ist..

Mermaid
11 Stunden her

Er wird wohl in der Schuld des Weimer stehen. Und zwar nicht unerheblich.
Denn sonst hätte er Weimer schon lange entlassen müssen.
Es ist vielleicht keine schlechte Idee, da am Ball zu bleiben….

Leroy
11 Stunden her

Jetzt mal ehrlich, würden Sie 80.000 € bezahlen, um diese Attrappen zu treffen……ich würde 10.000 € zahlen, wenn ich sie nie wieder sehen muss.

Michael M.
10 Stunden her
Antworten an  Leroy

Geht mir ganz genauso 👏

ceterum censeo
11 Stunden her

Bei DEN Charakteren, die sich in und um Berlin (und dessen Derivate) tummeln fällt es mir äußerst schwer nicht zu glauben, daß da irgendwo Bakschisch an die „Getroffenen“ weitergereicht wurde. Diese Politiker machen NICHTS umsonst. (Halt! Die machen vieles umsonst. Aber nichts kostenfrei!) Es werden ja auch Honorare für Vorträge verlangt…

CasusKnaxus
11 Stunden her

Man sieht mal wieder: die staatlich alimentierten Berufspolitiker äh -chaoten kriegen immer noch nicht genug Kohle. Sie lassen sich möglichst alles für Teilnahme an Konferenzen in den A..h schieben und jammern dann immer noch. Und wenn dann mal nachgefragt wird, wer was wie abgesahnt hat, kommt nix oder ein Stammeln. Was sagt uns das?

Mike76
12 Stunden her

Warum überhaupt nachfragen? Diese verlogenen Politiker sind allesamt korrupt, ausnahmslos!

Ceterum censeo Berolinem esse delendam
12 Stunden her

Unwichtiger Nebenkriegsschauplatz. Der Autor möge doch mal zehn x-beliebige Passanten in der Fußgängerzone fragen, ob sie sich dafür interessieren, ob Politiker bei einer Veranstaltung ihresgleichen ein Honorar für ihre Anwesenheit bekommen haben. Vermutlich wird man als Antwort nur einen verständnislosen Blick ernten. Auch wenn TE sich noch so sehr um die unappetitliche Causa Weimer bemüht – kaum jemand außerhalb der Jounalistenblase interessiert sich für die Kungeleien der Politclowns.

Martin Buhr
12 Stunden her

W. Weimers in Jungendjahren verfasster Gedichtband „Kopfpilz“ ist jedem zu empfehlen , der sich gerne ekelt bzw. das Abendbrot nochmals nachhaltig durch den Kopf gehen lassen moechte . Eine Lektuere fuer’s Klo ( bei aufgeklapptem Deckel davorstehend bitte ! ) . Zwar ist eine Analyse besser einem Fachmann zu ueberlassen , jedoch laesst die „Qualitaet“ des darin festgehaltenen Gedankenguts womoeglich auf die Charaktere schliessen , die sich gerne bei ihm einfinden und sich von ihm vermieten lassen . Jedenfalls riecht es nach einem Sumpf , in dem jeder zu viel von jedem weiss , sonst laegen wohl laengst die Karten… Mehr

Harry Hirsch
13 Stunden her

Dann wird man sich die Antwort von Merz wohl einklagen müssen, wenn er freiwillig keine Auskunft geben will.

karmaesk
14 Stunden her

Und allgemein: warum treffen sich Politiker in einem Hotel, Gipfel dergl? Sie wurden INS PARLAMENT gewählt, nicht auf irgendwelche außerparlamentarische Orte unter Ausschluß der Öffentlichkeit ! Das allein sollte in einer Demokratie als Verdachtsfall für kriminelles Handeln gesehen werden!