Die EU reguliert jetzt sogar Töne

Zurückbleiben, bitte!: Die Ansage des Stationsvorstehers ist längst Geschichte. In Ermangelung von Personal auf den Bahnhöfen zeigen jetzt Warntöne an, wenn sich die Türen schließen. Und die, sagt Brüssel, müssen alle gleich klingen.

picture alliance / dpa | Axel Heimken

Die EU, das hat einmal ein kluger Mensch gesagt, ist eine Vorschriften-Fabrik. Sie produziert Regeln für alles und jeden: für Tomaten ebenso wie für historische Paternoster und für Kondome.

Mit dem Ergebnis, dass die Tomaten wegen der Holländer nach Wasser schmecken, die historischen Paternoster wegen der Griechen gar nicht mehr fahren dürfen und die Kondome wegen der Italiener zu klein sind.

Für einen echten Eurokraten wird es trotzdem verständlicherweise irgendwann zu langweilig, immer nur Dinge zu regulieren, die man anfassen kann. Folgerichtig haben sich die bestens bezahlten Brüsseler Beamten einem bei staatlichen Eingriffen bisher viel zu wenig beachteten Gebiet zugewandt. Jetzt kümmern sie sich auch um Dinge, die man nicht anfassen kann.

Konkret: um Geräusche.

Und wie immer, wenn die imperialen EU-Sturmtruppen die jeweils neueste Ausgeburt ihrer Regelungswut irgendwie bemänteln wollen, wird auch in diesem Fall ein scheinbar guter Zweck vorgeschoben. Im EU-Sound, also in der bürgerfernsten aller Sprachen, heißt das in unvergleichlicher Schlichtheit so:

„EU-Verordnung über die technischen Spezifikationen für die Interoperabilität bezüglich der Zugänglichkeit des Eisenbahnsystems der Union für Menschen mit Behinderung und Menschen mit eingeschränkter Mobilität“

Das ist nun erkennbar etwas sperrig, bei aller Liebe und allem Verständnis für Verwaltungsmitarbeiter mit ihrem bekannten Hang zu juristischen Wortmonstern. Da es in besagter Verordnung auf 87 Seiten um die Barrierefreiheit von Zügen in der Europäischen Union geht, hat sich die Bahnbranche der Einfachheit halber auf eine Abkürzung verständigt: TSI PRM.

Den Rechtstext hat die EU-Kommission schon im Jahr 2014 beschlossen. Damals hat sich bei uns kaum jemand darum gekümmert, denn die neuen Vorschriften galten nur für neue Bahnzüge. Die alten Waggons haben Bestandsschutz. Doch seit 2021 erneuern die Verkehrsbetriebe überall in Deutschland verstärkt ihre veralteten Fuhrparks, seit 2025 ist das ein regelrechter Massenaustausch.

Und nun fällt immer mehr Bürgern auf, dass unsere S- und U-Bahnen plötzlich ganz andere Töne von sich geben.

Es geht um die Warntöne, die erklingen, wenn sich die Türen automatisch schließen. Für Neufahrzeuge schreibt die EU-Verordnung als Türschließgeräusch ein schnell pulsierendes Signal vor, genauer: mit sechs bis zehn Impulsen pro Sekunde. Auch Frequenz und Lautstärke sind definiert.

Hier zeigt sich wieder: Es gibt eine theoretische EU und eine real existierende.

In der theoretischen EU gilt das sogenannte „Subsidiaritätsprinzip“. Artikel 5 Absatz 3 des Vertrags über die Europäische Union (EUV) legt fest, dass die EU nur dann tätig wird, wenn Ziele auf Unionsebene besser erreicht werden können als auf nationaler Ebene. Das soll die Einmischung der Brüsseler Zentrale in nationale Angelegenheiten beschränken und sicherstellen, dass Entscheidungen bürgernah getroffen werden.

In der real existierenden EU werden die Signalwarntöne in allen Bahnzügen in allen Mitgliedsstaaten festgelegt. Wo kämen wir da hin, wenn das nicht vereinheitlicht wäre?

Und so verschwinden Töne, die Millionen Berufspendler vermutlich so oft hören wie kein anderes Geräusch. Manche haben es zu mindestens zum Kulturgut geschafft, manchmal sogar zum Kult: Zum Beispiel das akustische Warnsignal, wenn sich Türen bei der Berliner S-Bahn schließen – ein Zweiklang aus den Tönen G, H und G.

Der Berliner DJ Paul Kalkbrenner hat diesen S-Bahn-Sound im Jahr 2008 dann sogar international bekannt gemacht, als er das Türgeräusch in seinem Song „Train“ für den erfolgreichen Techno-Film „Berlin Calling“ sampelt.

Doch Welthit hin, Tradition her: Die Eurokraten haben anderes im Sinn. Ein Warnton ist ein Warnton, der darf offenbar auf keinen Fall irgendwie melodisch sein. Deshalb müssen sich nun auch die Türen der Berliner S-Bahn mit demselben Geräusch schließen wie überall in Europa. Das hört sich so an:

Da stellt sich doch jedermann sofort die Frage: Was würden wir nur machen, ohne diese EU?

Anzeige

Unterstützung
oder

Kommentare ( 24 )

Liebe Leser!

Wir sind dankbar für Ihre Kommentare und schätzen Ihre aktive Beteiligung sehr. Ihre Zuschriften können auch als eigene Beiträge auf der Site erscheinen oder in unserer Monatszeitschrift „Tichys Einblick“.
Bitte entwerten Sie Ihre Argumente nicht durch Unterstellungen, Verunglimpfungen oder inakzeptable Worte und Links. Solche Texte schalten wir nicht frei. Ihre Kommentare werden moderiert, da die juristische Verantwortung bei TE liegt. Bitte verstehen Sie, dass die Moderation zwischen Mitternacht und morgens Pause macht und es, je nach Aufkommen, zu zeitlichen Verzögerungen kommen kann. Vielen Dank für Ihr Verständnis. Hinweis

24 Comments
neuste
älteste beste Bewertung
Inline Feedbacks
Alle Kommentare ansehen
GWR
1 Tag her

Da sitzen über 50.000 überbezahlte Bedienstete der EU in ihren Büros. Die brauchen einen Existenzberechtigungsnachweis. Dabei kommen dann solche idiotischen Regulierungen raus. Die übergriffige EU gehört sich zurückgestutzt.

Haba Orwell
1 Tag her
Antworten an  GWR

Mit PUTIN vor der Haustür „muss man“ zuerst wichtige Dinge vereinheitlichen, etwa Leichensäcke und Soldaten-Massenfriedhöfe. Die Kapitulation-Aufforderung wird zwangsläufig einheitlich: „Ruki wwierch!“. Die andere Seite wird sicherlich „Koksnase kaputt!“ und „Rjejch kaputt!“ als entsprechende Eigeninitiative verstehen.

Alf
1 Tag her

Töne?

Nicht ist schlimmer als eine aufgedrängte EU.

Wenn man Zehntausend Vorschriften erlässt, vernichtet man jede Achtung für das Gesetz.



W. Curchill

Wuehlmaus
1 Tag her

Und diesen hohen Ton sollen ältere Menschen wahrnehmen? Man sollte aus der EUdSSR austreten.

November Man
1 Tag her

„Da stellt sich doch jedermann sofort die Frage: Was würden wir nur machen, ohne diese EU?“ Die EU hat besonders für Deutschland keinen Nutzen. Die EU kosten uns Deutschen nur irrsinnig viel Geld. Dieses Geld könnten wir uns sparen. Auch die Verluste von ca. 1 Billion Euro aus dem Target II-Zahlungssystem. Denn dieses Geld sehen wir nie wieder. Wir wären also ohne die EU-Diktate ein reiches Land. Wir wären unabhängig, neutral, vielleicht sogar wieder wirtschaftlich stark und würden unsere nationale Selbständigkeit und Souveränität zurückerlangen. Wir wären ein von allen Zwängen befreites Land. Dafür müssen wir nur noch richtig wählen und… Mehr

jopa
16 Stunden her
Antworten an  November Man

Das „richtig wählen“, das ist das Problem.Aber der Michel hat gewählt, nun darf er seine Wahlsuppe auslöffeln.

BKF
1 Tag her

Und wegen des Subsidiaritätsprinzip kann Deutschland als souveräner Staat sowas auch einfach souverän ignorieren.

P.Schoeffel
1 Tag her

Haben die Bürokraten der EUdssR schon über die Normierung der Toilettenpapier-Benutzung nachgedacht? Oder kommt das noch?
Wie soll die Überwachung der Einhaltung erfolgen? Stichproben? Vollständige Kontrolle des gebrauchten Papiers vor der Abgabe an die entsprechend zertifizierte Entsorgungsstelle?
Ich hätte da Säckeweise Vorschläge für längst überfällige Vorschriften!

ThomasP1965
1 Tag her

Man kann vieles kritisieren. Aber die Harmonisierung von (Warn-)Signalen für Seebehinderte?
Auch diese haben ein Recht in der EU zu leben und zu reisen. Wenn jedes Land seine eigenen Geräusche nutzen würde, würden diese sich nicht so leicht zurecht finden!
Der Artikel ist menschenverachtend und billigster Populismus gemischt mit EU Bashing.

P.Schoeffel
17 Stunden her
Antworten an  ThomasP1965

Ach bei angestrengtestem Nachdenken kann ich mich nicht erinnern, irgendwo in Europa ein Problem mit den Signalen beobachtet zu haben. Auch nicht bei Seebehinderten.
Und überhaupt: Was machen die armen Leute dann in Nicht-EUdssR-Ausland?? Probleme über Probleme…

verblichene Rose
1 Tag her

Und was ist mit den Gehörlosen? Einheitliche Stroboskoplichter, damit die Werbebildschirme nicht zum Ein- und Aussteigen animieren, wenn die Türen noch gar nicht geschlossen sind…?

norbertb783
1 Tag her

„Was würden wir nur machen, ohne diese EU?“
Wir hätten nicht nur ein einfacheres Leben, wir hätten auch noch ein viel besseres und schöneres. Es würde z.B. unsere heimischen Metzger, unseren Bäcker noch geben, die aufgegeben haben weil sich z.B. die Hygienevorschriften der EU für sie nicht mehr gerechnet haben.

Michaelis
1 Tag her

Akustiken haben einen hohen Wert besonders für Sehbehinderte. Signaltöne müssen vor allem zweierlei sicherstellen: eine optimale Warn- rsp. Hinweisfunktion bei minimaler Nervigkeit!! Und nicht zu vergessen: Töne und Geräusche sind Hilfen für Orientierung und Wiederkennung – klingt es überall gleich, geht Vielfalt und Individualität verloren. Wie war das nochmal mit den europäischen „Werten“, wo unentwegt über „Diversity“ schwadroniert wird!? Diese EU ist einfach nur noch krank und geistig behindert!!!

horrex
1 Tag her

Der „Aberwitz“ b l ü h t !!!
Und schmückt sich dabei – seine „Satzing“ komplett ignorierend – dabei noch mit dem Begriff Subsidiarität. –