Wer zu „rechts“ ist, muss gehen

Bei Abschiebungen von abgelehnten Asylbewerbern kommen deutsche Behörden nicht voran. Aber bei SPD, Grünen und FDP funktionieren die Abschieberoutinen ganz hervorragend. Hier will man unliebsame Genossen und Parteifreunde mit aller Konsequenz und schnell los werden.

alle Bilder: imago Images

Thilo Sarrazin ist seit 1973 SPD-Mitglied, da ging die heutige Co-Vorsitzende Saskia Eskens noch als 12-jährige in die Schule. Sie trat erst 17 Jahre nach Sarrazin in die SPD ein. Nichtsdestotrotz soll der Volkswirt, Politiker und Autor heute aus Eskens Truppe verschwinden. Nach seinen islamkritischen Bestsellern mit Millionen-Auflagen wie „Deutschland schafft sich ab“ oder „Feindliche Übernahme“ forcierten die Sozis seinen Rauswurf Anfang des Jahres. Laut Berliner Landesschiedskommission darf die SPD Sarrazin ausschließen.

Zuvor hatten die Sozialdemokraten schon zweimal versucht, Sarrazin aus der Partei zu schmeißen. Doch die Entscheidung ist nicht endgültig, weil Sarrazin und seine Anwälte noch bis vor das SPD-Bundesschiedsgericht ziehen. Denn der Querdenker will weiter Mitglied bleiben.

Immerhin war er für die SPD sieben Jahre Berliner Finanzsenator, saß zuvor und danach in den Vorständen von Deutscher Bahn und Bundesbank.
„Ich bin weder gegen Muslime noch gegen Fremde. Ich beleuchte kritische Fragen rund um die Religion des Islam und ihre kulturellen Auswirkungen. Daran ist nichts Rassistisches“, verteidigt Sarrazin seine islamkritischen Bücher.

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So ein unabhängiger Geist passt eben nicht mehr ins 15-Prozent-Profil der SPD. Die schwindsüchtige Traditionspartei will nur noch ein auf den öffentlichen Dienst reduzierter Kern von Studenten, Professoren und Sozialarbeitern sein. Ein bisschen Linksintellektuell statt kräftig Arbeiterklasse. Einer wie Sarrazin, der die Sorgen der arbeitenden Bevölkerung aufgreift, kann diese rudimentären Kreise einer Rest-SPD nur stören. August Bebels 150-jährige Partei schiebt ihn deswegen rechts ab.

Ein unbeugsamer Stachel im grünen Bio-Fleisch

So ergeht es auch Sarrazins Politik-Kollegen Boris Palmer von den Grünen. Seit 2007 regiert er als Oberbürgermeister Tübingen, und zwar ziemlich erfolgreich. Er ist hochbegabt, ein Querdenker wie Sarrazin, ein Typ und deshalb in seinem Sprengel auch ohne grüne Bundespartei beliebt. 2014 wählten ihn die Tübinger mit 61,7 Prozent wieder ins Amt. Zur Pro-Flüchtlingspolitik der Grünen vertritt er ein kritisches Gegenprogramm: „Multikulti-Romantik vertritt bei uns niemand.“ Den Grünen falle es bislang schwer, „Probleme mit jungen geflüchteten Männern klar zu benennen.“
Palmer hinterfragte zudem die Einseitigkeit von Multikulti. Denn die Deutsche Bahn warb in einer Kampagne unter anderem mit dem schwarzen TV-Koch Nelson Müller, der türkischstämmigen Moderatorin Nazan Eckes und dem ehemaligen deutsch-finnischen Formel-1-Rennfahrer Nico Rosberg. Palmer erkundigte sich im April 2019 zu Recht: „Welche Gesellschaft soll das abbilden?“

Solche Fragen stellen sich auch viele TV-Gebührenzahler, wenn sie im Morgenmagazin von ARD und ZDF mitunter nur Migranten als Moderatoren, Nachrichtensprecher oder Experten sehen. Sind Deutsche im Fernsehen oder in der Werbung jetzt unerwünscht? Jedenfalls hagelte es für Palmers Nachdenklichkeit sofort Rassismus-Vorwürfe und Parteiausschlussforderungen.

Wie in diesen Tagen, als der kritische Grüne die Corona-Krisen-Politik von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) in Frage stellte.

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„Ich sag es Ihnen mal ganz brutal: Wir retten in Deutschland möglicherweise Menschen, die in einem halben Jahr sowieso tot wären – aufgrund ihres Alters und ihrer Vorerkrankungen,“ stellte er in einem Interview nüchtern fest. Palmer hat mit plastischen Worten geschildert, was womöglich in der Corona-Bilanz am Ende des Jahres noch nachgewiesen wird.

Dennoch distanzierte sich die Grünen-Parteispitze postwendend von Palmer, und die Südwest-Grünen forderten ihn umgehend zum Parteiaustritt auf. Doch den lehnt Palmer ab: „Ich bleibe weiterhin aus ökologischer Überzeugung Mitglied der Grünen.“ Er will weiter Stachel im grünen Bio-Fleisch sein.

Boris Palmer passt eigentlich mit seinem freiheitlichen Geist gut in die FDP. Baden-Württembergs FDP-Chef Michael Theurer meinte spontan, Palmer sei bei den Liberalen „herzlich willkommen“. Die FDP sei eine „Heimat für kritische Köpfe“.
Na, na. Würde es dem eigenständigen Grünen in Christian Lindners Truppe wirklich besser ergehen?

Parteifeinde hat die FDP zahlreich in ihren Reihen

Palmer, der das nicht will, sollte – falls doch – lieber zuvor einen Erfahrungsaustausch mit seinem Politik-Kollegen Thomas Kemmerich machen. Denn, ob SPD, Grüne oder FDP – unabhängige kritischer Geister sind offensichtlich überall unerwünscht.

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In Thüringen bei der demokratischen Wahl eines bürgerlichen Ministerpräsidenten zeigte sich im Februar wie kurz die Halbwertzeit freidemokratischer Reflexe sein können. Es währte nur wenige Tage bis FDP-Chef Lindner seinen gewählten Parteifreund Thomas Kemmerich auf Anordnung der Kanzlerin aus dem Ausland eiskalt zum Rücktritt zwang.

Nun hat der Thüringer Partei- und Fraktionsvorsitzende aus Sicht der FDP-Führung schon wieder gefehlt. Der unabhängige Liberale hatte es gewagt am Wochenende an einem Protest-Spaziergang in Gera teilzunehmen, zu dem ein CDU-Wirtschaftsrat wegen der Corona-Folgen für Wirtschaft und Gesellschaft aufgerufen hatte. Das Problem: Die 600 Teilnehmer hielten zu wenig Abstand und trugen meist keinen Mundschutz. Dennoch berichtete die Polizei von einer „durchweg friedlichen und störungsfreien Versammlung“.

Doch viel schlimmer wog für linke Sittenwächter: An der Demo hatten sich AfD-Politiker und auch ein paar Skurrile beteiligt. Da nützte es auch nicht, dass Kemmerich seine Teilnahme in Gera mit Argumenten für „Verhältnismäßigkeit und einen Corona-Exit mit Maß und Mitte“ verteidigte. Sicher hätte er einen Mundschutz wegen der Vorbildwirkung tragen können. Doch Pardon wird vor allem wegen der ungeliebten AfD-Gäste von sogenannten Parteifreunden nicht gegeben.

Auf der Straße geht der Protest samstags weiter
Wie bei Sarrazin oder Palmer: Meist sind es Parteifreunde aus der dritten Reihe, die unabhängigen Politikern brutal in den Rücken fallen, anstatt ihren Kollegen zu verteidigen. Im Fall Kemmerich erhob neben der schwachen Bundesvorsitzenden der Jungen Liberalen Ria Schröder vor allem die in der FDP selbst umstrittene Marie-Agnes Strack-Zimmermann schwerste Vorwürfe, weil der Liberaldemokrat sich bei Rechtsextremisten einreihe. Das passt wunderbar, da Kritiker der derzeitigen Klima- und Corona-Politik vom politischen Mainstream unisono als Leugner stigmatisiert werden.

So verhalf Bundesvorstandsmitglied Strack-Zimmermann mit ihrer Forderung der BILD-Zeitung zu der Schlagzeile: „FDP-Vorstand will Kemmerich rauswerfen“. Die 62-jährige forderte Kemmerich auf, aus der Partei auszutreten. „Er täte gut daran, die FDP zu verlassen“, verlangte sie in einem Interview, das in dem schlimmen Vorwurf gipfelte: „Er sucht offenbar nicht nur physisch die Nähe zur AfD und Verschwörungstheoretikern, sondern teilt offensichtlich auch deren Demokratie-zersetzenden Kurs!“

Wer solche Parteifreunde hat, braucht wahre Feinde nicht zu fürchten. Denn Strack-Zimmermann leidet unter akutem Bedeutungsverlust. Sie wurde als stellvertretende Bundesvorsitzende im April 2019 durch Nicola Beer ersetzt. Zudem fiel sie bislang nur durch obskure Forderungen wie in der FDP-Krise 2013/14 auf, ihre Partei mal kurz umzubenennen.

Damit nicht genug: Selbst der Parteichef fällt Kemmerich wie schon nach der Ministerpräsidentenwahl in Erfurt zugunsten des SED-Nachfolgers Bodo Ramelow erneut ins Kreuz. „Wer sich für Bürgerrechte und eine intelligente Öffnungsstrategie einsetzt, der demonstriert nicht mit obskuren Kreisen und der verzichtet nicht auf Abstand und Schutz“, twitterte Lindner, anstatt mal die Füße still zu halten. Die FDP befindet sich wieder im Modus der Selbstzerstörung, da kann Palmer getrost bei den Grünen bleiben und Sarrazin bei den Sozis durchhalten.

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Kommentare ( 70 )

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non sequitur
3 Jahre her

Sarrazin kann gar nichts Besseres tun, als sich gegen seinen Parteiausschluss bis zum BVerfG durch die Instanzen zu klagen.
Auf diese Weise führt er diese Resterampe-SPD am besten vor und zeigt, was aus dieser einstigen Partei z.B. eines Kurt Schumachers oder Helmut Schmidts geworden ist.

Karl Schmidt
3 Jahre her

Die CDU ist nicht konservativ, die SPD interessiert sich nicht für die Arbeiter, die FDP ist nicht liberal, die Grünen verbrauchen ungezügelt Land und Tiere – nur die SED bleibt stalinistisch wie immer. Kein Wunder, dass die AfD in einem solchen Umfeld als Bedrohung betrachtet wird.

Coco Perdido
3 Jahre her
Antworten an  Karl Schmidt

Dazu kommt noch: Die AFD betrachtet die anderen genauso als Bedrohung. Sie will sogar die öfentlich-rechtlichen Medien abschaffen. War taktisch nicht die klügste Idee.

In alternativen Medien ist die Stimmung gegenüber dem ÖRR sowie anderen Mainstreammedien ähnlich. Da wurde schon eine Menge Holz gehackt. War das immer fair? Gab es bei den alternativen keinen Kopf, dem klar war, dass er sich damit Feinde schafft?

usalloch
3 Jahre her

Der Respekt vor Sarrazin und Palmer verbietet es eigentlich , Emmerich in diesem Zusammenhang zu erwähnen. Emmerich hat neben seinem Vorturner und Abschwörer Lindner, der Demokratie einen schlechten Dienst erwiesen. Er kann machen was er will, er ist politisch verbrannt. Hätte er Mumm gehabt , würde heute sehr wahrschein niemand mehr über die Wahltaktik sprechen. Auch „Dank“ Corona.

derAlte
3 Jahre her

Was soll das Gejammer, die Parteien bilden das Volk ab – zumindest diejenigen, die sich Abbilden lassen wollen. Eine zündende Idee zur Veränderung habe ich auch hier noch nicht gelesen, weder von Autoren noch von Lesern. Und die Argumentation: “ Huuch, da war ein Rechter dabei!“ verfängt doch. Es gibt viel mehr Leute, die einem erklären können, warum sie nicht zur Montagsdemo gehen, als Leute, die dort waren. Und, wo waren Sie?

Coco Perdido
3 Jahre her
Antworten an  derAlte

Ich denke auch, wenn man Texte nicht aus der eigenen Filterblase heraus liest sondern mit den Augen eines Fremden, dass der Gesamteindruck anders ausfallen kann als der, den man selber von sich hat.

Wenn jemand das Getrommel gegen den „Parteienstaat“ liest, noch dazu ohne beschriebene Alternative, das in Leserkommentaren vervielfältigt und zum Dauerbrenner wird, was könnte er dann wohl befürchten? Immerhin sind die Parteien Verfassungsgegenstand.

mlw_reloaded
3 Jahre her

Naja, jede Partei hat das Recht Leute zu verbannen die nicht ins Konzept passen, das tut die AfD auch. Eigentlich einhergehend mit der Gefahr, dadurch Wähler zu verlieren. Aber die Medien unterbinden das schon effektiv.

prague
3 Jahre her

Wer nicht auf der Linie ist, wird als Rechts diffamiert und seine-ihre Existenz zertört, das ist die Merkeldemokratie, gelernt ist gelernt, aber dass so viele Wähler mitmachen, noch, das macht mich stutzig, haben sie alle so ein kurzes Gedächtnis?

Jochen K.
3 Jahre her
Antworten an  prague

Tja, das ist das Menschsein am unteren Ende des Laternenpfahls. Das wird noch „besser“, wenn es (und das wird es) noch schlimmer wird.

Templeton Peck
3 Jahre her
Antworten an  prague

Ja. Die haben alle ein bestenfalls kurzes Gedächtnis.
Gibt eine gute Doku – erstaunlicher weise von der BBC – Hypernormalisation von Adam Courtis.
Ist im Grunde das 1984 Prinzip, was der Medienzirkus mit seiner Hühnerjadgt und Sautreiberei abzieht.
Es geht darum, dass wir sagen „Ich weiß nicht wie viel 2+2 ist“
Auch 2 + 2 ist 5 eine falsche Antwort. Ebenso wie 4 oder 3.

fatherted
3 Jahre her

Die Äußerung von Palmer hat nichts mit rechts oder links zu tun. Sie ist einfach nur MENSCHEN VERACHTEND. Und die Verachtung von Leben braucht keine politische Richtung. Außerdem….der halbherzige Versuch der BaWü Grünen Palmer zum Austritt zu bringen, ist ja wohl mehr als halbherzig und wohl nur der Reaktion der Presse geschuldet. Insgeheim gehen viele Grüne d’accord. Palmer mit Sarrazin zu vergleichen (dessen Inhalte genau recherchiert und nicht wiederlegbar sind) hinkt vorne und hinten. Und mit dem Umfaller Kemmerich? Der ist ja wohl ein Treppenwitz.

Michael M.
3 Jahre her
Antworten an  fatherted

Falsch, Palmer liegt hier zu 100 % richtig. Menschenverachtend ist eher so zu tun als liege er falsch.

Zonen Gaby
3 Jahre her

Die derzeitige Politikergeneration beschwört zwar alle 2 Minuten unsere dunklen Kapitel überwunden zu haben und ist angeblich stets Wachsam, dass sich die Geschichte nicht wiederholt, die meisten aber haben demokratische Grundwerte, wie den Respekt vor anderen Meinungen, genauso wenig verinnerlicht, wie Verantwortliche aus der DDR oder dem 3. Reich. Der Unterschied liegt nur in der Durchführbarkeit, nicht in der Haltung.

T. Pohl
3 Jahre her

Hab gerade die Strack-Zimmermann (FDP) im Radio gehört.
Wieder wurde mir deutlich, dass ich die FDP nicht mehr wählen kann, weil die inzwischen eine Partei der Stiefellecker vollständig ohne eigene Agenda (grün-links getrimmt) geworden ist.
Case in Point: Die „Affäre“ Kemmerich: Anstatt die Regierungsbildung unter einem Liberalen zu unterstützen musste gehen und dem Linkslinken Bodo Ramelow das Feld überlassen (unter tatkräftigen Angriffen von Mutti (FDJ) und Lindner (FDP)).
Diese Partei ist weder „liberal“ noch wählbar.

josefine
3 Jahre her
Antworten an  T. Pohl

Die FDP schielt immer noch auf einen Platz in einer (wie auch immer gearteten) neuen Koalition. Daher will sie es mit keinem verderben.
Sei hofft, eines Tages das „Zünglein an der Waage“ zu sein, wenn esnach der Wahl um eine Koalitionsbildung geht.
Da inzwischen sicher 3 oder sogar 4 Parteien nötig sind, könnte Lindner mit seine Strategie sogar noch Recht bekommen.

Leroy
3 Jahre her

Kurze Frage an alle Grünen. Seht mal aus dem Fenster. Ja, heute beginnen die Eisheiligen. Seit über fünfhundert Jahren werden sie so genannt. Wenn nun im Jahre 2020 die Eisheiligen als Klimaphänomen pünktlichst auftauchen, was hat sich dann seit 500 Jahren am Klima verändert?