Der Fall Daniel Starr oder wenn deutsche Staatsanwälte Politik machen

Wenn deutsche Staatsanwälte zu politischen Akteuren werden und rechtsstaatliche Prinzipien missachten, steht mehr auf dem Spiel als ein einzelnes Verfahren. Der Fall Daniel Starr zeigt, wie aus Justizwillkür ein außenpolitisches Pulverfass werden könnte.

In Deutschland herrscht Rechtsstaatlichkeit. So zumindest das politische Selbstverständnis der Berliner Republik. Doch was passiert, wenn ein Staatsanwalt sich aufführt wie ein kleiner Fürst im Justizgewand, jenseits von Rechenschaft, Transparenz und rechtlicher Kontrolle? Dann wird aus der „wehrhaften Demokratie“ ein Staat, in dem persönliche Machtinteressen die Grundrechte Einzelner aushebeln kann. Und das könnte möglicherweise verheerende außenpolitische Folgen nach sich ziehen.

Ein Haftbefehl ohne Basis – ein Exempel mit Kalkül

Der Fall Daniel Starr hat alles, was es für einen Politthriller braucht, nur dass es eben kein Roman, sondern Wirklichkeit ist. Ein deutscher Staatsanwalt, offenbar mit unbegrenztem Eifer, erwirkt 2022 einen europäischen Haftbefehl gegen den in den USA lebenden Unternehmer. Der Vorwurf: Steuerhinterziehung, Beweise? Hatte er keine. Zumindest keine, die französische Gerichte überzeugt hätten. Ein französisches Gericht hebt den Haftbefehl deshalb mangels dringenden Tatverdachts auf.

Auch ein Bonner Landgericht hob später, im Dezember 2022, den europäischen Haftbefehl, aufgrund dessen Starr verhaftet worden war, auf. Laut den Bonner Richtern würde kein dringender Tatverdacht bestehen. Die Staatsanwaltschaft stellte das Ermittlungsverfahren jedoch nicht ein und verweigerte Starrs Anwalt seit Mai 2023 jede Akteneinsicht. Doch der deutsche Staatsanwalt, einmal am Ball, ermittelt weiter. Unbeirrt, intransparent, und seit nunmehr zwei Jahren ohne Akteneinsicht für die Verteidigung.

Hier drängt sich der Verdacht auf, dass das Vorgehen des Staatsanwalts nicht ganz rechtsstaatlichen Regeln folgt. Man könnte sogar versucht sein, an Willkür oder Geheimjustiz zu denken. Und das in Deutschland, das sich in punkto Rechtsstaatlichkeit und Demokratie so gerne als leuchtendes Vorbild für alle anderen Staaten inszeniert. Zumindest nach eigener Einschätzung von an der Macht befindlichen Politikern und deren Freunde in der Begleit-Presse.

Der Preis deutscher Selbstherrlichkeit

Während Starr im Transitraum internationaler Justizpolitik gefangen ist und sich aus Furcht vor erneuter Verhaftung nicht mehr aus den USA heraus traut, verliert er Millionen. Und womöglich Milliarden. Die geplante Übernahme von TikTok, ein wirtschaftspolitischer Coup mit globalem Einfluss, gerät ins Wanken. Deutsche Beamtenmentalität blockiert internationalen Unternehmer. Ein erheblicher wirtschaftlicher Schaden für alle Beteiligten. Außer für den, der sich als Hüter einer persönlichen Staatsräson versteht.

Wenn Justiz zur Außenpolitik wird

Was der Bonner Staatsanwalt da tut, ist längst keine reine Strafverfolgung mehr, es ist eine politische Aktion mit potentieller Sprengkraft. Kein Wunder, dass sich nun auch der US-Außenminister JD Vance einschaltet. Dass ein einzelner Staatsdiener aus Nordrhein-Westfalen zur Belastung für das deutsch-amerikanische Verhältnis wird, ist ein beispielloser Vorgang und gleichzeitig ein Weckruf für alle, die glauben, deutsche Behörden arbeiteten jenseits von Ideologie und Machtmissbrauch.

Das Handelsblatt berichtet ausführlich über den Fall und zitiert auch Richard Grenell: „Er war von 2019 bis 2020 amerikanischer Botschafter in Deutschland. Der einflussreiche Republikaner ergreift heute Partei für Daniel Starr. Als ‚politisch motivierte Strafverfolgung‘ bezeichnet Grenell die Ermittlungen gegen Starr. Der Tech-Unternehmer gilt als Unterstützer von US-Präsident Donald Trump. Auch der einflussreiche US-Senator Lindsey Graham hat sich eingeschaltet.“

Weiter: „Einen solchen Fall habe ich noch nie erlebt, sagt der Kölner Strafverteidiger Björn Gercke. Er vertritt Starr seit dessen Festnahme in Paris. Und so gern Gercke seinem amerikanischen Mandanten den deutschen Rechtsstaat erklären würde, es gelingt ihm nicht.“

„Wenn die Staatsanwaltschaft einen Haftbefehl erwirken konnte, muss sie ja einen dringenden Tatverdacht annehmen, also irgendwas Konkretes vorlegen“, sagt Gercke. „Sie zeigt aber nichts. Wir kriegen keine Akten. Die Staatsanwaltschaft stellt das Verfahren aber auch nicht ein. Es ist wie bei Kafka.“

Deutschland – ein Fall für sich

In einem Land, das seine Bürger regelmäßig mit steuerlicher Gängelung, datenschutzrechtlicher Obsession und bürokratischer Bevormundung überzieht, ist es vielleicht nur konsequent, dass sich nun auch Teile der Justiz von demokratischen Kontrollinstanzen zu lösen scheinen. Doch wenn Staatsanwälte sich über gerichtliche Aufhebungen hinwegsetzen, Akten unter Verschluss halten und damit Existenzen ruinieren, dann geht es um bedeutend mehr.

Und wer hier auf Transparenz oder ein Happy End hofft, dem sei dringend die Lektüre von Kafkas Prozess empfohlen. Er wird über die Analogien zum Zustand der deutschen Justiz 2025 erstaunt sein.

Der Fall Daniel Starr ist kein Einzelfall, sondern ein Symptom. Ein Staat, der seinen eigenen Rechtsrahmen ignoriert, verliert nicht nur das Vertrauen seiner Bürger, sondern auch das seiner Partner in der Welt.

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Kommentare ( 46 )

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Autour
22 Tage her

Also mir kann hier keiner erzählen, dass ein weisungsgebundener Staatsanwalt aus dem Kalifat NRW hier einfach so aus EIGENEM Anlass „Weiter ermittelt“… Auch ist mir unverständlich wie es OHNE Beweise zu einem Europäischen Haftbefehl kommen kann?! Wenn man sich andere Fälle von Vergewalltigern Schleusern ect. pp. anschaut, dann ist es eigentlich gar nicht so einfach so einen EU-Haftbefehl zu bekommen… also WER zieht hier im Hintergrund die Strippen? Wer gibt hier Anweisungen diese Arbeit fortzusetzen bzw. WER teilt diesem „losgelassenen“ Staatsanwalt nicht mit, dass er unverzüglich damit aufhören soll??? Nein, nein, nein das stinkt gegen den Himmel!!!! Staatsanwälte sind in… Mehr

LunaMystic
22 Tage her
Antworten an  Autour

Es gibt Ärzte, die Kindern aus Lust und Sadismus die Genitalien verbrennen, vor zwei Tagen wurde einer zu lebenslanger Haft verurteilt, und Staatsanwälte, die sich am Leid und der Verzweiflung ihrer Opfer ergötzen.

Aboriginal
22 Tage her
Antworten an  Autour

Der zuständige Justizminister hatte doch, so weit sich das der Presse entnehmen lies, schon ein sehr eigenes Verständnis beim Bewerbungsverfahren um den Präsidenten des OVG und dem Cum Ex Skandal.

Walter.Reichert
22 Tage her
Antworten an  Autour

Der Staatsanwalt ist in der Regel weisungsgebunden und untersteht dem Justizminister. Welches Parteibuch hat der Justizminister, weitere Fragen braucht man nicht zu stellen. Im Fall von cumex und der ehemaligen und rausgemobten Oberstaatsanwältin Brorhilker, dem Anteil von unserem an Amnesie leidenden Ex-BK, muss man sich sich fast die Frage stellen, ob hier nicht schon der Anfangsverdacht einer Rechtsbeugung im Raum steht.

Gerro Medicus
20 Tage her

Hmm, sind deutsche Staatsanwaltschaften nicht ohnehin nicht berechtigt, europäische Haftbefehle auszustellen?
„Die deut­schen Staats­an­walt­schaf­ten sind nicht zur Aus­stel­lung eines Eu­ro­päi­schen Haft­be­fehls be­fugt. Dies hat der Eu­ro­päi­sche Ge­richts­hof mit der Be­grün­dung ent­schie­den, dass sie keine hin­rei­chen­de Ge­währ für ihre Un­ab­hän­gig­keit ge­gen­über der Exe­ku­ti­ve böten. Der Ge­ne­ral­staats­an­walt von Li­tau­en biete hin­ge­gen eine sol­che Ge­währ für Un­ab­hän­gig­keit, so der EuGH mit Ur­tei­len vom 27.05.2019 (Az.: C-508/18, C-82/19 und C-509/18).“
Jetzt ahnen Sie auch vielleicht, warum man die deutsche Staatsbürgerschaft nicht mehr aktiv ablegen kann. Die Bürger sollen wohl unter der Knute dieses „Rechts“staats bleiben.

Turnvater
21 Tage her

Die Entscheidungskette dürfte wie folgt sein:

  • Anruf Brüssel (EU-Kommission) in Berlin (Bundeskanzlerdarsteller)
  • Anruf Bundeskanzlerdarsteller an zuständigen Ministerpräsidentendarsteller
  • Anruf Ministerpräsidentendarsteller an Landesjustizminister
  • Anruf Landesjustizminister an Staatsanwalt
Der Michel
21 Tage her

Staatsanwälte sind in Deutschland weisungsgebunden – hier wäre also „die Politik“ in persona eines Justiz- oder Innenministers gefragt. Und wieder einmal versagt sie – euphemistisch gesagt, denn ob das als „Versagen“ gewissermaßen (so wird das heute ja oft ausgelegt) entschuldigt werden kann bezweifle ich doch massiv.

Last edited 21 Tage her by Der Michel
Winnetou
22 Tage her

Ein feiner Rechtsstaat sind wir…

Christian Stoiffen
21 Tage her
Antworten an  Winnetou

Wer, wie ich, vier (in Worten: 4) Jahre auf ein Urteil und die Schadensregulierung in einem simplen Verkehrsrechtsverfahren, in dem die Schuldfrage, letztlich durch richterlich bestelltes Gutachten, eindeutig klar formuliert darlag, warten musste, für den kann die Eigendarstellung als „Rechtsstaat“ nur als reine Farce erscheinen, zumal der Verfahrensabschluss erst nach Intervention beim BIM erfolgte, dann aber bereits nach einer Woche! Im englischen gibt es einen Grundsatz: „Verzögertes Recht ist verweigertes Recht!“ Nur am Rande sei noch erwähnt, dass der Unfallverursacher ein damals angehender Polizist war und trotz Totalschadens beider Autos keinerlei Kontrolle auf Alkohol oder sonstige Rauschmittel auch nur in… Mehr

Reinhard Peda
22 Tage her

Verstehe ich nicht, die Demokratiefeinde sind doch bekannt. So einer kommt in die USA, verhaften und mehrere Jahre wegstecken. Je mehr Staaten, wo die Demokratie noch etwas gilt, dies machen, dann wird auch bei scheinbar unangreifbaren ein Lerneffekt stattfinden.
Hat Trump schon nee Kriegserklärung geschickt, wundern würde es mich nicht?

santacroce
22 Tage her

Deutsche Staatsanwaltschaften dürfen keine europäischen Haftbefehle ausstellen.
Grund ist die fehlende Unabhängigkeit von der Exekutive, dies ist eine Entscheidung des EuGH aus dem Jahre 2019.
Eine schallende Ohrfeige für die deutsche Justiz…

H. Priess
22 Tage her

Ein deutscher Staatsanwalt darf gar keine internationale Haftbefehle ausstellen, EuGH Urteil, er benötigt dazu die Staatsanwaltschaft eines anderen EU Landes. Wenn der das wirklich getan hat nennt man das Amtsanmaßung? Also welche Staatsanwaltschaft welchen Landes hat den Haftbefehl ausgestellt der dann ein französiches Gericht aufgehoben hat? Die Bonner Staatsanwaltschaft hob einen nicht gültigen internationalen Haftbefehl auf obwohl sie zu diesem Akt gar nicht berechtigt ist? Es scheint scheint sich innerhalb der Judikative noch nicht herum geschwiegen zu haben wie Machtlos sie International ist. So mächtig im Innland so ohnmächtig außerhalb. Auch wenn diese Staatsanwälte gegenüber ihren Justizminister und der wieder… Mehr

Maunzz
22 Tage her
Antworten an  H. Priess

Ein internationaler Haftbefehl ist ein Haftbefehl in einem Land erstellt, der insofern vollstreckt wird, wenn ein anderer Staat dieser Bitte der Vollstreckung des Haftbefehls nachkommt. In diesem Fall hat es Frankreich getan. Dann hat ein französisches Gericht den internationalen Haftbefehl geprüft und nicht aufgehoben, sondern die Vollstreckung des Haftbefehls in Frankreich abgelehnt und Daniel Starr freigelassen. Das heisst, der internationale Haftbefehl – letztlich nur eine juristische Bitte – aus Deutschland bleibt weiter bestehen.

Aboriginal
22 Tage her

Wäre das ein Vorgehen der Justiz in Ungarn, so gäbe es von Seiten der EU sofort Einmischung und Mittelkürzung. Der Unterschied besteht darin, dass Deutschland Nettozahler ist.

bfwied
22 Tage her

Hat jemand noch wirklich Vertrauen in die Justiz, nachdem Leute frühmorgens Polizeibesuch bekommen, wenn sie sich ironisch betätigen, mit einer Ironie, die ins Schwarze trifft? Strauß, Schmidt, Kohl, Barzel, Wehner, Brandt etc. warfen sich Schimpfworte an den Kopf, nannten sich alles mögliche, weil sie das, was der andere von sich gab und tat, für sehr dumm hielten, aber keiner war beleidigt, das war der Disput. Heute haben wir eine Rückentwicklung ins 18. Jh., in die wahrhaft dunkle Zeit der Willkür und Majestätsbeleidigungsparagraphen. Egal, ob Corona, Einwanderung, Energiepolitik, Finanzpolitik od. was auch immer, wer von Verstand vertraut der Politik denn tatsächlich… Mehr

Gerro Medicus
20 Tage her
Antworten an  bfwied

Im 18. Jhd. Gab es zur Wiederherstellung der Ehre ein persönliches Duell mit Pistolen oder Säbeln. Heute verstecken sich die „Beleidigten“ hinter einer fragwürdigen Justiz und noch fragwürdigeren Gesetzen, um den Beleidiger zu bestrafen, gerne auch bis zur Existenzvernichtung. Ein persönliches Risiko gehen sie, anders als im 18. Jhd, dabei nicht ein. Schlimmstenfalls erfolgt keine Bestrafung, die finanziellen Schäden zahlt dann der Steuerzahler. Und der „Beleidigte“ macht weiter wie bisher. Im günstigsten Fall jedoch macht der „Beleidigte“ ordentlich Kasse und der Beleidiger landet im Knast.

Mermaid
22 Tage her

Die Staatsanwaltschaft Bonn, soweit ich das auf die Schnelle und aus der Ferne feststellen kann, ist offenbar eine Schwerpunktstaatsanwaltschaft für Wirtschafts- und Dteuerdelikte. Die machen das jeden Tag. Spricht eher gegen politische Einflussnahme..