Neuer Angriff auf das Bargeld

Neuerdings wird über ein Zentralbankkonto für jedermann diskutiert. Es wäre das Zuckerstück bei der Einführung eines digitalen Zentralbankgelds, welches das Bargeld ersetzen soll. Doch nur Bargeld schützt uns vor der nächsten Stufe der finanziellen Repression. Bargeld ist Freiheit.

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Wird es in zehn Jahren noch Bargeld geben? Zwei­fel darf man daran durchaus haben, denn die Währungswelt verändert sich rasant und die No­tenbanken geraten zunehmend unter Druck. Dies ist auch dem letzten Notenbanker mit der Ankündigung der Face­book­-Währung Libra klar geworden. Die Digitalisierung macht beim Geld nicht halt. Im Gegenteil. Bis dato gilt das Geldregime der Nachkriegsordnung, bei dem der US-­Dollar die Weltleitwährung ist. Daran änderte auch der sogenannte Nixon­-Schock nichts: die plötzliche Ankündigung des amerikanischen Präsidenten Richard Nixon im August 1971, Dollarreserven anderer Noten­banken würden nicht mehr je­derzeit zu einem fixen Kurs in Gold eingetauscht.

Einzig die Geldmengenausweitung hat sich seitdem exponentiell be­schleunigt. Diese Ausweitung geht einher mit einem enor­men Anstieg der weltweiten Verschuldung. Sie hat sich längst von der wirtschaftlichen Entwicklung entkoppelt. Immer mehr Geld muss produziert werden, um ein bescheidenes Wachstum zu generieren. Auch seit der Lehman-­Pleite 2008 hat sich daran nichts geändert. Im Gegenteil: Die Situation ist noch dramatischer geworden! Die Welt war 2008 mit 279 Prozent der Wirtschaftsleistung verschuldet. Ende 2018 waren es schon 318 Prozent.

Symbiose von Staat und Banksystem

Banken und Staat bilden ein kongeniales Duo: Der Staat ver­schuldet sich, die Banken finanzieren dies. Der Staat und sei­ne Notenbank statten dafür die Banken mit dem Privileg der Geldschöpfung aus. Sie können also selbst Geld produzieren, indem sie Kredite erzeugen. Diesen Krediten müssen faktisch keine Spareinlagen gegenüberstehen, sondern Banken kön­nen Kredit und damit Geld aus dem Nichts produzieren. Ge­bremst werden sie lediglich durch Regulierungsvorschriften des Staates. Die Notenbank ist in diesem Prozess die obers­te Planungsbehörde, die den Kreditfluss und damit auch die Geldmenge durch ihre geldpolitischen Instrumente steuern will. Rund 80 Prozent des Geldes, das in der Eurozone im Um­ lauf ist, ist Kreditgeld, das Banken produziert haben. 20 Prozent davon ist Zentralbankgeld, das die Europäische Zentral­bank (technisch durch die am Eurosystem teilnehmenden Notenbanken) geschaffen hat. Wiederum die Hälfte davon, also rund zehn Prozent, ist das, was wir als gesetzliches Zah­lungsmittel verstehen – die Banknote, also das Bargeld. Nur dies ist das per Gesetz definierte alleinige Zahlungsmittel.

Doch wenn nur zehn Prozent des Geldes das alleinige ge­setzliche Zahlungsmittel sind, dann deutet dies schon das Dilemma an: Kommt es in unserem Geldsystem zu Panik und rennen dann alle auf die Bank, um ihr nur als Kontobuchung vorhandenes Geld (Giralgeld) in Bargeld umzutauschen, dann funktioniert das nicht. Bargeld ist in ausreichender Menge gar nicht vorhanden. Um Pa­nik zu vermeiden, suggeriert der Staat mit der Einlagen­sicherung, dass jedes Konto mit 100 000 Euro garantiert sei. Doch ob dies bei einer systemi­schen Bankenkrise Vertrauen schafft, ist fraglich. Das zeigt schon die Diskussion um eine europäische Einlagensicherung. Damit die Spareinlagen auf Konten in Italien, Griechenland und Spanien vermeintlich si­cherer werden, schmeißt man einfach alle europäischen Ein­lagensicherungssysteme in einen Topf. So will man Vertrau­en schaffen. Doch wahrscheinlich misstrauen die Anleger dieser Vergemeinschaftung der Risiken.

Vor diesem Hintergrund muss man die Diskussion um di­gitales Zentralbankgeld sehen, die die Bank der Zentralban­ ken, die Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ), die schwedische Reichsbank und die Bank of England führen. Sie wollen das gesetzliche Zahlungsmittel auf das digita­le Zentralbankgeld ausweiten. Das klingt in Zeiten von Block­chain und Kryptowährungen sehr modern, suggeriert es doch, dass die Notenbanken mit der Zeit gehen. Doch anders als privat initiierte Kryptowährungen, die dezentrale Netz­werke bilden und ohne Notenbanken auskommen, stehen die staatlichen Notenbanken nicht im Wettbewerb, sondern verteidigen ihr staatliches Währungsmonopol.

Die Einführung von digitalem Zentralbankgeld als gesetz­ liches Zahlungsmittel ist nicht so simpel, wie es sich anhört. Denn einem digitalen Euro, einer Krone oder einem Pfund sieht man auf dem Bankkonto zunächst einmal nicht an, ob das Geld von der Notenbank geschaffen wurde oder von einer Bank, die einen Kredit vergeben und ihn anschließend als Einlage auf einem Konto gutgeschrieben hat. Daher wird dar­ über diskutiert, ein Konto für jedermann bei der Zentralbank zu schaffen. Da Zentralbanken faktisch nicht pleitegehen, weil sie unbegrenzt Geld produzieren können, verspricht man sich dadurch ein höheres Vertrauen in das Geldsystem.

Zentralbankkonto für jedermann?

Die Ausweitung wäre ein Systemwechsel. Derzeit können nur Banken Konten bei der Zentralbank halten. Ihre Sichtein­lagen sind Zentralbankgeld. Ob eine Ausweitung auf jeder­mann für die Geschäftsbanken und die Stabilität der dortigen Einlagen gut wäre, ist zumindest fraglich. Bei Panik könnten die Einlagen dann sogar noch viel schneller per Knopfdruck einfach auf das Zentralbankkonto überwiesen werden. Das Problem „bank run“ wäre wahrscheinlich noch größer.

Banken hätten auch Schwierigkeiten, neue Einlagen der Sparer zu erhalten. Warum sollen Einlagen bei Banken ge­parkt werden, wenn sie bei der Zentralbank sicherer sind? Letztlich müssten Banken die Einlagen höher verzinsen, um dem Risiko für die Anleger gerecht zu werden. Viel­leicht würde das Zentralbankgeld sogar generell höher ge­wichtet als das Giralgeld der Banken. Doch wie schaut es dann mit dem Bargeld aus? Braucht es dieses dann über­haupt noch? Und hier kommen wir zu des Pudels Kern. Die Notenbanken geben es nicht offen zu, aber ihr Problem ist die mangelnde Steuerbarkeit der Geldmenge. Diese können sie über ihre geldpolitischen Instrumente nur in­direkt beeinflussen. Teilweise führen ihre Maßnahmen zu gegenteiligen Effekten. Verschärfen sie den Kurs des billi­gen Geldes und zwingen sie die Banken indirekt dazu, die Negativzinsen gegenüber Einlegern zu erhöhen, dann flüch­ten diese in Bargeld und horten es.

Die Pferde saufen dann aber nicht. Das Geld wird dem Geldkreislauf entzogen. Der Wunsch, über Wachstum aus der Überschuldungssituation von Staaten und Banken heraus­ zuwachsen, wird dann noch unrealistischer. Aber auch der gewollte Umverteilungseffekt läuft ins Leere. Sparer sollen durch Negativzinsen teilweise enteignet werden. Solange es Bargeld gibt, können die Sparer jedoch ausweichen und ihr Geld unter das Kopfkissen legen. Gibt es kein Bargeld mehr, dann kann auf den Konten der Zentralbank leicht ein Negativ­zins durchgesetzt werden. Nicht ohne Grund ist Bargeld ein Stück Freiheit, das uns vor der nächsten Stufe der finanziel­len Repression schützt. Digitales Zentralbankgeld wäre der Weg in die finanzielle Knechtschaft und die Unmündigkeit.


Dieser Beitrag ist in Ausgabe 10-2019 von Tichys Einblick erschienen.

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Kommentare ( 35 )

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Goldenmichel
4 Jahre her

Währendessen warnt die niederländische Staatsbank heute vor einem Totalkollaps des Euro’s und rät Niederländern dringend Gold anzuschaffen.

Was wissen die ?

Goldenmichel
4 Jahre her

Ich hab das meiste meiner Ersparnisse aus der Bank geholt und für schönes Edelmetall eingetauscht. Privat nutze ich -deren- Mickey Mouse Währung kaum. Ich glaube das ** die PleiteBänker und deren PleiteRegierung so richtig an.

AJMazurek
4 Jahre her

**
Der Schoß ist fruchtbar noch, aus dem es kroch, nur sind wir nun einen Schritt weiter:
Bald kann „der Staat“ oder seine willigen Vollstrecker online überprüfen, was und wieviel wir kaufen, wieviel Wasser, Strom und Gas verbraucht wird – die KI wird helfen Verstecke aufzudecken, wo mehr verbraucht wird, als statistisch vorgesehen – und dem „Rechtstaat“ helfen, solche „Verbrechen“ aufzudecken und zu bestrafen – schöne neue Welt!

Thorsten
4 Jahre her

Deswegen ist die Diversifikation von Vermögen auch so wichtig. Besonders Immobilien, ETFs, Fremdwährungen und Gold sind unverzichtbar.

Man sollte sich im klaren darüber sein, dass Geld faktisch ein „Zertifikat“ über eine Verrechnungseinheit ist, dessen Tauschwert manipulierbar ist. Deswegen sollte man auch rechtzeitig sein Geld und sein Leben genießen – ehe es die verzogenen Erben (vom Schlage Rackete) in die Finger bekommen…

Lu Ziffer
4 Jahre her

In BLACKOUT von Elsberg ist treffend der Run auf die Bankautomaten nach dem Stromausfall beschrieben. Einerseits wird bewusst die digitale Abhängigkeit erhöht und von gleicher Regierung wird die dazu notwendige Infrastruktur permanent geschwächt. Wenn deren Praxisferne nicht permanent zu Tage treten würde, könnte man meinen, der Wahnsinn hat Methode! Aber wer spart ist selbst schuld und beim Thema Absicherung konnten schon einige Reislustige mit Thomas Cook üben. Die Eigentümer der Banken haben ihre Einlagen bestimmt schon materiell gesichert und auch ein Mark Zuckerberg ist mit seinem Libre nicht gerade vertrauensbildend.

Hans Druchschnitt
4 Jahre her

„Gib mir die Welt und 5%“
Kleine Einführung in das Geldsystem:
https://www.youtube.com/watch?v=_h0ozLvUTb0

manfred_h
4 Jahre her

Mhh, was mir grad beim lesen durch den Kopf ging…. Angenommen das Bargeld wird wie beschrieben abgeschafft und ist als solches nicht mehr verfügbar/vorhanden, WAS passiert dann, WENN sich viele Menschen statt Geld dann zB Gold oder Diamanten unter ihr Kopfkissen oder in den Sparstrumopf legen wollen?? Wäre das dann möglich UND vir allem hätte nicht auch das Auswirkungen auf das s.g Finanzwesen? 2.) Und so allg gesagt: Ich bin -aus mehrere Gründe- absolut GEGEN die Abschaffung von unser Bargeld. Wobei mich mit Blick auf den Euro auch nicht wundern würde, wenn v.a bei den Banken und Politikern schon bei… Mehr

Sembo
4 Jahre her

Der Herr Schäffler. Hat er nicht vor zwei-drei Jahren noch für Bitcoin getrommelt? Ich finde es immer sehr amüsant, wenn hier FDP-Abgeordnete schreiben und ihre Analysen unterbreiten, die gar nicht mal schlecht sind. Aber, aber warum handeln sie genau entgegen ihren Analysen? Im Bundestag und im EP? Warum stimmen die FDP-EP Abgeordneten für die neue EZB-Präsidentin, die Bargeld abschaffen will? Warum stimmen diese Abgeordnete für eine Erhöhung des Mehrjährigen Finanzrahmens auf 1,3 % des BNE (Brutto-National-Einkommen, bisher 1,0 %)? Warum opponiert die Oppositionspartei FDP im Bundestag gegen die Opposition, anstatt gegen die Regierung, was der Auftrag einer Opposition ist? Die… Mehr

fatherted
4 Jahre her

Warnung…..sollte die schleichende Enteignung einmal dem Deutschen Michel so richtig bewusst werden….ist Schluss mit lustig. Der Deutsche mag träge sein und obrigkeitshörig…..aber wenn es um seinen Geldbeutel geht, der dann NICHTS mehr enthält…..kann das Ganze böse enden….

Ein Mensch
4 Jahre her
Antworten an  fatherted

Den Michel den sie meinen gibt es kaum noch, der neue Michel trägt Dutt und spricht Gender und trinkt seinen Latte mit Sojamilch.

elly
4 Jahre her

„Doch nur Bargeld schützt uns vor der nächsten Stufe der finanziellen Repression. Bargeld ist Freiheit. “ Leider denkt die Mehrheit selten einen Schritt weiter. Immer wieder werden Atikel lanciert, die für die Abschaffung des Bargelds eintreten. Da werden dann so „Argumente“ bemüht, wie z.B. volkswirtschaftliche Schäden durch Schwarzarbeit, Clanwirtschaft, Geldwäsche flankiert mit großen Zahlen, die eh niemand überprüfen kann. Wer dann noch die Foren liest, dem schaudert vor der Dummheit des Volkes. Wie gerne wird da die Oma als beispiel angeführt, die an der Supermarktkasse ihre Münzen rauskramt und wieviel Zeitersparnis bargeldloses Bezahlen bringen würde. Selbst wenn es so viele… Mehr