Welche Früchte treibt Protektionismus und wer erntet?

Es geht um den Schutz der heimischen Industrie. Sie soll höhere Preise am Markt realisieren können, damit Arbeitsplätze gesichert werden. Die Kunden müssen mehr ausgeben, ohne dass die jeweilige Industrie vom weltweiten Wandel in der Stahlindustrie nennenswert profitierte.

© Lukas Schulze/Getty Images

Der gestrige Europa-Tag wird in Erinnerung an den so genannten Schuman-Plan begangen. Schulklassen landauf, landab diskutieren mit den örtlichen Bundestagsabgeordneten über die Zukunft der EU und Europas. Es braucht immer Anlässe, um nach vorne zu schauen. Sehr wenig wird aber bei dieser Gelegenheit über die Entstehungsgeschichte berichtet. Das ist bedauerlich, denn daraus könnte man viel für die Zukunft lernen. Denn Protektionismus ist keine Lösung.

Die Geburtsstunde der heutigen Europäischen Union

Am 9. Mai 1950 präsentierte der damalige französische Außenminister Robert Schuman einen Plan für die Zusammenlegung der französischen und deutschen Kohle- und Stahlindustrie, der letztlich in der „Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl“ mündete. Die sogenannte Montanunion gilt heute als eine der Geburtsstunden der Europäischen Gemeinschaft und der heutigen Europäischen Union.

Es war ein industriepolitisches Projekt erster Güte, das gleichzeitig die außenpolitischen Interessen Frankreichs berücksichtigen sollte. Deutschland sollte an den Westen gebunden werden, und die französische Regierung wollte die eigene Stahlindustrie durch den billigen Import von Koks und Kohle aus Deutschland pushen. Der Spiegel berichtete 1951 von einer Rede Schumans vor Gewerkschaftern in Metz wo er sagte, allein „um den französischen Stahlexport zu erleichtern“, habe Frankreich „diese Mission übernommen“.

Staatliche Subventionen als Heilsbringer für die Industrie?

Die europäische Einigung ging anschließend zwar weiter, der ursprüngliche Plan Schumans scheiterte jedoch kläglich. Weder hat Deutschland heute noch billige heimische Steinkohle, noch hat Frankreich eine florierende Stahlindustrie. Die deutsche Steinkohleförderung war spätestens zu Beginn der 1970er Jahre nicht mehr wettbewerbsfähig und musste ab 1975 durch den so genannten „Kohlepfennig“ subventioniert werden. Das Bundesverfassungsgericht untersagte diese Sonderabgabe auf den Strompreis und er wurde nach 20 Jahren 1995 wieder abgeschafft. Die Kohleindustrie wurde anschließend aus dem Staatshaushalt weiter subventioniert. Bis 2002 fielen so Subventionen von 80 bis 100 Mrd. Euro an. Vielleicht ist das Schicksal des „Kohlepfennigs“ ja ein gutes Vorbild für den so genannten „Solidaritätszuschlag“. Zeit wäre es!

Im Verlauf ging es der französischen Seite nicht viel besser. Frankreich hat heute faktisch keine nennenswerte Stahlindustrie mehr. Unter den 50 größten Stahlunternehmen der Welt kommt kein einziges aus unserem Nachbarland. Mit 14,4 Millionen Tonnen Stahl produzieren französische Unternehmen gerade einmal 9 Prozent der Produktion in der EU. Zum Vergleich: chinesische Stahlhersteller produzieren über 800 Millionen Tonnen Stahl pro Jahr.

Protektionismus ist keine Lösung

Abschottung hat diesen Prozess nicht aufgehalten. Seit geraumer Zeit müssen chinesische Hersteller zwar bis zu 72 Prozent Importzölle auf Stahlprodukte bezahlen. Dazu teilt die EU-Kommission mit: „Die EU-Kommission schützt mit den Strafzöllen die europäischen Stahlhersteller vor unfairen Handelspraktiken und schafft faire Wettbewerbsbedingungen in der Stahlbranche. Der Stahlsektor leidet unter einer weltweiten Überkapazität.“

Letztlich geht es also um den Schutz der heimischen Industrie. Sie sollen höhere Preise am Markt realisieren können, damit Arbeitsplätze gesichert werden. Umgekehrt heißt das aber auch, dass die Kunden mehr ausgeben müssen, als sie eigentlich müssten. Und weitergesponnen, bedeutet dies, dass europäische Kunden mehr Geld für die Produkte bezahlen müssen als ohne diese Zölle. Letztlich trägt also der Endverbraucher in Europa die Last der Zölle, ohne dass die jeweilige Industrie vom weltweiten Wandel in der Stahlindustrie nennenswert profitieren würde.

Friedrich August von Hayek: „Es ist die Hauptaufgabe des Wettbewerbs zu zeigen, welche Pläne falsch sind.“

Der Grund ist ganz einfach. Keine EU-Kommission, keine Regierung und auch keine Politiker haben das Wissen, wirtschaftliche Entwicklung voraussagen zu können. Im Gegenteil. Versuchen sie es dennoch, richten sie mehr Schaden als Nutzen an. Sie haften nicht für ihr Handeln, sondern andere tun dies für sie. Die 80 bis 100 Milliarden Euro, die bis Anfang der 2000er Jahre in die Kohlesubventionierung geflossen sind, haben den Strukturwandel an Rhein und Ruhr nicht befördert, sondern behindert. Strukturen wurden aufrechterhalten, Neues konnte sich nicht ausreichend entfalten und eine allgemeine Subventionsmentalität machte sich überall breit. Deshalb ist die Unterbindung des Wettbewerbs durch staatliche Planungsphantasien immer falsch. Sie kommen zwar mit wohlfühlenden Worten wie „fair“, „gerecht“ oder „nachhaltig“ daher, letztlich sind das aber alles, wie Hayek es bezeichnen würde, „Wieselwörter“, die man nicht greifen kann, sondern einem aus der Hand entgleiten, sobald man sie fassen will. Mit Friedrich August von Hayek muss man diesen Apologeten staatlicher Planungsgläubigkeit daher zurufen: „Es ist die Hauptaufgabe des Wettbewerbs zu zeigen, welche Pläne falsch sind.“ Wenn europäische Politiker immer wieder die Axt an diesen Wettbewerb legen, gefährden sie dessen Blüten und Früchte. Die reiche Ernte des Wettbewerbs können Europas Bürger nur ernten, wenn der Baum gehegt und gepflegt wird.

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Kommentare ( 7 )

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Agrophysiker
6 Jahre her

Friedrich List – oder die Dosis ist entscheidend

Nun Länder wie Japan oder Südkorea haben durch gewissen Prodektionismus, angeleht an Friedrich Lists Lehren, ihre wirtschft durchaus wesentlich voran gebracht. Ein gewisser Prodektionismus kann da schon helfen wirtschftlich technologisch aufzuholen und eben nicht ganz abgehängt zu werden. Es kommt dabei auf die Dosis an. Es gilt dabei nicht den Inport von Know-How und den Einsatz von modernen Produktionsmitteln zu behindern. Und es darf kein dauerhafter Scuhutz vor (fairer) Konkurrenz zu erwarten sein.

Annegret Kuempel
6 Jahre her

Der schlanke Staat ist gefordert. Aber dazu braucht es intelligente Politiker.
Woher sollen die kommen, wenn wir nicht dazu bereit sind, sie zu wählen.
Es gibt sie!

Hadrian17
6 Jahre her

Zunächst einmal sollte z. B. den Damen ins Gewissen geschrieben werden, dass 25 Paar Schuhe im Schrank, die in Fernost von Kinderarbeitern im Akkord zusammengetackert werden, nicht unbedingt glücklicher machen, als drei Paare aus solider einheimischer Produktion. Das Problem ist, dass wir unsere Arbeitssklaven auslagern. Kompetente Handwerker, Gastabeiter, angelernte Arbeitskräfte? Viel zu teuer hier, lieber Fabriken in Ländern, die zu Hungerlöhnen und unter hiesigen Mindeststandards „beschäftigen“. Hier wird dann der billige Plunder verkauft, da die vom Staat geplünderten Bürger sich kaum mehr anderes leisten können. Hinzu kommen die wunderbaren „Premium“-Hersteller, die im hier Inland gefertigte Automobile zehntausend Kilometer entfernt für… Mehr

Matt C. Laissez-faire
6 Jahre her
Antworten an  Hadrian17

Sie scheinen einen sehr autoritären Charakter zu haben, denn sie wissen ganz genau, was: a) den Menschen mehr glücklich machen sollte (3 Paar „deutsche“ gegenüber 25 „asiatische“ Schuhe) b) der Konsument als Qualität ansehen sollte (einheimische Produkte) c) der Konsument als Phantasiepreise werten sollte (einheimische Preise von einheimischen Automobilen) d) was die Menschen als Innovation im Automobilsektor werten sollten ( z.B. Saugbeziner oder Plug-In Hybride) e) die Menschen in Fernost ihre Arbeitsleben falsch organisieren (zu niedrige Standards bzgl. Arbeitsbedingungen) aus ökonomischer Sicht glauben Sie zu wissen, dass: f) die Menschen in Fernost besser dran wären ohne Kinderarbeit g) die Menschen… Mehr

bkkopp
6 Jahre her

Die ‚reine Lehre‘ des Marktes funktioniert auch meistens nicht, weil überall in Märkte eingegriffen wird, und damit wesentliche, manipulierbare Kostenfaktoren willkürlich sehr unterscheidlich sein können. Entscheidend wäre eine Befristung von protektionistischen Massnahmen, und/oder degressive Schutzmassnahmen über einen wirtschaftlich transparenten Zeitraum.

Hajo
6 Jahre her

Das unsere Wirtschaft insbesondere im Export schon seit Jahren prosperiert ist z.T. auf unser Know How , aber auch auf Subventionen unterschiedlicher Art zurückzuführen, wobei die Unterstützung durch geeignete Maßnahmen über den Staat erfolgt und zum anderen durch Mischkalkulationen der Unternehmen, die ihre Preispolitik je nach Land angleichen und die Differenz holen sie sich in den Ländern zurück, wo höhere Preisdurchsetzungen möglich sind, wie z.Bsp. in Deutschland, Niederlande, Großbritannien usw. Der Geschädigte dabei ist hier im Lande der Kunde, der im Vergleich für das gleiche Produkt oftmals höhere Prozente im zweistelligen Bereich berappen muß, während andere, insbesondere auch solche Länder,… Mehr

WIING
6 Jahre her

So eindimensional würde ich es nicht sehen.

An Ihren Beispiel haben Sie z.B. solche Faktoren, wie meinetwegen Umweltauflagen, Arbeitsschutz usw. nicht berücksichtigt.

Klar, das alles fließt in den Preis ein, aber der Staat soll doch nicht gänzlich auf den Zoll als Steuerungsmechanismus verzichten. Sonst gibt man sich dem fremden Einfluss hin.

Und was ist, wenn man z.B. ein bestimmtes Knowhow im Land behalten möchte, es aber ohne den Zoll gar nicht umsetzbar wäre?

Der Ausmaß der Zollpolitik ist entscheidend. Nicht das bloße Vorhandensein.