Finanzielle Repression: Wie der Staat die Bürger systematisch enteignet

Versicherungen und Pensionskassen verwalten Hunderte Milliarden für die Altersvorsorge. Nullzins und Inflation sorgen für satte reale Negativrenditen. Doch diese massenhafte Enteignung durch den Staat lässt die Bürger offenbar kalt.

IMAGO / IlluPics

Viele Menschen fühlen sich in der Corona-Pandemie als Untertanen, denen der Staat die persönlichen Freiheiten raubt. Jetzt will die Politik sogar eine allgemeine Impfpflicht verordnen, das jüngste Verfassungsmäßigkeits-Testat des höchsten deutschen Gerichts hat den Weg dafür frei gemacht. Die Empörung darüber ist bei vielen Bürgern groß.

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In Deutschland herrscht allerdings derzeit eine Repression, die das Wort sogar im entsprechenden Fachbegriff explizit führt: die „finanzielle Repression“. Und die Empörung darüber steht in keinem Verhältnis zur Corona-Kritik, obwohl die Auswirkungen dieser Repression für viele Millionen Menschen Altersarmut provozieren wird. Denn die gewollte Mixtur einer von der EZB seit Jahren penetrant exekutierten Nullzinspolitik und der seit einem knappen Jahr massiv steigenden Geldentwertung (Inflation) führt zu hohen Substanzverlusten der Sparer.

„Inflation ist eine Methode, einen Geldschein zu halbieren, ohne das Papier zu verletzen“, lautet ein passender Spruch. So massiv wie derzeit, spürten das die Deutschen schon seit einer Generation nicht mehr. Am kurzen Rand liegen die Realzinsen – das ist der Nominalzins abzüglich der aktuellen Inflationsrate – für die vom Staat ausgegebenen Zehnjahres-Anleihen mit rund minus 6 Prozent extrem niedrig. Bereits seit mehr als fünf Jahren notieren Staatsanleihen im negativen Bereich und selbst in den fünf Jahren davor oszillierten sie immer um die Null-Prozent-Marke.

Wie brutal sich diese kalte Enteignung auswirkt, zeigen einfache Beispielrechnungen. Bei einem Realzins von minus 2 Prozent sinkt die Kaufkraft von 100.000 € innerhalb von zehn Jahren um 18.300 € auf nur noch 81.700 €. Bei einem Realzins von minus 4 Prozent halbiert sich die Kaufkraft von 100.000 € innerhalb von 18 Jahren, bei minus 6 Prozent gar bereits innerhalb von 12 Jahren. Selbst wer nicht damit rechnet, dass sich die aktuell sehr hohen Inflationsraten dauerhaft verfestigen, muss einkalkulieren, dass die Realrenditen auf festverzinsliche Staatsanleihen auf viele Jahre negativ bleiben. Dafür spricht übrigens auch, wie sich lang laufende inflationsindexierte Staatsanleihen derzeit rentieren. In den USA beträgt deren reale Rendite aktuell minus 1 Prozent, in Deutschland etwa minus 2 Prozent. Mit dieser finanziellen Repression, die eine unheilige Allianz aus Zentralbanken und Regierungen betreibt, eignen sich Staaten schleichend das Vermögen ihrer Gläubiger an.

Wie der Staat Banken und Versicherungen zum Kauf seiner Anleihen zwingt

Inzwischen ist diese absichtlich betriebene finanzielle Repression kein Geheimnis mehr. Schuldnerstaaten bedienen sich aus den Ersparnissen ihrer Bürger, um ihre Überschuldung überhaupt noch schultern zu können. Der Staat spart, indem er seine Bürger entspart. Dass die unrentierlichen Staatsanleihen überhaupt noch Käufer finden, dafür sorgt in Europa die politisch gefügige EZB. Sie kauft in gigantischem Stil die Staatspapiere auf und verwandelt sie in Geld.

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Doch auch die staatliche Regulierung sorgt für Nachfrage nach Anleihen, die ohne diese Anreize keine Käufer finden würden. Denn mit den Umsetzungsrichtlinien der „Basel III“ genannten Empfehlungen des Basler Ausschusses für die Bankenaufsicht werden die Geschäftsbanken förmlich dazu angehalten, Staatsanleihen in ihren Bilanzen zu halten. Denn diese Wertpapiere können sie vollständig mit Krediten finanzieren, ohne dafür Risikovorsorge zu betreiben. Für Staatsanleihen von EU-Staaten gilt das sogenannte Eigenkapitalprivileg. Doch dass Staatspapiere keine risikofreien Anlagen sind, haben diverse Schuldenschnitte in der Vergangenheit gezeigt, auch in Europa während der Griechenland-Krise.

Versicherungen und Pensionskassen, in denen sich Abermilliarden Euro an Altersvorsorgeersparnissen angesammelt haben, zwingt der Staat mit der „Solvabilität II“ genannten EU-Richtlinie zum Kauf von kostspieligen Anleihen. Legitimiert wird die finanzielle Repression mit einem definitorischen Trick. Die staatliche Regulierung stuft nämlich die starken Preisschwankungen für Aktien als riskant ein, obwohl Aktien über die Zeit gute Renditen abwerfen. Als sicher werden dagegen Staatsanleihen definiert, die mit geringen Preisschwankungen Verluste garantieren. Das widerspricht längst dem gesunden Menschenverstand, führt aber in einem Land der ökonomischen Analphabeten zu keinem Aufstand. Die Impfpflicht wühlt die Volksseele auf. Die massenhafte Enteignung dagegen lässt die „Finanz-Untertanen“, wie sie Thomas Mayer nennt, offenbar kalt.

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Kommentare ( 28 )

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ketzerlehrling
2 Jahre her

Damit hat man zumindest einmal einen Teil der Bevölkerung, die Unberührbaren, auch Ungeimpften genannt, enteignet, oder tut das sukzessive und hat sie dort, wo man die Bevölkerung haben will. Abhängig von Transferleistungen vom Staat und damit die ersten Probanden des Sozialkreditsystems. Aber die Geimpften dürfen sich trösten, sie kommen auch dran. Ihre Schadenfreude und ihr falsches Sicherheitsgefühl werden nicht von Dauer sein.

Schwermetaller
2 Jahre her

Allzu oppositionell will man sich hier nicht zeigen. Es gibt hier nur ein bisschen „find ich jetzt aber nicht so gut“ und am Ende des Tages wird bei allem mitgemacht, was von oben angeordnet wird.

Lepanto
2 Jahre her

„Die Impfpflicht wühlt die Volksseele auf. Die massenhafte Enteignung dagegen lässt die „Finanz-Untertanen“, wie sie Thomas Mayer nennt, offenbar kalt.“

Überhaupt nicht. Digitale Kontrolle, you’ll own nothing, ach, so Verschwörungstheorien halt. Hängt beides zusammen. Aber der Körper ist immer noch HEILIG, der Mammon, den es sehr wohl zum Leben braucht, nicht.

Solchen „Liberalen“ und „Konservativen“ haben wir es zu verdanken, dass jede, jede (!), linke Agenda durchgewunken werden konnte, solange man etwas ganz fix bei den Steuern herausgehauen hat, huii, denen haben wir es aber gezeigt!

Manfred007
2 Jahre her

Leider hat der Durchschnittsbürger keine eigene finanzielle Bildung und empfindet Aktien als riskante Anlageform. Jenseits von Aktien ist der Kryptomarkt auch sehr interessant, grade weil man seine Assets selbst auf die wallet transferieren kann. Damit will die eu auch demnächst Schluss machen.

Imre
2 Jahre her

Über die Sinnhaftigkeit des (weiteren) Haltens von Aktien und Anleihen, dazu diese noch von miserabel wirtschaftenden Staaten, sollte man eigentlich nicht mehr nachdenken. Kurz vor dem Zusammenbruch gilt nur eine Devise, übrigens auch für Immos: RAUS, bzw.bis auf ganz wenige Ausnahmen nicht mehr kaufen!

Teiresias
2 Jahre her

Es ist kein Zufall, daß Wirtschaft in unserem Bildungssystem nicht vorkommt.

Der ökonomische Analphabetismus der Bürger ist politisch gewollt und bewirkt, daß die Ursache/Wirkungs-Relationen der finanziellen Repression und Inflation nicht verstanden werden.

Deshalb und nur deshalb kommt die Politik damit durch.

Howard B.
2 Jahre her

Was implizit aus dem Artikel hervorgeht, aber nicht in aller Deutlichkeit genannt wird: Dies ist die konsequente Umverteilung von unten und der Mitte nach oben. Beschleunigt und gesteigert. Und natürlich hat dies mit Corona zu tun. Es ist die direkte, und wohl auch beabsichtigte, Konsequenz der „Milliardengeschenke“ mittels Maßnahmen. Leider erkennt der Souverän nicht, wie er jeden Tag um seine Freiheit betrogen und enteignet wird. Würde er es erkennen, welch ein erbärmliches und vom Staat verordnetes Leben ihm in Zukunft droht, würde er wahrscheinlich nicht mehr ganz so friedlich sein. Aber Corona, Klimawandel und Gender/ Diversität sind so ungemein wichtig… Mehr

Ananda
2 Jahre her

Die Bestätigung der „Verfassungsmäßigkeit“ der Beraubung der freiheitlichen Rechte der Bürger durch das Bundes(Merkel)verfassungsgericht bestätigt nur eines. Nämlich dass sämtliche Kontrolorgane dieses Landes durch Parteisoldaten infiltriert wurden.
Wie würden Sie die breitangelegte Übergriffigkeit samt Bestrafungsmentalität des Staates gegenüber seinen Bürgern alternativerweise betiteln?
Egal unter welchem Mäntelchen es daherkommt. „Weltenrettung“ – Ökodiktatur, (bereits vom BVerfassungsgericht abgesegntet), Nannystaat oder Gesundheitsfaschismus mit unfassbaren Fehlleistungen, Lügen und stündlich gebrochenen Versprechen.

chino15
2 Jahre her

Angeblich befürworten ca. 70% der Bundesbürger eine Impfpflicht. Das dürften in etwa diejenigen sein, die die Politiker, die für CoViD-Totalversagen, Inflation, Energiewende und unkontrollierte Massenmigration verantwortlich sind, gewählt haben. Also bekommen sie genau das, was sie bestellt haben. Wozu also die Aufregung?

Ananda
2 Jahre her
Antworten an  chino15

Es geht nicht um die 70%, die sich sowieso willig und im Vertrauen auf die „Kompetenz“ des Staates freiwillig impfen lassen, sondern um die anderen 30%, die aufgrund sorgfältiger Abwägung sich gegen eine Impfung entschlossen haben.
Zwang gegen freie Bürger – auch noch bei einem so sensiblen Punkt wie die Selbstbestimmung und Unversehrtheit des eigenen Körpers. Wenn diese rote Linie auch noch vom Staat überschritten wird, dann haben wir unsere Rechte komplett verloren.

Howard B.
2 Jahre her
Antworten an  chino15

Wahlen ändern an und in diesem System nichts. Das System der repräsentativen Demokratie ist darauf ausgelegt, dass nur in zeitlich großem Abstand eine Person (oder Partei gewählt wird. Was danach kommt, kann der „Wähler“ nicht beeinflussen. Selbst wenn ihm frech ins Gesicht gelogen wurde und wird und er es weiß. Demokratie im Sinne echter Partizipation dürfte nur als „Papiertiger“ bisher in Erscheinung getreten sein. Hier und in den meisten anderen Staaten.

Last edited 2 Jahre her by Howard B.
H. Hoffmeister
2 Jahre her

Herr Metzger,
das Verfassungsgerichtstestat für die „Bundesnotbremse“ ist in etwa so unabhängig wie die Entlastung des Wirecard-Vorstands durch seinen Aufsichtsrat. Die Impfpflicht ist wie die finanzielle Repression ein Merkmal eines zunehmend übergriffigen Staates, dessen Protagonisten gelernt haben, wie sie teilen und herrschen. Eines nicht allzu fernen Tages wird sich die Realität ihren Weg bahnen.