Das ABC von Energiewende- und Grünsprech 84 – Fuel Switch

Dreckige Kohle, sauberes Gas: So einfach ist das von unseren Medien gezeichnete Bild. Politik baut darauf auf und preist das Erdgas. Werden seine Emissionen vollständig betrachtet es ist so schmutzig wie Braunkohle.

Foto: Bettina Hagen

Täglich werden wir mit Begriffen konfrontiert, die im Ergebnis einer als alternativlos gepriesenen Energiewende verwendet werden oder durch sie erst entstanden sind. Wir greifen auch Bezeichnungen auf, die in der allgemeinen Vergrünung in den Alltagsgebrauch überzugehen drohen – in nichtalphabetischer Reihenfolge.

F wie

Fuel Switch

Dieser relativ neue Anglizismus bezeichnet einen Brennstoffwechsel, im Rahmen der „Energiewende“ vor allem den Ersatz von Kohle durch emissionsärmeres Erdgas. Übertragen könnte man ihn auch auf den Trend, Dieselfahrzeuge durch Benziner zu ersetzen, die Ölheizung durch die Gasheizung oder den Kohleofen durch einen Holzofen.

Ziel des Fuel Switch im Rahmen der nationalen Stromwende ist die Senkung der Emissionen, vor allem des CO2-Ausstoßes. Betrachtet man isoliert die Emission der reinen Verbrennung, so verursacht Erdgas nur etwa 44 Prozent der spezifischen Emissionen der Braunkohle. Aber dies ist ein verengter Blick, der die möglichen „Klimawirkungen“ verschiedener Brennstoffe nur unzureichend wiedergibt. Das Erdgas liegt nicht vor der Tür, es muss im Vergleich zur Kohle aufwändig gefördert, getrocknet, gereinigt und transportiert werden. Da die Förderstätten für das in Deutschland verwendete Gas zum großen Teil im Norden Russlands oder in Westsibirien liegen, sind erhebliche Distanzen beim Transport zu überwinden. Um das Gas via Nordstream-1-Leitung durch die Ostsee zu drücken, ist eine Verdichterleistung von 360 Megawatt, also die eines mittleren konventionellen Kraftwerks, nötig. Diese Emissionen fallen nicht unter den europäischen Emissionshandel und tauchen natürlich in deutschen Bilanzen nicht auf. Bei einer ernsthaften Betrachtung der Emissionsbilanzen dürften sie allerdings nicht unter den Tisch fallen.

An dieser Stelle muss ich jetzt eine Aussage tätigen, die mir durchaus schwer fällt und die so nicht zu erwarten ist. Aber Drumherumreden hilft nicht, also: Katrin Göring-Eckardt hat Recht.

Zumindest in ihrer Ansicht, dass es „dem Klima“ nichts bringt, einen fossilen Rohstoff durch einen anderen zu ersetzen. Irrig allerdings ist ihre Annahme, man könne sich bis 2030 erdgasunabhängig von Russland machen und brauche es ab 2050 ohnehin nicht mehr. Die energiestrategischen Erwägungen und vor allem die zunehmende Abhängigkeit Deutschlands von ausländischen Energierohstoffen sind bisher politisch und medial völlig unterbelichtet, dies wird Thema eines späteren Beitrags sein.

Die Grünen-Fraktionsvorsitzende liegt richtig in ihrer vermutlich intuitiven Einschätzung der Emissionsbilanz von Erdgas. Wer als „Klimaschützer“ auftritt, sollte schon die Gesamtemissionen der Brennstoffe in der ganzen Produktions- und Nutzungskette betrachten und nicht isoliert nur die Verbrennungsemissionen.
Bezieht man die vorgelagerten Emissionen der Gasförderung, des Transports und der Verluste mit ein, schmilzt der Vorteil des Erdgases und es entstehen etwa 65 Prozent der Braunkohleemissionen.

Bei Berücksichtigung der Tatsache, dass Erdgas zu 90 Prozent aus Methan besteht und dieses die etwa 25-fache „Klimawirkung“ von CO2 hat, sieht die Bilanz noch schlechter aus.

Der „Methanschlupf“, also das Entweichen des Erdgases in der Prozesskette in die Atmosphäre, beträgt zwischen vier Prozent (russisches Erdgas) und 12 Prozent (gefracktes US-Gas).  Überschlägig berechnet würde ein hochmodernes Gas-Kraftwerk wie Irsching 5, bei 330 Gramm CO2 pro Kilowattstunde plus 123 Gramm vorgelagerter Emissionen und vier Prozent Methanschlupf, eine Gesamtemission von über 900 Gramm CO2-Äquivalent ausstoßen. Das ist nur unwesentlich besser als ein mittelaltes Braunkohlekraftwerk (1.000 g CO2 pro kWh) und deutlich schlechter als ein modernes Braunkohle- oder halbwegs modernes Steinkohlekraftwerk.

Nun könnte man meinen, die erhöhte Klimawirkung des Methans werde dadurch gemildert, dass Methan in der Atmosphäre schneller abgebaut wird als CO2. Die Zersetzungsprozesse in CH3 und Wasser sowie die Bilanzen dazu sind noch weitgehend unklar. Erhebliche Schwankungen sowie große Emissionen aus Wäldern, Sümpfen, Ozeanen, Termiten und Reisanbau kommen hinzu. Die Anreicherung durch die verstärkte Nutzung von Erdgas würde in jedem Fall steigen, mit dem entsprechenden Treibhauseffekt und allen von den Klimaalarmisten vorhergesagten tödlichen Folgen.

Nun sollten die Betreiber der Klima-Panik, insbesondere die Greta-Thunberg-Bewegung, diese Brutto-Emissionen ernst nehmen, was zu der einzig folgerichtigen Forderung führen müsste, so schnell wie möglich aus der Nutzung von Erdgas auszusteigen. Alles andere wäre inkonsequent. Der Fuel Switch von Kohle zu Erdgas ist aus Sicht der Emissionen, der Wirtschaftlichkeit und der Energiestrategie ein Irrweg. Vermutlich werden Katrin und Greta zustimmen. Schlüge sich dies in Regierungshandeln nieder, ginge der deutschnationalen Energiewende nach dem Atomausstieg und dem politisch verhinderten Abscheiden von CO2 mit dem Fuel Switch ein weiteres „Klimainstrument“ verloren. Mit großer Anstrengung und hohen Kosten steigt man aus der Braunkohle aus – und gewinnt Nichts für das selbstgesteckte Klimaziel. Dumm gelaufen.

 

In einer früheren Fassung wurde der für Deutschland ermittelt Gesamt-Ausstoß infolge von Gas als Brennstoff aufgrund eines Rechenfehlers zu hoch angegeben.

Die Grundausage pro Kraftwerk bleibt davon unberührt – Gaskraftwerke sind nicht sauberer als Braunkohlekraftwerke.


Frank Hennig ist Diplomingenieur für Kraftwerksanlagen und Energieumwandlung mit langjähriger praktischer Erfahrung. Wie die Energiewende unser Land zu ruinieren droht, erfährt man in seinem Buch Dunkelflaute oder Warum Energie sich nicht wenden lässt. Erhältlich in unserem Shop: www.tichyseinblick.shop

Foto: Bettina Hagen

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Kommentare ( 31 )

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Felix-Schmidt
5 Jahre her

Hallo Herr Hennig,

bitte präzisieren Sie noch die Zersetzungsprozesse des Methans. CH3 gibt es zwar, ist aber ein kurzlebiges Radikal (kleines Molekül mit einem freien Elektron).
Was genau ist gemeint?

Frank Hennig
5 Jahre her
Antworten an  Felix-Schmidt

CH3 allein existiert in der Tat nur kurzlebig, es reagiert zu anderen Verbindungen, z.B. CH3OH.

Rolfo
5 Jahre her

„Überschlägig berechnet würde ein hochmodernes Gas-Kraftwerk wie Irsching 5, bei 330 Gramm CO2 pro Kilowattstunde plus 123 Gramm vorgelagerter Emissionen und vier Prozent Methanschlupf, eine Gesamtemission von über 900 Gramm CO2-Äquivalent ausstoßen. Das ist nur unwesentlich besser als ein mittelaltes Braunkohlekraftwerk (1.000 g CO2 pro kWh) und deutlich schlechter als ein modernes Braunkohle- oder halbwegs modernes Steinkohlekraftwerk.“ Vielen Dank für den klasse und schockierenden Beitrag, aber jetzt müssten Sie mir bisserl rechnen helfen, damit ich es verstehe: Das Gaskraftwerk erzeugt pro kw/h Strom 330g CO2 + 123g CO2 vorgelagert + 4% Gesamtmethanschlupf – ergibt das die 900mg CO2? Also die… Mehr

Frank Hennig
5 Jahre her
Antworten an  Rolfo

Der Schlupf bezieht sich anteilig auf die CO2-Emissionen von insgesamt 453 g/kWh, davon 4% mit 25facher Klimawirkung.

Rolfo
5 Jahre her
Antworten an  Frank Hennig

danke!

Bambu
5 Jahre her

Das ist sehr aufschlussreich. Es wäre schön, wenn Sie Herr Hennig uns in gleicher Weise noch einmal über die Energiebilanz von Solar- und Windkraftanlagen erhellen würden.
Betrachtet man das Thema in allen Facetten, dann hilft nur eines, nämlich weniger Verbrauch. Diese Variante findet man aber überhaupt nicht in den öffentlichen Debatten, wohl auch deswegen nicht, weil dann die Steuereinnahmen und das Geschäft der Energiekonzerne wegbrechen würde.
Insofern ist die ganze Debatte nur eine Scheindebatte, um politisch die Möglichkeit der Steuererhöhung und Strafzahlungen für die „bösen Umweltsünder“ aufrecht zu erhalten.

Archophob
5 Jahre her
Antworten an  Bambu

Statt auf weniger Energieverbrauch kann man auch auf weniger Materialverbrauch setzen: 1 Gramm Uran-235 liefert so viel Energie wie 2,7 Tonnen Kohle oder 100 Kubik-Kilometer bewegte Luft…

Albert Pflueger
5 Jahre her

Schöner Artikel, der lediglich eines, vermutlich absichtlich, nicht erwähnt: „Klimaschutz“ ist Blödsinn. Er ähnelt darin dem Sozialismus. Genau wie dieser setzt er voraus, daß alle mitmachen. Das hat weder beim Sozialismus noch bei irgendeiner anderen Ideologie jemals funktioniert. Unabhängig davon, ob die Ursache der Klimaänderungen mit CO2 richtig erkannt ist oder nicht (ich bin für „oder nicht“!), ist das Scheitern der Klimareligion so sicher, wie das Amen in der Kirche. Seltsamerweise haben die Anhänger dieser Glaubensrichtung offensichtlich keinen Plan B, obwohl jeder, der es wissen will, wissen kann, daß weltweit die mehrfache Zahl an Kohlekraftwerken im Bau ist, als hier… Mehr

Petra-Karin
5 Jahre her
Antworten an  Albert Pflueger

Klimaschutz ist Blödsinn: Die Erderwärmung ist minimal und wird wieder abnehmen.
Aufschlußreiche statistische Erhebungen über CO2 und Erderwärmung: Die eiskalte Wahrheit über die Erde:

https://www.youtube.com/watch?v=Tt0vqE51aKo

Britsch
5 Jahre her

Davon leben Viele sehr gut.
Es gibt immer mehr die ebensogut oder lieber noch besser davon leben wollen,
auf Kosten der Anderen

jansobieski
5 Jahre her

In einem Land der Dichter und Denker sollte das Thema des naturwissenschaftlichen Unterrichts an Gymnasium sein, so dass die Schüler gegen Indoktrinierungen durch selbst ernannte Propheten resistent werden.

89-erlebt
5 Jahre her

wir dürfen zudem dieser Tage wieder Jubelmeldungen zum hohen Anteil der Erneuerbaren bei der aktuellen Stromerzeugung hoffen, hat doch Reiner Zufall in den vergangenen Tagen reichlich Wind ins Land geschickt. Ob bei dem Jubel auch erwähnt wird, dass von diesem Strom massiv zu den Nachbarn abgegeben werden musste, die Nachbarn sich die Abnahme noch teuer bezahlen lassen, auch wenn der Strompreis gegen Null , anteilig sogar im negativen Preisbereich ausgewiesen wurde ? Wo bitte bleibt in diesem Zusammenhang eigentlich die Gutschrift für die hiesigen Stromkunden ?

benali
5 Jahre her

Herr Henning, herzlichen Dank für eine weitere Lehrstunde in Sachen Klima**.

Die Wahrheit wird viele GrünInnen und auch die Masse der Umweltpolitiker der anderen Parteien aber weder erreichen noch interessieren, denn die Wahrheit zerstört das über alles geliebte Narrativ.

Trotzdem: In Ihren eröffnenden Beschreibungen sollten Sie etwas Ähnliches wie einen Beipackzettel für Medikamente integrieren, sozusagen als „Rückversicherung“, denn es könnte ja immerhin sein, dass GrünInnen aus Versehen Ihren Beitrag lesen und schwerste Traumata erleiden…

Hadrian17
5 Jahre her

Energie an sich ist ein Wert, der nicht zu unterschätzen ist. Braunkohle, die nicht gefördert wird, ist eine Ressource für schlechtere Zeiten. Gas, das bezogen wird, ist ein Wirtschaftsfaktor im internationalen Handel. Kauf ich Dein Gas, kaufst Du was anderes. Bekommen wir Probleme, kann ich immer noch die Braunkohle ausbuddeln … . Habe ich dagegen nichts mehr in der Hinterhand, sieht es im Fall des Falles übel aus. Also nutzen wir die Gunst der Stunde und schonen die Vorräte. Methanverlust – ein technisches Problem. Das sollten wir doch mit ein paar Dichtungen hinbekommen, wenn wir uns zur Abwechslung mal MINT… Mehr

5 Jahre her

Danke für die belastbaren Zahlen zum Kohle-Erdgas-Vergleich! Warum findet man soviel Objektivität beinahe nur bei TE/Hennig? Keine der großen MSM-Blätter hat die Gasfrage im Zusammenhang mit Nordstream 2 und LNG einmal ordentlich recheriert, dafür aber viel Trompeterei zur Geopolitik. Wie schrieb M. Haferburg auf der ACHSE: ich fühle mich durch die MSM eigentlich gut informiert, bis auf die Gebiete, von denen ich etwas verstehe. Wie wahr!