Nach dem Klima-Urteil gegen Shell kommt wohl die Chemieindustrie an die Reihe

Das niederländische Gerichtsurteil gegen Royal Dutch Shell legt nahe, dass man dort ebenso wie im Bundesverfassungsgericht über den Verbleib des CO2 in der Atmosphäre nicht gut bescheid weiß. Doch der Erfolg der Kläger wird Nachahmer auf den Plan rufen. Bald könnte die deutsche Chemieindustrie dran sein.

IMAGO / ANP
Kläger Donald Pols (links) von "Milieudefensie" mit Anwalt Roger Cox nach Urteil gegen Royal Dutch Shell

Ein niederländisches Gericht in den Haag hat den Ölkonzern Royal Dutch Shell auf Grund der Klage von sieben Umweltschutzverbänden und zahlreichen Bürgern verpflichtet, den CO2- Ausstoss nicht nur in der Produktion, sondern auch bei den Öl -, Kraftstoff- und Gaskunden um 45 Prozent bis 2030 zu verringern.

Der Tenor des Urteils erinnert stark an die Argumentation des deutschen Bundesverfassungsgerichts. So heißt es in Ziffer 2.3.1 des Urteils: „CO2 wird in die Atmosphäre emittiert, wo es für hunderte von Jahren oder sogar länger verbleibt“, ein Sachverhalt der hochumstritten ist, wie ich unten ausführen werde. Die Aufnahme durch Ozeane und Pflanzen stellt das Gericht zwar fest, allerdings „wird die Aufnahme ständig kleiner wegen der Waldzerstörung und der Erwärmungen der Ozeane“.

Das ist dann genauso falsch wie die Begründung des Bundesverfassungsgerichtes, ich erinnere an diese grandiose Fehlleistung des Gerichtes: „Nur kleine Teile der anthropogenen Emissionen werden von den Meeren und der terrestrischen Biosphäre aufgenommen“. Die Aufnahme von CO2 in die Ozeane steigt entsprechend den physikalischen Gesetzen mit der CO2 Konzentration in der Luft. Ebenso ist die Aufnahme der Pflanzen angestiegen, da sie dem erhöhten CO2- Angebot folgend mehr CO2 aufnehmen und stärker wachsen.

Neuer Geschäftszweig für NGOs?
Urteil in Den Haag gegen Shell: Verstoß gegen "globale Klimaziele"
Von den 2019 ausgestoßenen anthropogenen 5 ppm werden 55 Prozent von Ozeanen und Pflanzen aufgenommen. Da 1 ppm 7,8 Gigatonnen CO2 entspricht, werden also 39 Gigatonnen emittiert und 21,45 Gigatonnen von Ozeanen und Pflanzen aufgenommen. Das ist selbst im letzten IPCC-Bericht auf Seite 471 nachzulesen. Ganz wichtig für das Verständnis ist – und ich habe ernsthafte Zweifel, ob die holländischen und deutschen Richter das verstanden haben –, dass die zusätzliche Aufnahme des CO2 durch Ozeane und Pflanzen proportional zur Konzentrationszunahme des CO2 in der Atmosphäre gegenüber 1860 verläuft und nicht proportional zur jährlichen Emission. Denn man kann davon ausgehen, dass vor 1860 das CO2 in der Luft, in den Ozeanen und in den Pflanzen sich in einem Gleichgewicht befand.

Die Aufnahme hängt also ab von dem Unterschied der aktuellen Konzentration in der Atmosphäre (aktuell 419 ppm) gegenüber der vorindustriellen Zeit (280 ppm) und nicht von der Höhe der Emission (aktuell 5 ppm). Das bedeutet aber auch, dass bei einer Emission, die dem heute erreichten Senkenfluss von 21,45 Gigatonnen entspricht, kein CO2 Anstieg mehr erfolgt. Das CO2-Budget wäre also unbegrenzt, wenn die 21,45 Gigatonnen eingehalten werden und es gäbe keinen weiteren Anstieg der CO2-Konzentration. Anders ausgedrückt: Bei einer Halbierung der Emissionen wäre die Katastrophe abgesagt und die CO2 Konzentration sinkt sogar leicht.

Wer die Berechnungen nachvollziehen will, kann das in einer Arbeit von Kees Le Clair tun. Le Clair zeigt, dass selbst bei einer jährlichen Reduktion der globalen Emission um nur 1,5 Prozent die vom IPCC als kritisch angesehenen 450 ppm niemals überschritten werden.

Die folgende Grafik des global carbon projects zeigt die Dynamik der Quellen und Senken. Würde man die obere Hälfte (Emissionen) um 50 % absenken, würde die dunkelblaue und grüne Fläche bestehen bleiben und die Konzentration in der Luft (hellblau) leicht sinken.

Die Halbwertszeit des CO2 in der Luft beträgt 37 Jahre

Wissenschaftliche Unsicherheiten
Das Verfassungsgerichtsurteil zum Klimaschutz stützt sich auf fragwürdige Quellen
Die vom IPCC eingeführten Emissionsbudgets, die die Gerichte übernommen haben, führen völlig in die Irre und sind unwissenschaftlich, weil sie die immer noch wachsenden Senken ignorieren. Dies wäre zutreffend, wenn der IPCC nachweisen könnte, dass die Senken in absehbarer Zeit versiegen. Das kann das IPCC aber nicht, denn die Ozeane haben noch ein gigantisches Speichervermögen. In den arktischen und antarktischen Breiten sinken jährlich eine Million Kubikkilometer sehr salzhaltigen Meerwassers mit mehr als 100 Milliarden Tonnen CO2 in die Tiefe, um dann wieder in niedrige Breiten zurückzuströmem und erst nach mehreren hundert Jahren (400 im Atlantik, 1000 Jahre im Pazifik wieder aufzutauchen. Da ist keine Sättigung in Sicht.

Das Gericht in Den Haag macht dann im nächsten Schritt den gleichen Fehler wie das BVG, wonach „es einen direkten Link zwischen menschengemachten CO2-Emissionen… und der globalen Erwärmung gibt.“ (Ziffer 2.3.2)

Die Abbauzeit des CO2 lässt sich relativ einfach berechnen. Teilt man die gegenüber dem Ausgangszustand (280 ppm) anthropogen erzeugte CO2-Konzentration eines Jahres durch den Abbau (durch Aufnahme in Ozeane und Pflanzen) in dem jeweiligen Jahr, so erhält man die Abbauzeit, in der der Ausgangswert auf einen Wert von 1/e (36,79 Prozent) abgeklungen ist. Sie betrug 1959 insgesamt 55 Jahre (34 ppm : 0,64 ppm) und 2019 etwa 50 Jahre (130 ppm : 2,6 ppm). Um die Abbauzeiten mit den Halbwertszeiten des IPCC vergleichbar zu machen, müssen diese mit dem Faktor ln 2 (0,6931) multipliziert werden. So erhalten wir eine Halbwertszeit von 38 Jahren in 1959 und 35 Jahren in 2019. Es zeigt sich eher eine Verringerung der Halbwertszeiten, was im Einklang steht mit der deutlich angestiegenen Photosyntheseleistung der Pflanzen. (Quelle: Unerwünschte Wahrheiten, Kap.9, S. 108). Kees Le Clair kommt in seinen Berechnungen auf 37 Jahre.

In 2.3.4 rechnet das holländische Gericht vor : „Globale Emissionen befinden sich bei 40 Gigatonnen CO2 pro Jahr… Jedes Jahr, in dem die globalen Emissionen sich auf diesem Niveau befinden, verringert das globale Budget um 40 Gigatonnen.“ Nach Rechnung des Gerichtes haben wir nur noch 12 Jahre, um das 1,5 °C Ziel nicht zu brechen. Das hatten wir schon von Greta gehört.

Wann stehen endlich die ernstzunehmenden Klimaforscher auf und beenden diese Klippschulen-Rechnerei?

Die Folgen

Das Gericht leitet dann aus dem 1,5° C Report des IPCC (wonach weltweit die Emissionen bis 2030 um 45 Prozent sinken werden – sie werden aber dank Chinas, Indiens und der sich entwickelnden Welt eher um 10 % steigen) die Verpflichtung gegenüber Shell ab, die CO2-Emissionen der gesamten Wertschöpfungskette des Unternehmens um 45 Prozent bis 2030 (Basis 2019) zu reduzieren.

Das einzig tröstliche an dem Shell-Fall ist, dass offenbar andere Länder eine ähnlich „bekloppte“ (Sigmar Gabriel) Klimapolitik machen wie Deutschland. Das Appeasement, das Shell schon seit geraumer Zeit in Sachen CO2 an den Tag legt (wir stehen voll hinter den Pariser Abkommen, wir wollen bis 2050 um 45 Prozent CO2 reduzieren), und selbst die großzügige Finanzierung von Klima-NGOs hat Shell nicht genutzt. Insofern hält sich unser Mitleid in Grenzen.

Die Argumentation hält keinen Tag
Bundesverfassungsgericht hebt Grundgesetz zu Gunsten der Klimapolitik auf
Erst, wenn es den Firmen an den Kragen geht, erwachen die Manager vom wohlfühligen Mitschwimmen im Mainstream. Jetzt meldet sich sogar Herr Brudermüller zu Wort, CEO der BASF, der bislang eher dadurch aufgefallen ist, dass er auf grünen Parteitagen das grüne hohe Lied gesungen hat. Nun kommt auch er zum Ergebnis, dass der Ersatz fossiller Rohstoffe zu einer Vervielfachung des Strombedarfs führen wird: „Für unseren Standort Ludwigshafen wird er sich verdreifachen“. Zur Erinnerung: Die BASF in Lugwigshafen verbraucht schon heute eine Strommenge wie ganz Dänemark.

Als die Kernenergie stillgelegt wurde, schwiegen die Manager, als die Stromindustrie auseinandergenommen wurde, kam kein Protest, als die Automobilindustrie ihrer Grundlagen beraubt wurde, ebenso Schweigen. Nun geht es um die Chemie und die Petrochemie, den Kern jeder Industriegesellschaft. Die deutsche chemische Industrie ist die größte in Europa und liegt weltweit hinter China , USA und Japan an der vierten Stelle. 464 000 Arbeitsplätze gibt es hierzulande in 2000 Unternehmen der Chemieindustrie, mit Zulieferern eine Million hochwertige Arbeitplätze.

Schauen Sie sich um in Ihrem Umfeld, um zu entdecken, worauf man verzichten würde ohne Petrochemie, ohne Pharmaka, ohne Handy-Bildschirm, ohne Kabelummantelung, Dämmstoffe, Kosmetika, Farben, Lacke, Beschichtungen, Kunstfasern, Klebstoffe, Wasch-und Reinigungsmittel. Und stellen Sie sich vor, es müsste aus Wasserstoff aus Windmühlen produziert werden. Ist das realistisch? Nach der Strommangelwirtschaft mit Abschaltungen droht die Chemiemangelwirtschaft mit dreimal so teuren Produkten – oder auf Bezugsschein.

Denn eines ist klar: Nach dem Urteil von Den Haag werden die Deutsche Umwelthilfe, FFF und Greenpeace versuchen, auch der Deutschen Chemieindustrie per Gerichtsbeschluss den Garaus zu machen.


 

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Kommentare ( 57 )

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Martin Mueller
2 Jahre her

„Wenn der Wahnsinn erst mal Fuß gefasst hat, wird er ungeniert behaupten, er sei die Normalität.“, Sir Karl Popper.

Und so ist es heute tatsächlich….

Martin Mueller
2 Jahre her

Warum sollten die so drangsalierten Konzerne eigentlich noch in Holland oder Deutschland überhaupt etwas produzieren?

Warum sollten sie nicht darüber nachdenken, in Ländern zu produzieren, wo der Wahnsinn noch nicht regiert?

Maja Schneider
2 Jahre her

Man hätte meinen können, nur Deutschland lebe im postfaktischen Zeitalter – die Kanzlerin hatte es vor einigen Jahren so proklamiert – aber weit gefehlt, auch in den Nachbarländern grassiert ein solches Virus inzwischen, das wohl offensichtlich weitreichendere Folgen hat als das aus der Coronafamilie.

te1234
2 Jahre her

Wenn die deutsche Chemieindustrie genauso im eigenen Saft geschmort und die Trends verpennt hat wie unsere Autospezies, dann hat sie es verdient. Dann werden sie vom Markt oder per Gesetz von rechts überholt.
Nicht schön, aber leider wahr.

Stefan L.
2 Jahre her
Antworten an  te1234

Das was Sie Trend nennen, ist von A bis Z nicht zu Ende gedacht…
Aber gut, Hauptsache man fühlt sich gut, auch wenn man von den Dingen keine Ahnung hat.

Pitt Arm
2 Jahre her

Royal Dutch ist doch zur Hälfte britisch, soweit ich informiert bin. Der Firmensitz wäre schnell verlegt, hatte doch Procter & Gamble glaube ich ähnlich gemacht. Also: Nix wie raus aus dieser „Green Deal“ EU. Die verbleibende Produktion sollte dann einfach auf solche Länder in der EU entfallen, in denen die Bedingungen noch akzeptabel sind. Die anderen Werke dichtmachten. Dann schauen wir mal, wie toll man die große Transformation dann noch findet.

Herbert
2 Jahre her

Rafael, schauen Sie mal bei Cameco vorbei. Über 80% in den letzten 12 Monaten.

GP
2 Jahre her

Die Gerichte folgen nur dem Irrsinn den der Gesetzgeber losgetreten hat. Nur eine Kehrtwende in den Parlamenten, bei der Gesetzgebung kann den Irrsinn noch stoppen. Letztendlich ist der Wähler gefragt, wenn aber weiter stur die grüne Einheitspartei CDUCSUSPDFDPGRÜNE gewählt wird sind solche Richtersprüche vorprogrammiert. Der Bürger bekommt was er wählt, auch von Seiten der Justiz, wer grün wählt findet sich halt im grünen Sumpf wieder….

November Man
2 Jahre her

Es gibt keinen vernünftigen Grund warum wir versuchen sollten, das bisschen Co2, gerade mal winzige 0,038% in der Luft weltweit, für uns Menschen lebensnotwendige Co2 in der Luft zu senken. Das in sanften Wellen verlaufende, völlig natürliche Klima läuft, es läuft auch noch in Milliarden von Jahren, niemand kann das Klima beeinflussen, verändern oder gar stoppen. Keine Gericht, nicht der selbsternannte Klimarat IPPC und schon gar nicht die Grünen. Der Klimawandel-Hyp ist das gleiche Geschäft mit der Angst der Menschen wie die Corona-Spinnerei. Der ganz Unfug ist und bleibt nur ein politisches, wirtschaftliches und finanzielles Geschäft für vielseitige Profiteure zum… Mehr

elly
2 Jahre her

und weiter gehts:“Schlechte Luft in vielen StädtenEuGH verurteilt Deutschland wegen zu hoher Stickoxid-WerteIn vielen deutschen Städten wurden jahrelang Stickoxid-Grenzwerte überschritten. Die Bundesrepublik hat damit EU-Recht gebrochen, entschied nun der EuGH.“ https://www.spiegel.de/auto/eugh-verurteilt-deutschland-wegen-zu-hoher-stickoxid-werte-a-0fb0e38a-198c-4613-aacb-996fe9324648

Fabian S.
2 Jahre her
Antworten an  elly

Auch beim EuGH sitzen doch nur eingesetze politische Richter, die sich nebenbei noch die Taschen voll machen! Wie wir ja jetzt wissen aus dem Corono-Lockdown ganz am Anfang, dass der Autoverkehr nichts mit den Stickoxid-Werten zu tun hat. Aber diese „Richter“ sind sich nicht zu schade dieses Märchen weiter zu erzählen.

November Man
2 Jahre her

Bislang hat noch niemand glaubhaft bewiesen, dass das für das Leben auf der Erde existenziell lebensnotwendige Spurengas CO2 für das Klima, Menschen, Pflanzen oder Tiere schädlich ist.
Wenn die Grünen, Gerichte oder der selbsternannte Weltklimarat der IPCC das mal nachholen würden.
Können sie aber nicht, denn es wäre eine weitere Klimalüge der Klima-Lügner.