Bahnstreik: Klassenkämpfer im Beamtenbund

Was auch immer am Ende der Streikwelle herauskommt, sie hat das Vertrauen in die Bahn weiter ruiniert, falls das überhaupt noch möglich ist.

Gewerkschaftsboss Claus Weselsky fügt der Bahn und auch der Tarifautonomie schweren Schaden zu. Schon richtig, dass sich der Staat nicht einmischen darf. Aber hier geht es schon lange nicht mehr nur um Arbeitszeiten und Arbeitsbedingungen, sondern um Machtmissbrauch. Weselsky ist das Ansehen der Bahn egal, er schießt mit seiner Kompromisslosigkeit über die Grenzen jeder Vernunft.

I.

Das Verständnis für und die Geduld mit der GdL ist gerissen. In der Öffentlichkeit wird die Tatsache kaum diskutiert, dass diese „Gewerkschaft“ dem Deutschen Beamtenbund angehört. Sie tritt wesentlich aggressiver auf als die Eisenbahnergewerkschaft im eigentlich „linken“ Deutschen Gewerkschaftsbund. Weselsky ist Mitglied der CDU, auch dies ein Faktum, das in der Debatte meist unterschlagen wird. Dabei muss die Frage erlaubt sein, ob die egomanische Besessenheit des Hochdruckfunktionärs, die kein Filmregisseur klischeehafter erfinden könnte, mit den Werten seiner Partei vereinbar ist. Sein Verhalten widerspricht dem Sinn der Tarifautonomie. Es geht ihm nicht um Ausgleich unterschiedlicher Interessen, sondern um schlichte Erpressung auf dem Rücken der Bahnkunden. Warum versagt das Prinzip der Tarifautonomie ausgerechnet bei den in der Tradition des Beamtentums stehenden Lokführer und Schaffner (beziehungsweise Zugbegleiter)? Es sieht so aus, als litten sie noch immer unter dem Verlust des Beamtenstatus und könnten nicht akzeptieren, dass die Bahn zwar immer noch irgendwie ein Staatsunternehmen ist, aber doch wie eine Aktiengesellschaft geführt wird. Den Verlust kompensieren sie mit haltlosen Forderungen. Diese Streikwelle fühlt sich an wie Rache daran, dass die Bahn keine Behörde mit angeschlossenem Fahrbetrieb mehr ist. Deshalb führt sich die kleine GdL besonders klassenkämpferisch und hemmungslos auf. Klammheimlich träumt Weselsky von der Verbeamtung der Lokführer. Das würde er nie zugeben, weil dann das Streikrecht futsch wäre und die 35-Stunden-Woche Illusion. Aber dass die Bahnkunden sich nach solchen Zuständen zurücksehnen, das ist beabsichtigt.

II.

Von sozialer Marktwirtschaft hat das DDR-Gewächs Weselsky nichts verstanden. Er tut so, als wäre er der bessere Vorstandsvorsitzende nur eben im Kostüm eines Arbeiterführers. Das desolate Management macht es ihm leicht. Der neunköpfige Vorstand kassiert zusätzlich zum Grundgehalt von insgesamt rund vier Millionen Euro neun Millionen Euro an Boni für 2022 – trotz des Dasasters einer unzuverlässigen, unpünktlichen, in Teilen dysfunktionalen Bahn. Das ist obszön, eine Verhöhnung der Eigentümer der Bahn, der Steuerzahler, und wird nicht dadurch besser, dass diese Zusatzvergütungen 2023 wegfallen. Das Verhalten der Bahnspitze ist nicht weniger dreist als die einfach nur verrückte Forderung nach der 35-Stunden-Woche in Zeiten extremen Fachkräftemangels. Weselsky erweckt den Eindruck, als seien sein eigentliches Streikziel nicht bessere Arbeitsbedingungen und mehr Geld, sondern die Entlassung des Vorstands. Darüber ließe sich reden – aber es ist ein Missbrauch des Streikrechts. Unfähige Figuren an der Spitze der Bahn aber kann nur die Regierung entlassen, nicht eine Gewerkschaft.

III.

Die GdL wird, falls sie sich durchsetzt, zur Untüchtichkeit der Bahn eine Menge beigetragen haben. Sie treibt die Kostenspirale weiter an und die Leute zurück ins Auto. Am Ergebnis der „Verhandlungen“ wird sich am Ende auch die viel größere Eisenbahner- und Verkehrsgewerkschaft orientieren. Die Existenzberechtigung der GdL hängt davon ab, dass sie bedingungsloser auftritt als die Gewerkschaftskonkurrenz. Dieser Wettbewerb ruiniert letztlich die Tarifautonomie.

IV.

Und der Quälgeist Weselsky? Er hat sich unter Erfolgsdruck gesetzt und dabei selbst ein Bein gestellt. In einem Interview hatte er versucht, der Öffentlichkeit zu verschweigen, wie weit ihm die Bahn bereits entgegengekommen war. Was er nun verharmlosend „Denkfehler“ nennt, war eine dreiste Lüge. Ginge es nach fairen Regeln zu, wäre der Mann unhaltbar. Er hält sich nur an der Spitze, weil er ruchloser und rücksichtsloser auftritt als alle anderen Gewerkschaftsführer. Seine Leute folgen ihm, obwohl sie den autoritären Anführer alles andere als sympathisch finden. Er ruiniert ja auch ihr Ansehen. Sein Vorgänger Schell legte vor Jahren schon aus Protest den Ehrenvorsitz der GdL nieder. Das großkotzige, sich und seine Organisation überschätzendes Auftreten Weselskys macht ihn vielleicht in den Annalen der GdL unsterblich. Im öffentlichen Bewusstsein wird er als Heimsuchung in Erinnerung bleiben. Einen wie ihn stört das nicht. Er geht ja demnächst in Rente und muss sich für den Schlamassel nicht mehr rechtfertigen.


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Kommentare ( 55 )

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kurowski
6 Monate her

Forderungen der Lockführer sind völlig unangebracht und bezschleunigen den Verfall Deutschlands Besser, die geforderten 12 % vom Gehalt abziehen bis die Bahn endlich pünktlich fährt. Eine Arbeitszeitreduzierung ist völlig aunzeitgemäß. Erhöhung der Arbeitszeit wäre angebracht. Deutschland ist das einzige Industrieland der Welt in einer Rezession. Wieder legt eine kleine wichtigtuerische Gewerkschaft die gesamte deutsche Logistik lahm. Streik war mal als letztes Mittel erdacht, um Elementarversorgung zu erzwingen, niemals jedoch zur Bereicherung schon überversorgter Berufsgruppen wie Lok-Führer und Piloten (120 000 € – 200 000 €/anno) . Wehren könnte sich die Bahn mit Auflösung des Lokführerberufs. KI sollte es endlich möglich… Mehr

aaa007
6 Monate her
Antworten an  kurowski

sorry: „überversorgt“ kann ich nicht nachvollziehen. Die Gehaltsspanne der deutschen Lokführer liegt zwischen 2.701 und 3.825 EUR d.h. 45.900 im Jahr, was noch draufkommt, weiß ich nicht (Zulagen, Weihnachtsgeld, Schicht). Quelle: oeffentlichen-dienst.de.

kurowski
6 Monate her
Antworten an  aaa007

Wieso 35 Stunden statt Erhöhung auf 40 Stunden. Wäre Beitrag gegen den wirtschaftlichen Abstieg Deutschlands und Verbesserungsmöglichkeit der Pünktlichkeit. Anstrengung kommt beim Lokführer längst nicht mehr vor. Leisten weniger als ein Kraftfahrer (müssen nicht lenken) und nur regelmäßig einen Knopf drücken, um der Maschine zu melden, dass sie noch nicht eingeschlafen sind (kein Satire ! reale Arbeitsbeschreibung)

aaa007
6 Monate her

ich bin leider anderer Auffassung, als der Autor. Ich kenne Herrn Weselsky zwar nicht persönlich, aber was ich von ihm kennengelernt habe, zeigt, dass er ein ausgezeichneter Gewerkschafter ist, der eigentlich vor vier Jahren in den Ruhestand gehen wollte. Die magere Gehaltsverhandlung von vor Corona wurde nicht revidiert. Schon in dem Tarifstreit damals sah die Führung der Bahn gar nicht gut aus. Glänzte hauptsächlich durch Ignoranz und Überheblichkeit. Wenn man Herrn Weselsky zuhört, erläutert er auch ganz genau, warum diese Gewerkschaft etwas fordert. Z.B. soll die Forderung nach der 35 Stundenwoche den Beruf des Lokführers attraktiver machen; ist das nicht… Mehr

Eberhard
7 Monate her

Wer Hoheitsrechte und andere eigentlich staatliche Dienstleistungen privatisiert, darf sich nicht wundern, dass diese nun ganz normalen Arbeitnehmer ihre Rechte im Tarifstreit dann auch voll ausnutzen. Da sind doch nicht einmal unsere gewählten Vertreter besser, die gleich selber ihre Erhöhungen selber festlegen. Wer dann noch die Vorstände mit abgehalfterten Politikern besetzt, statt mit Fachleuten, ist dazu noch unfähig Facharbeit auch nur einzuschätzen. Wobei am Fachkräftemangel auch nicht das Volk, sondern die angeblich für das Volk arbeitende Politikelite schuld bleibt. Denn sie haben die dafür notwendigen Bildungs- und Tarifstaffelung über Jahre nicht den Erfordernissen angepasst. Wem Gendern und andere woke Sprach-… Mehr

Altchemnitzer
7 Monate her

so wie Wesselsky muß ein Gewerkschaftler sein. Hart und kompromißlos- Viele Arbeitnehmer und ja auch Beamte wären froh, wenn sie so vertreten würden. Letztendlich haben ja nicht die Lokführer diese gewaltige Inflation losgetreten, die Bahnkunden allerdings auch nicht. Da geht halt nur die Meethode des Wesselsky. Die Geschichte mit dem Irrtum hätte er allerdings lassen können. Augen zu und durch.

Marco Mahlmann
7 Monate her

Kritisieren Sie jemanden dafür, daß er ein Grundrecht wahrnimmt? Das scheint seit den Angriffen auf die Protestanten gegen die Corona-Maßnahmen in Mode zu sein. Richtig oder legitim wird es dadurch nicht.

littlepaullittle
7 Monate her

„Ansehen der Bahn….“
Der ist lustig.
Dem Ansehen der Bahn kann nicht mehr geschadet werden, da es bereits seit Jahrzehnten auf dem absoluten Nullpunkt liegt.
Das schaffte „Die Bahn“ als Firma alleine – ohne einen Herrn Weselsky.
Herr Weselsky ist Opposition. (Nach seinem Merkel-Parteibuch eher nicht.)
Aber es ist gut, wenn Menschen den Begriff der Opposition, mit den ihnen zur Verfuegung stehenden Mitteln, begreifen. Legale und legitime Mittel – und kein Oeko-Terrorismus.
Inzwischen will man echte Opposition mit allen Mitteln unterdruecken.
Danke Herr Weselsky !

NochNicht2022
7 Monate her

Klingt zuerst einmal nach Populismus, auf Claus Weselsky „draufzuhauen“. – Aber der Reihe nach: Die Vorstände der Bahn arbeiten seit Jahrzehnten miserabel das trifft sich also auch zur aktuellen TE-Einschätzung. Das größere Übel ist aber der Aufsichtsrats der Aktiengesellschaft seit der Umwandlung des Staatsunternehmens. Hier werden Zielvorgaben wie z.B. „Erhöhung Frauenquote in Führungspsoitionen“ höher bewertet als etwa die Verbesserung der Bahninfrastruktur und der Service- inkl. Pünktlichkeitsorientierung der Bahn. Ein unsäglicher Nonsense … Zurückzuweisen ist auch die plötzliche Titulierung „als die einfach nur verrückte Forderung nach der 35-Stunden-Woche in Zeiten extremen Fachkräftemangels“. Vom Prinzig richtiger und wichtiger Hinweis, aber: über 60… Mehr

Mausi
7 Monate her
Antworten an  NochNicht2022

Na, zur Faulheitssauerei gehört auch, dass jeder inzwischen Abitur macht und damit 13 Jahre zur Schule geht. Und dazu gehören auch all die Studenten der Schwafelfächer, die damit noch mehr Arbeitszeit durch den Schronstein jagen dürfen.
Aber die Alten, die Babyboomer, die ja viel eher mit 16 oder 17 das Arbeiten angefangen haben, als der jetzige Nachwuchs – Jugendlicher bis 29 (!) – denen wird vorgeworfen, „schon“ faul in Rente zu gehen.

NochNicht2022
7 Monate her
Antworten an  Mausi

Danke für die Rückmeldung. Das mit der derzeitigen geschilderten Gymnasial- und Universitäts“sitution“ trifft voll zu. Das wurde aber von den Bürgern (Motto: Der Nachwauchs soll es noch „besser“, sprich „fauler“ haben) in den letzten 30, 40 Jahren genauso „herbei“ gewählt und – das ist noch entscheidender – bis heute tagtäglich ostentativ „vorgelebt“. – Das ändert aber überhaupt nichts an der Lagebeurteilung. Einzig: Es wird in den nächsten 10 bis 20 Jahren noch „schlimmer“ (fauler), Bsp. „Junge Grünen-Chefin spricht sich bei Lanz für 4-Tage-Woche aus – gern auch noch weniger!“ (Nius vom 7.3.2024 10.12 Uhr.)

Michaelis
7 Monate her

In nicht wenigen Kommentaren hier spiegelt sich ein Phänomen wider, das mich immer wieder sprachlos macht. Werden (deutsche) Flug- oder Bahngäste befragt, die wegen (irrer) Streiks auf Bahnhöfen und Flughäfen hilflos herumirren, dann reagieren die meist mit Apathie und Resignation, manchmal sogar mit vollem Verständnis ihrer Peiniger, den Gewerkschaften und ihren teils maßlosen und hochaggressiven Forderungen. Bemerkenswert deshalb, weil es hier um „Konflikte“ nicht zwischen zwei sondern zwischen DREI Parteien geht!!!

Michaelis
7 Monate her

Die sog. „Tarifautonomie“ missbrauchen und die Bahn erpressen auf Kosten ihrer Kunden – das macht ja inzwischen nicht mehr nur dieser Weselsky, sondern andere Gewerkschaften gleichermaßen! So geht es nicht mehr weiter, die Gesetzgebung muss hier dringendst reformiert werden!!! Ich kopiere einen Kommentar, den ich an anderer Stelle bei TE schon einmal geschrieben hatte: Diese „Streiks“ laufen völlig aus dem Ruder! Und sie belasten nur diejenigen nicht, die das Chaos verursachen – eine totale Schieflage!! Man kann das Gequatsche nicht mehr hören, von wegen „Rechte von Reisenden“ usw. Da soll man sich dann an die Flug- und Bahngesellschaften wenden, um… Mehr

Michael Palusch
7 Monate her
Antworten an  Michaelis

Genau! Die einen verbieten Streiks und die anderen Demonstrationen.
Willkommen in der neuen Demokratie!

R. Biel
7 Monate her

Früher, als der gesunde Menschenverstand in Deutschland noch die Oberhand hatte (Vormerkelzeit), hätte ich den Artikel so unterschrieben. Heute, wo sich Politiker oder Vorstände instinktlos und unverfrohren die Taschen füllen, die Politik die Faulheit auf die Weide treibt, müssen die Arbeitnehmer sich holen was sie kriegen können.