Weißrussland missbraucht die Migranten – und ein Teil Europas spielt mit

Die Polen schützen ihre Grenze, die auch die der EU ist, während sich ihre westlichen Nachbarn wegducken, in Abstimmungsprozessen befangen sind oder rundweg die Aufnahme von Grenzübertretern fordern – wie die Grüne Katrin Göring-Eckardt.

IMAGO / ITAR-TASS

Die polnischen Grenzschützer befürchten einen »größeren Zwischenfall«, den die weißrussischen Kräfte möglicherweise bei Kuźnica Bialostocka provozieren wollen, »möglichst mit Schüssen und Verletzten«. Am Mittag kam deshalb ein Krisenstab unter Präsident Andrzej Duda zu einer Krisensitzung zusammen. Der stellvertretende Außenminister Piotr Wawrzyk führte »Medienberichte« an, nach denen es bei Kuźnica den Versuch eines massenhaften Grenzübertritts gegeben habe.

Kolportiert wird nun, dass der große Migrantentreck entlang einer großen Autostraße zur Grenze, der in einigen Videos zu sehen war, das tat, um einen ordentlichen Grenzübergang zu benutzen. Das wäre vielleicht keine ungewöhnliche Idee, wenn man unterstellt, dass die Migranten über internetfähige Telefone verfügen und insofern über die Zeitläufte informiert sind. Vielleicht wollten sie nicht mehr als illegale Zuwanderer in die EU gelangen, sondern die Bedingungen der polnischen Seite erfüllen und an einem Grenzübergang ordentlich einreisen. Aber diese Sache war schon mit dem Flug nach Weißrussland anders entschieden. Jeder, der diese Reise antritt, macht sich zu einer Geisel im hybriden Grenzkonflikt Lukaschenkos.

Grüne kritisiert Polen
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Laut dem polnischen Geheimdienstkoordinator Stanisław Żaryn steht »diese riesige Gruppe von Migranten unter der Kontrolle von bewaffneten weißrussischen Einheiten, die entscheiden, wohin sie gehen darf und wohin nicht«. Am Morgen versuchte die Gruppe, entlang der Autostraße nach Kuźnica zu kommen, wurde aber von den weißrussischen Uniformierten am Ende in ein Waldstück abgedrängt. Regulärer Grenzübergang ist also nicht das Programm. Das Stürmen der polnischen Grenzanlagen dagegen schon. Das zeigen weitere Videos aus der Grenzregion, die von unabhängigen Nutzern und Blogs gepostet werden.

Daneben veröffentlichte auch das Verteidigungsministerium Videos, auf denen Migranten sich mit Spaten, kleinen Baumstämmen und Bolzenschneidern an einem polnischen Grenzzaun zu schaffen machen. Die polnischen Grenzer reagieren offenbar mit Pfefferspray – ein ziemlich moderates Mittel, das die Arbeiten kaum zu stören scheint.

Auch weitere Videos zeigen den Charakter des Konflikts an der Grenze. Teilweise wurden schon Breschen in den Zaun geschlagen, die die polnischen Soldaten im Schildkrötenmodus schützen mussten. Der Hubschrauber im Video versucht, die Migranten zu vertreiben. Er übertönt dabei kaum ihre Rufe – offenbar »German« oder »Germany«. Ihr Ziel ist damit eindeutig benannt. Man sieht, wie viele polnische Soldaten hier versammelt sind, um die Grenze zu sichern. Laut Angaben der polnischen Regierung sind an diesem Tag und dieser Stelle keine Migranten nach Polen gelangt.

Polen hat zusätzliche Soldaten in die Region verlegt. Mehr als 12.000 Soldaten sind inzwischen in Grenznähe stationiert, zusätzlich Anti-Terror-Einheiten. Auch Litauen will weitere Truppen in seine Grenzregion zu Weißrussland verlegen, um sich gegen ähnliche Vorfälle zu wappnen.

Letzten Endes sollen Putin und Erdogan hinter den Schleuserflügen stecken, wie der Vorsitzende der Bundespolizeigewerkschaft Heiko Teggatz nun gegenüber Bild sagte. Die Migranten werden demnach auch über Moskau und mit Hilfe der russischen Aeroflot und der Turkish Airlines geschleust. Inzwischen könnten laut Schätzungen 8.000 bis 22.000 Migranten in Weißrussland sein. Das Dreieck der Kooperation mit Russland und der Türkei wird umso plausibler, da der weißrussische Präsident gerade erst den Bund seines Landes mit Russland durch eine Unterschrift bekräftigt hat. Dass Erdogan hilfreich zur Seite steht, dürfte sich verstehen.

Reaktionen: Von KGE bis ADM – eine Fußnote

Was ist nun die Reaktion der EU, der deutschen Politik, der künftigen Koalitionäre auf das brisante Geschehen? Die EU-Kommission drängt angeblich auf einen Frontex-Einsatz, der die Durchsetzungskraft der polnischen Soldaten aber wohl kaum maßgeblich verstärken wird. Das ist auch gar nicht die Absicht der Kommission. Vielmehr könne Frontex zusammen mit der Asylagentur EASO und Europol die Registrierung ankommender Migranten übernehmen. Daneben arbeitet die EU an einer gemeinsamen Reaktion.

Da war Katrin Göring-Eckardt (KGE) schneller. Namens der grünen Partei verkündete sie, dass die Polen, erstens, ihre Grenzen gefälligst öffnen dürften und »menschenunwürdige« Zurückweisungen an der Grenze vermeiden sollten. Zweitens forderte Göring-Eckardt ein »Ja zur Solidarität«. Das ist der Habeck-Plan der Verteilung der Migranten in der EU in einer Nussschale. Göring-Eckardts Worte werden insofern nicht mehr bewirken als Habecks Idee. Allerdings drehen sich die Koalitionsverhandlungen auch um heikle Fragen wie die staatliche Alimentierung von Migranten – eine Front, an der die Grünen einen ordentlichen Aufschlag verlangen.

All das erinnert nicht nur an die Migrationskrise vom letzten Jahr, als Erdogan am Evros schon einmal versuchte, die Schengen-Zone mit Migranten zu überrennen. Es erinnert auch an den September 2015, als schon einmal Tausende »Flüchtlinge« Richtung Deutschland marschierten. Insofern fassen drei Bild-Schlagzeilen diesen 8. November 2021 treffend zusammen:

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Kommentare ( 53 )

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Konservativer2
2 Jahre her

Na ja, einige, die dafür bezahlt werden, raffen es erst jetzt…?

MedienPfosten
2 Jahre her

Beamte und sonstige Kostgänger des Staates sind direkte Konkurrenten von Sozialsystem- Migranten. Langsam fällt nun der Groschen, dass eine erodierende Mittelschicht beide auf Dauer nicht finanzieren kann.

HBS
2 Jahre her

Sowas gibt es nur in Gaga-Deutschland
„NGO „Sea Eye“ bringt rund 800 Migranten nach Sizilien“ – und die Links/Grünen jubeln,
Lukaschenko bringt auch einige 1.000 Migranten nach Europa und der Mann wird verdammt.

Das passt alles NICHT zusammen von der Logik und bevor man Weiss-Russland an den Pranger stellt, sollte man ersteinmal diese sogenannte deutsche „Hilfsorganisation“ juristisch belangen,

Wenzel Dashington
2 Jahre her

Der geschäftsführende Außenminister Heiko Maas sprach sich für Sanktionen gegen alle aus, die sich an der Schleusung von Flüchtlingen nach Belarus beteiligten. „Niemand sollte sich ungestraft an Lukaschenkos menschenverachtenden Aktivitäten beteiligen dürfen“, erklärte der SPD-Politiker. Dies gelte für Herkunfts- und Transitstaaten, aber auch für Fluggesellschaften, die den Transport von Menschen nach Belarus ermöglichten. Die Europäische Union sei bereit, „hier klare Konsequenzen zu ziehen“. Da fehlen mir einfach die Worte, ein Wunder, dass der noch nicht an seinen Phrasen erstickt ist.

country boy
2 Jahre her

„Trotz Forderungen aus Warschau lehnt die EU bislang die Mitfinanzierung eines Zaunes an der mehr als 400 Kilometer langen Grenze zwischen Belarus und Polen ab.“ Offensichtlich will die EU ihre Bürger nicht schützen. Beängstigend!

Poetenfan
2 Jahre her

Frau Baerbock wird als Außenministerin das Problem schon lösen. Europa und Deutschland versagen und lassen sich von Verbrechern an der Nase herumführen. Auch das gehört zum Vermächtnis einer Kanzlerin, die 16 Jahre lang gegen die Interessen unseres Land regiert hat. Ja, das hat sie geschafft. Sie schweigt sich nun aus, die Dame, und alle anderen mit ihr. Wie immer. Und die Banditen freuen sich über so leichtes Spiel. Putin, Erdogan und Lukaschenko werden dem woken Europa zeigen, wo es langgeht. Polen und Ungarn sind noch die letzten Bastionen, wo der Wille erkennbar ist, die letzten Überreste europäischer Identität zu retten.… Mehr

country boy
2 Jahre her

Der polnische Ministerpräsident fährt an den Ort des Geschehens und gibt eine Erklärung ab. Dass Politiker sich derart ihrer Verantwortung stellen, ist man von unserer Musterdemokratie gar nicht gewöhnt. Merkel und Co können sich ja immer gar nicht schnell genug wegducken.

WernerT
2 Jahre her
Antworten an  country boy

Er stellt sich auch dem Parlament. Gesterrn im Sejm (polnisches Parlament): Zuerst gab er eine umfangreiche Erklärung zur Situation und den Maßnahmen ab. Dabei sprach er einen ausdrücklichen Dank an die Grenzschützer aus, die nun wirklich keine leichte Aufgabe haben. Danach haben div. Abgeordnete gesprochen und auch Fragen gestellt. Morawiecki hat sich die Fragen und Namen der Abgeordneten notiert und anschließend alle Fragen ausführlich beantwortet. Bemerkenswert: Trotz aller bestehenden Differenzen haben sich mehrere Oppositionsparteien eindeutig hinter die Maßnamen und Aktivitäten der Regierung gestellt. Außerdem bemerkenswert: Die Parlemantssitzung wurde live im TV übertragen und außerdem live im Internet gestreamt. Soweit die… Mehr

reiner
2 Jahre her

fremdschämen für göring -eckardt und & ist angesagt.was bezweckt die eigentlich mit diesem gerede? was bringt eine überflutung mit 80% analphabeten unserem lande? nichts ,oder? kann dem nicht mehr folgen. die polen machen genau das,was sie machen müssen und unsere pfeifen fallen denen in den rücken. ich warte auf scharfe worte aus warschau,ein unding,was da abgeht.

Weiss
2 Jahre her

Es ist ein Katz und Maus Spiel. Die Eindringlinge fällen Kiefern, um mit den Baumstämmen die Grenzzäune einzureißen. Kann man hier im Video sehen: NEXTA auf Twitter: „#Migrants storm the fence with logs https://t.co/7KRxZ9V659“ / Twitter Der polnische Grenzschutz repariert dann wieder den Zaun: NEXTA auf Twitter: „#Polish border guards repair damaged sections of the fences https://t.co/NB6hdjbbsW“ / Twitter Weißrussisches Militär begleitet die Personengruppen zur polnischen Grenze. Der Ansturm auf die polnische Grenze ist also militärisch gesteuert: NEXTA auf Twitter: „#Belarusian military escorting migrants People in camouflage uniforms lead the migrants somewhere through the woods, sometimes shouting at them „Go… Mehr

Georg Caltern
2 Jahre her

Wenn den Polen die Sicherung unserer Grenze zu teuer wird, sollen sie ein Spendenkonto einrichten. Ich werde spenden und dabei nicht knausern.