Spanien vor der Wahl: Brüssel und Paris zittern, Rom und Budapest stellen den Schampus kalt

Spanien hat die Chance, seine ultralinke Regierung endlich abzuschütteln. Es wäre ein Aufatmen für das strukturkonservative Land. Neben Sánchez dürfte Macron der zweite große Verlierer des Sonntags sein. Und in Brüssel hat man sich gestern neu justiert.

IMAGO / ZUMA Wire
Wird er Spaniens nächster Ministerpräsident? Der Kandidat des Partido Popular, Alberto Núñez Feijóo

Am heutigen Sonntag könnte einer der heftigsten Kulturkämpfe Europas sein Ende finden. Eine linksradikale Regierung hält bis heute Spanien im Griff. Eine Regierung, die nichts weniger versucht hat, als den Spanischen Bürgerkrieg 80 Jahre nach dessen Ende zu gewinnen. Spanien ist alles andere als ein strukturlinkes Land, hat aber nach dem Verlust seines Weltmachtstatus eine tragische Geschichte nahezu 150-jähriger, politischer Instabilität hinter sich, in der die Auseinandersetzung zwischen konservativen und progressiven Werten sich in Aufständen, Regimewechseln und Bürgerkriegen niedergeschlagen hat.

Parlamentswahlen am 23. Juli
Spanien: Rechte Koalitionsregierung so nah wie nie zuvor
Der amtierende Premierminister Pedro Sánchez hat vom ersten Tag seiner Regierung deutlich gemacht, in welche Tradition er sich stellt. Zum ersten Mal in der modernen spanischen Geschichte waren bei der Vereidigung eines spanischen Premiers weder Kreuz noch Bibel anwesend. Die ultralinken Vertreter von Podemos, die mit Sánchez koalieren, kann man mit Fug und Recht als Erben der linksradikalen Splittergruppen bezeichnen, die es schon im Bürgerkrieg gegeben hatte. Eine der ersten Verfügungen von Sánchez war demnach nicht überraschend: die Exhumierung von Francisco Franco.

Man muss weder Franquist, katholisch oder gar konservativ sein, um zu verstehen, was solche Symbole in einem Land wie Spanien bedeuten. Es war eine Ansage. Sánchez war nicht Vertreter des spanischen Volkes, sondern Vertreter eines linken, progressiven Lagers, das historisch zu den Verlierern der spanischen Geschichte zählte. Im Hauruckverfahren von wenigen Jahren sollte Spanien transformiert werden, gewissermaßen nachholen, was das traditionell konservative Land verpasst hatte.

Dazu gehörten nicht nur gesellschaftliche Reformkuren, die das mediterran-katholische Land mit einem Satz in den LGBT-Strom angelsächsischer Regenbogenfarben warf. Die linke Regierung verordnete eine Wirtschaftspolitik, die den „Neoliberalismus“ beenden und eine „post-kapitalistische Gesellschaft“ vorbereiten sollte. In der Migrationsfrage erregte Sánchez Aufsehen, als er die strikte Politik Italiens der „geschlossenen Häfen“ von Matteo Salvini torpedierte.

Sollte Sánchez heute abgewählt werden, wäre dies jedoch nicht nur ein Aufatmen für die Mehrheit der Spanier, die der linken Bevormundung und ihrer utopischen Programme überdrüssig sind. In Brüssel spürte man das Beben schon am Samstag. Die neuen Avancen des EVP-Chefs Manfred Weber in Richtung Giorgia Melonis sind auch deswegen taktisch gesetzt, weil eine Koalition aus Partido Popular und VOX gesetzt scheint. Damit käme es neuerdings zu einer Koalition aus Parteien der EVP und EKR. Meloni ist Parteivorsitzende der EKR.

In Brüssel bricht die Brandmauer
Manfred Weber flirtet mit Giorgia Meloni
Eine neue konservative Regierung in Madrid ist damit nicht nur für Rom ein Gewinn und für Brüssel ein Anlass zur Strategieänderung. Der zweite Verlierer nach Sánchez wird Emmanuel Macron heißen. Bisher konnte sich Paris auf den spanischen Verbündeten verlassen; der Wegfall Madrids hieße, dass auch die Pariser Dominanz beendet ist. Viktor Orbán und Giorgia Meloni haben ihren spanischen Verbündeten bereits in kurzen Videos Grüße gesendet und Erfolg für den Wahltag gewünscht.

Spanien ist damit ein europäisches Wahlschlachtfeld geworden. In den Medien deutscher Sprache macht sich bereits die Panik breit. Die Taz fragt: „Kann man in Spanien noch urlauben?“ Die Badische Zeitung: „Spanien vor der Parlamentswahl: Die Angst ist allgegenwärtig.“ Deutschlandfunk: „Droht Spanien der Rechtsruck?“ Wieso „droht“ eigentlich immer der Rechtsruck, aber nie der Linksruck?

Angesichts der letzten Umfragen müsste es heißen: Spanien hofft auf den Rechtsruck. Demnach kommt der Partido Popular auf 140 Sitze, der linke PSOE von Sánchez nur auf 108 Sitze. Für die nationalkonservative VOX sieht es nach 38 Sitzen aus, für die linksradikale Sumar 33. Die realistischste Variante ist demnach – weit überlegen – die Koalition aus PP und VOX. Die linken Medien bauen bereits das Schreckgespenst von Francos Rückkehr auf – aber womöglich wäre es besser gewesen, diesen schlafenden Geist erst gar nicht zu wecken.

Partido Popular und VOX haben bereits im Wahlkampf angekündigt, eine ganze Reihe der linken Gesetze rückgängig zu machen. Während die Mitte-Rechts-Partei wie die CDU häufiger mal die Nase in den Wind hält, wird die VOX Druck machen, die Wahlversprechen einzuhalten. Ansonsten dürfte es ihr wie anderen neuen Parteien der spanischen Parteienlandschaft ergehen, die bereits wieder im Stimmzettelorkus verschwunden sind.

Anzeige

Unterstützung
oder

Kommentare ( 27 )

Liebe Leser!

Wir sind dankbar für Ihre Kommentare und schätzen Ihre aktive Beteiligung sehr. Ihre Zuschriften können auch als eigene Beiträge auf der Site erscheinen oder in unserer Monatszeitschrift „Tichys Einblick“.
Bitte entwerten Sie Ihre Argumente nicht durch Unterstellungen, Verunglimpfungen oder inakzeptable Worte und Links. Solche Texte schalten wir nicht frei. Ihre Kommentare werden moderiert, da die juristische Verantwortung bei TE liegt. Bitte verstehen Sie, dass die Moderation zwischen Mitternacht und morgens Pause macht und es, je nach Aufkommen, zu zeitlichen Verzögerungen kommen kann. Vielen Dank für Ihr Verständnis. Hinweis

27 Comments
neuste
älteste beste Bewertung
Inline Feedbacks
Alle Kommentare ansehen
Endlich Frei
9 Monate her

Wir beneiden die Spanier. Sie nehmen es in die Hand und sind geheilt.
In Deutschland aber läuft es noch viel schlimmer. Dort ist ein Heilprozess erst in Ansätzen erkennbar. Er wird leider. zu spät kommen.

Hieronymus Bosch
9 Monate her

Was in Spanien passiert, sollte demnächst auch bei uns geschehen! Weg mit dem rot-grünen System und Wahl einer wirklichen Alternative, die dieses Land wieder voranbringt!

gelernter Ossi
9 Monate her

Nur nützlichen wird das spanische Ergebnis auch nix. Wer von EU-(deutschem)Geld abhängig ist, der wir auch gehorchen. Die richtige konservative Revolution beginnt erst, wenn der Geldgeber Deutschland diese korrupte EU nicht mehr will. Da wir den ganzen Blödsinn bezahlen, sind wir auch nicht erpressbar und könnten wirklich wieder den normalen Menschenverstand regieren lassen. Leider bräuchten wir dafür die absolute Mehrheit der AfD. 😞

Farbauti
9 Monate her
Antworten an  gelernter Ossi

Ende ist, wenn die Deutschen den EU Quark nicht mehr bezahlen können.
Das ist bald soweit.

ketzerlehrling
9 Monate her

Auf geht´s ihr lieben Spanier.

Ex-Werder-Fan
9 Monate her

Ich persönlich glaube, dass es keine große Rolle spielt, wer in diesem zutiefst sozialistischen Land die Regierung stellt. Gewisse Dinge werden sich nicht ändern lassen. Diebesbanden, Hausbesetzer und Müllberge auf Mallorca sowie Bauruinen auf Fuerteventura wird es auch weiterhin geben. Für Billigurlaub gut genug, zum Leben zu wenig. Meine Auswanderungspläne haben wir daher begraben.

Ohanse
9 Monate her

Höhö, „mitnehmen“. Da werd ich immer ganz nostalgisch, wenn einer von denen das mal wieder zum Besten gibt.

Ulric Viebahn
9 Monate her

Erinnerung zurück bis in die 80er Jahre: ‚Die Spanier‘ waren immer der Korruption und Unfähigkeit eines der beiden Lager (PSOE und PP) überdrüssig. Dann haben sie das andere Lager gewählt, das nach kurzer Zeit auch nicht besser war; bis dahin war die Erinnerung an die Abgewählten schon so schwach, daß sie diese dann hoffnungsfroh wieder gewählt haben. Man könnte sagen: Die Spanier lassen sich über Jahrzehnte verschaukeln. Ich weiß nicht, ob es ‚die EU‘ allein war, oder ob auch die Linken Parteien das mit durchgezogen haben: Die Schließung der Kohlegruben in Asturien. Weil sich in diesen Kleinstädten praktisch das ganze… Mehr

Last edited 9 Monate her by Ulric Viebahn
Grumpler
9 Monate her
Antworten an  Ulric Viebahn

Dann haben sie das andere Lager gewählt, das nach kurzer Zeit auch nicht besser war; bis dahin war die Erinnerung an die Abgewählten schon so schwach, daß sie diese dann hoffnungsfroh wieder gewählt haben.

Das kommt mir irgendwie bekannt vor. Ist es möglich, daß so etwas in unserer Nähe auch einmal vorgekommen ist? 😀

Irdifu
9 Monate her

Bei Orbans Wünschen für Spanien bin ich mir sicher , dass sie ernst gemeint sind meine Zweifel allerdings bei Meloni . Noch nie so viele Migranten über Italien nach Europa geschleusst wie mit Meloni . Wenn ich Fotos sehe wie sie mit der ungewählten Deutschlandverächterin von der Leyen posiert , wir mir übel .

Talleyrand
9 Monate her

Linke Gesetze rückgängig zu machen ist eigentlich ein gutes, notwendiges Programm, vor allem Gesetze, die in Brüssel ausgeheckt wurden. Allen anderen europäischen Staaten wärmstens zu empfehlen.

imapact
9 Monate her

Gerade einen Artikel auf ZON zum gleichen Thema gelesen: der Atuor ist zutiefst betrübt und fassungslos, wie trotz der „tollen Bilanz“ der Linken dort das Volk so undankbar sein kann, sich der Gegenseite zuzuwenden. Deutschland, resp. seine (normal tickende) Bevölkerung wird allerdings kaum davon profitieren können. Im Gegenteil, der linke Klüngel, der Deutschland politisch und gesellschaftlich beherrscht und knechtet, wird zunehmend aggressiver und repressiver werden. Irgendwann wird Deutschland als das grüne Geschwür im europäischen Organismus dastehen.