In Japan breitet sich das Virus deutlich langsamer aus als in Europa

Japan ist früher mit dem Coronavirus konfrontiert worden als europäische Länder. Doch das Land hat schneller reagiert und schon vor Wochen die Schulen geschlossen. Das Virus breitet sich viel langsamer aus als in Europa.

Dass Japan eines der ersten Länder außerhalb Chinas mit Corona-Infektionen war, ist wenig erstaunlich – angesichts geografischer Nähe und intensiver ökonomischer Verflechtung. Am 22. Januar wurde der erste Fall gemeldet. In Deutschland erst am 28 Januar. Doch mittlerweile gibt es in Deutschland – Stand 16. März – fast 6700 gemeldete Infizierte und in Japan nur 1500, zieht man die rund 700 Fälle auf dem Kreuzfahrtschiff Diamond Princess ab, das im Hafen von Yokohama in Quarantäne liegt, sind es nur etwa 825 – bei deutlich größerer Wohnbevölkerung (rund 127 Millionen) als Deutschland.

Während in Deutschland die Zahl der Neuinfektionen sprunghaft steigt, berichtet der Blogger „Tabibito“ am 16. März aus Japan: „Jeden Tag kommen ein paar dutzend neue Fälle hinzu – gestern sollen es 34 gewesen sein – und damit hält der Status Quo weiterhin an. Die Zahl der Neuansteckungen bleibt konstant, und die meisten neuen Fälle können einem von insgesamt 10 bisher entdeckten Clustern zugeordnet werden.“

— oʇıqıqɐʇ (@Tabibito_Tokyo) March 16, 2020

Der Grund für die deutlich langsamere Ausbreitung dürfte ähnlich wie in Taiwan sein, dass Japan schon sehr viel früher als Deutschland und andere europäische Länder  mit Maßnahmen des „Social distancing“ begonnen hat. Schon am 28. Februar empfahl das japanische Schulministerium landesweit alle Schulen zu schließen. Sich mit Atemmasken vor Viren zu schützen, ist in Japan zumindest in der kühleren Jahreszeit ohnehin üblich. Außerdem schütteln sich Japaner bekanntlich zur Begrüßung nicht die Hände, sondern verbeugen sich. Auch das könnte zu einer geringeren Infektionshäufigkeit beitragen.

Zur Bremsung des Virus hat vermutlich auch die ohnehin strenge Einwanderungspolitik des Inselstaates beigetragen. Für Einreisende an den Flughäfen des Landes herrschen ohnehin strenge Quarantäneregeln und jenseits von diesen gibt es so gut wie keine Möglichkeiten ins Land zu gelangen.

Ein hoher Offizieller des NIID (National Institute of Infectious Diseases) hat zwar, so Blogger Tabibito, „vorausgesagt, dass er die tatsächliche Zahl der Ansteckungen für wesentlich höher einschätzt, sprich er geht von einer hohen Dunkelziffer aus, da kaum junge Leute aus dem Umfeld besagter Cluster getestet würden.“ Allerdings muss man genau das auch für Deutschland und andere europäische Staaten annehmen. Gerade Kinder mit verdächtigen Symptomen (Fiebere, Husten) werden von Kinderärzten hierzulande oft gar nicht getestet.

Ministerpräsident Abe gab am Sonntag bekannt, dass er nach Beratung mit Experten zu dem Entschluss gekommen sei, dass die Ausrufung des Notstands beim jetzigen Stand der Dinge nicht nötig sei. „Dementsprechend plätschert das Leben vor sich hin“, berichtet Tabibito. „Die grossen Themenparks und Museen haben geschlossen, auch grössere Veranstaltungen, inklusive Sportveranstaltungen sind abgesagt, doch in den Läden und Kaufhäusern ist es voll wie eh und je, und auch Gaststätten und Restaurants haben geöffnet.“ Mittlerweile erwägen, wie die Mainichi-Shimbun berichtet, viele Schulen, den Betrieb wieder aufzunehmen.

Eine der zentralen Fragen, die nicht nur die Japaner umtreiben, ist noch nicht beantwortet: Werden die Olympischen Sommerspiele in diesem Jahr in Tokio stattfinden? Sie sind geplant vom 24. Juli bis 9. August. Bei einer Umfrage in Japan glaubten, so Tabibito, „knapp 70 Prozent der Befragten nicht mehr daran, dass die Spiele wie geplant stattfinden können. Eine Verschiebung hätte jedoch weitreichende Folgen: SMBC Nikko Securities Inc. schätzt, dass beim Nichtstattfinden der Spiele in diesem Jahr das Bruttoinlandsprodukt um bis zu 1,4% einbrechen könnte. Zusätzlich zu dem zu erwartenden, vom Corona ausgelösten Einbruch, versteht sich. Wie hoch die Rechnung aber letztendlich sein wird, kann wohl niemand im Moment so genau sagen.“

Bislang hofft Abe offensichtlich, dass die Corona-Pandemie in Japan und im Rest der Welt ihren Höhepunkt bis Juli überschritten hat. Die Hoffnung, dass dann diejenigen, die  infiziert wurden und sich erholt haben, immun und so zahlreich sein werden, dass der Bann gebrochen ist, hat aber ausgerechnet in Japan gerade einen herben Rückschlag erlitten. Es ist bekannt geworden, dass ein an Covid-19 Erkrankter nach seiner Genesung erneut positiv auf das Virus getestet wurde.

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