Frankreichs Ex-Umweltminister über Energiepolitik der EU: „Eine Vision aus dem Kindergarten“

Brice Lalonde, ehemals Umweltminister in Frankreich, rechnet in einem Zeitungsartikel mit der deutschen und europäischen Energiepolitik ab. Die EU solle den Mitgliedstaaten die technischen Entscheidungen überlassen und sie nicht vorschreiben.

IMAGO / IP3press
Brice Lalonde, ehemaliger französischer Umweltminister, am 15. Dezember 2018 in Paris

Er nennt Deutschland „Schmarotzer“ und spricht von Scheinheiligkeit – hart sind die Bezeichnungen von Brice Lalonde, die er in einem Artikel in dem französischen politischen Wochenmagazin Le Point für Deutschland findet. Lalonde war von 1988 bis 1992 Umweltminister in Frankreich, ist heute noch Vorsitzender von Équilibre des Énergies, einer Vereinigung, die »klare und prägnante« Antworten zu Energie, Mobilität und Gebäude geben will und die immerhin auch daran denkt, dass CO2 nicht der einzige »Verursacher« sei, sondern dass auch Methan und Wasserdampf Einfluss auf das Weltklima haben.

Lalonde kommen Begriffe wie »Dekarbonisierung« und »kohlenstoffhaltiger Strom« mühelos über die Lippen. Er sieht in der Kernenergie im Gegensatz zur Kohle einen »Verbündeten des Klimas« und weist darauf hin, dass sie eine zentrale Säule der französischen Wirtschaft und ihrer künftigen Entwicklung bilde. Demzufolge kritisiert er heftig, dass die EU-Kommission und Deutschland die Nutzung von Kernenergie verbieten wollen. Dies werde jedoch von den Franzosen als Versuch empfunden, ihnen zu schaden.

»Eine Vision wie aus dem Kindergarten« sieht er bei der Betrachtung der Energiepolitik Deutschlands und der EU , die aus Chimären bestehe: »Deutschland führt uns mit der gedankenlosen Komplizenschaft der Kommission in die Irre.« Er erinnert daran, dass Strom vor dem europäischen Markt »reichlich und billig« vorhanden war. Der französische Energiekonzern EDF habe in 15 Jahren 55 Atomreaktoren gebaut, ohne staatliche Hilfen in Anspruch zu nehmen. Doch EDF wurde »zerschlagen, gevierteilt und gleichzeitig aufgefordert, Geschenke an eine parasitäre Konkurrenz zu machen«. Jetzt zahle der Verbraucher die Zeche.

Er prangert in Le Point »die Blindheit einer halbseitigen europäischen Politik« an, die sich auf »erneuerbare Energien« konzentriere und andere »kohlenstoffarme Quellen« vernachlässige.
»Die Fakten sind hartnäckig, und die Verfechter der erneuerbaren Energien sind es auch. Ihr Kult wird getragen von den Predigern der staatlichen Beihilfen, vom ökologischen Vormarsch der letzten fünfzig Jahre, der in Deutschland besonders stark war, aber auch von der Europäischen Kommission, die den einzigen Artikel des Lissabon-Vertrags, der sich auf die Energie bezieht, mit Eifer und Kurzsichtigkeit umsetzt.«

Von Franz Alts Spruch »Die Sonne schickt keine Rechnung« hält er wenig: »Die Belastungen des Stromsystems durch schwankende erneuerbare Energien sind jedoch alles andere als kostenlos, und um mit ihnen die Kohlenstoffneutralität zu erreichen, müsste man sowohl den Energieverbrauch drosseln als auch eine phänomenale Anzahl an erneuerbaren Erzeugungsanlagen bauen.«

Laut Vertrag von Lissabon ist es den EU-Mitgliedstaaten selbst überlassen, welche Energiequellen sie benutzen wollen. Dabei beschränke der Artikel 194 des Lissabon-Vertrages das gemeinsame Handeln der Union lediglich auf die Förderung von Energieeinsparungen und die Entwicklung von erneuerbaren Energien.

Die Kernenergie wird verbannt – außer zur Erzeugung von Wasserstoff, was dem Einsatz des deutschen Energieministers zu verdanken ist.

Lalonde kritisiert, dass für 2030 das Ziel von mehr als 40 Prozent sogenannter »erneuerbarer Energien« festgelegt wurde. »Im Namen des Klimaschutzes und unter Missachtung des Vertrags zwingt Europa also den Mix seiner Wahl auf«. Ein merkwürdiger Missbrauch des Verfahrens, meint er. »Will die Kommission dekarbonisieren? Nicht wirklich, ihr Ziel ist die Vervielfachung der erneuerbaren Energien und die Senkung des Energieverbrauchs um ein Drittel – eine Vision wie aus dem Kindergarten.«

»Die Reden der Kommissionsspitze sind die gleichen wie die der deutschen Minister: Nur erneuerbare Energien sind gut. Die Zukunft müsse vollkommen aus erneuerbaren Energien bestehen. Das ist zu einem Credo geworden. Und wenn Europa nicht ausreicht, werden sie von Afrika verlangen, dass es aushilft.« Lalonde erinnert an jenes utopische Projekt Desertec. Die Sahara sei schon einmal Traumziel unbegrenzter Solarenergie gewesen. Damals sollte durch Unterseekabel Strom nach Europa fließen, jetzt soll es Wasserstoff sein, der aus hypothetischen afrikanischen oder chilenischen Elektrolyseuren das russische Gas ersetzen solle.

Seine Forderung: Die EU muss den Mitgliedstaaten die technischen Entscheidungen überlassen und sie nicht vorschreiben.

Lalonde geißelt auch Deutschland wegen der Elektroauto-Politik: »Muss man noch hinzufügen, dass die unglaubliche Kehrtwende Deutschlands gegen die Elektrifizierung von Personenkraftwagen den Eindruck der Hochstapelei noch verschlimmert?«


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Kommentare ( 39 )

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Helfen.heilen.80
11 Monate her

Deutschland und Frankreich sind jeweils Hauptrepräsentanten der zwei widerstrebenden Interessengruppen: Hart- und Weichwährungsländer. Indem sich Deutschland bei Energie in einem historisch präzedenzlosen Ausmaß von Frankreichs AKWs abhängig macht, verliert es finanzpolitische und wirtschaftliche Gestaltungsmacht, wie es in der Historie allein ein Krieg vermocht hätte. An eine Dominanz deutscher Umverteilungs-, Wirtschafts- und Stabilitätsvorstellungen ist unter diesen Umständen nicht mehr zu denken. Schwer vorstellbar, dass dieser Effekt niemanden klar ist.

Konservativer2
1 Jahr her

Es gibt doch jetzt intelligente Zähler (wenigstens die…). Lassen die sich so programmieren, dass Grünen-Wählern im Falle einer Stromrationierung oder sonstigen Mangellage als ersten der Saft abgedreht wird? Weitere Lastabwürfe können dann abgestuft bei Wählern der SPD –> CDU –> Linke –> FDP vorgenommen werden?!

DELO
1 Jahr her

Das Deutschland dem Grünenschwachsinn erliegt, ist schon schlimm genug. Das es sich aber permanent mit Frankreich anlegt, weil dort die Atomenergie favorisiert wird, ist so ziemlich die dümmste Politik von Scholz (ER ist für so etwas letztendlich verantwortlich). Frankreich geht zu Deutschland auf Distanz und das ist eine wirklich schlimme Entwicklung in Europa, hervorgerufen durch hochdumme deutsche Politiker und Emporkömmlinge in Brüssel, die ihre Karriere niemals für möglich gehalten hätten und von Deutschland deshalb unterstützt werden müssen.

mr.kruck
1 Jahr her

Auch er redet von „Dekarbonisierung“ und „erneuerbarer Energie“ Kann man leicht als Blödsinn entlarven. Ein wenig Vernunft bei der Frage, ob CO2 ganz allein für den Klimawandel, den es ja schon immer gab, zuständig sein soll. Und generell, wie sollte ein Rufer im Walde die ganze Hochkorrupte Seilschaft von EU und Grünen sowie den ergrünten Opportunisten aufhalten.

Dellson
1 Jahr her

Die Maulhelden der globalen, transatlantischen Weltbeglückung führen einen strikt einseitigen, nationalen Alleingang mit dem Ziel der Deindustrialisierung und Verarmung der überwiegenden Mehrheit der Deutschen Gesellschaft. Nichts aber auch nichts hat es mit dem Klima oder der Umwelt zu tun. Diese Fassade dient nur wie das goldene Kalb zur Legitimation und Durchsetzung der Ideologie. Dreckige Kohle aus Australien hierher geschippert auf Dieselschiffen zur Kompensation von abgeschalteten AKW´s sind Beispiel genug dafür. Es hat sich durch den willig, gebilligt und geförderten Durchmarsch der 3. Kreuzträgerin eine Melange an die Schalthebel der Institutionen breit gemacht, die man aus der Metaebene als totalitär bezeichnen… Mehr

Edwin
1 Jahr her
Antworten an  Dellson

Stoppen kann es nur das Volk, in dem es in Massen auf die Straße geht. Aber das ist nicht zu erwarten.

monsalvat
1 Jahr her

Kritisch werden sie immer erst dann, wenn sie nicht mehr im Amt sind, egal wo. Man sollte doch mal erforschen, unter welchen Zwängen, oder vielleicht monetären Gründen immer die blödsinnigsten Entscheidungen getroffen werden.

Inselfreund
1 Jahr her

“ Die Kernenergie wird verbannt – außer zur Erzeugung von Wasserstoff, was dem Einsatz des deutschen Energieministers zu verdanken ist.“
Das kann doch wohl nicht was sein? Statt den Strom aus KKW direkt zu nutzen, soll damit Wasserstoff hergestellt werden? Ein Verfahren bei dessen Rückverstromung nur 250 Watt von einem KW/h übrig bleiben? Sind denn alle völlig irre geworden? Nicht mehr eine Stimme für diese Politterroristen.

Sonny
1 Jahr her

Ich hoffe immer noch auf die europäischen Nachbarn.
An dem Untergang Deutschlands wird das aber nichts ändern.

Homer J. Simpson
1 Jahr her

Das Deutschland heute hat mit der einst führenden Industrienation und der technologischen Speerspitze nichts mehr gemein. Hier regieren jetzt Irrsinn, Wahnsinn, Blödsinn und Schwachsinn und zumeist auch Idiotie. Und das seit 1998 und immer zum Schaden des deutschen Volkes. Aber das gibt es ja nach Ansicht der neuen Herrscher überhaupt nicht, womit die das Resümee ziehen, man kann ihm mangels Anerkenntnis seiner Existenz auch nicht schaden. Dazu dann ganz Europa, was man ebenfalls in Kooperation mit deren erstarkten Ideologen und „Experten“ demontiert. Böse Zungen behaupten, früher führte Berlin Angriffskriege mit Panzern und hinterließ verbrannte Erde, heute macht man das mit… Mehr

Last edited 1 Jahr her by Homer J. Simpson
Paul Brusselmans
1 Jahr her

der Hintergrund zu vdLs Salbung? Entsorgung als Gefahr für Merkel aus der Regierung, dafür Lagarde für die Südstaaten an die EZB-Druckerpresse. Noch ein Beispiel für die morbide Machtpolitik der Bundesverdienstkreuzende.