Türkei öffnet offenbar Grenzen für Flüchtlinge und Migranten

Die Drohungen Erdogans, trotz Türkei-Deals die Grenzen zur EU für Flüchtlinge zu öffnen sind nicht neu. Jetzt allerdings, und angesichts des eskalierenden türkischen Militär-Engagements in Syrien scheint es der Präsident ernst zu meinen.  

Salih Baran/Anadolu Agency via Getty Images
Migranten an der türkisch-griechischen Grenze bei Edirne

Erdogan hat sich offensichtlich in Syrien übernommen. Und er macht, bzw. er lässt machen, was er schon die ganze Zeit über in alles andere als homöopathischen Dosen verlautbaren ließ: Wer uns nicht unterstützt, der muss damit rechnen, dass wir den Türkei-Deal endgültig aufkündigen und die Syrer ungehindert nach Europa ziehen lassen. Fast vier Millionen sind schon im Land, viele weitere Hunderttausende sollen sich in Syrien selbst bereits auf der Flucht befinden – viele mit dem Ziel in die Türkei zu flüchten, was die Türkei bisher mal mehr, mal weniger ernsthaft mit Schließung der Grenzen verhindert hatte.

Jetzt die Eskalation: Ein ranghoher Regierungsvertreter erklärte gegenüber der Nachrichtenagentur AFP, die Türkei würde ihre Grenzen zu Griechenland und Bulgarien öffnen. Jetzt darf man sich zu Recht die Frage stellen, was das ändern sollte, wenn Griechenland und Bulgarien als EU-Staaten ihrerseits ihre Grenzen geschlossen halten würden.

Aber das scheint eben gar nicht möglich und jedenfalls nicht gewollt zu sein, wenn die Öffnung der türkischen Grenzen eine solche Alarmstimmung verursacht. Ist das wirklich so, dass die Türkei quasi faktisch längst den passiven Grenzschutz der EU-Außengrenzen übernommen hat gegen Geld? Sind türkische Grenzer die Söldner der EU? Waren es auf der Balkanroute zuletzt in großer Zahl Afghanen und Pakistani, kommen jetzt also wieder die Syrer hinzu.

Im Netz kursieren bereits Videos, die Migranten bei der Überschreitung der türkischen Grenze zu Bulgarien zeigen sollen:

Ömer Celik, Sprecher von Präsident Recep Tayyip Erdogans AKP-PArtei sagte gegenüber dem Sender CNN/Türkei am heutigen Freitag, eine Krisensitzung der Regierung hätte festgehalten, dass die Türkei „dem Druck durch neu ankommende Flüchtlinge nicht standhalten“ kann. Die einzige Möglichkeit der EU, sich davor zu schützen, bestände darin, der Türkei zu helfen.

Dieser Sultan ist nicht allmächtig
… und schon ruft er nach der NATO. Wie Erdogan sich verkalkuliert hat.
Ihr also militärisch beizustehen? Wohl doch eher, das Engagement Ankaras gegen die Kurden, gegen Assad und im Sinne einer Landnahme syrischen Territoriums nun unter Druck und mit der Pistole auf der schwachen Brust zu billigen. Sollte die EU sich allerdings diesem Druck beugen, dann wäre die Gemeinschaft allerdings auch zum Helfershelfer islamistischer Rebellen in Syrien geworden und würde hier wieder weitere Fluchtbewegungen vor einer wiedererstarkten religiösen Tyrannei Vorschub leisten.

TE-Autor Tomas Spahn hatte es Mitte Februar schon prognostiziert: Die vermeintlich glorreiche türkische Armee Erdogans steuert in Syrien ihr Waterloo an. Für den Laien erst einmal überraschend, bedenkt man den militärischen Apparat der Türken, die hohe Personaldecke ihrer Armee und das Motivationspotential der jungen Soldaten, sei es mittels islamischer oder chauvinistischer Parolen.

Spahn schrieb, Erdogan „pfiff auf seine angeblichen Freunde und Verbündeten in Nato und EU, als er seine völkerrrechtswidrigen Angriffskriege gegen Kurden und Syrer im Nachbarland startete.“ Nun ist es eine Sache, das Völkerrecht anzurufen, in diesem Konflikt wäre das für fast jeden Beteiligten ein Schuss ins Bein. Das allerdings hindert ja nicht daran, den Überfall oder Einfall der türkischen Verbände auch mit dem Völkerrecht scharf zu verurteilen.

Ägäis der Migranten
Wo Griechenland und die EU an ihre Grenzen kommen
Erheblicher ist allerdings die Unterstützung Erdogans für „radikalislamistische Terrorverbände.“ Der interessierte Laie fragt sich hier zu Recht, wie so etwas möglich ist, wenn es doch in diesem anhaltenden kriegerischen Konflikt auch darum geht, die islamistischen Kräfte nach den vielen Jahren der fruchtlosen Auseinandersetzungen endlich restlos aufzureiben.

Die Meldungen haben übrigens dieses Mal eine andere Qualität als die Drohkulissen Erdogans gegenüber der EU in der Flüchtlingsfrage bisher. Die Nachricht über eine Öffnung der Grenzen zur EU ist gleich über mehrere Kanäle durchgesickert. Die Nachrichtenagentur DHA berichtet, dass Flüchtlinge und Migranten in Richtung der Grenzprovinz Edirne unterwegs seien, um in die EU zu gelangen und zudem vor Lesbos weitere Migranten in größerer Zahl mit Booten übersetzten.

Hunderttausende Syrer leben unter katastrophalen Bedingungen in der Nähe der türkischen Grenze. Sie alle suchen nach Wegen in die Türkei und nicht wenige von dort aus nach Europa.

Der Nordatlantikrat der Nato will noch heute zu einer Krisensitzung zusammenkommen. Aber um was zu beschließen? Was sind die Alternativen? Erdogan jetzt doch hochoffiziell sein Scheibchen von Syrien zu genehmigen, seine Politik gegen die Kurden fortzusetzen und die schon knapp vor der Niederlage stehenden Islamisten erneut gegen Assad aufzurüsten, dem mörderischen schon so lange andauernden Konflikt also die nächsten Jahre einzuschreiben? Und wie würde die Nato so etwas durchsetzen? Womit?

Die Türken berufen sich auf den Nato-Beistandspakt nach Artikel 4 der Nato-Verträge. Zunächste einmal wurde hier festgeschrieben, dass die Nato eine Sitzung einberufen muss, um zu prüfen, ob die Unversehrtheit eins Mitgliedstaates in Gefahr ist. Was für ein Zynismus auf Kosten des Schicksals von Millionen heimatlos gewordener Menschen.

Anzeige

Unterstützung
oder

Kommentare ( 138 )

Liebe Leser!

Wir sind dankbar für Ihre Kommentare und schätzen Ihre aktive Beteiligung sehr. Ihre Zuschriften können auch als eigene Beiträge auf der Site erscheinen oder in unserer Monatszeitschrift „Tichys Einblick“.
Bitte entwerten Sie Ihre Argumente nicht durch Unterstellungen, Verunglimpfungen oder inakzeptable Worte und Links. Solche Texte schalten wir nicht frei. Ihre Kommentare werden moderiert, da die juristische Verantwortung bei TE liegt. Bitte verstehen Sie, dass die Moderation zwischen Mitternacht und morgens Pause macht und es, je nach Aufkommen, zu zeitlichen Verzögerungen kommen kann. Vielen Dank für Ihr Verständnis. Hinweis

138 Comments
neuste
älteste beste Bewertung
Inline Feedbacks
Alle Kommentare ansehen
Schwabenwilli
4 Jahre her

Hätte nie gedacht das ich „Basta Gerd“ jemals vermissen würde.

Schwabenwilli
4 Jahre her

Und wie viel Geld aus Deutschland dafür fließt will niemand wissen oder glaubt jemand im Ernst das die Bulgaren, Griechen…….. das umsonst machen werden..

Merkel ist erpressbar geworden und wird erpresst,von allen Seiten, nur weil sie keine unschönen Bilder, die ihr angelastet werden könnten, wollte zahlen und zahlen und zahlen wir.

Schwabenwilli
4 Jahre her

Überall werden Termine und Veranstaltungen abgesagt wg. Corona derweil sich lustig die „Verteidiger“ Idlibs auf den Weg zur Eroberung Deutschland machen. Natürlich ohne Corona.

Hoffnungslos
4 Jahre her

Warum hört man denn nichts von den großartigen UN- Strategen? Oder sind diese Flüchtlingsströme genau das, was sie sich so wünschen in ihren „globalen Strategiespielen“? – Und unsere EU mit Röschen an der Spitze? Was sagen denn ihre Berater? Die Nato läßt sich von der Türkei erpressen und verhandelt nicht mit Assad und den Russen. Millionen Menschen müssen fliehen?

Sonny
4 Jahre her

Ich weiß gar nicht, wie oft ich schon gedacht habe, wie schön wär das gewesen, wenn der Putsch gegen Erdogan erfolgreich gewesen wäre.
Zu Zeiten von Märchen aus TausendundeinerNacht verband man mit dem Orient Bewunderung, Farbenpracht und Abenteuer. Im einundzwanzigsten Jahrhundert verbindet man mit dem Orient nur noch Terror, Gewalt und Islam. Was für ein Niedergang.

Amerikaner
4 Jahre her

Es wäre eine Ironie der Geschichte, wenn der Irre vom Bosporus am Ende noch Frau Merkel den letzten Schubser gibt, und sich „so etwa wie 2015“ dann doch wiederholt.

Peter Gramm
4 Jahre her

die Raute hat so riesige Schäden angerichtet deren Ausmaß die Bevölkerung wohl erst nach ihrem Ausscheiden zu spüren bekommt. Sie ließ sich offenbar bei ihren Entscheidungen von ihren Gefühlen und Emotionen leiten. Frau Merkel hat ihren Amtseid massiv gebrochen. „Schaden vom deutschen Volke abzuwenden“. Amtseide sind offenbar nur ein nichtssagendes Ritual bei all diesen Inaugurationszeremonien.

Hoffnungslos
4 Jahre her
Antworten an  Peter Gramm

Frau Merkel ließ sich von ihren Gefühlen leiten? Wenn dem so wäre, würde der Menschen vor Ort geholfen. Aber wer sich einbildet, Menschen nur in Deutschland helfen zu können, der setzt wohl eher ganz andere Ziele durch.

November Man
4 Jahre her

Deutschland muss jetzt wegen dem drohenden Massenansturm von Flüchtlingen auf Deutschland unverzüglich seine Grenzen komplett schließen und allen Flüchtlingen und Armutsmigranten der Welt mitteilen, dass Deutschland ab sofort keine Flüchtlinge und Armutsmigranten mehr aufnehmen und niemand mehr in unser Land lassen wird. Nur so können jetzt viele Tote, auch die aus Afrika kommenden im Mittelmeer, so wie jetzt auch noch an den diversen europäischen Grenzen in Richtung Deutschland verhindert werden. Sollte Deutschland aber weiterhin seine Grenzen für alle und für jeden offen halten, dadurch weiterhin die Flüchtlinge und Armutsmigranten aus aller Welt buchstäblich anlocken, dann macht sich Deutschland nicht nur… Mehr

HoWa
4 Jahre her

Achtung – jetzt kommt die Hetze – lt. Altparteien 🙂 : Nun – war abzusehen und die Rautendame hat den schön mit Steuergeld gefüttert 🙂 Als rein ins „Wunderland der Lemminge“ – bis die endlich mal kapieren, dass Duddel – Duddel persönliche Konsequenzen hat, was heißt Beiträge, Kosten, Steuererhöhungen, steigend marode Infrastruktur, Bewertung als Mensch in zweiter Reihe, Rentenreduktion (siehe aktuell der von vielen als Heiland Merz 🙂 angesehen, aktuell in der WO bspw., Reduktion durch Eintrittsalter !), steigender Wohnungsnotstand durch Mietpreise und Bevorzugung von anderen traumatisierten Personen, da das Amt die Miete ja zahlt, wie die erhöhten Nebenkosten, welche… Mehr

Ulrich Bohl
4 Jahre her

Ich kann an der Stelle nur noch mit Ironie. Richten die Bundesagentur für
Arbeit und die großen Unternehmen wie z.B. Mercedes an den Grenzen Personalbüros ein, in denen die neuen Fachkräfte sofort vermittelt werden? Der Bedarf ist so gr0ß, dass es einen regelrechten Wettbewerb um die neuen Fachkräfte geben wird. CEOs denkt daran, wer zuerst kommt mahlt zuerst.
Mutti hat ein exzelentes Abkommen mit Erdogan geschlossen. Das soll ihr
erstmal jemand nachmachen. .

Michael Scholz
4 Jahre her
Antworten an  Ulrich Bohl

Und wo versteckt sich und warum meldet sich nicht zum Wort der geniale Österreicher, der das „Abkommen“ sich in seinem klar denkenden Köpfchen ausgedacht hat?