Suizid muslimischer Schülerin thematisiert: 5.000 Euro Geldbuße für Lehrerin

Längst sind die Spannungen bis zu Ehrenmord und Selbsttötung bekannt, denen Mädchen aus strengen muslimischen Familien ausgesetzt sind, weil sie so modern wie ihre Freundinnen leben wollen. Warum darf über das Entsetzliche nicht gesprochen werden?

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Die Nachricht, die hier im Mittelpunkt stehen soll, ist eine traurige, weil dabei ein Mensch gestorben ist: Eine junge Frau, die zu einem bestimmten Zeitpunkt ihres gerade einmal 17-jährigen Lebens mutmaßlich keinen anderen Ausweg mehr sah, als ihr Leben zu beenden, indem sie sich im Januar 2019 vor einen fahrenden Regionalzug warf und starb.

Dieser Suizid ist auch deshalb besonders tragisch, weil die junge Frau aus einer muslimischen Migrantenfamilie kommt und längst bekannt ist, dass Mädchen und Frauen aus diesem Milieu doppelt so häufig Suizid begehen als solche aus Familien deutscher Herkunft, ohne das die Gesellschaft bisher ein Mittel gefunden hätte, hier präventiv vorzubeugen.

Ist die Gesellschaft zu unaufmerksam, wie es schon vor bald einem Jahrzehnt die leitende Oberärztin an der Psychiatrischen Universitätsklinik der Berliner Charité anmahnte? Im Mittelpunkt unseres westlichen Wertekanons steht der besondere Schutz der schwächsten Glieder der Gemeinschaft – hier scheinen diese Werte an ihre Grenzen gestoßen zu sein.

Eine Lehrerin der Gesamtschule in Herford, welche von der jungen Frau besucht wurde, ließ der Tod ihrer Schülerin jedenfalls keine Ruhe und sie überlegte sich, auf welche Weise sie diesen traumatischen Suizid an der Schule thematisieren könnte. Die Mittel ihrer Wahl brachten ihr allerdings eine Anzeige ein und eine Geldstrafe von 5.000 Euro:

„Ich habe am 20. September einen Strafbefehl erlassen und eine Geldstrafe in Höhe von 5000 Euro ausgesprochen. Dagegen hat die Lehrerin fristgerecht Einspruch eingelegt und es kommt zur Hauptverhandlung, in der sie zu dem Anklagevorwurf Stellung nehmen kann«, sagt Richterin Schwöppe-Funk.“

Das Westfalen-Blatt sprach mit dem Schulleiter und mit einem Lehrerkollegen, der anonym bleiben wollte. Ersterer drückt sein Entsetzen über die Tat selber aus und der Kollege der Lehrerin berichtet davon, dass sich seine 59-Jährige Kollegin seit Langem in zahlreichen Initiativen engagieren würde  – unter anderem gegen Rechtsextremismus und für Frauen- und Menschenrechte. „Ihr Mut ist bewundernswert, kann aber auch gefährlich werden. Ich habe sie schon mehrmals gewarnt“, heißt es da.

Tatsächlich hatte die Lehrerin ziemlich schnell reagiert und bald nach dem Suizid sogar Flugblätter verteilt und sich über Facebook geäußert (später auf nicht sichtbar gestellt) – zwar benannte sie darin den Fall nicht konkret, aber laut Strafrichterin „soll sie Flugblätter an ihrer Schule verteilt haben, auf denen sie die Familie der 17-Jährigen indirekt für deren Selbstmord verantwortlich gemacht haben soll“. Das Westfalen-Blatt zitiert sinngemäß aus diesem Flugblatt: „Es läuft etwas schief in unserer Gesellschaft, wenn ein 17-jähriges Mädchen keinen anderen Ausweg mehr weiß, als sich umzubringen.“ Die muslimische Familie des Mädchens soll das als ehrenrührig verstanden haben und hatte die Lehrerin angezeigt. Jetzt soll diese eine Geldbuße von 5.000 Euro zahlen. Dem Ansinnen der trauernden Familie wurde also entsprochen.

Unter anderem wohl auch deshalb, weil die Lehrerin an diesem Fall auch Grundsätzliches einmal öffentlich verhandeln wollte, wenn sie via Facebook davon gesprochen haben soll, die Umstände müssten dringend genau untersucht werden. „Aber daran haben etliche offenkundig wenig Interesse. Der Mantel des Schweigens wird darüber ausgebreitet und hinter den Kulissen wird überall darüber geredet.“, berichtet das Westfalen-Blatt zum Verfahren gegen die Lehrerin.

Schnell hatte sie allerdings ihre Kommentare auf Facebook wieder gelöscht und diese Löschungen folgendermaßen kommentiert:

„Wie erwartet, bekam ich üble Anwürfe, dass ich eine ›Islamhasserin‹ sei. Kaum spricht frau die bestehende Doppelmoral und den pathologischen Umgang mit Sexualität in bestimmten Communities an, ist sie sofort angeblich eine ›Lügnerin‹, eine ›Haterin‹ und wird beschimpft.“ Da könnten die Eltern muslimischer Mädchen noch so liberal und offen sein, das religiöse Umfeld würde trotzdem irren Druck machen auf diese Mädchen.

Noch ist nicht bekannt geworden, ob es zusätzlich zum Bußgeld des Gerichtes auch disziplinarische Maßnahmen gegen die Lehrerin geben wird. Diese hatte Einspruch gegen das Bußgeld erhoben, der Prozess wegen übler Nachrede soll nun in der Woche vor Weihnachten stattfinden, die zitierte Zeitung endet mit dem Satz: „Üble Nachrede kann mit einer Geldstrafe oder mit bis zu zwei Jahren Freiheitsstrafe geahndet werden.“

Schaut man sich die Gesamtschule des Mädchens einmal näher an, dann finden sich – wie bei den meisten Schulen in Deutschland – in der örtlichen Zeitung die Abschlussfotografien zur Hochschulreife. Junge Männer und Frauen mit strahlenden Gesichtern in Anzügen und festlichen Kleidern, die stolzen Mädchen mit extra für diesen Anlass aufwendig gemachten Frisuren, eine Mitschülerin trägt Kopftuch und wenn man die Namen der Schüler und Schülerinne so durchgeht, dann liest sich das wie eine Erfolgsgeschichte in Sachen Integration, wenn dort von 65 Schülern dem Namen nach weit über zwei Drittel einen türkischen bzw. ausländischen Hintergrund haben. Auch das gehört zur Wahrheit an dieser Schule dazu, dass dieses exemplarische Foto sichtbar in der ersten Reihe von den Töchtern mutmaßlich muslimischer Familien dominiert wird, die gerade ihr Abitur gemacht haben. Und es sind hier mindestens so viele Frauen wie junge Männer zu erkennen.

Diese Schule und ihre Lehrer scheinen also sehr viel sehr richtig gemacht zu haben, wenn hier viele Söhne und Töchter von Gastarbeitern zukünftig das Potenzial mitbringen, zu den Leistungsträgern dieser Gesellschaft zu gehören. Auf ein Mädchen aber kann das nicht mehr zutreffen, weil sie ihrem Leben ein Ende gemacht hat. Eine Lehrerin kurz vor dem Pensionsalter und also mit einer jahrzehntelangen Erfahrung war darüber so empört, dass sie dieses Drama auf Flugblättern thematisierte, anstatt diese Diskussion nur behutsam im Klassenraum vorzunehmen, dort, wo möglicherweise die Mitschüler des Mädchens ebenfalls nach Antworten ringen – so soll es auch eine Shitstorm in den sozialen Medien gegen das Mädchen gegeben haben samt Veröffentlichung kompromittierender Fotografien, die wohl auch Mitgliedern der Moschee, die die Familie besucht, gesehen haben.

Ein Suizid aus Scham ist also ebenfalls im Bereich des Möglichen. Und auch hier gilt: Diese Scham mag hier im muslimischen Umfeld größer sein, als bei länger ansässigen Familien, aber die Fälle von gegen den Willen abgebildeter junger Frauen im Internet veröffentlichten privaten Fotos oder gar Sex-Videos ist zweifellos nicht auf muslimische Mädchen beschränkt, der Druck ist hier aber wohl deutlich größer auch deshalb, weil Migrantenfamilien in ihren muslimischen Communities deutlich mehr unter Beobachtung der anderen Familien dieser Gruppe stehen und weil Gesichtsverlust hier keine leere Floskel ist, sondern eine reale Furcht, gar eine existenzielle Bedrohung für die betroffene Familie.

Die Lehrerin war hier aufgrund ihrer mutmaßlich jahrzehntelangen Tätigkeit und Arbeit mit den jungen Männern und Frauen sicher eine intime Kennerin solcher archaischen Mechanismen. Hier mag die Motivation entstanden sein, endlich einmal laut und sichtbar Stellung zu beziehen. Das kam offensichtlich bei den Hinterbliebenen der Toten nicht gut an. Der sichtbare Erfolg dieser Schule – dokumentiert im Abschluss-Abi-Foto – allerdings spricht für eine überaus erfolgreiche Arbeit dieser Schule und Lehrerin.

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Kommentare ( 123 )

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Rasio Brelugi
4 Jahre her

Die zeitgeist-devote Haltung der Justiz ist leider kein Einzelfall in der deutschen Geschichte der letzten hundert Jahre. Das hat schon viele Übel verursacht. Es gibt aktuell hinreichend viele Urteile, in denen die Migranten bevorzugt und die Deutschen benachteiligt werden, wo also die kulturfremde (islamische) Migration nach Deutschland von der Justiz unterstützt und die Kritik daran von der Justiz selektiv sanktioniert wird. (In meinem Umfeld konnte ich gerade beobachten, wie ein als Zeuge geladener Geschädigter (Schädelbruch), der den Täter (Deutscher mit Migrationshintergrund) angezeigt hatte, vom (Amts-) Richter (quasi in einer Freisler-Light-Version) angeblafft wurde, er solle doch nicht „so geschwollen daher reden“.… Mehr

Lars L.
4 Jahre her

Vieles im Artikel kann ich so stehen lassen, die Feststellung: „Diese Schule und ihre Lehrer scheinen also sehr viel sehr richtig gemacht zu haben, wenn hier viele Söhne und Töchter von Gastarbeitern zukünftig das Potenzial mitbringen, zu den Leistungsträgern dieser Gesellschaft zu gehören.“ erweckt jedoch den Anschein, als wären hier „scheinbar“ und „anscheinend“ verwechselt worden. Denn es handelt sich tatsächlich nur um einen scheinbaren Erfolg, daß so viele junge Menschen bis zum Abitur gelangen. In Wirklichkeit ist es leider auch an den Schulen so, daß auf Grund der neumodischen Empörungskultur viele Lehrer und teilweise sogar ganze Landesregierungen das Niveau nach… Mehr

Robert Tiel
4 Jahre her

Schwierig.
Die Lehrerin scheint mir sehr engagiert zu sein.
Es ist aber für mich ein gewisser Widerspruch, sich „gegen rechts“ zu engagieren und gleichzeitig auf die misslungene Integration hinzuweisen, an der man selbst wieder engagiert ist.
Unabhängig von der Religion wäre mir ein solches Vorgehen auch nicht Recht. Und wenn die Familie keine Anzeige erstattet hätte, würde sie der Lehrerin irgendwo zustimmen.
Ohne die Beteiligten und ihre Situation zu kennen, würde ich keine Partei ergreifen wollen.
Was nicht bedeutet, dass es nicht massive Probleme mit Teilen der muslimischen Bevölkerung gibt.

RNixon
4 Jahre her

Gibt es überhaupt irgendeine wirklich wirkungsvolle gesetzliche Handhabe gegen in der Familie ausgeübten psychischen Druck? Sehr fromme Katholiken und orthodoxe Juden sollten da auch mal unter die Lupe genommen werden.
Aber wie genau macht man das?

AlNamrood
4 Jahre her
Antworten an  RNixon

Bei dieser christlichen Sekte kam ja irgendwann auch das Jugendamt. Christliche oder jüdische Familien misshandeln aber nicht so systematisch wie es im Islam der Fall ist. Der selbe feine Unterschied der die Differenz zwischen Familientragödie und Ehrenmord aus macht.

IJ
4 Jahre her

Handelt es sich seitens der Behörden, die statt der Forderung der Lehrerin nach einer lückenlosen Aufklärung der Hintergründe des Selbstmordes nachzukommen nun die Lehrerin selbst verfolgen, nicht um eine vorsätzliche Strafvereitelung im Amt? Oder handelt es gar um Beihilfe zu schweren Straftaten mit Blick auf zukünftige Ehrenmorde und der gewaltätigen Unterdrückung von Frauen und Kindern? Das ehemals vorbildliche deutsche Rechtssystem scheint im Zuge der Masseneinwanderung aus muslimischen Ländern vollkommen aus den Angeln gehoben worden zu sein. Truffauts Film „Fahrenheit 451“ ist durch A. Merkels Einwanderungspolitik in Deutschland mittlerweile Wirklichkeit geworden.

Skeptiker
4 Jahre her

Dass die Lehrerin im Prinzip pro-migrantisch zu sein scheint, nimmt mich nicht gerade für sie ein.
Dennoch schliesse ich mich dem hier mehrfach geäusserten Wunsch nach einem Spendenkonto an und werde ggf. auch einen Hunderter überweisen. In der Hoffnung allerdings, dass die Verteidigungsstrategie sich nicht auf die Feststellung beschränkt, die Angeklagte sei stets brav und linientreu gewesen und habe auch mit ihrem inkriminierten Verhalten nur das Beste im Sinne der Regierungspolitik angestrebt.

Sabine Ehrke
4 Jahre her
Antworten an  Skeptiker

Da explizit der Kampf, unter anderem, gegen Rechts Erwähnung fand, bleibt die Überlegung, wie bestellt, so geliefert und eine Islamisierung findet nicht statt. Einst durften sich Mädchen und Frauen aller Überzeugungen sicher fühlen in diesem Land!

Lara Berger
4 Jahre her

Ich kann dieser Lehrerin nur den Rat geben, sich diesen Strafbefehl nicht gefallen zu lassen. Es könnte sein, dass der Richter hier tatsächlich ein Gefälligkeitsurteil gefällt hat. Es gibt Berichte von Richtern wie islamische Anwälte ihnen gegenüber auftreten. Die spüren das Wohlwollen der Herrschenden und trumpfen in unglaublicher Weise auf. Bis hin zu Bedrohungen, Beschimpfungen und Beleidigungen, gegen die die Richterschaft angeblich nur schwer ankäme. Wie dem auch sei, es besteht der berechtigte Verdacht, daß hier kein Recht mehr gesprochen wird, sondern der Wille der „Siegermacht“. Das darf nicht hingenommen werden. Wir alle haben nicht den allergeringsten Grund, uns der… Mehr

CIVIS
4 Jahre her

Vor einiger Zeit wäre ich über solche Vorfälle noch emotional und empathisch betroffen gewesen. Seit deutsche Gerichte (…und auch andere Institutionen, wie z.B. Medien etc,) jetzt offensichtlich für ein bestimmtes Klientel „Scharia-Recht“ übernommen haben bzw. anerkennen, sind mir solche Vorfälle nun (leider) SOWAS von egal; … ich kann das alles nicht mehr hören und schau´s mir auch nicht mehr an; JEDEN Tag mit dem „Kampf gegen Rechts“ die gleiche Leier ! Es muss wohl erst schlimmer werden, bevor es (vielleicht) wieder besser wird. Aber wahrscheinlich (sh. die Klassenzusammensetzung) ist der „Point of no Return“ auch schon überschritten und „nichts geht… Mehr

RauerMan
4 Jahre her

Hier zeigt sich wieder einmal der Riß welcher durch unsere Gesellschaft geht.
Anpassung an die deutsche Gesellschaft findet nicht statt.
Die Parallellgesellschaften fordern ihre eigenen Gesetzmäßigkeiten ein und u n s e r e staatlichen Institutionen und die Judikative passen sich an.
Das ist auch nicht verwunderlich, da in einem nicht kleinen Teil der deutschen Gesellschaft keine klaren Wertevorstellungen mehr gelten. Man könnte es noch pessimistischer ausdrücken.

Lara Berger
4 Jahre her
Antworten an  RauerMan

Interessant zu beobachten, wie schnell unsere Funktionsträger unsere zivilisatorischen Grundsätze aufgeben.

Graeferin
4 Jahre her

Mit der Toleranz gegenüber des Kopftuchs (Islam-Uniform)nimmt man insb. den jungen Frauen, die Möglichkeit sich zu integrieren und die Freiheit zu genießen. Vor über 40 Jahren haben Türkinnen in D kein Kopftuch getragen, haben dennoch an Allah geglaubt und kein Schweinefleich gegessen. Das Kopftuch dient den Islam überall sichtbar zu machen – eine Reviermarkierung ähnlich wie Flaggen