Verfassungsschutzgutachten: Kein Freispruch erlaubt!

Das Gutachten zum angeblichen Rechtsextremismus der AfD beschäftigt sich auch mit der Frage des Antisemitismus der Partei. In der Beschäftigung mit dem Thema entlarvt sich der Verfassungsschutz als Schaugericht: Wer vor dem Richter steht, kann nicht unschuldig sein.

picture alliance / CHROMORANGE | Michael Bihlmayer
Das Gutachten zum angeblichen Rechtsextremismus der AfD beschäftigt sich auch mit der Frage des Antisemitismus der Partei. In der Beschäftigung mit dem Thema entlarvt sich der Verfassungsschutz als Schaugericht: Wer vor dem Richter steht, kann nicht unschuldig sein.

Das Gutachten, auf dessen Grundlage der Verfassungsschutz die AfD als „gesichert rechtsextrem“ einstufen will, wurde an die Öffentlichkeit durchgestochen. Es entpuppt sich als eine Sammlung von Zitaten und Social-Media-Postings – Geheimdienstinformationen sind nicht zu finden. Doch entscheidend ist das Vorgehen: Der Verfassungsschutz hat sich bereits im Vorfeld eine Meinung gebildet und das Gutachten erstellt, um diese zu bestätigen. So wird die AfD als grundsätzlich antisemitisch eingestuft – Beweise für das Gegenteil werden nicht berücksichtigt. Ein Freispruch ist nicht möglich, denn über Unschuldige erarbeitet der Verfassungsschutz schließlich kein Gutachten.

Einer der Beweise, die den Antisemitismus in der AfD belegen sollen, ist ein Video des ehemaligen Bundestagsabgeordneten Florian Jäger. Er zog darin einen Vergleich zwischen der Rhetorik der Anstifter der Novemberpogrome von 1938 und der Rhetorik gegenüber ungeimpften Personen im Jahr 2021.

In einem Verfahren wegen Volksverhetzung wurde er in dritter Instanz freigesprochen. Dieses Urteil will der Bundesverfassungsschutz aber nicht anerkennen.

Ein Freispruch vor Gericht bedeutet nichts

„Trotz der strafrechtlichen Bewertung des Bayerischen Obersten Landesgerichts kann die Aussage Jägers im Kontext der hiesigen Prüfung berücksichtigt werden, da die verfassungsschutzrechtliche Würdigung anderen Maßstäben folgt.“

Der Verfassungsschutz hat eben seine eigenen Maßstäbe.

Der Bundestagsabgeordnete Matthias Helferich muss sich vorwerfen lassen, dass unter einem seiner Facebook-Posts ein Dritter einen Judenstern mit der Aufschrift „Nicht geimpft“ postete – und Helferich diesen Post acht Wochen lang nicht löschte. Ist es nun Aufgabe von Bundestagsmitgliedern, Facebook zu moderieren?

Der Vorwurf der Verharmlosung der Verbrechen des Dritten Reichs sitzt im Verfassungsschutz locker. Dass nicht jeder geschmacklose Vergleich eine Gleichsetzung sein muss oder Antisemitismus darstellt, wird nicht akzeptiert. Der Abgeordnete Stephan Protschka schrieb auf X: „Ich bin jetzt ein Mensch zweiter Klasse, ich bin #Ungeimpft. Muss ich jetzt irgendeine Armbinde tragen?”

Alles ist Antisemitismus, wenn man nur will

Die AfD ist schuldig, auch wenn keine Schuld festzustellen ist, wie der Verfassungsschutz im Gutachten zum Thema Antisemitismus schreibt:

„Direkt geäußerter und unverstellt zum Hass gegen Jüdinnen und Juden aufstachelnder Antisemitismus ist dabei nicht festzustellen. Belegt werden kann hingegen die Verwendung klassischer antisemitischer Narrative, Motive und einzelner judenfeindlicher Ressentiments, die fast durchgängig durch Andeutungen, Codes und Chiffren ausgedrückt werden.“

Mit Chiffren und Codes ist die Kritik am Milliardär George Soros und die Verwendung des Begriffs „Globalisten“ gemeint. Die Kritik der AfD an Soros kann genauso gut auch Grünen und SPD angerechnet werden – nur mit dem Milliardär Musk statt Soros als kritisiertem Objekt. Und die Ablehnung von „Globalisten“ ist auch kein originärer AfD-Begriff. Doch wenn Anhänger der AfD diese Kritik vorbringen, konstruiert der Verfassungsschutz eine antijüdische Verschwörung daraus.

Auch Kritik an Menschen, die nicht jüdischen Glaubens sind, kann als Antisemitismus gewertet werden:

„Zielobjekt dieser Äußerungen sind zum einen Juden, zum anderen Personen, die – wie Klaus Schwab – nicht jüdisch sind, die jedoch mit antisemitischen Negativattributen belegt und beschrieben werden, wie sie typischer- und traditionellerweise auf Jüdinnen und Juden angewendet werden. Damit wird nicht nur die Menschenwürde von Jüdinnen und Juden angetastet, sondern auch die von Nicht-Juden, die unter antisemitischem Vorzeichen de facto zu Juden erklärt werden. Antisemitische Stereotype und Ressentiments werden auf diese Weise zielgerichtet zur Diffamierung und Herabwürdigung eingesetzt.“

Was genau diese antijüdischen Negativattribute sind, erklärt das Gutachten nicht. Übertragen auf andere Gruppen, wird die Absurdität offensichtlich. Spaniern (aller Glaubensrichtungen) wird Unpünktlichkeit nachgesagt. Ist jemand, der Unpünktlichkeit auch bei Schweizern ablehnt, prinzipiell ein Anti-Spanist?

Dass die AfD den Angriff der Hamas auf Israel aufs schärfste Verurteilt, kann hingegen „nicht als entlastendes Moment“ gewertet werden. Das wird damit begründet, dass die AfD die Ablehnung der Hamas instrumentalisieren wolle um Abschiebungen (ihrer Sympathisanten) zu rechtfertigen. Denn AfD-Politiker hatten als Reaktion auf hamasfreundliche Proteste die Abschiebung daran beteiligter Ausländer gefordert. Die Logik des Verfassungsschutzes: Die AfD lehnt die Hamas nicht ab, weil sie eine Mörderbande ist – sondern weil die AfD rassistisch ist und deswegen DIESE Mörderbande ablehnt. Um erneut das Gutachten zu zitieren:

„Dass ein terroristischer Anschlag verurteilt wird, hat keinen Einfluss auf die Feststellung der dargelegten vielfältigen Formen von Antisemitismus. Dies gilt umso eher vor dem Hintergrund, dass die AfD den Angriff stets auch zu dem Zweck der Propagierung der eigenen migranten- und muslimfeindlichen Positionen instrumentalisiert hat.“

Seitenweise Belege für angeblichen Antisemitismus werden angeführt, bis das Bundesamt für Verfassungsschutz zum Schluss kommt, dass „keine Verdichtung der Anhaltspunkte hin zu einer Gewissheit“ festgestellt wird, dass die AfD antisemitisch sei. Den Beweis zu führen, die Partei sei antisemitisch, ist von vornherein unmöglich. Die Partei ist also nicht freigesprochen, sie ist -vorerst- noch nicht für schuldig befunden. Rassistisch ist sie nach Ansicht des Verfassungsschutzes sowieso.

 

 


Dieser Artikel war durch eine Zusammenarbeit von Maximilian Tichy und Michael Plog möglich, der die Redaktion in der Auswertung des Dokuments unterstützt.

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Kommentare ( 69 )

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RUEDI
1 Monat her

Also wenn ich das Geheimgutachten so lese, sollen sich die Mitglieder ständig von jemanden distanzieren und jegliche Kontakte untereinander vermeiden, sonst ist man ja selbst NAZI-verdächtig.
Das heißt aber auch, dass alle MdB, die den Reichstag betreten, sich von der extrem rechtsadikalen „NAZI“-Inschrift „DEM DEUTSCHEN VOLKE“ distanzieren oder den Hintereingang benutzen müssten, das ist ja fast noch schlimmer als „Alles für Deutschland“ tun zu wollen.

RUEDI
1 Monat her

Im Geheimgutachten steht auf Seite 1067, zu Maximilian Krah: … „er wurde mit 44,8% der Erststimmen gewählt“ und, dass er „gegenüber der Tagesschau berichtet habe, von Weidel zur Begrüßung umarmt worden zu sein“.
Unglaublich. Der traut sich was. Und Weidel hat sich nicht distanziert ?
Das ist typisch Nazi und muss verboten werden !

Aljoschu
1 Monat her

Der Verfassungsschutz wandelt ffenbar in den Spuren von Stasi und Gestapo.
Wenn dieser Staat noch eine letzte Lebenskraft entwickeln sollte, dann wird er diesen irreparablen Stachel im Fleisch der Demokratie – den Verfassungsschutz – herausreißen und auf dem toxischen Müllhaufen der Geschichte entsorgen!

Aljoschu
1 Monat her

So krank wie der Verfassungsschutz, so krank ist die gesamte Gesellschaft! Wenn man mit Arbeitskollegen Schulkameraden und alten „Freunden“ spricht und es wagt, ihren Narrativen zu widersprechena, so gerät man unmittelbar in einen Strudel von Indizien, Behauptungen, Überzeugungen, die alle von diesem verquasten, verschwurbelten Typus sind, wie wir ihn in diesem „Bös-achten“ vorfinden! Menschen die von der Überzeugung über die Boshaftigkeit und Verderbtheit gewisser konservativer Politiker besessen sind, werden in jedem Gegenargument immer wieder nur weitere Indizien finden, die sie in ihrem Wahn bestätigen. Das ist pathologisch, zutiefst krankhaft! Ich will nicht wissen, wie viele freundschaftliche und familiäre Bande daran… Mehr

Silverager
1 Monat her

Da sollte Faesers Verfassungsschutz auf Anweisung seiner Chefin eine ordentlich dicke Suppe zusammenrühren.
Bei der Arbeit der Schlapphüte kam allerdings nur eine ganz, ganz dünne Wassersuppe raus.
Aber immerhin über tausend Seiten. Wenigstens Faulheit kann man den Schlapphüten nicht vorwerfen.
Ich bin schon mal sehr gespannt, wie sich Faesers Nachfolger, der Herr Dobrindt, verhalten wird.

Zebra
1 Monat her

Wer das zusammengeschusterte „Gutachten“ des Verfassungsschutzes liest, dem muß angst und bange werden. Es offenbart die vollkommene Willkür. Damit ist der Verfassungsschutz eindeutig verfassungswidrig!!!
 ‚Willkür … wenn eine Rechtsanwendung, insbesondere eine gerichtliche Entscheidung, nicht nur fehlerhaft, sondern „[…] unter keinem denkbaren Aspekt rechtlich vertretbar ist und sich daher der Schluss aufdrängt, dass er auf sachfremden Erwägungen beruht.‘ – BVerfG, Beschluss vom 12. Oktober 2009, Az. 1 BvR 735/09
‚Willkür ist bei einer Maßnahme gegeben, welche im Verhältnis zu der Situation, der sie Herr werden will, tatsächlich und eindeutig unangemessen ist‘. – BVerfG, Beschluss vom 15. März 1989, Az. 1 BvR 1428/88

ceterum censeo
1 Monat her

Der Verfassungsschutz schütz nicht DIE Verfassung, sondern VOR der Verfassung! Frostschutz schützt vor Frost, Rostschutz schützt vor Rost…

ceterum censeo
1 Monat her

Würden die gleichen Maßstäbe zum Antisemitismus an die propalästinensischen und sonstigen Stimmen aus dieser Ecke gelegt werden, müsste so ziemlich jeder! der Neuankömmlinge und die schonlänger hier lebenden mit MiGra-Hintergrund verboten und zurückgeschickt werden!

Jens Frisch
1 Monat her

„Die Verurteilung des Angriffs der Hamas auf Israel durch die AfD kann hingegen „nicht als entlastendes Moment“ gewertet werden.“

Ich bin mir sicher: Die Verurteilung des Hamas Angriffs kann nur antimuslimische Hetze sein.

Sozia
1 Monat her

Dieses gesamte „Geheimgutachten“, das von Anfang an überhaupt nicht geheim war, ist für mich ein sehr schlechter und geschmackloser Witz. Offenbar von Faeser in Auftrag gegeben, um einer Partei zu schaden, die wesentlich populärer ist als eine SPD, die den Menschen in Deutschland seit sehr langer Zeit ausschließlich schadet. Weil man selbst nichts anzubieten hat und auch überhaupt kein Interesse, sich mit den wahren gesellschaftlichen Problemen auseinanderzusetzen, sucht man sein Heil in der Bekämpfung der einzigen echten Opposition mit unlautersten Mitteln. Was Faeser damit erreicht hat, ist die SPD im vollen Licht ihrer Demokratiefeindlichkeit zu zeigen. Was es mir doppelt… Mehr