Trotz großer Zweifel: AstraZeneca-Impfstoff für alle über 18 Jahre zugelassen

Trotz großer Zweifel hat die Europäische Kommission entschieden, den Impfstoff von AstraZeneca ohne Altersbegrenzung zuzulassen. Dabei weiß man über die Wirkung des Impfstoffes bei Älteren praktisch nichts.

IMAGO / Christian Ohde

Am Freitagnachmittag folgte die EU-Kommission der Empfehlung der Europäischen Arzneimittelbehörde EMA, den AstraZeneca-Impfstoffs ohne Altersbeschränkung zuzulassen – für alle Menschen ab 18 Jahren. Doch die Freude ist getrübt. Dabei versprach das COVID-19-Vakzin des britisch-schwedischen Pharmakonzerns viel Gutes: Es sollte der erste Impfstoff sein, der dank unkomplizierter Kühlkette auch reibungslos in Hausarzt-Praxen einsetzbar sein sollte. Gerade bei der Impfung von Hochrisikogruppen baut die EU auf den Vektorimpfstoff; für Menschen die nicht ins Impfzentrum kommen können.

Heft 02-2021
Tichys Einblick 02-2021: 2021 - Endlich wieder leben
 Aber vor dem Hintergrund der letzten Wochen und Monate will Freude über einen Erfolg nicht so recht aufkommen. Statt 80 Millionen Dosen wollte das Unternehmen zunächst nur 31 Millionen im ersten Quartal liefern – wegen „Produktionsengpässen“. So wackelten Impfpläne und Terminvereinbarungen auf einmal gewaltig. Als wäre das nicht genug, hieß es plötzlich, dass der neue Impfstoff zunächst nur für unter 65-Jährige nutzbar sei. Das war zwar nicht unmittelbar richtig, es wurde allerdings publik, dass es praktisch keine Untersuchungen über die Wirksamkeit bei älteren Menschen gab. Gerade bei einem optimalen „gemischten“ Impfschema war keiner der Probanden der Wirksamkeitsstudie über 55 (TE berichtete).

Derweil hauen Politiker gegenüber AstraZeneca gerne auf den Tisch. „Die EU will wissen, welche Dosen wo durch AstraZenica produziert wurden, und ob, und wenn ja wohin, sie geliefert wurden (…) die Antworten der Firma waren bisher nicht zufriedenstellend“, erklärt EU-Gesundheitskommissarin Kyriakides. Und EU-Kommissionschefin von der Leyen beklagt, Brüssel habe Millionen in die Entwicklung des Impfstoffes investiert – jetzt sollte auch geliefert werden. Der Vorwurf: Der Konzern habe in der Union produzierten Impfstoff exportiert. Peter Liese (CDU), gesundheitspolitischer Sprecher der Fraktion der Europäischen Volkspartei im Europäischen Parlament, hält die Erklärungen des Unternehmens für unplausibel. „Laut dem Unternehmen sind die Lieferketten getrennte Einheiten. Aber das ist nicht wahr. Bis vor wenigen Tagen wurde der für Großbritannien bestimmte Impfstoff noch in der deutschen Stadt Dessau abgefüllt. Umgekehrt sind in dem Vertrag, den das Unternehmen mit der EU geschlossen hat, ausdrücklich zwei Produktionsstätten in Großbritannien genannt.“ Liese fügte hinzu, AstraZeneca solle sich entscheiden, ob es wie ein internationales oder ein britisches Unternehmen agieren wolle.

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Doch dem Konzern die gesamte Schuld zuzuschieben, ist nur die halbe Wahrheit. AstraZeneca-CEO Pascal Soriot erklärt im Interview mit der italienischen Zeitung „La Repubblica“, die Engpässe seien vielerlei unglücklicher Umstände geschuldet. Ähnliche Probleme habe man jedoch auch bei der Produktion in Großbritannien gehabt. Die Briten hätten jedoch drei Monate vor der EU einen Vertrag unterschrieben – so habe man natürlich auch drei Monate mehr Zeit gehabt, selbige Fehler zu beheben. Soriot sagte, dass die Produktionsanlage in Großbritannien produktiver sei, und bestand darauf, dass es keinen Anti-EU-Kontext gebe.

Doch sollte AstraZeneca tatsächlich in der EU produzierten Impfstoff exportiert haben, hat man auch in Brüssel etwas gewaltig verschlafen. Die zur Schau gestellte Empörung dient wohl auch dazu, von eigenen Fehlern abzulenken. Denn sollte der Konzern in Europa produzierten Impfstoff exportiert haben, hat Brüssel dies nicht verhindert. Und die Erklärung des AstraZeneca-Chefs, dass die Briten eben auch zuerst bestellt hatten, ist ein Stichhaltiges – wer zuerst kommt, mahlt zuerst. Nicht nur London, sondern auch Washington hatten bereits Monate vor Brüssel umfangreiche Bestellungen aufzugeben. Tatsächlich waren es erst die kompromisslosen Bemühungen der Trump-Administration, die die EU-Bürokratie wachrüttelte, wo man anschließend an eine weltweite Impfstoff-Verteilung ohne Verteilungskämpfe glaubte und sich so in Sicherheit wog. Statt auf Schnelligkeit zu setzen, stritt man in Brüssel vor allem um Haftungsfragen. Der abwägende Ansatz bei der Zulassung hat dazu geführt, dass die EU-Bürger hinter den USA und Großbritannien zurückbleiben, wenn es darum geht, Zugang zu Impfstoffen zu bekommen – und das in einem Moment, in dem Verzögerungen in verlorenen Leben gezählt werden.

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Kommentare ( 34 )

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34 Comments
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November Man
3 Jahre her

TE schrieb noch am 30.01.2021:
„Trotz großer Zweifel hat die Europäische Kommission entschieden, den Impfstoff von AstraZeneca ohne Altersbegrenzung zuzulassen. Dabei weiß man über die Wirkung des Impfstoffes bei Älteren praktisch nichts.“
Wissen ist Macht, nichts wissen macht nix, das schnelle Geld zu machen scheint denen wichtiger zu sein.
Man sollte besser ein Placebo oder eine Kochsalzlösung spritzen, nützt zwar auch nichts, aber schadet im Regelfall wenigstens auch nicht.

Karl Schmidt
3 Jahre her

Bitte kein Impfnationalismus! Was für Deutschland nicht taugt, taugt auch nicht für die EU. Daher ist völlig richtig, sich hinten anzustellen. Die Kirchen sollten Schiffe chartern, um die Impfstoffe aus (EU-)Europa in die Welt ganze Welt zu tragen – auch wenn dadurch vor der eigenen Haustür Menschen sterben. Doch wir sind eine Welt und alle Leben zählen gleich. Fair wäre eine Impfdosenverlosung. Doch damit bin ich wahrscheinlich noch zu progressiv. Generell sollte allerdings die Schuld der alten weißen Männer an allen Missständen der Welt und den unpolitischen Ergebnissen einer Leistungsgesellschaft berücksichtigt werden: Schwarze oder jedenfalls anders pigmentierte Mehr- und Neugeschlechtrige… Mehr

andreask90
3 Jahre her

Offensichtlich hat man beim Test an Alten mit besonderen Konditionen nicht so genau getestet. Das gelinkte Video ist etwas langatmig, aber sehr informativ.
https://www.bitchute.com/video/AR5BZpoAlzQR/
Allerdings betrifft es wohl alle verfügbaren Impfstoffe.

Korner
3 Jahre her

Die Rentenzahlungen müssen gesichert werden, die Migration muss auch bezahlt werden, und Wohnungen für die Gäste braucht es auch. Man hat wohl ausgemacht, dass die biologische Lösung der einfachste Weg ist, mehrere Fliegen mit einer Klappe zu schlagen. Die alten und teuren Wähler wurden durch neue Gestaltungsmethoden ersetzt und können nun entsorgt werden.

Regenpfeifer
3 Jahre her

Nur mal so zum Nachdenken: Dieselbe Stiko, die hier aus „Sicherheitsgründen“ darauf pocht, dass der AstraZeneca-Impfstoff nicht an Ü55 eingesetzt wird, hatte kein Problem mit den 200’000 Dosen jenes Medikamentes, das Jens Spahn für €400 mio eingekauft hat (übrigens nicht mal über den EU-Zentraleinkauf, sondern im nationalen Alleingang -dieser böse Coronanationalist!). Seltsam nur, dass Spahns Medikament nicht mal eine abgeschlossene PhaseIII-Studie vorweisen kann. -Not kennt kein Gebot?

Korner
3 Jahre her
Antworten an  Regenpfeifer

Spahn ist doch weisungsgebunden und geldgierig. Genau das, was Merkel braucht. Bezahlte Jasager.

carl
3 Jahre her

Di EU – respektive Frau vdL – hat den Vertrag mit AstraSeneca veröffentlicht – mit Schwärzungen … Der Begriff „Best Reasonable Efforts“ konnte man mehrfach in dem Vertrag finden. Dies bestätigt die Aussagen Herrn Soriots, sein Unternehmen habe zugesichert, sich bestmöglich um die Lieferungen zu bemühen. Dies alleine schafft natürlich noch keine Klarheit, dazu müsste man die Passagen die Auskunft geben über die Anzahl der Impfdosen und den Lieferzeitpunkten einsehen können.   Doch diese sind „GESCHWÄRZT“ (nachzulesen in der NZZ)   Man muss wohl davon ausgehen, daß diese Schwärzungen ein Versehen waren – so wie bei dem Vertragsteil der Auskunft… Mehr

Dr. S.
3 Jahre her

Aus ärztlicher Sicht ist eine Impfung gegen ein sich schnell veränderndes Virus ein Schildbürgerstreich. Nihil nocere!
Sich in Details zu versteigen wie Impfung wann, wo, wer zu erst usw. ist somit komplett überflüssig. Das Versagen der EU stellt den einzig verwertbaren Inhalt dieses Artikels dar, der jedoch ohne Neuigkeits- oder Nachrichtenwert ist.

Klaus Weber
3 Jahre her

Jahrzehntelang haben alle EU-Staaten diejenigen Politiker nach Brüssel geschickt, die man zuhause aus unterschiedlichen Gründen nicht brauchen konnte und denen man sich trotzdem insoweit verpflichtet fühlte, daß man sie mit einer finanziellen Vollversorgung ausstattete und gleichzeitig ruhigstellte. Das Motto war:“ Dort können sie ja nichts kaputt machen!“ Diese Praxis hat sich, wie man an Ursula von der Leyen sieht, bis heute erhalten. Mit welcher Berechtigung regt man sich heute eigentlich darüber auf, daß wichtige Angelegenheiten schief gehen, daß sich die EU lächerlich macht und ein wahres Paradies für Großmäuler und Hochstapler geworden ist?

thea
3 Jahre her

Lieber Max Roland, ich kann Ihre unkritische Begeisterung für neue gentechnische Impfverfahren mit Schnellzulassung und für Impfen als Ausweg nicht nachvollziehen und nicht gutheißen. Sie beginnen den Artikel mit einem völlig überzogenen Lob des Impfstoffes, Zitat: „Dabei versprach das COVID-19-Vakzin des britisch-schwedischen Pharmakonzerns viel Gutes“. Im weiteren Text stellt sich dann heraus, dass dieses „viel Gutes“ lediglich eine unkompliziertere Kühlkette ist, wodurch der Impfstoff auch reibungslos in Hausarzt-Praxen einsetzbar sein sollte. Und Sie schließen den Artikel mit folgenden Worten: „(…) dass die EU-Bürger hinter den USA und Großbritannien zurückbleiben, wenn es darum geht, Zugang zu Impfstoffen zu bekommen – und… Mehr

Fritz Goergen
3 Jahre her
Antworten an  thea

Habe die „Begeisterung“ bei Max Roland gesucht, aber nicht gefunden …

Stephan M. Schulz
3 Jahre her
Antworten an  Fritz Goergen

Lieber Herr Goergen,

“thea“ geht es wohl wie mir. Ich habe es in einem Kommentar weiter unten bereits geschrieben.

Man muß nicht jedes Mal die möglichen Gefahren und Risiken einer Impfung in epischer Breite diskutieren bzw. wiederholen.

Aber mehr kritische Distanz halte ich generell für angebracht. Und die fehlt leider im Text. Gerade wenn man diesen in Verhältnis zur Überschrift setzt.

Hannibal ante portas
3 Jahre her
Antworten an  Stephan M. Schulz

Ja, auch ich sehe, dass die meisten TE-Autoren der Impfstrategie positiv gegenüber stehen. Da man sich bei solchen Fragen ja streng an die Fakten halten sollte, tue ich mich in diesem Fall ziemlich schwer. Es gibt schlicht keine bzw. viel zu wenige Fakten ( keine Langzeitstudien ). Gerade junge Menschen einem derartigem Risiko auszusetzen, die selbst ein so kleines Risiko der ernsthaften Erkrankung an dem Virus selbst haben, ist einfach nicht verhältnismäßig. Wir reden hier weltweit von hunderten Millionen Menschen.

Endlich Frei
3 Jahre her

Das billige Astra-Zeneca-Placebo (86 Cent pro Dosis) findet sicher keinen Weg in mein Venen. Das können sich Merkel und Spahn schön selber spritzen.