Rheinland-Pfalz nach der Flut: Erosion auf dem Acker und im Staat 

Die Verwaltung in Rheinland-Pfalz macht Flutopfern zusätzlich das Leben schwer: Bauern und Winzer im Kreis Ahrweiler, deren Anbauflächen durch die Flut weggespült wurden, müssen diese jetzt schnell aus Anträgen herausnehmen – sonst gelten sie als Subventionsbetrüger.

IMAGO / Reichwein
Zerstörte Weinberge in Mayschoß im Landkreis Ahrweiler in Rheinland-Pfalz

Die Kreisverwaltung Ahrweiler teilt mit: »Die Aufsichts- und Dienstleistungsdirektion Trier hat (ADD) darauf hingewiesen, dass Flächenverluste, die auf das Extremwetterereignis der letzten Tage zurückzuführen sind und zu einer Änderung der im Agrarantrag 2021 gemeldeten Flächen führen, unverzüglich gemeldet werden müssen.«

Weiter heißt es: »Landwirte und Winzer werden gebeten, sich mit den Ansprechpartnerinnen und Ansprechpartnern der Kreisverwaltung Ahrweiler, Untere Landwirtschaftsbehörde, in Verbindung zu setzen.« In dieser Behörde sitzen fünf »Ansprechpartnerinnen und Ansprechpartnern« in ihren trockenen Stuben und geben Telefonnummern und Mailadressen durch, wo sich die Bauern aus den Katastrophengebieten melden müssen.

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Der Kreis Ahrweiler ist einer der am stärksten durch das Hochwasser betroffenen Landstriche. Dessen Verwaltung warnt unmittelbar nach der Katastrophe Bauern und Winzer, die gerade vor den Trümmern ihrer Existenz stehen oder ihren Nachbarn helfen, schnell ihren sogenannten Flächenantrag zu ändern und die Flächenverluste zu melden.

Die Wassermassen spülten einen Teil der landwirtschaftlich genutzten Flächen weg. Auf denen kann der Bauer in absehbarer Zeit zumindest nichts mehr anbauen. Diese Flächen müssen aus seinem Flächenantrag rausgerechnet werden, sonst begeht er Subventionsbetrug. Das ist Cross-Compliance-relevant und wird mit hohen Strafen geahndet.

Geht es eigentlich noch dreister? Nicht nur die Erosion der Flächen wurde deutlich sichtbar, sondern auch die des Staates. Wer braucht einen solchen Staat mit einer unfähigen Verwaltung noch? Der stört nur noch, wie sich immer mehr auch bei den Aufräumarbeiten herausstellt. Beispiel: Feuerwehrleute berichten, wie sie unverrichteter Dinge aus dem Katastrophengebiet wieder abziehen mussten, weil ihnen niemand einen Auftrag erteilt hatte, ohne den sie sich strafbar gemacht hätten.

Immerhin hat noch das Landwirtschaftsministerium in Mainz, in dem die etwas höher bezahlten Leute sitzen, nachgeschoben, dass »natürlich die Rückmeldung erst nötig« sei, »wenn Internet und Strom zur Verfügung stehen und die Antragsteller wieder dazu in der Lage sind.«

Die Ministerpräsidentin Marieluise Dreyer sagte kürzlich, sie könne nur »weinen«. Doch die Tränen helfen nicht, wo sie dafür sorgen müsste, anständig das Land zu verwalten.

Regierungsfehler vor der Flutkatastrophe
Landesregierungen und Industrie mauerten beim Bundeshochwasserschutz
Das ist auch schon vor der Flut nicht der Fall gewesen in Dreyers Landesregierung. Der früheren grünen Umweltministerin des Landes, Ulrike Höfen, wurde erst im vergangenen Jahr »grobe Rechtswidrigkeit« bei der Besetzung von Stellen attestiert durch das höchste rheinland-pfälzische Gericht, das Oberverwaltungsgericht in Koblenz. Immerhin trat Höfken später zurück, zu augenfällig wurden Unfähigkeit und grüne Günstlingswirtschaft sichtbar.

Jetzt sitzt Anne Spiegel dem Ministerium für Klimaschutz, Umwelt, Energie und Mobilität in Rheinland-Pfalz vor, die nach einer Tätigkeit als Sprachtrainerin bei der Sprachenschule Berlitz dazwischen als Ministerin für »Familie, Frauen, Kultur und Integration Rheinland-Pfalz« zuständig für Migration und Integration sowie für gleichgeschlechtliche Lebensweisen und Geschlechtsidentität war. Sie benannte das alte Ministerium für »Umwelt, Energie, Ernährung und Forsten« erst einmal um, schaffte viele neue Ressorts, darunter auch die Abteilung mit dem wohlklingenden Namen »Hochwasserrisikomanagement, Hydrologie, Klimawandel in der Wasserwirtschaft und Kompetenzzentrum Hochwasservorsorge«. Fachfrau zum Thema »Kommunale Starkregenvorsorge in Rheinland-Pfalz« ist deren Leiterin Dr. Annalena Goll, die zu diesem Thema auch bei einer »Klimatagung« des Deutschen Wetterdienstes referierte. 

Vom aktuellen Hochwasser haben die Kompetenzträger in diesem »Kompetenzzentrum« aber offenbar noch nichts mitbekommen. Jedenfalls findet sich dort auf den Internetseiten nur ein Vortrag aus dem März 2021 »Wie verändert der Klimawandel die Hochwassergefahr?« Umwerfend das Motto: »Vorsorgen statt untergehen«.

Hat man dort etwa von jenem einstigen legendären Sketch »Die Feuerwehr hilft« von Harald Schmidt und Herbert Feuerstein gelernt? Ja, wer sich nicht ‚uff de Wesch macht‘, hat halt verloren. 

Immerhin hat »Malu« Dreyer noch 2018 im Landtag zu Rheinland-Pfalz vorbeugend in schönstem Deutsch im Landtag erklärt: »In den kommenden fünf Jahren soll sich jede Verbandsgemeinde und jede verbandsfreie Gemeinde auf den Weg zu einem Hochwasserschutzkonzept machen.« Gegen den Bundeshochwasserschutz übrigens opponierte die von ihr geführte Landesregierung in Person ihres Innenministers Roger Lewentz übrigens heftig.

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Kommentare ( 56 )

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bkkopp
2 Jahre her

Es ist wohl nicht nur im Tal der Ahr dass “ untere Verwaltungsbehörden “ in der Tonlage des kaltschnäuzigen Obrigkeitsstaates steckengeblieben sind. Wir erinnern uns, dass Angehörige von Terroropfern Rechnungen für die Obduktion von Toten bekommen konnten. Zurück zum Tal der Ahr : wenn die lokalen und regionalen Behörden keine sinnvolle Raumplanung für die Region zusammenbringen, dann wird es “ der Bund „, irgendwelche Beamte in Berlin, auch nicht besser können. Verbesserung der Qualität und die Koordination von Systemen braucht keine Änderung von Zuständigkeiten.

Oliver Koenig
2 Jahre her

Immerhin wissen wir dank Politik und Medien nun, dass wir als Untergehender den die rettende Hand ausstreckenden Helfer erst fragen müssen, welche Gesinnung er hat. Antwortet der Retter, ich bin Querdenker oder gar AfD-Wähler, hat man mit Haltung zu ertrinken.

Dreiklang
2 Jahre her

In 16 Jahren Merkel-Herrschaft sind die politischen Eliten zu einem Club von Gaunern und Räubern verkommen. Das betrifft genauso die Behörden, deren Leitungen sich der Elite angepasst haben bzw. passend ausgetauscht worden sind. Dass wir diese Leute wieder loswerden müssen, ist klar. Die Frage ist nur, wie. Was die landwirtschaftlichen Flächen in RP betrifft: Das allerletzte, wirklich allerletzte, an das man jetzt denken muss, ist Subventionsbetrug.

baul
2 Jahre her

„Die effiziente Verwaltung in Deutschland“. Ordnung muß schon sein.

IDa1
2 Jahre her

„Die Ministerpräsidentin Marieluise Dreyer sagte kürzlich, sie könne nur »weinen«.“ Empatie ist sicher eine gute Eigenschaft für eine Landesmutter. In dieser Funktion wird aber Entschlossenheit für die Durchsetzung der Interessen der Bürger benötigt. Als ich das Bild von Frau Dreyer, gestützt durch die bürgerunfreundliche empathielose BK gesehen habe, war ich fassungslos. Ich zweifele stark daran, dass Frau Dreyer selbst bei gutem Willen, gegen ihren Beamten- und ihre Pareienkader durchsetzungsfähig ist. Wie soll eine solche Landesmutter ihre trägen und bürgerunfreundlichen Beamten auf Trab bringen, die seit Jahren ihr ruhiges auskömmliches Bürodasein frönen? Gegen ihre ideologisch aufgestellte und inkompetente Ministerriege wird Frau… Mehr

Juergen P. Schneider
2 Jahre her

Nun ja, wer sich ständig mit so weltbewegenden Themen wie Gender-Toiletten, politisch korrekter Ansprache von mikroskopisch kleinen Minderheiten und ähnlichem beschäftigen muss, hat halt keine Zeit, auf kleinbürgerliche Probleme, wie die Folgen einer Katastrophe, zu reagieren.

Kassandra
2 Jahre her

Irgendwie scheint so manches, das vom Amtswegen in die Öffentlichkeit kommt, „nicht hilfreich“: https://twitter.com/Polizei_KO/status/1417438928538382337

Evero
2 Jahre her

Konsequent in der bürokratischen Hybris wäre, wenn die fortgeschwemmten Flächen jetzt aus der Luft kartiert würden und von den Behörden den Eigentümern ein Bescheid mit Ultimatum und Strafbewehrung geschickt würde, wo sie aufgefordert werden, bis zu dem und dem Datum die Kahlflächen wieder zu begrünen.
So kenne ich Behörden. Bürgerfern.
Hat doch ein hessischer Schrebergärtner einst eine hohe Geldstrafe erhalten, weil er ohne Genehmigung einen Baum gefällt hatte, den er einst selbst gepflanzt hatte.

Irdifu
2 Jahre her

Es scheint so , als wären bei den Politikversagern Preise dafür ausgeschrieben , wer kann den Bürgern den grösst möglichen Schaden zufügen . Erst versagen durch Nichtinformation der Bürger und dann möglichst jeden bestrafen der dadurch geschädigt wurde. Unterlassene Hilfe , 200 € Soforthilfe für diejenigen die Hunderttausende an Schäden zu verzeichnen haben , während China jährlich 500 Millionen Entwicklungshilfe bekommt und der Ungesundheitsminister weitere 260 Millionen an den korrupten Haufen WHO
abliefert , für Impfungen die wiederum Tausende Menschen schädigen . Diese Versager müssen weg.

H. Priess
2 Jahre her

Warum lese ich dauernd von Frauen die in Behörden sitzen die ihre totale Unfähigkeit zur Schau stellen? Waren diese unglaublichen Zustände vor 20-30 Jahren schon so? Egal, jetzt sitzen sie da, stammeln vor sich hin wie die Sprecherin des Verkehrsministerium, die nun wirklich von nichts eine Ahnung hatte und haben nicht den Funken eines Verantwortungsgefühls. Aber die Bürokratie funktioniert aus den trockenen Büros heraus. Viel wichtiger ist jetzt der Kampf gegen Rechtsextreme, Querdenker und Reichsbürger die da einfach hinfahren und mit anpacken. Herr von Notz, von den Grünen, hat es herausgefunden, daß dort diese verfassungsfeindlichen Elemente ihr verfassungsfeindliches Unwesen treiben.… Mehr