Realpolitiker Schulz muss keine Anschlussverwendung suchen

Ob CDU und SPD tatsächlich verschiedene Werbeagenturen beschäftigen? Oder wird in einer GroKo-Kampa bereits am nächsten schwarz-roten Koalitionsvertrag getüftelt?

Ein Wahlergebnis steht schon mal fest: Martin Schulz wird, ganz gleich wie die Wahl ausgeht, sein Bundestagsmandat annehmen. Und SPD-Vorsitzender will er auch bleiben. „Ich werde mich auf dem nächsten Parteitag natürlich um eine Wiederwahl bewerben“, kündigte er jetzt an.

Dass Schulz auf Fragen, was er im Fall einer SPD-Niederlage tun werde, überhaupt eingeht, ist neu. Irgendwie scheinen die Umfragen aus dem einstigen Gottkanzler einen Realpolitiker gemacht zu haben. Vor kurzem antwortete er auf entsprechende Fragen noch so: „Die SPD wird stärkste Fraktion und ich werde Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland.“

Lindner als übermütiger Russlandversteher

Gespräch mit einem alten FDP-Kämpen vor einigen Wochen. Ich: Die FDP steht ja wieder recht gut da. Er: „Stimmt, aber es wäre nicht das erste Mal, dass wir uns kurz vor der Wahl selbst das Bein stellen.“ Das fiel mir am Wochenende wieder ein, als Christian Lindner es abermals schaffte, mit wenigen Sätzen ganz viel Aufmerksamkeit zu erregen. Sein Vorschlag im Umgang mit Putin: die Krim zunächst als „dauerhaftes Provisorium“ anerkennen und Sanktionen lockern.

Die Medien reagierten überwiegend negativ. Besonders scharf ging die Welt mit dem FDP-Superstar ins Gericht: Lindner wolle „den Genscher“ machen – nur dass die Fußstapfen, in die Lindner zu treten versuche, ein bisschen zu groß für ihn seien. Es sei typisch für die FDP, „in Sonntagsreden von Freiheitswerten zu reden – und dann doch mit Diktaturen kuscheln.“

Unabhängig davon, dass man im Wahlkampf keine Positionen einnehmen sollte, auf die man später als Außenminister festgelegt werden kann: Irgendwie scheint die FDP sich im Umfragerausch zu befinden. Das erinnert nicht nur an den Schulz-Hype von vor ein paar Wochen. Es erinnert auch daran, dass das D in FDP sicher nicht für Demut steht.

Austauschbare Slogans

Preisfrage: Von wem stammen die folgenden Wahlaussagen?

  • „Ein Deutschland der verschiedenen Regionen, aber mit gleichen Chancen auf ein gutes Leben. Packen wir es an!“
  • „Für gute Arbeit und gute Löhne“
  • „Familien sollen es kinderleichter haben“
  • „Denen den Rücken stärken, die für uns stark sind“

Die erste Aussage ist ein Tweet von Martin Schulz, die folgenden drei stehen auf Großflächenplakaten der CDU. Ob CDU und SPD tatsächlich verschiedene Werbeagenturen beschäftigen? Oder wird in einer GroKo-Kampa bereits am nächsten schwarz-roten Koalitionsvertrag getüftelt?

Übrigens: Das CDU-Plakat „Denen den Rücken stärken, die für uns stark sind“ zeigt zwei Polizisten. Zum Thema Rente plakatiert die CDU nichts – zum Thema Flüchtlinge auch nichts. Wenn es halt nichts zu ändern gibt ….

Wahlkampfweisheit zum Tage:

„Der beste Platz für Politiker ist das Wahlplakat. Dort ist er tragbar, geräuschlos und leicht zu entfernen.“ (Loriot)

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Kommentare ( 11 )

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Rizzo Chuenringe
6 Jahre her

„Dauerprovisorium“ ist eine höhnische altösterreichische Bezeichnung für schnell hingepfuschte Scheinlösungen, die dann aber niemand mehr jemals durch eine saubere Lösung ersetzt, weil sich schon alle daran gewöhnt haben. Klassisches Beispiel: Nagel in der Wand statt Kleiderhaken. Oder „russischer Kronleuchter“, eine nackte Glühbirne in einer Fassung, die direkt an einem Draht von der Decke hängt, beliebt in Kellern und Abstellkämmerchen.
Besonders die Bürokratie tendiert zu Dauerprovisorien. Beispiel „Friedenszins“. Absolute Realsatire, sowas kann man nicht erfinden. Über 50 Jahre Dauerprovisorium, hat sogar die siebenjährige Nazizeit plus 10 Jahre alliierte Besatzung überdauert.
https://de.wikipedia.org/wiki/Friedenszins

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6 Jahre her

„Ich wünschte es wäre Nacht, oder Horst Schlämmer würde wieder für den Bundestag kandidieren“

Ich bin mir absolut sicher, dass er Merkel und Schulz um Dimensionen schlagen würde.
Und ich bin mir auch sicher, dass er eine bessere Politik machen würde, als die Beiden zusammen.

Old-Man
6 Jahre her

Von mir aus können sich „unsere“ Politiker auf Wahlplakaten zu allem und jenem äußern,es glaubt ihnen wohl so schnell keiner mehr. Die allermeisten „Stimmabgeber“ machen ja ihr Kreuzchen da,wo sie es schon immer gemacht haben,denen ist auch wurscht,ob Merkel mit oder ohne Raute,ob Schulz rasiert oder mit Glatze abgebildet werden.Für dieses „Stimmvieh“ braucht keiner Wahlkampf zu machen,nur die Liste hinhalten,die kreuzen alles an was ihnen gesagt wird! Und das Christian Lindner wohl Recht hat mit dem gesagten,das zweifeln nur die an,die die Hose mit der Kneifzange über den Kopf anziehen! Und keine Bange,Ich bin kein FDP Wähler,aber die anderen Plattnasen… Mehr

Markus Gerle
6 Jahre her

Christian Lindner hat hinsichtlich der Krim nur gesagt, was vermutlich die meisten Menschen in Deutschland denken und was vermutlich auch der Realität entspricht. Es wäre schade, wenn C. Lindner sich medialen Aufschrei zu Herzen nimmt. Ist die Angst davor, in die rechte Ecke gestellt zu werden, auch der Grund dafür, dass die FDP sich mit Kritik an der Flüchtlings- und Eurorettungspolitik der Regierung zurück hält. Das wäre schade. Denn eines ist bei der kommenden Wahl noch offen: Werden wir wieder eine schlagkräftige Opposition bekommen?

Dr. Schulz
6 Jahre her
Antworten an  Markus Gerle

Der mediale Aufschrei auf Lindners Äußerung bez. Russland war doch klar. Wie objekiv die Schreiberlinge von APs, Reuters etc. Gnaden
berichten, hatten wir ja schon beim letzten US-Wahlkampf erlebt.
Alles was auf Entspannung und Frieden ausgerichtet ist wird propagandistisch niedergeschrieben, eben halt NATOaffine Medien.

Luisa
6 Jahre her

Lieber HMV,
gut, dass Sie Loriot ausgegraben haben. Diese Weisheit kann helfen, uns in den nächsten 47 Tagen ab und an zum Schmunzeln zu bringen. Bitte mehr davon. Halten Sie durch. Danke.

Übrigens sind die heurigen Wahlplakate an Einfaltslosigkeit nicht mehr zu überbieten. Sie spiegeln die Dummheit ihrer Auftraggeber wider. Wird höchste Zeit, dass auf allen Gebieten wieder Profis die Dilettanten verdrängen.

Johann Thiel
6 Jahre her

Egal in welcher Form, ein Politiker ist niemals „leicht“ zu entfernen.

Kostadinov
6 Jahre her

Was ist denn das für ein Deutsch?
„Familien sollen es kinderleichter haben“

Die Familien sollen um ihre Kinder erleichtert werden?
Die Familien sollen weniger Kinder haben?
Die Familien sollen weniger dicke Kinder haben?

F.Peter
6 Jahre her

Alle vier oben genannten „Wahlaussagen“ sind die reinste – sorry – Volksverarsche! Alle diese Themen brennen vielen Menschen die schon länger hier leben seit Jahren und fast schon Jahrzehnten unter den Nägeln und wurden in Wahlzeiten immer wieder aufs Tablett gehoben! Geändert, verbessert hat sich an der jeweiligen Situation absolut gar nichts, im Gegenteil, in all diesen Bereichen wurde es nach jeder Wahl schlechter!
Aber die medialen Hofberichterstatter werden wieder alles tun, um den Wählern ein X für ein U vorzumachen, alles schönschreiben und so die Verlogenheit dieser Politiker auch noch unterstützen, statt ihren Job zu machen und aufzuklären!

Johann Thiel
6 Jahre her
Antworten an  F.Peter

Woher kommt eigentlich diese seltsame Annahme das es der Job der Medien ist, die Bevölkerung aufzuklären?

Alexander Wildenhoff
6 Jahre her
Antworten an  Johann Thiel

Eigentlich ist es der Anspruch der Medien an sich selbst: Sonst würden sie sich ja nicht „DIE VIERTE GEWALT“ nennen.

Und mit diesem hohlen Marketing-Spruch haben sie in der Vergangenheit viele aus der alten „Bevölkerung“ überzeugt (?).

Jetzt, wo aus der „Bevölkerung“ alle die geworden sind, die jetzt zufällig hier leben, ist das natürlich nicht mehr so.