Österreichs Ex-Kanzler Kurz heute erneut vor Gericht

Kein angenehmer Termin heute für Sebastian Kurz: Österreichs Ex-Bundeskanzler und Ex-ÖVP-Chef steht heute vor dem Oberlandesgericht in Wien. Es geht um die bedingte Haftstrafe aus der ersten Instanz, Kurz und seine Anwälte sind gegen dieses Urteil in Berufung gegangen.

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Aktualisierung (26. Mai 2025, 11:22 Uhr): Das Oberlandesgericht Wien hat die erstinstanzliche Verurteilung von Sebastian Kurz (ÖVP) wegen des Vorwurfs der falschen Beweisaussage vor dem parlamentarischen Untersuchungsausschuss zur Ibiza-Affäre aufgehoben. Die bedingte Haftstrafe von sechs Monaten für seinen ehemaligen Kabinettschef Bernhard Bonelli wurde bestätigt.


„Ein Auftritt vor dem OLG ist schlimmer als drei Zahnarzttermine“, meint dazu ein Wiener Top-Anwalt: Am 26. Mai muss sich muss sich Sebastian Kurz ab 9 Uhr am Oberlandesgericht Wien (OLG) als Beschuldigter verantworten. Es geht um seine Verurteilung wegen Falschaussage vor dem Ibiza-Untersuchungsausschuss. Heute entscheidet ein dreiköpfiger Senat über die Berufung. Die öffentliche Verhandlung ist für drei Stunden angesetzt, Zeugen sind keine geladen.

In der ersten Instanz war Sebastian Kurz zu acht Monaten bedingter Haft verurteilt worden. Das Gericht sah es als erwiesen an, dass der frühere ÖVP-Chef im U-Ausschuss zur Bestellung von Aufsichtsräten in der Staatsholding ÖBAG nicht die volle Wahrheit gesagt habe. Konkret soll er den Eindruck erweckt haben, mit der Auswahl nichts zu tun gehabt zu haben – obwohl er laut Richter faktisch eingebunden war.

Kurz hatte gegen das Urteil volle Berufung eingelegt, ebenso wie sein damaliger Kabinettschef Bernhard Bonelli, der zu sechs Monaten bedingter Haft verurteilt worden war. Beide bestreiten weiterhin jede vorsätzliche Falschaussage.

„Es ging nicht um Lüge, sondern um Interpretation“

Die Anwälte von Kurz, Otto Dietrich und Walter Suppan, betonen, dass es sich bei der Verurteilung nicht um eine Lüge im engeren strafrechtlichen Sinne handle. Vielmehr sei Kurz’ Aussage unvollständig gewesen – was laut Strafrecht nicht automatisch strafbar sei. „Die Frage nach der Einbindung bei der Aufsichtsratsbesetzung hat Kurz im Ausschuss klar mit ‚Ja‘ beantwortet“, so die Verteidigung.

Während Kurz beim Thema ÖBAG-Vorstand freigesprochen wurde, blieb der Schuldspruch in Bezug auf die Aufsichtsräte bestehen. Die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) hatte das erstinstanzliche Urteil nicht angefochten.

Was heute entschieden wird

Der Berufungssenat des OLG Wien kann heute mehrere Entscheidungen treffen:

Bestätigung des Schuldspruchs inklusive Strafmaß, Milderung der Strafe, Freispruch in letzter Instanz oder eine Zurückverweisung an das Erstgericht. Ein heute gefälltes Urteil wäre in jedem Fall rechtskräftig – es sei denn, es wird eine Wiederaufnahme beantragt. Die Sprecherin des OLG, Susanne Lehr, betonte im Vorfeld, dass eine öffentliche Berufungsverhandlung bei zwei Angeklagten gesetzlich vorgesehen sei und nicht auf den Ausgang schließen lasse.

Große mediale Aufmerksamkeit

Das Verfahren sorgt weiterhin für großes Interesse – sowohl politisch als auch gesellschaftlich. Medienvertreter mussten sich im Vorfeld akkreditieren. Der ursprüngliche Prozess hatte sich über mehrere Monate im Jahr 2023 hingezogen – heute soll die Entscheidung in nur drei Stunden fallen.

Was vor Gericht niemand sagen wird, aber im polit-medialen Hintergrund Österreichs immer mitspielt: Wann kommt Kurz wieder angesichts einer ÖVP, die dorthin abgestiegen ist, wo Kurz sie nach oben holte?

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Kommentare ( 6 )

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doktorcharlyspechtgesicht
29 Tage her

Geradezu lächerlich, wie wenig Kurz für seine ständige Mißachtung der Justiz büßen muss. Monatelang führten er und sein Buddy Finanzminister Blümel die Ermittler an der Nase herum, bis schließlich der greise Bundespräsident ein Machtwort sprechen musste. Kurz ist eine Skandalnudel ersten Ranges: seine Kanzlerschaft ist vollgepropft mit Ungereimtheiten, Skandalen, Korruption und das hemmungslose Unterbringen von halbseidenen Parteigängern in gutdotierten Posten. Sein dickpick-verschickender Dilettantenkumpel Schmidt wurde Chef bei der ÖBAG – der wichtigsten Geldmaschine des Bundes, da sie die Staatsbeteiligungen an verschiedenen Unternehmen verwaltet. Martin Ho, betrügerischer Szenegastronom, konnte dank Freund Kurz Millionen Covid-Beihilfen kassieren und ohne Lizenz Restaurants betreiben. Der… Mehr

roffmann
29 Tage her

Den letzten Satz „““Wann kommt Kurz wieder angesichts einer ÖVP, die dorthin abgestiegen ist, wo Kurz sie nach oben holte?““““ .. habe ich nicht verstanden .

Kassandra
29 Tage her

Herr Schmitt – Sie messen die Gefühlsbandbreite solcher an denen von Normalmenschen – was weit gefehlt sein kann? Der Pole Andrzej Łobaczewski schrieb vor Zeiten über das Verhalten Regierender „Politische Ponerologie, eine Wissenschaft über das Wesen des Bösen und ihre Anwendung für politische Zwecke“. Das Buch ist, wie mehrere Interviews dazu, im www in Gänze zu finden: https://kritisches-netzwerk.de/sites/default/files/andrzej_lobaczewsk_-_politische_ponerologie_-_eine_wissenschaft_ueber_das_wesen_des_boesen_und_ihre_anwendung_fuer_politische_zwecke_2.pdf Wiki schreibt: „Sebastian Kurz (* 27. August1986 in Wien) ist ein ehemaliger österreichischerPolitiker (ÖVP)…. Nach seiner politischen Laufbahn übernahm Kurz 2022 einen Posten bei Thiel Capital in den USA und ist als Investor und Unternehmer tätig. Seit 2022 arbeitet er auch für… Mehr

Autour
29 Tage her

So ein Prozess wäre in Deutschland UNDENKBAR! Das ein hoher Politiker hier jemals für irgendeine Straftat zur Rechenschaft gezogen werden würde gleicht dem Kamel, dass durch ein Nadelöhr geht…
Man muss sich nur an das Ehrenwort, den Mann mit dem Geldkoffer … Cumex ect. pp. erinnern die Liste liesse sich endlos weiterführen…
Niemals auch nur irgendwas bei rausgekommen!
Aber wehe man kommt von der Opposition… dann reichen schon drei Worte und man steht mit einem Bein im Gefängnis….

Peter Gramm
29 Tage her

Dem Bubi passiert schon nix. Der ganze Politik und Justizapparat ist parteibuchunterwandert. Wie bei uns auch. Unabhängigkeit steht auf dem Papier, aber eben nur auf dem Papier, und das ist geduldig.

Wilhelm Roepke
29 Tage her

Kurz ist zu jung zu weit nach oben gekommen. Vielleicht hat er in den nächsten Jahren die Reife, die Rest der ÖVP noch zu retten, falls das möglich ist. Es ist aber auch nicht schlimm, wenn die FPÖ die Rolle der Konservativen dauerhaft übernimmt. Eine Partei ist nur eine Hülle für Politikinhalte und im Grundsatz beliebig austauschbar; es kommt nur auf die Inhalte an.