Lars Klingbeil: Alle Ministerien müssen sparen

Finanzminister Lars Klingbeil hat die anderen Ministerien zur Sparsamkeit aufgerufen. Auf die “Sondervermögen” genannten ungebremsten Schulden dürften seine Kollegen sich nicht verlassen. Für den SPD-Chef sind die Flitterwochen vorbei.

picture alliance / Flashpic | Jens Krick

Vor zwei Wochen haben SPD und Union Friedrich Merz zum Kanzler gewählt. Wenn auch erst im zweiten Anlauf. Nach zwei Wochen sind die Flitterwochen vorbei. Frisch Vermählte kennen das: Der Strauß ist verwelkt. Das Zimmer auf der Hochzeitsreise war kleiner als es im Internet aussah, und der Kocher, der so hübsch auf dem Geschenketisch wirkte, braucht 20 Minuten für jedes Frühstücksei. Kurzum: Die Mühen der Ebene haben begonnen.

Das Gefühl durchlebt jetzt auch Lars Klingbeil. In zwei Monaten erlebte er den rauschhaften Aufstieg vom SPD-Wahlverlierer zum Vizekanzler und Finanzminister. Zwei Wochen konnte er feiern, dass er der Hoffnungsträger ist. Aber halt nur für die SPD. Das ist wie beim Olympiateilnehmer aus Birma. Man darf zwar zu den Olympischen Spielen, ist dort aber bestenfalls eine nette Anekdote. Klingbeil hat jetzt mal nachgerechnet, wie das Land finanziell dasteht nach 23 von 27 Jahren SPD-Regierungsbeteiligung. Mit einem Wort: verheert.

Zwar haben sich Merz und Klingbeil noch vor der Trauung selbst ein Billionen-Geschenk gemacht und die Schuldenbremse gelöst: Allein für „Investitionen in die Infrastruktur” haben sich CDU, CSU und SPD eine halbe Billion Euro genehmigt. Für Verteidigung wollen sie künftig ausgeben, “whatever it takes”. Da klang Merz wie ein wohlhabender Mann, der seiner Braut eine sorgenlose Zukunft verspricht: Was immer es kostet, wir können es bezahlen. Doch nach dem Kassensturz ist klar. Nein. Das kann die frisch vermählte Regierung eben nicht. Schon jetzt kommt sie an die Grenze, die den Mitgliedsstaaten durch die EU gesetzt ist: Die gesamte staatliche Verschuldung darf 60 Prozent des Bruttoinlandproduktes nicht überschreiten.

Deswegen hat Klingbeil jetzt eine Warnung ausgesprochen. Dass tut die SPD bevorzugt über hauseigene Medien oder über das “Redaktionsnetzwerk Deutschland” (RND). Die Regierung könne sich jetzt nicht zurücklehnen, verkündet der Finanzminister. Auf die “Sondervermögen” könne sich der Bund nicht verlassen. Jedes Ministerium müsse sparen. Die Flitterwochen sind vorbei, die Rechnung für die Hochzeitsreise lastet schwer auf dem Küchentisch.

Sie prügeln sich ums Geld
Freude über neue Schulden - aber für alle kann es nicht reichen
Nachdem Merz und Klingbeil die Schuldenbremse gelöst haben, hat TE eine lose Serie gestartet: “Sie prügeln sich ums Geld”. Denn nach diesem Beschluss ging der Wunsch nach ungebremsten Ausgeben los. Jeder äußerte, der Staat müsse nun das bezahlen, was er sich immer schon gewünscht habe. Doch mit ihrem Hilfskonstrukt haben sich die beiden Regierungschefs zwar Spielraum für den Haushalt geschaffen. Aber halt auch ein strukturelles Problem: Sie können jetzt das Geld nicht mehr dafür ausgeben, wofür es am dringendsten gebraucht wird – sondern nach den Regeln ihrer Verfassungsänderung. Das führt zwangsläufig zu absurden Situationen.

Ein Beispiel: Die Beiträge für die Krankenkassen explodieren. Sie sind im Januar rasant gestiegen, trotzdem verfügen die Kassen kaum noch über die von der Verfassung vorgeschriebenen Reserven. Deswegen droht die nächste Erhöhungswelle noch dieses Jahr. Das würde genau das Gegenteil von dem bedeuten, was die Regierung beteuert und auch Experten sagen: Eigentlich muss der Staat Betriebe und Beschäftigte entlasten. Höhere Kassenbeiträge würden Arbeit noch stärker verteuern – spürbar stärker.

Merz statt Bismarck
Der Untergang der kranken Kassen
Mit zehn Milliarden Euro belastet der Staat die Kassen jährlich. Für die Behandlung von Bürgergeldempfängern zahlen sie entsprechend mehr, als sie dafür erhalten. Es wäre also ein zwingender erster Schritt, dass der Bund den Kassen diese zehn Milliarden Euro jährlich bezahlt. Nur: Das ist keine “Investition in die Infrastruktur”. Das müsste über den regulären Haushalt laufen. Der lag im letzten Entwurf bei rund 470 Milliarden Euro. Also weniger als das “Sondervermögen”. Die frisch getraute Regierung gibt mehr Geld über Schulden aus als über Einnahmen – solide Finanzen sehen anders aus.

Klingbeil und die neue Gesundheitsministerin Nina Warken (CDU) könnten zu einem weiteren Hilfskonstrukt greifen: Sie könnten das Gesundheitswesen zu den Faktoren erklären, die im Kriegsfall von entscheidender Bedeutung wären. Dann würden Ausgaben für das Gesundheitswesen als Ausgaben für die Verteidigung gewertet. Die Höhe wäre dann egal – “whatever it takes”. Das ist nur ein Beispiel. Bei 470 Milliarden Euro regulärem Haushalt, 500 Milliarden Euro Schulden, “Sondervermögen” genannt, und einem Freibrief für die Verteidigungm müssten Merz und Klingbeil nun ständig zu solchen Gedankenkonstruktionen greifen. Sie bräuchten mehr Ausreden als ein Bräutigam, der mit Lippenstift am Hemd nach Hause kommt.

Wobei es Merz mit dem Zuhause eh nicht so hat. Der Kanzler hat in den ersten zwei Wochen seiner Ehe mit der SPD gezeigt, dass er eher das Auswärtige bevorzugt. Das bestimmt die Nachrichtenlage des Montags. Kostproben: Die USA gibt künftig kein Geld mehr für die umstrittene Gesundheitsorganisation der Vereinten Nationen aus. Also springt Deutschland ein, zahlt freiwillig mehr. Für den Anfang weitere zehn Millionen Euro. “Whatever it takes”. Am Tag, an dem Klingbeil am heimischen Küchentisch Sparsamkeit predigt.

Zeitgleich verhandeln die Spitzen der EU und des Vereinigten Königreichs. Die britische Regierung will sich nach der “Brexit” genannten Scheidung wieder der EU nähern. Sie schielt auf Rüstungsaufträge vom Festland. Allein aus Deutschland fließt das Geld dafür künftig ungebremst. “Whatever it takes”.

Derzeit hat der Bund keinen Haushalt. Der Entwurf war die Scheidungsursache für die Ampel. Jetzt müssen ihn Merz und Klingbeil als Altlast abarbeiten. In fünf Wochen will der Finanzminister den neuen Entwurf dem Kabinett vorlegen. Bis dahin müssen also die anderen Minister ihre Sparvorschläge vorlegen. Nach einem Wahlkampf, in dem Einsparungen des Staates kein Thema waren. Nach einer Eheschließung der Regierung, die mit großtönigen Worten begann: “Whatever it takes”. Und dem damit ausgelösten Gefühl, jetzt könne sich der Staat alles leisten.

Der Satz “Sie prügeln sich ums Geld” dürfte bis Ende Juni den Ehealltag zwischen Union und SPD am besten beschreiben.

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Kommentare ( 45 )

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JoergJ.
1 Monat her

Eine Abstufung durch die Ratingagenturen ist nur noch eine Frage der Zeit. Dann werden die Zinsen noch einen Tick steigen.

Siggi
1 Monat her
Antworten an  JoergJ.

Die Abstufung hat die USA ein wenig gerettet. Einmal genau betrachten. Cui bono.

Privat
1 Monat her

Die deutschen Spezialisten des Parteiensystems schicken immer noch auf Kosten der Steuerzahler und ununterbrochen Waffen und Kampfpanzer in die elendige Ukraine. Russische Fachleute haben die erbeuteten deutschen Leopard Panzer gründlich untersucht uns sie kamen zu einem sehr interessanten Ergebnis- Der deutsche Leopard hat einige Mängel und Schwachstellen an der Panzerung, worauf die russische Armee erfolgreich ansetzt. In den letzten Tagen wurde durch die kampferprobte russische Armee mehrere deutsche Leopard Panzer mit Leichtigkeit zerstört. Die Panzer halten sie für die heutige Kriegsführung mit neuen Waffen für ungeeignet. Zu schwer zu unbeweglich und viele Schwachstellen, die jeder Gegner gnadenlos ausnutzen kann. Merz… Mehr

Siggi
1 Monat her

Der DAX steht bei 24000 und die „Experten“ sind ratlos. Das zeigt, dass sie entweder ungeeignet sind, oder ihre Hausarbeit nicht machen. Der jetzige Börsenboom resultiert nach genauer Betrachtung und Auswertung (ich bin selbst WiWi) eindeutig aus den Panikkäufen derjenigen, die auf Zulieferungen angewiesen sind. Die Trumpsche Zollpolitik, Russland, Indien/Pakistan und andere Unbilden dieser Zeit, haben zu dieser Reaktion geführt. Die Lager sind nun fast voll und somit wird der Boom bald ein jähes Ende finden. Wer darauf setzt, dass es weiter nach Oben geht, zahlt letztlich die Zeche. Ich sehe den DAX zum Jahresende bei unter 22000; und das… Mehr

Siggi
1 Monat her

Wie gerade bekannt wird, hat das Auswertige Amt nun beschlossen viele Palästinenser, und damit auch Hamas-Leute zu „evakuieren“, was bedeutet, sie nach Deutschland zu holen. Die Verquickung von Linksextremen und Palästinensern ist bekannt und wird hier im Land durch gewalttätige Demonstrationen untermauert. Wer glaubt, dass es dadurch bei uns friedlicher wird, ist ein Narr. Solche rein ideologischen Aktionen, verunsichern die Juden in unserem Land; und das zu Recht. Darüber hinaus werden die Demonstrationen eher mehr und gewalttätiger, als eben nicht. Abschi9ebungen werden als unmöglich dargestellt, was bedeutet, dass wir diese gefährliche Mischpoke so lange im Land haben und versorgen müssen,… Mehr

Privat
1 Monat her
Antworten an  Siggi

Das fürchterliche bunte Parteiensystem der Altparteien zerstört mit der ununterbrochenen geplanten Asylantenflut unser Land. Sie halten sich für Gutmenschen aber sie sind nur schreckliche Id….., die uns bewusst in den Ruin treiben.

Peter Gramm
1 Monat her

An einem darf natürlich nie gespart werden. Die Sinnlosfinanzierung von NGO’s. Könnte ja die eigene Haushaltskasse davon betroffen sein.

MalerKoeln2
1 Monat her

Kreißsaal, Hörsaal, Plenarsaal – das ist der Klingbeil. Und Merz ist ein Lobbyist des Schwarzfelsens.

Da kann für die AfD 51% eigentlich nichts mehr schief gehen.

chloegrace1312
1 Monat her

Die Kraft des Faktischen bahnt sich unerbittlich ihren Weg. Daran werden auch Klingbeil und Merz nicht vorbei kommen. Ob sie wollen oder nicht, spielt keine Rolle. Frei nach Ayn Rand: „Du kannst die Realität ignorieren, aber du kannst nicht die Konsequenzen ignorieren, die durch das Ignorieren der Realität entstehen.“

Juergen Semmler
1 Monat her

„Whatever it takes“ –

(Was immer auch nötig ist / Mario Draghi-Zitat während der Eurokrise)

Was für eine damals schon
“ draghische“ Losung & Lösung der Eurokrise….

Klingt im sächsischen Dialekt wie „tragisch“…

Ähnlich wie ….

“ All or None “ –

(AON-Order „Alles oder Nichts“ / Aktionärssprache….

Genau FRITZES Blackrock- Jargon)

Fehlt nun nur noch KLINGBEILs Aufruf / Ausruf:

„Do you want total national bankruptcy ?“ –

( Wollt ihr den totalen Staatsbankrott ?)

Und alle Roten-Grünen-Schwarzen-SEDler springen auf und brüllen frenetisch / ja schon inbrünstig:

„Jaaaaaaaaaaaaa“

Am lieben Geld sind schon ganz Andere gescheitert und letztlich UNTERGEGANGEN.

Diogenes
1 Monat her

„Die Ministerien müssen sparen“ ! Das kennen wir schon!

Die Minister sparen keineswegs an ihren „Diäten“, sondern brauchen nur ein paar Monate irgendwann einmal im Leben der „Volkstretung“ angehört zu haben und sie bekommen dann „lebenenslänglich“, ähnlich wie die Geldverbrenner vom „ÖRR“ Gelder – und sei es mit der Magensonde gegen Ende zu – Geld reingestopft, welches sonst 10 arme Familien in Rente ernähren würde.

Eddy08
1 Monat her

Woran ist die Ampel gescheitert? Daran das Lindner sich geweigert hat die Schuldenbremse zu lockern und daran das er sagte das Land ist pleite und es bedarf eines Sparens auf allen Gebieten, Scholz warf darauf die FDP raus, Klingbeil gab es damals schon, ich denke er wusste was Phase ist. Die Sonderschulden werden wieder in andere Länder fließen, hauptsächlich in die Ukraine und EU und die deutschen Kartoffeln werden weiter ausgequetscht ….

Chrisamar
1 Monat her

Eisenbahn in Ägypten. Winddrachen auf Mauritius… Einsparmöglichkeiten? 2012: „Hamburg/Klixbüll (dpa/lno) – Das Hamburger Unternehmen Skysails hat eine Flugwindkraftanlage nach Mauritius verkauft. Das teilte Skysails am Montag in Klixbüll (Kreis Nordfriesland) mit. Strom wird bei dieser Anlage dadurch erzeugt, dass ein in bis zu 800 Metern Höhe fliegender Winddrachen ein Seil von einer Winde am Boden zieht, über die ein Generator angetrieben wird, wie Gründer und Geschäftsführer Stephan Wrage erklärte. Den genauen Verkaufspreis nannte das Unternehmen nicht. «Unsere Anlagen kosten einen sechs- bis siebenstelligen Eurobetrag», sagte Wrage.“ https://www.welt.de/regionales/hamburg/article221421976/Skysails-verkauft-Flugwindkraftanlage-nach-Mauritius.html Beispiele für Subventionen: Mauritius: KI generiert: „Das Pilotprojekt auf Mauritius wurde durch staatliche… Mehr