Historischer Arbeitskampf bei Ford Köln: 11.600 Mitarbeiter streiken

Erstmals wird in der fast 100-jährigen Geschichte der Ford-Werke in Köln gestreikt. Die IG Metall hat am Montag zu einem Ausstand aufgerufen. Damit erreicht der Konflikt um den geplanten Stellenabbau beim Traditionsunternehmen eine neue Eskalationsstufe.

Imago/ Panama Pictures/ Christoph Hardt

Der Auslöser für den Streik ist der Konflikt um ein umfassendes Sparprogramm des US-Autokonzerns: Bis Ende 2027 sollen 2900 Stellen am Standort Köln gestrichen werden – das entspricht etwa jedem vierten Arbeitsplatz. Der Konzern begründet die Maßnahme mit notwendigen Kostensenkungen angesichts enttäuschender Absatzzahlen bei den neu eingeführten Elektromodellen. Die IG Metall hingegen spricht von einer „konzeptlosen Rosskur“, die den Standort Köln und die dortige Ford-Tochter existenziell gefährdet.

Die Stimmung in der Belegschaft ist explosiv: Laut IG Metall sind 80 Prozent der Beschäftigten gewerkschaftlich organisiert. Eine kürzlich durchgeführte Urabstimmung ergab eine Streikbereitschaft von 93,5 Prozent – ein klares Signal an die Konzernspitze.

Sozialtarifvertrag gefordert – Verhandlungen festgefahren

Die Gewerkschaft fordert einen Sozialtarifvertrag, der insbesondere für hohe Abfindungen, Qualifizierungsmaßnahmen und Insolvenzsicherheiten sorgen soll. Die Verhandlungen darüber sind ins Stocken geraten – trotz vorangegangener Warnstreiks im März und April. Der Betriebsrat wirft dem Management vor, bislang kein tragfähiges Konzept für die Zukunft des Standorts vorzulegen.

„Es ist Zeit für den Arbeitgeber, sich zu bewegen und eine Gesamtlösung für die Belegschaft in Köln zu ermöglichen“, sagte Betriebsratsvorsitzender Benjamin Gruschka. IG-Metall-Verhandlungsführerin Kerstin Klein erklärte gegenüber dem WDR, sie warte auf ein Gesprächsangebot von Ford – bislang vergeblich. Das Unternehmen selbst hat sich zum angekündigten Streik noch nicht geäußert.

Standort unter Druck: E-Auto-Produktion als Problemzone

Ford hatte den Kölner Standort zuletzt vollständig auf die Produktion von Elektroautos umgestellt. Doch der erwartete Erfolg blieb aus: Die neuen Modelle verkaufen sich deutlich unter den Erwartungen, während die Produktionskosten hoch sind. Besonders betroffen vom geplanten Stellenabbau sind daher die nicht unmittelbar produktionsrelevanten Abteilungen wie das Entwicklungszentrum, das Ersatzteillager und der Werkschutz.

Zusätzlich verschärfte sich die Lage, als die US-Muttergesellschaft kürzlich eine interne Verlustübernahmevereinbarung für die Kölner Tochter aufkündigte – ein Vorgang, der unter Experten als drastisches Warnsignal gilt.

Rückblick: Der letzte Arbeitskampf vor 50 Jahren

Der Streik am Mittwoch ist der erste offiziell von der IG Metall getragene Arbeitskampf bei Ford Köln. Der letzte große Protest fand 1973 statt – damals war das allerdings ein „wilder Streik“ türkischer Gastarbeiter, die sich gegen Massenkündigungen wehrten. Der damalige Protest wurde unter Ausschluss der Gewerkschaft und letztlich unter Einsatz der Polizei beendet.

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Kommentare ( 108 )

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LF
1 Monat her

Ford hat sich selbst abgeschafft mit der E-Mobilitäts Strategie. Erfolgsmodelle mit Verbrenner Motoren wurden abgeschafft. Aber keine sorge, im Ausland lässt es sich letztendlich auch günstiger Produzieren, auch Verbrenner Motoren. Die Belegschaft sollte sich fragen, welche Regierung in den letzten 8 Jahren gewählt wurde. Und die IG Metall hat hoffentlich zu den Demonstrationen die Omas gegen rechts und die Antifa eingeladen. Immerhin geht es um das Klima und nicht nur um Arbeitsplätze.

abel
1 Monat her

Gewerkschaft muß man sich heute leisten können! Vor allem Mental.

abel
1 Monat her

Der Kampf gegen Rechts ist bei den Gewerkschaften wichtiger. Nun setzen die voll auf den Industriestrompreis.

abel
1 Monat her

Weiß die IG-Metall immer noch nicht wie Amerikanische Firmen auf einen großen Streik im Ausland reagieren. Beispiele gibt es genug. FORD ist jetzt schon so gut wie verkauft nach diesem Streik.

S.Bauch
1 Monat her

Viele türkische Mitbürger arbeiten bei Ford. Diese kaufen ein neues Auto und nach einem Jahr wird es als Jahreswagen an Verwandte und Freunde weiterverkauft. Das Geschäftsmodell funktioniert mit der Elektrifizierung nicht mehr. Die türkische Community fährt jedes Jahr zum Sommerurlaub in die Türkei. Das Problem:Es gibt nicht genug Ladesäulen auf dem Weg zur Verwandschaft.

Raul Gutmann
1 Monat her
Antworten an  S.Bauch

Sehr geehrter Herr „S.Bauch“, mit Verlaub und großem Respekt vor vielen Türken in hiesiger Nachbarschaft: „Türkische Mitbürger“ ist ein Propagandabegriff der pseudo-deutschen Regierung, der seinen scheinbar staatsbürgerlichen Inhalt verspottet.
Sie halten das für „Nazi“-Argumentation?
Dann fragen Sie in der Türkei lebende Türken, wieviele von ihnen ihren deutschen Nachbarn, bei aller unterstellter Sympathie, türkische Bürgerrechte zugestehen würden?
Eben!

S.Bauch
1 Monat her
Antworten an  Raul Gutmann

Werter Herr Raul Gutmann, ich bin eine Frau. Mein Sohn spielt seit vielen Jahren in der Bezirksoberliga Fußball, in einem türkischen Verein. Ich kenne mich nicht so aus mit richtigen oder falschen Bezeichnungen, denn unsere Gäste heißen u.a. Amir, Hamzar oder Malik.

Raul Gutmann
1 Monat her
Antworten an  S.Bauch

Sehr geehrte Frau Bauch, bitte entschuldigen Sie die falsche Anrede und danke für Ihre Replik, angesichts derer ich meine Antwort an Sie überdenke.
Hochachtungsvoll

abel
1 Monat her
Antworten an  S.Bauch

Nicht nur Ford. Das betrifft auch BMW.

Uferlos
1 Monat her

Ford ist in Europa schon lange auf dem absteigenden Ast. Biedermann Image schon lange vor der Einführung der Elektromobilität.
Was Zuverlässigkeit und Technik betrifft, hatte Ford nicht immer den besten Ruf. Kaum jemand kauft in der Kompaktwagen Klasse ein 50k E-Auto von einem Durchschnitts Auto Hersteller.
Ford hat seine Gewerbekunden an Skoda verloren, die Privatkunden an Skoda, Toyota und die Koreaner.

Raul Gutmann
1 Monat her

Mutmaßlich wird das sich wahlweise überrascht oder empört gebende Publikum die Termini
historisch
Streik
Traditionsunternehmen
Eskalationsstufe
…zukünftig noch oft vernehmen.
Nicht böse Mächte im Weißen Haus oder Kreml verantworten dies, sondern die hausgemachte, von den zu Wählern degenerierten Bürgen per Wahlen demokratisch abgesegnete Politik der bewußten Deindustrialisierung.
In den Worten des Volksmundes: Geliefert wie bestellt, was in transzendenter Form lautet:
„Man muß für all seine Taten in dieser Welt bezahlen. So oder so. Nichts ist umsonst. – Außer Gottes Gnade .“
True Grit, USA 2010 (Prolog)

Last edited 1 Monat her by Raul Gutmann
GefanzerterAloholiker
1 Monat her

Historischer Arbeitskampf bei Ford Köln. Also da ist etwas „historisch“, was sich in einem Firmengelände irgendwo in Kölle abspielt. Die Ironie ist gelungen.

Paul Brusselmans
1 Monat her

Liebe IG-Metall: Sämtliche Europaabgeordneten der SPD haben nicht nur das Verbrennerverbot beschlossen, sondern auch die ursprünglich nicht vorhergesehenen Strafzahlungen. Bereits der Entwurf der EU-Verordnung unterstreicht, dass Umschulungen der betroffenen Werktätigen und die massive Unterstützung der betroffenen Städte unausweichlich seien. Dass es also für das hohe Ziel der Klimaneutralität zu Massakern an Arbeitsplätzen kommen wird. Scholz, SPD, hätte das Ganze wohl im Rat noch nach der Entscheidung des Parlaments stoppen können. Bedankt Euch bei SPD und Grün:Innenden. Für die Mitarbeiter und ihre Familien, für die vielen, die indirekt vom Wohl Fords abhängen tut es mir leid. Gewerkschaften sollten sich um Arbeitsplätze… Mehr

GefanzerterAloholiker
1 Monat her
Antworten an  Paul Brusselmans

Inhaltlich richtig. Nur gehen die Arbeitsplätze der Werktätigen der IMG am …. vorbei. Es dreht sich alleine um die IMG Bonzen selber.

Reinhard Schroeter
1 Monat her
Antworten an  Paul Brusselmans

Lieber Paul, lieb sind die Gewerkschaftlichem schon lange nicht und das müssen sie auch nicht sein, wenn sie das machen, wozu sie ihre Daseinsberechtigung haben .Ansonstrn aber haben Sie des Pudels Kern getroffen . Was mich aber erschüttert ist die Tatsache, das denen , die ihre ureigensten Interessen schamlos verraten, immer noch Leute nachlatschen und sich für dumm verkaufen lassen. Es ist das gleiche Phänomän, wie bei den Wählern der Blockparteien. Man belügt sie, man betrügt sie, schaut auf sie herab, nimmt sie aus wie Weihnachtsgänse, führt sie jeden Tag, den der Herr werden lässt, hinter die sprichwörtliche Fichte und… Mehr

lauterbachleugner
1 Monat her

Da waren die 80% wohl in der falschen Gewerkschaft. Ein erster Vorgeschmack auf das was kommt.