Gruber hui, Söder pfui

Eine Kabarettistin muss sich schützend vor einen bayrischen Ministerpräsidenten stellen, damit dieser reden kann. Offenbar hat Markus Söder einmal zu oft den Hals gewendet. Dank Monika Gruber wird eine 200-Teilnehmer-Veranstaltung zu einem deutschlandweit beachteten Event gegen grüne Klimapolitik.

IMAGO - Collage: TE
Monika Gruber und Markus Söder während Kundgebung gegen Heizhammer-Gesetz der Ampel-Regierung auf dem Volksfestplatz in Erding / Datum: 10.06.2023

Damit hatte Markus Söder wohl nicht gerechnet. Der bayerische Ministerpräsident mit dem besonderen Geruchssinn für Wechselstimmungen in der Nase – böse Zungen würden unken: der opportunistischste Politiker der Republik – spekulierte erneut darauf, vergangene Taten mit aktueller Rhetorik zu übertünchen. Früher als Umweltminister an vorderster Front bei der Abschaltung der Kernkraft, kurz vor Schluss leidenschaftlicher Langfristenverlängerungsjunkie. In den Corona-Jahren setzte sich Söder zuerst an die Spitze der striktesten Maßnahmenbefürworter und wechselte anschließend ins Lager derjenigen, die nicht früh genug lockern konnten. Es soll mittlerweile in Oberbayern bronzene Wetterhähne mit seinem Konterfei geben. Wir in der Redaktion halten das für ein bitterböses Gerücht, aber wenn es nicht erfunden ist, dann ist es dennoch gut getroffen.

Kurz gesagt: Sie kennen Söder. Und leider musste der gebürtige Franke diese Erfahrung auch beim Wahlvolk machen. Denn Söder versuchte bei der Erdinger Anti-Wärmepumpendemo („Stoppt die Heizungsideologie“) zu punkten, indem er sich dort als Redner eintragen ließ. Den Unmut im Land wollte der CSU-Chef instrumentalisieren, weil die Wut auf die Ampel so groß ist. Doch dem Ministerempfang schmetterte kein Applaus entgegen. Stattdessen gab es Pfiffe und Buh-Rufe. Personen im Publikum forderten ihn auf: „Hau ab!“

Der Ministerpräsident konterte unsouverän: „Haut selber ab!“ Nicht nur ein Cem Özdemir von den Grünen, sondern auch die Union scheint angesichts der in die Höhe schnellenden AfD-Umfrageergebnisse die Contenance zu verlieren. Nun büßt die Union zwar nicht in den Größenordnungen der Ampelparteien an Zustimmung ein. Aber sie kann von der aufgeheizten Stimmung im Land kaum profitieren. Zu sehr wird sie als Mithelferin der Energiewende wahrgenommen. Sie erscheint unglaubwürdig – und liebäugelt viel zu sehr mit der Regierungslinie, statt eigene Akzente als Oppositionspartei zu setzen. Söder ist ein Symbol für diesen Kurs. Er hat einmal zu oft den Hals gewendet – so scheint es zumindest an diesem Tag.

Die Mitorganisatorin Monika Gruber greift ein. „Wir leben in einer Demokratie, Freunde – lasst bitte jeden Redner ausreden“, ruft sie der Menge zu. Schließlich handele es sich immerhin um den bayerischen Ministerpräsidenten. Sie bittet um Respekt. Doch die Ablehnung gegen Söder bleibt greifbar. Ab und an kann er sich durchschlagen, wenn er auf die Grünen schlägt. Doch das Publikum weiß, dass derselbe Söder oft genug mit den Grünen geflirtet hat.

Derselbe Vorgang wiederholt sich beim Auftritt des bayerischen FDP-Vorsitzenden Martin Hagen. Die FDP ist in Bayern in der Opposition, doch sie kann nicht den Ruch der Ampel auf Bundesebene loswerden. Mitgehangen, mitgefangen. Die Buh-Rufe sind so laut, dass man Hagens Worte kaum verstehen kann. Die Union mag wegen ihrer Vergangenheit nicht profitieren können; die FDP wird wegen ihrer Gegenwart vor Ort abgestraft.

Ganz anders läuft der Auftritt des bayerischen Wirtschaftsministers Hubert Aiwanger ab. Er hatte bereits in den letzten Wochen und Monaten deutlicher den rhetorischen Säbel in den sozialen Netzwerken gezückt. Er stilisierte sich dabei stets als bodenständiger „Normalo“ aus der Provinz, dem der grüne Städter des juste milieu entgegensteht. Diese Erfolgslinie fährt Aiwanger in Erding fort. Er kann auf Zuruf und Applaus zählen.

Das Heizungsgesetz, so Aiwanger, sei „Wahnsinn“, es müsse „in die Tonne“ getreten werden. Die Grünen wollten nicht das Klima retten, sondern den deutschen Wohlstand zerstören. Aiwanger schreckt auch nicht davor zurück, zu einem deftigen Vokabular zu greifen, doch trifft er damit die Stimmung auf der Demonstration wohl auf den Punkt: „Jetzt ist der Punkt erreicht, wo die große schweigende Mehrheit sich die Demokratie zurückholen muss und denen in Berlin sagen: ‚Ihr habt ja wohl den Arsch offen da oben‘!“

So viel Gepolter ist für zartbesaitete grüne und rote Ohren zu viel. Man fordert „konstruktive“ Gespräche statt Populismus. Söder schüre – wieder einmal – Ängste. Und das, obwohl der Ministerpräsident alles dafür getan hatte, die Demonstration von der AfD abzuhalten. Er betonte, dass diese Veranstaltung nichts mit der AfD oder „Anti-Demokraten“ zu tun habe, sondern der bürgerlichen Mitte entspringe. Die Partei war von der Kundgebung ausgeladen worden.

Freilich reichte das nicht für jene Kräfte, die mit ihrer Politik die Erdinger Demonstration mit rund 13.000 Teilnehmern erst ermöglicht hatten. Der Vorwurf: Mit der Veranstaltung hätten die Parteien der rechten Mitte die Tore gegenüber Rechts geöffnet. Die Brandmauer, die einige so gerne aufziehen möchten, bricht Tage später bereits schon zusammen, so das Narrativ. Linke Twitteruser setzen die Teilnehmer mit Störern und Querdenkern gleich.

Der Ukraine-Prophet Carlo Masala mahnt, dass Aiwanger mit dem populistischen und extremistischen Feuer spiele. Der CDU-Europaabgeordnete Dennis Radtke feuert sogar gegen die Schwesterpartei: Man sei mitschuldig, dass diese Demokratie von Populisten ausgehöhlt werde. Um es zusammenfassen: Linke und Grüne sympathisierten letzte Woche noch lautstark mit linksextremistischen Gewalttätern, aber die Rede vom Aiwanger-Hubert in der Heimat des Erdinger Weißbiers, die führt uns nun direkt in den demokratischen Abgrund, wenn nicht sogar tiefer.

Allerdings können auch solche Versuche, einen Protest gegen die grüne Klimapolitik neuerlich als Veranstaltung des rechten Mobs zu deklassieren, nicht darüber hinwegtäuschen, wer der eigentliche Star des Tages ist. Es ist die Kabarettistin Gruber, die als Nicht-Politikerin die Sympathien des Publikums für sich verbuchen konnte. Sie war es auch, die mit ihrer Prominenz der Demonstration erst Relevanz verlieh. Vor ihrer Ankündigung, an der Demo teilzunehmen, rechnete der Initiator Widmann gerade einmal mit 200 Teilnehmern.

„Was Habeck und die Grünen fordern, ist mutwillige Zerstörung. Ich habe in fünfzig Jahren noch nie eine so bürgerfeindliche, leistungsfeindliche und wirtschaftsfeindliche Regierung gesehen“, sagt sie auf der Kundgebung. Dass die Medien noch nicht darauf gekommen sind, sie als weiblichen Beppe Grillo zu beschimpfen, liegt nur an der mangelnden Originalität in den Redaktionsstuben. Oder der Befürchtung, dass die Losung wahr werden könnte. Hoffentlich dann aber mit einem besseren Ende als in Italien.

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Kommentare ( 122 )

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Fawlty
9 Monate her

Also, wenn ich dagewesen wäre, hätte ich ihn auch ausgebuht. Unvergessen, wie Söder Kindern Schuldgefühle eingeredet hat, weil sie angeblich die Oma umbringen(!), und gegen Impfverweigerer aufs Übelste gehetzt hat. Er hat diese böse Pandemiespiel bestens mitgespielt. Und dieser Mann will jetzt das Wohlwollen der regierungskritischen Bevölkerung?

Miximaxi
9 Monate her

Wer immer denkt der Söder wäre eingeladen worden….. so einer lädt sich selber ein das lässt er sich nicht entgehen…. Und wer kann schon einem MP absagen… Gut gemacht Gruberin, bitte weitermachen !!!!

Irdifu
9 Monate her

Gruber hui , Söder Pfui? Ich denke , Monika Gruber hat sich als Antidemokratin geortet indem sie einer demokratisch von über sechs Millionen Wählern gewählte AFD kein Rederecht zugestand . Wenn man diese Veranstaltung vom Beginn der Planung ab , beobachtete , könnte man auf den Gedanken kommen , Gruber hätte aus der Steuerkasse der Bayrischen Regiering einen Obulus bekommen , um Söder eine Wahlwerbeveranstaltung zu organisieren . Ist für Söder allerdings suboptimal gelaufen , weil die AFD so gut wie nicht anwesend war ( eigene Veranstaltung in einiger Entfernung ) . Somit hat er mit “ Haut selber ab… Mehr

9 Monate her

Was für ein erbärmlicher Auftritt des bayerischen Ministerpräsidenten! In Erding hat Herr Söder, mal wieder, sein wahres Gesicht gezeigt. Anstatt die Gunst der Stunde und die von Franz Widmann und Moni Gruber organisierte Bühne, sowie die mobilisierte bayerische Mittelschicht einzufangen, indem er auch mal selbstkritisch und demütig auf vergangenes eingegangen wäre, stellt sich der bayrische Sonnenkönig mit seiner Doppelmoral töricht, trotzig, ignorant und arrogant auf die Bühne und ruft jenen Menschen zu, „Haut ab“, welche tagtäglich dafür arbeiten gehen, dass sein Einkommen gesichert ist. Er hat wohl nicht wirklich wahrgenommen, dass es dort NICHT einzelne Buhrufe und Hau ab Rufe… Mehr

Franz Grossmann
9 Monate her

Ich freue mich, dass die Bayern ihren obersten Wendehals und Opportunisten Söder ausgepfiffen haben.

Irdifu
9 Monate her

Was Söder für eine Rede gehalten hätte ( wenn er überhaupt zu der Veranstaltung gekommen wäre ) , wenn im Oktober nicht gewählt würde , wäre interessant . Was Gruber betrifft , von ihr soll das Statement gekommen sein “ wir haben eine Demokratie , da darf jeder reden“ , die AFD allerdings hat sie ausgenommen , eine demokratisch von über 6 Millionen Wählern gewählte
Partei ,die lt Umfrage diese Woche die zweitstärkstKraft und ausserdem die einzige Opposition im Moment , die Blackrockpartei von Merz kann man ja wohl nicht als Opposition bezeichnen , Grünenkuschler passt dann doch eher .

Fieselsteinchen
9 Monate her
Antworten an  Irdifu

Ohne Frau Gruber näher zu kennen, eine neumodische Appeasement-Erklärung vornweg, muss sie in diesen Zeiten als Demoorganisatorin vorsichtig auftreten. Wir erinnern uns an Herrn Ballweg! Lasst sie mal weitermachen!

Rickthorsen
9 Monate her
Antworten an  Irdifu

Das erinnert mich an den zartbesaiteten Oppositionsversuch von „Alles dichtmachen“ zu Corona-Zeiten. Auch da man wollte man ja kein „Querdenker“ oder gar „rechts“ sein und wollte auch keinen Richtungswechsel, sondern nur etwas langsamer in die falsche Richtung gehen. Gebracht haben diese und andere Aktionen natürlich nichts. Womöglich haben solche Aktionen sogar mehr geschadet, da die Opposition so in von den Machthabern kontrollierbare Bahnen gelenkt und die Gefahr einer breiten legitimen Volksbewegung im Keim erstickt wurde. Auch dieser Schönwetter-Demonstrationen kann ich nicht viel abgewinnen, da sie ideell ebenfalls noch voll im Mainstream feststeckt und das entsprechende Framing („AfD/rechts böse“) übernommen hat.… Mehr

UHUvogel
9 Monate her
Antworten an  Irdifu

Ja genau, da ist sie wieder, die Ausgrenzung der AfD. Hätte die Gruberin nicht für so feige gehalten.

Kassandra
9 Monate her
Antworten an  UHUvogel

Ich will gar nicht wissen, was da im Hintergrund alles Druck gemacht hat, bis die Veranstaltung dann so stehen konnte, wie sie eben stand. Und ich werde den Teufel tun welche, die den Mut haben, sich in diesen Zeiten derart öffentlich gegen Politik wie Medien zu stellen und eine solche Demo anzuleiern, zu kritisieren. War doch gut so, wie es lief – nämlich der Söder wie der FDP-Mann ins offene Messer von 13.000 aufgestandenen, wachen Bayern. Und dass sie es auch noch selbst so wollten, diese Po-litiker. TE hat im Ausblick ja auch lange gewartet, bis jemand von der AfD… Mehr

Irdifu
9 Monate her

Alles denkbar mittlerweile. Es soll ja schon vorgekommen sein , dass Steuergelder für Prominente geflossen sind , wenn sie den Politikern etwas unter die Arme greifen . Söder ist seit Corona alles andere als ein glaubwürdiger Volksvertreter , das hat er in Erding gestern erfahren dürfen , auch wenn die Schmierfinken des Mainstreams am pfeiffen und an den Stimmen erkannt haben ,
dass AFD Anhänger den lautstarken Krawall abgegeben haben . Selbst wenn es so gewesen sein sollte , berechtigt war es auf jeden Fall .

Amygdala
9 Monate her
Antworten an  Irdifu

Die „AfD-Anhänger“ hatten ihre eigene Veranstaltung um die Ecke. Die haben sich Söders Gelaber garnicht erst angetan.

Juergen P. Schneider
9 Monate her

Da war der Maggus aber sauer. Manchmal merken die Leute eben, wenn einer immer nur sein Fähnlein in den Wind hängt, weil er für nichts steht, außer für seinen eigenen tagespolitischen Vorteil. Die Wahrheitsbesitzer aus der links-grünen Gesinnungsblase schlagen wieder um sich, weil ihnen die Argumente ausgehen. Wer anderer Meinung ist als die grünen Weltretter, der gefährdet angeblich die Demokratie. Die wirkliche Gefahr für unseren Staat geht aber von den links-grünen Demokratieverächtern aus, die keine Kritik an ihrer wirren Ideologie mehr zulassen wollen. Die Welle der Ablehnung links-grüner bürgerfeindlicher Politik wird hoffentlich bald das ganze Land erfassen.

StefanB
9 Monate her

„Die Partei [AfD] war von der Kundgebung ausgeladen worden.“

Die Kartoffeln und Köter haben immer noch ein großes Problem: Sie sehen nicht, wie man den politischen Feind am konsequentesten bekämpfen kann, weil man es im eigenen Interesse unbedingt muss. So können die ökosozialistischen Brandstifter, die sie selbst ins Haus gelassen haben, um zu den „Guten“ zu gehören, fleißig weiter zündeln.

Last edited 9 Monate her by StefanB
Reiner07
9 Monate her

Es ist wahrlich nicht schwer zu erkennen, wo die falschen 50er zu finden sind, die Wendehälse, Lobbyisten und WEF-ler sitzen, oder wer zum Bilderberg-Casting geladen wird. Die AfD-ler sind es jedenfalls nicht! Sie fallen leidlich dadaurch auf, dass man sie permanent diffamiert, sich jedoch faktisch, argumentaiv niemals angreift, weil die Fakten nun mal für JEDEN ersichtlich für die AfD sprechen. Södolf, der sich wahrsacheinlich gerne selbst für den Nachfolger von König Ludwig hält, ein ausgewiesener Corona-Scharfmacher und Atomausstiegler war/ist, hat jedoch erkannt, dass der Bogen überzogenwurde. Der „normale Untertan“ hat die Nase voll, von inkompetenten Schwätzern, die weltweit unser Steuergeld… Mehr