Die Bundeswehr-Personal-Katastrophe ist Folge einer langen Fehlentwicklung

Dass die Bundeswehr trotz behaupteter Zeitenwende nicht genug funktionierende Waffen und Ausrüstung hat, ist nur ein Teil des Dramas. Ihr fehlen selbst für die heutige Mini-Truppe die Soldaten. Jahrzehntelange Ablehnung alles Militärischen wirkt eben.

IMAGO / Sven Eckelkamp
Werbetaschen beim "Tag der Bundeswehr" im nordrhein-westfälischem Warendorf, 25.06.2022

Der Bundeswehr fehlen nicht nur Waffen, sondern auch die Soldaten. Die Personalstärke der Bundeswehr ist deutlich gesunken, 2022 sind 19.500 Soldaten aus der Bundeswehr ausgeschieden, berichtet die Neue Osnabrücker Zeitung (NOZ) unter Berufung auf Angaben des Bundesverteidigungsministeriums. Das zweite Jahr in Folge seien damit mehr Soldaten aus dem militärischen Dienst ausgeschieden als neue dazugekommen. Von wegen Zeitenwende …

2022 nahm die Bundeswehr nur insgesamt 18.776 Einstellungen vor. Die Personalstärke insgesamt ist zum Jahresende 2022 auf 183.050 Personen gesunken. Mehr als 4.200 Soldaten quittierten 2022 ihren Dienst demnach sogar vorzeitig. Ursachen hierfür seien unter anderem eine dauernde Dienstunfähigkeit, aber auch ein Abbruch des Dienstes noch während der sechs Monate dauernden Probezeit zu Beginn des Dienstes.

Kriegsdienstverweigerung
Die Bundeswehr ist nicht verteidigungsfähig - aber Deutschland auch nicht verteidigungswillig
Die Nachricht ist mindestens so katastrophal für die Wehrfähigkeit Deutschlands wie die bekannten Alarmmeldungen über die mangelhafte Ausrüstung und Einsatzbereitschaft der Waffensysteme. Denn eigentlich soll die Truppe laut politischem Zeitenwende-Ziel nach Jahren der Schrumpfung nun wieder leicht wachsen. Damit die Bundeswehr bis 2031 wieder 203.000 Soldaten unter Waffen hätte, müssten jährlich 21.000 Rekruten für den Dienst gewonnen werden, zitiert die NOZ eine Ministeriumssprecherin.

Ganz offensichtlich schafft es trotz allgegenwärtiger Werbeplakate die Regierung nicht, ausreichend junge Menschen für den Waffendienst zu gewinnen. Das ist angesichts jahrzehntelanger unterschwelliger aber auch offener Militär-Ablehnung in weiten Teilen der Gesellschaft und besonders in den Medien kein Wunder. Die heutigen Zeitenwender im deutschen Politikbetrieb, angeführt vom Kriegsdienstverweigerer Olaf Scholz, ernten nun die faulen Früchte dieser jahrzehntelangen Anti-Bundeswehr-Stimmungsmache, an der besonders die Grünen, aber auch weite Teile der SPD gehörig Anteil nahmen. Sie können sich wahrlich nicht wundern, dass junge Deutsche wenig Lust verspüren auf einen Dienst, der nicht nur ohnehin mit unvermeidbaren Härten und potenziell dem höchsten aller Risiken verbunden ist, sondern auch noch weithin als Inbegriff des Unmoralischen gilt. So unmoralisch, dass viele Schulen Bundeswehr-Jugendoffizieren den Zutritt und Universitäten mittels „Zivilklausel“ jede Zusammenarbeit verweigern.

In Uniform durch Berlin oder andere Städte zu laufen, dürfte eine der ultimativsten Erfahrungen der Selbstausgrenzung sein, die ein junger Mensch in Deutschland machen kann. Diese Ablehnungshaltung existierte auch schon in Zeiten der Bedrohung durch den Warschauer Pakt (die von den meisten Grünen und auch dem Juso-Aktivisten Scholz seinerzeit in der Regel pauschal bestritten wurde) und der Wehrpflicht, die de facto ohnehin spätestens seit den 1970er Jahren durch das Recht auf Kriegsdienstverweigerung „aus Gewissensgründen“ keine echte Pflicht mehr war. Aber bis dahin ließ sich immerhin ein beträchtlicher Teil der jungen Männer noch dazu bewegen, Wehr- statt Ersatzdienst zu leisten. Und damals merkten während des Dienstes viele junge Männer, dass es gar nicht so übel beim „Bund“ ist, und verpflichteten sich nachträglich noch als Zeitsoldaten.

Eine wirklich ernst gemeinte Zeitenwende würde bedeuten, das Soldat-Sein grundlegend aufzuwerten, damit Soldaten eine soziale Wertschätzung erhalten, die für Blasen an den Füßen und durchfrorene Nächte ein wenig entschädigt. Da reichen ein paar schlecht gemachte Werbekampagnen nicht aus. Es wäre eine auf viele Jahre, ja Jahrzehnte angelegte Aufgabe, für die in dieser Gesellschaft und erst recht im politisch-medialen Betrieb allerdings so gut wie alle Voraussetzungen fehlen.

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Kommentare ( 63 )

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63 Comments
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Rainer Schweitzer
1 Jahr her

Für eine ernst gemeinte Zeitenwende wäre es notwendig, daß da etwas ist, was die Bürger zu verteidigen bereit wären. Ein Volk? Eine Nation? Eine Geschichte? Eine Kultur? Ein Staat?… Von „Volk“ in einem ethnischen Sinne zu sprechen ist irgendwie Nazi. Das „Volk“ in diesem Sinne soll aufgelöst werden durch Multikultibunti, POC u.s.w. Von „Nation“ zu sprechen ist auch irgendwie Nazi. Das Zeitalter des Nationalismus sei vorbei und das sei die Lehre aus den Weltkriegen, ungeachtet dessen, daß alle anderen Nationen das nicht so sehen. Deutschland müsse abgeschafft werden, aufgelöst in einem EU-Staat. den sonst keiner will. Die Geschichte des Landes… Mehr

Emsfranke
1 Jahr her

Ich erinnere nur mal so an die Duldungspflicht für das BW.-Impfschema. Obwohl es seit einer geraumen Anzahl von Monaten die Spatzen von den Dächern pfeifen, dass diese, als Impfung deklarierte Gentherapie gegen mutmaßliche schwere Coronafälle, in kaum keiner Weise die angegebene Wirkung entfaltet, werden Soldaten zur Duldung dieser Therapie gezwungen. Wenn von Betroffenen berichtet wird, wie Vorgesetzte impfunwillige Soldaten wegen Befehlsverweigerung vor Gericht zerren oder wenn berichtet wird, dass medizinisches BW-Personal auch schon mal fiebrige Soldaten zur Impfung zwingt und in akute Gesundheitsgefahr bringt, nur um einen wiedersinnigen Befehl umzusetzen, kann ich junge Menschen verstehen, die solch einem Arbeitgeber nicht… Mehr

Last edited 1 Jahr her by Emsfranke
Jatoh
1 Jahr her

Die moderne Form des Militärs sind die private military companies oder in Frankreich die Fremdenlegion.
Volksheere existieren nur noch dort, wo ein Volk sich als Nation versteht und nicht als Ansammlung von Menschen, die den gleichen Pass haben.

Andreas Koch
1 Jahr her

In der Tat hatte ich mich nach der Grundausbildung auch für zwei Jahre verpflichtet, allerdings aus rein pragmatischen Gründen: Geld zur Finanzierung meines späteren Studiums anzusparen. Ich hatte damals viel Kritik am Soldatenalltag (oft sinnlose Tätigkeiten) und träumte von einer effektiveren und kürzeren Wehrzeit. Aber ich hatte auch viel über mich und der Gesellschaft in Deutschland gelernt und ein Verständnis für andere Landesregionen, Bildungsabschlüsse und Lebensentwürfe entwickelt. Als Uffz geriet ich in Konflikt mit meinem Hauptmann, weil ich es gewagt hatte, die Ausbildung so zu gestallten, dass die Soldaten während des Unterrichts nicht einschlafen, was regelmäßig passierte, sonder aufmerksam waren… Mehr

nomsm
1 Jahr her

Die Bundeswehr hatte nach meinem Kenntnisstand zu Hochzeiten 200.000 Berufs und zeitsoldaten. Der Rest waren Wehrpflichtige. Heute sind es rund 180.000, aufgestockt werden soll auf 200.000. Dazu lohnt es sich einfach mal die demografischen Daten der jüngeren Jahrgänge anzuschauen. Die sind halt dünner, auch wenn formal es mehr sind weil Frauen ja auch dienen dürfen. Und durchaus bei bestimmten truppenteilen- zum Beispiel Sanitätsdienst- stark vertreten sind (30% bei Sanitätsdienst). Dazu kommt noch, dass das groß der Mannschaftsdienstgrade eben Wehrpflichtige waren, Ausnahmen gegebenenfalls im SaZ2 Bereich und ganz wenige länger diendende. Heute müssen diese dienstposten durch zeitsoldaten bestückt werden. Was soll… Mehr

Platypus
1 Jahr her

Die Frage nach Wehrdienst oder Ersatzdienst stellte sich für mich vor der Musterung nicht, danach nicht mehr, da ausgemustert. Ich hätte zu der Zeit meine Familie, Freunde, alle Menschen in diesem Land und dieses Land mit seiner Kultur verteidigt. Heute würde ich nur noch Familie und Freunde verteidigen. Warum sollte ich Menschen wie Kühnert, Lindh, Roth, Fester, Lindner, Söder und viele, viele mehr und ihr verqueres Weltbild verteidigen? Warum sollte ich Kinderehe, Beschneidung, 675 Geschlechter verteidigen? Warum Menschen verteidigen, die die Axt an diese Gesellschaft legen? Die letzten 3 Jahre haben mir gezeigt, daß dieses Land, vertreten durch viele Politiker,… Mehr

WGreuer
1 Jahr her

Erst sollte mal geklärt werden, für was den der geneigte Rekrut seinen Leben riskieren darf oder soll. Für das eigene Volk? Gibt es das überhaupt noch – das ist ja „völkisch“, angeblich nicht mehr zeitgemäß? Oder das eigene Land, das lt. Definition einiger Linksgrüner nicht mehr geben darf und nach deren Wünschen in den VSE untergehen soll? Was wird verteidigt? Die Heimat, die angeblich auch voll Nazi ist? Oder Afghanistan oder Mali? Oder die „demokratische Grundordnung“, die alles ist, nur nicht mehr rechtsstaatlich und demokratisch? Wenn Patriotismus tabu ist, Nation, das Volk und die Heimat ebenfalls, für was soll man… Mehr

Jan
1 Jahr her

Dazu kommt noch, dass man als BW-Soldat nichts weiter ist als ein Mitglied einer Hilfstruppe zur Erfüllung US-amerikanischer Interessen. Am Hindukusch wurde natürlich nie Deutschlands Sicherheit verteidigt (Peter Struck), sondern man assistierte den Amerikanern bei ihrer Jagd nach Bin Laden. Sollte es tatsächlich zu einer Verstärkung der Ukraine durch Nato-Truppen kommen, würden BW-Soldaten auf dem Schlachtfeld ihr Leben riskieren, weil Washington nicht möchte, dass Berlin mit Moskau Geschäfte macht. Das ist nämlich das strategische Hauptinteresse der Amerikaner in Europa.

Zebra
1 Jahr her

Dieses Land ist unter diesen politischen Verhältnissen nicht mehr verteidigungswürdig.

Roman
1 Jahr her

Ich habe 12 Jahre als Offizier in der Kampftruppe gedient. Für dieses kranke Land und angesichts des desolaten Zustands unserer Gesellschaft würde ich meine Gesundheit oder gar mein Leben keinesfalls mehr aufs Spiel setzen. Schon in den 1970er Jahren wurde man als Uniformträger in den Städten bespuckt und feierliche Gelöbnisse mussten mit Polizeikräften vor linken Chaoten geschützt werden. Armes Deutschland!

Konservativer2
1 Jahr her
Antworten an  Roman

Ihrer Auffassung schließe ich (BOA, nach der Wende und 8 Dienstjahren freiwillig ausgeschieden) mich an. Daraus erwächst für mich aber auch die Frage: wer tritt heute der Bundeswehr bei? Ohne Corpsgeist, ohne das Bewusstsein, dass es sich nicht um einen x-beliebigen Ziviljob handelt, geht da gar nix. Und glauben die Rekrutierer, dass man die besten Leute bekommt, wenn der Fokus auf Zweibettzimmer mit WLAN liegt? Da fehlen entscheidende Faktoren.

Last edited 1 Jahr her by Konservativer2
jopa
1 Jahr her
Antworten an  Konservativer2

Wer soll denn nach den Ideen diverser Verteidigungsministerinnen in die Bundeswehr? Konservative, Patrioten und andere Wehrwillige? Auf keinen Fall, die können ja ganz böse REchte sein. Und Antifanten, Linke und Kleber, die würden die BW nicht mal mit nem nackten Hintern anschauen. Als freiberufliche Söldner lebt es sich doch viel besser.

Konservativer2
1 Jahr her
Antworten an  Roman

Das Szenario im Kalten Krieg war klar: die Russen kommen, es geht los. Da hat‘s keinen Hofreiter und keine ASZ gebraucht. Und seitdem? Einer Horde ungedienter Grüner und deren Helfershelfer, die Soldaten für Mörder halten, instrumentalisieren die Bundeswehr und schicken sie von ihrem trockenen Plätzchen in Berlin aus irgendwohin, weil jemand ihre „Werte“ nicht teilt. Gut, wer das mit sich machen lässt… Zwar wird derzeit ein Bedrohungsszenario aufgebauscht, weil unseren Woken gerade die Nase des Despoten von nebenan nicht passt, von einer rationalen Bedrohungsanalyse, die mehrere Faktoren und Bedrohungsszenarien einbezieht, ist aber nichts zu sehen. Hoffentlich wird im BMVg besser… Mehr

Last edited 1 Jahr her by Konservativer2
Konservativer2
1 Jahr her
Antworten an  Konservativer2

Es heißt natürlich „…europäische Luftverteidigung!“ Sorry, Auto-Vervollständigen war wieder mal schlauer als ich…