Deutschlandfunk deckt Skandal auf: Bundesregierung hielt sich an Verfassung

In der Corona-Zeit erhielten Verlage und Autoren Unterstützung aus Steuermitteln. Darunter auch einige, die der DLF für politisch verdächtig hält. Der Sender hält es für unerhört, dass das Geld nicht nach Gesinnung verteilt wurde.

IMAGO / Arnulf Hettrich

Gut eine halbe Billion Euro kosteten die verschiedenen staatlichen Corona-Maßnahmen in Deutschland den Steuerzahler. Allein 93 Milliarden flossen in die Beschaffung meist überteuerter Masken und Impfdosen, von denen bisher schon große Stückzahlen mangels Bedarf vernichtet werden mussten. Ein Rechercheteam von Deutschlandfunk Kultur startete kürzlich eine Recherche, um der Spur des Geldes zu folgen – und zwar dort, wo andere bisher nichts Anstößiges entdecken konnten. Es geht um die 2020 ausgezahlten Hilfen für Verlage, Buchhandlungen, einzelne Autoren und Übersetzer – mit insgesamt 93,7 Millionen Euro ein winziger Posten in der Corona-Milliardenrechnung. Dort deckten die DLF-Rechercheure nun einen veritablen Skandal auf.

„Wohin aber ging das Geld, wie wurden die Mittel eingesetzt – und wer hat davon profitiert?“, fragen die Deutschlandfunk-Mitarbeiter, die mitteilen, sie hätten „einen datenjournalistischen Ansatz gewählt“, um das herauszufinden. Ihr investigativer Großeinsatz bestand im Wesentlichen darin, die Liste der geförderten Verlage und Bücher zu durchforsten, um festzustellen: Nicht alle der damals mit Steuergeld gestützten Werke genügen den politischen Richtlinien, die das DLF-Team offenbar für selbstverständlich hält.

Da es der damaligen Beauftragten für Kultur und Medien Monika Grütters vor allem darum ging, Verlagen und Autoren schnell zu helfen, die angesichts ausgefallener Buchmessen und Lesereisen vor einer großen Unsicherheit standen, reichte der Staat das Geld an Institutionen weiter – etwa den Börsenverein des Deutschen Buchhandels –, bei dem sich wiederum Branchenunternehmen und Autoren nach formalen Richtlinien um Unterstützung bewerben konnten.

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„Eine qualitative Prüfung der eingereichten Projekte ist in den Fördergrundsätzen des Programms nicht vorgesehen – eine Jury oder etwas Ähnliches gibt es nicht“, resümiert der Deutschlandfunk, der diese unterlassene Begutachtung für das Skandalon hält. Dass es sich nicht um eine Preisvergabe handelte, sondern um eine (eher bescheidene) wirtschaftliche Hilfe – diesen Unterschied verstanden die Rechercheure des gebührenfinanzierten Senders entweder nicht – oder sie schoben ihn einfach beiseite. Über das Hilfsprogramm ganz ohne politischen Filter urteilen sie:
„Dieses Vorgehen war einerseits gut, weil es die Prozesse beschleunigte. Es war andererseits aber auch schlecht, weil der Staat damit einen Teil der Kontrolle und die Möglichkeit zur direkten Prüfung verlor. Das hatte unter anderem zur Folge, dass mit dem Geld auch rechtsextreme Buchprojekte gefördert wurden, wie unsere Recherchen zeigen.“

Als Beispiel führen sie das Hörbuch „Was tun. Leben mit dem Niedergang Europas“ von David Engels an, bezuschusst mit 3465 Euro. Es kommt aber noch schlimmer. „Noch deutlich problematischer wird es an anderer Stelle“, heißt es beim DLF: „Da ist etwa Martin Wageners Buch ‚Kulturkampf um das Volk‘, gefördert mit 7500 Euro: Es wird vom Bundesamt für Verfassungsschutz nach Berichten des rbb-Magazins ‚Kontraste‘ in Teilen als extremistisch eingestuft – Wagener selbst bestreitet das.“ Bei Wagener handelt es sich um einen Politologie-Professor an der Hochschule des Bundes für öffentliche Verwaltung, Autor mehrerer Bücher und Medienbeiträge, unter anderem in der „NZZ“ und „Tichys Einblick“.

Dass der Inlandsgeheimdienst als Gutachter für ein Buch auftritt, ist ungewöhnlich. Noch merkwürdiger mutet dessen Begründung an, warum das Buch des Politikwissenschaftlers angeblich „in Teilen“ gegen das Grundgesetz verstoßen soll. Der Deutschlandfunk zitiert aus der Verfassungsschutz-Expertise, die sich wiederum auf die „zentrale These des Buches“ stützt. Und die lautet bei Wagener: „Die Bundesregierung unter Angela Merkel versucht, aus der deutschen Kulturnation eine multikulturelle Willensnation zu machen. Diese Politik wird gegen große Teile des Volkes durchgesetzt, die in Umfragen immer wieder erkennen lassen, das Projekt nicht zu unterstützen.“

Dass Merkel eine Transformation des Landes hin zu einer „multikulturellen Willensnation“ anstrebte, machte sie selbst in einer Rede auf dem Parteitag der CDU Mecklenburg-Vorpommerns im Februar 2017 deutlich. Dort erklärte sie, grammatisch etwas unbeholfen: „Das Volk ist jeder, der in diesem Lande lebt.“ Bekanntlich sieht das Grundgesetz das anders – bis heute. Laut Verfassung bilden nur deutsche Staatsbürger das Staatsvolk. Auf genau diesen Widerspruch zwischen Verfassungstext und politischer Intention Merkels wies Wagener in seinem Buch hin. Extremistisch ist nichts daran.

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Auch nicht die Feststellung des Wissenschaftlers, eine Mehrheit in Deutschland folge dieser Neudefinition des Staatsvolks nicht. Gegen die Instrumentalisierung des Inlandsgeheimdienstes zur Stigmatisierung eines Wissenschaftlers und Autors protestierte damals das überparteiliche „Netzwerk Wissenschaftsfreiheit“. Dieses Detail teilt der Deutschlandfunk seinen Hörern nicht mit. Kein Wunder: Der öffentlich-rechtliche Sender sieht ja das Unerhörte gerade darin, dass bei den Corona-Hilfen für Bücher nicht politisch vorsortiert wurde. Das wäre auch kaum mit dem Gleichheitsgrundsatz von Artikel 3 des Grundgesetzes vereinbar gewesen. Auch nicht mit dem berühmten Satz aus Artikel 5: „Eine Zensur findet nicht statt.“ Der nachträgliche Vorwurf des Deutschlandfunks an die damalige Bundesregierung lautet also: Sie hielt sich an das Grundgesetz. Wenigstens in dem kleinen Bereich der Literaturförderung.

Nach der Logik des DLF müsste als nächstes skandalisiert werden, dass auch bei der Verteilung von Corona-Hilfen für zwangsweise geschlossene Unternehmen niemand darauf schaute, wo die Empfänger der Zahlungen politisch standen. Möglicherweise waren auch darunter die einen oder anderen Personen, die vom Verfassungsschutz oder der Amadeu-Antonio-Stiftung misstrauisch beäugten werden könnten.

Ob übrigens auch linke und weit linksstehende Verlage und Autoren und vielleicht auch Unternehmen seinerzeit Corona-Hilfen bekamen – das untersuchte der Deutschlandfunk gar nicht erst. Und wenn, das steht beim DLF jedenfalls sehr deutlich zwischen den Zeilen, dann hätte das für die Anstalt auch keinen Nachrichtenwert.

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Kommentare ( 21 )

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dienbienphu
11 Monate her
Deutschland hat keine Verfassung. Eine Verfassung muss vom Volk in freien Wahlen bestätigt werden.  Deutschland hat ein Grundgesetz, dass die Siegermächte 1949 Deutschland aufgedrückt haben. Auch nach der sogenannten Wiedervereinigung hielt man es nicht für nötig die Wähler zu fragen. 
LV
11 Monate her
Antworten an  dienbienphu

Nur weil Verfassung nicht drauf steht, heißt es nicht, dass es nicht eine Verfassung ist. Die allermeisten „Verfassungen“ weltweit heißen übrigens nicht Verfassung, ganz einfach weil das Wort Verfassung ein deutsches ist und es nicht üblich ist, dass man seine Verfassung in deutschen Wortlaut niederschreibt.
Umgekehrt verhält es sich mit Parteien. Nur weil in CDU christlich vorkommt, heißt es nicht, dass sich diese Partei im Tagesgeschäft christlich verhält.

Fritz Goergen
11 Monate her
Antworten an  LV

Das Grundgesetz verspricht eine Verfassung.

LV
11 Monate her
Antworten an  Fritz Goergen

Der Wähler hat mehr als einmal das Grundgesetz in seiner Form bestätigt, auch nach 1989.

beko
11 Monate her

Ich möchte darauf hinweisen, dass Deutschland keine Verfassung hat!!! Frau Merkel hat es wohl verhindert, dass die Festlegung im 2 + 4 – Vertrag bzw. Einigungsvertrag, eine gesamtdeutsche Verfassung zu erstellen und vom gesamtdeutschen Volk abstimmen zu lassen, nicht umgesetzt wurde. Sie verwies darauf, dass das Grundgesetz ausreichend sei! Warum wohl??? Für meine Begriffe ist ein Grundgesetz keine Verfassung! Eine Erarbeitung einer solchen und Beschluss in einer Volksabstimmung würde das deutlich machen! Frage, wie kann sich die Bundesregierung an die Verfassung halten, wenn es gar keine gibt? Mit dem Verfassungsgericht sieht es wohl ähnlich aus – oder??? Zudem möchte ich… Mehr

Andreas aus E.
11 Monate her

Der eigentliche Skandal ist doch, daß dem Deutschlandfunk kaum einer Gehör widmet. Wenn ich auf Maloche gelegentlich mal erwähnte, dies oder das im Deutschlandfunk gehört zu haben, kam als Reaktion meist „Hä?“. Aber nicht wegen des Inhalts, sondern weil man den Sender schlichtweg nicht kannte. Und manche, die immerhin mal was von dessen Existenz gehört hatten, halten den DLF ja sogar für einen Nazisender, weil ja Deutschland im Namen. Dabei genügen wenige Minuten Hörprobe um festzustellen, daß es sich um einen durchgegenderten Parteisender von Bündnis90 / Die Grünen handelt. Die Bundesregierung sollte darum Lautsprecherwagen – natürlich elektrisch angetrieben – durch… Mehr

Last edited 11 Monate her by Andreas aus E.
Maunzz
11 Monate her

Die merken gar nicht, dass sie selbst das System unterminieren, aushöhlen und zersetzen, welches sie angeblich verteidigen. Die kontinuierlich unterlassene Bildung der letzten Jahrzehnte trägt Früchte. Das Freiheitssystem ist nicht mehr zu retten. Man schaue sich die verblödete EU an, die in die Nationalstaaten hineinregiert und u.a. Deutschland nicht merkt, das auch von dort der Untergang eingeläutet wird.

luxlimbus
11 Monate her

Spätestens seit Ende der 90er Jahre hat sich der Deutschlandfunk selbst zerlegt. Ein Trauerspiel an journalistischem Qualitätsverlust. Schade – ich habe ihn damals, vor genannter Zeit, innbrünstig geliebt.

Melly
11 Monate her

Der Deutschlandfunk war der „liebling´s“ Sender meines Vaters in den 70/80 ziger Jahren, Wo? Im Tal der Ahnungslosen. Mittelwelle Empfang ! Die Sendungen über die verlogene DDR konnten gar nicht spitz genug sein. Was haben sich die Redakteure über die Gesinnungsschnüffelei in der Ostzone aufgeregt! Heute ist genau das Bestandteil, des so tollen DLF! Der unterschied ist nur, früher war es umsonst, heute bezahlt man für die Verblödung

Dellson
11 Monate her

Wenn die Nachrichten eines Deutschen Senders immer mit Themen aus ausländischen Ländern beginnen, die Verantwortung und Schuld an Deutschland übertragen wird, dazu nur in die eigene Vergangenheit und fremde Zukunft geschaut wird, dann hört man DLF. Eine kontroverse Diskussion wird nur bis zur Grenze der eigenen Haltungslinie zugelassen, alles weitere ist schon diskurs unfähig und wird ausgelassen. Bei dem Thema Rundfunkgebühren wird nicht die Sinnhaftigkeit diskutiert, sondern man glaubt man müsse nur besser in seiner Programmgestaltung sein. Das der Bürger nicht von 73 Zwangsradio und 21 Zwangs TV Sendern beschallt werden will, darauf wird sich gar nicht eingelassen. Das wäre… Mehr

RUEDI
11 Monate her

Leider verfüge ich über kein Transkript dieses Interwiews, das die hohen qualitaiven Journalistischen Standards besonders beim DLF so treffend widerspiegelt. Früher konnte man das noch nachlesen – ich habe dazu leider nichts gefunden.
https://www.deutschlandfunk.de/junge-alternative-gesichert-rechtsextrem-interview-bernd-baumann-afd-mdb-dlf-6b727fed-100.html .
Schlussfolgerungen sollte jeder selbst ziehen und Beispiele sammeln für Teileinbehalt der GEZ wegen Wertminderung des dargestellten Angebotes ( Ware !)

Hummi
11 Monate her

Deutschlandfunk? ….. darf man das überhaupt sagen und schreiben, das doch so etwas Nationalsozialistisches ?

Emsfranke
11 Monate her

Kontrafunk hat mich von Beginn an wieder zum Radiohörer werden lassen.
Ich wäre nie auf die Idee gekommen, meine Zeit mit sowas wie den DLF zu vergeuden.