Ampelparteien wollen den Bundestag weniger schrumpfen lassen

Die Ampel hat ihren Entwurf zur Reform des Bundestagswahlrechts geändert. Der Bundestag soll nun doch weniger schrumpfen als ursprünglich gedacht. Die Linke ist über den geplanten Wegfall der Grundmandatsklausel empört.

IMAGO / Metodi Popow
Bundestagssitzung am 03.03.2023

Nun soll der Bundestag doch nicht so deutlich schrumpfen, wie es die Wahlrechtsreform der Regierungsparteien ursprünglich vorsah. Das berichtet das Portal The Pioneer am Sonntag unter Berufung auf den entsprechenden Gesetzentwurf. Dieser sieht demnach vor, dass die Regelgröße des Bundestags von 598 auf 630 Abgeordnete angehoben wird. Allerdings soll sie dann auch wirklich die Regel sein – statt wie in den jüngeren Legislaturen um mehr als hundert Abgeordnete übertroffen zu werden. In der aktuellen Legislatur sind es 736 Abgeordnete.

Ziel ist es offenbar, die Zahl der nach der Reform möglicherweise nicht zugeteilten Wahlkreise zu senken. Die Ampel-Koalition hatte ihren ersten Entwurf für eine Wahlrechtsreform Ende Januar in den Bundestag eingebracht. Darin waren noch 598 Sitze im Bundestag vorgesehen – bisher die Regelgröße des Parlaments. Die Pläne der Ampel sehen vor, dass Überhang- und Ausgleichsmandate wegfallen. Die Union unterstützt den Gesetzentwurf trotz der Änderungen nicht. 

Vorgesehen ist offenbar auch, die Grundmandatsklausel zu streichen. Sie erlaubt es einer Partei bisher, beim Erringen von drei Direktmandaten bei der Verteilung der Sitze entsprechend dem Verhältnis der Zweitstimmen berücksichtigt zu werden. Davon profitiert derzeit die Partei die Linke. Obwohl sie nur 4,9 Prozent der Zweitstimmen erreicht hatte, zogen nicht nur ihre drei siegreichen Direktkandidaten, sondern auch 36 weitere Abgeordnete in denn Bundestag ein..

Nach den geänderten Plänen sollen die 299 Wahlkreise bestehen bleiben. Es sollen aber 331 Mandate über die Landeslisten vergeben werden – statt wie ursprünglich vorgesehen ebenfalls 299. Die Zahl wurde nun erhöht, um die Zahl „verwaister Wahlkreise“ zu verringern, aus denen kein direkt gewählter Abgeordneter ins Parlament entsandt wird. Übersteigt die Zahl der Wahlkreissieger einer Partei die Zahl der Sitze, die ihr nach Zweitstimmen zusteht, gehen die Sieger mit dem geringsten Stimmenanteil leer aus. Das würde voraussichtlich vor allem die CSU treffen.

Die Union und die Linkspartei wollen dem Vorhaben der Ampelkoalition nicht zustimmen. CDU/CSU-Fraktionsgeschäftsführer Thorsten Frei nannte sie „verfassungsrechtlich und verfassungspolitisch problematisch“. Jan Korte, Fraktionsgeschäftsführer der Partei die Linke wirft SPD, Grünen und FDP ein „schäbiges“ Vorgehen vor. „Dieser Vorschlag zielt einzig gegen die linke Opposition, die man versucht mittels des Wahlrechts politisch platt zu machen.“ 

Grünen-Fraktionschefin Katharina Dröge gab sich am Montag im Deutschlandfunk zuversichtlich, dass die Reform auch gegen Klagen bestehen kann: „Wir haben das sehr gut mit Verfassungsjuristen geprüft und sind sicher, dass wir da einen verfassungsfesten Vorschlag vorlegen.“

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Kommentare ( 19 )

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Ho.mann
1 Jahr her

Eine Reform, die jene betrifft, die sich am vom Steuerzahler gefüllten Futtertrog auch ohne erkennbare Gegenleistung sattessen, müssen ihren Reformeifer so verpacken, dass der Steuerzahler wenigstens die Absicht der Reformbemühung als Erfolg verbuchen kann.

steadyrollingman
1 Jahr her

Es geht hier um nichts anderes als um die Festigung der absoluten Macht der Parteien, anders als es im GG vorgesehen ist. GG Art. 21:“Die Parteien wirken bei der politischen Willensbildung des Volkes mit.“ Im Grunde sind direkt gewählte Abgeordnete oft unerwünscht, da sie nicht über die Parteiliste ins Parlament einziehen und unabhängiger agieren können, sich auch einem Fraktionszwang entziehen können. Mein Vorschlag: die ersten beiden direkt Gewählten eines Wahlkreises kommen in den Bundestag und fertig .

Der Ketzer
1 Jahr her

Die „Demokratin“ Saskia Esken bei der heutigen Pressekonferenz der SPD:

„Wichtigster Grund für die Größe des Bundestagstags ist ja die Anzahl der Fraktionen dort. Ich hab immer gesagt, den Bundestag zu verkleinern, da gibt es eine ganz einfache Methode: Eine Fraktion weniger und schon haben wir die richtige Größe. Ich hätte auch eine Idee, wer das sein könnte. (grins)“

https://www.youtube.com/watch?v=coI4cJkj-WY&t=793s

dienbienphu
1 Jahr her

Weniger schrumpfen lassen:

Gesetzentwurf. Dieser sieht demnach vor, dass die Regelgröße des Bundestags von 598 auf 630 Abgeordnete angehoben wird.

Genau mein Humor! Machen wir uns nichts vor. In Deutschland wird im öffentlichen Bereich gar nichts geschrumpft was die Anzahl der Beschäftigten angeht. Oder kann da jemand mal ein Gegenbeispiel nennen? Und gerade im politischen Berlin hat es ja besonders monströse Ausmaße angenommen. Der epochale Neubau des Kanzleramts ist sicher nur die oberste Spitze des Eisbergs.

Last edited 1 Jahr her by dienbienphu
Talleyrand
1 Jahr her

Die BRD müsste eigentlich endlich das tun, was im Falle einer Wiedervereinigung verbriefte Pflicht gewesen wäre, nämlich eine neue Verfassung beschließen und sie per Volksabstimmung zu legalisieren anstelle das mit fadenscheinigen Konstrukten auszuhebeln. Alles Herumgepfusche am Altbau macht kein neues Haus. Und man braucht es nicht endlos zu wiederholen: es ist keine gute Idee, die Frösche mit der Trockenlegung des Sumpfes zu beauftragen.

Last edited 1 Jahr her by Talleyrand
Hans Nase
1 Jahr her

Die bittere Wahrheit ist doch, daß die Parteizentralen die Diskussion um die Größe des Bundestags nutzen wollen, um die Macht der Parteizentralen zu stärken und die verbliebene Restunabhängigkeit des Parlamentes über den Wegfall von Direktmandaten weiter zu schleifen…

LSKA
1 Jahr her

Ein Vorschlag, der die Vorherrschaft von Listenabgeordneten gegenüber direkt vom Wähler gewählten Abgeordneten vergrößern und zementieren will.
Mein persönlicher Vorschlag zur Wahlrechtsreform als Denkanstoß:

  • Wegfall der Listenwahl
  • nur noch vom Volk direkt gewählte Abgeordnete
  • Verkleinerung des Bundestages auf maximal 299 Wahlkreise/Abgeordnete
  • Minimierung der Abgeordnetenbezüge und Anrechnung der normalen Rentenpunkte
  • maximale Abgeordnetenzeit zwei Legislaturperioden
  • maximal vier Jahre pro Legislatur
  • Verbot Fraktionszwang bei Abstimmungen
  • Minimalvoraussetzungen für Abgeordnetentätigkeit:
  • abgeschlossene Berufsausbildung/Studium
  • mindesten 2 Jahre steuerpflichtig gearbeitet
  • persönlich haftbar bei Verstößen gegen Grundgesetz/Gesetze
  • Verbot von Lobbyarbeit
dienbienphu
1 Jahr her
Antworten an  LSKA

Träumen Sie weiter. Eigentlich ist es ja gut, wenn Bürger sich so konstruktive Gedanken machen. Aber hier ist jede Mühe verloren. Rette sich wer kann!

UVD
1 Jahr her
Antworten an  dienbienphu

Dem kann man nur beipflichten. Hopfen und Malz sind in D schon lange verloren!!! Korruption überall sichtbar in Dimensionen, an die kein N….Staat heranreicht. Siehe Corona: Lauterbach: Exorbitante Gewinne der Pharma-Konzerne! Sagt der Ober-Lobbyist. Lach. Brüll. Schrei!

Der Ketzer
1 Jahr her
Antworten an  LSKA

Alternative:

  • Direktmandate wie bisher
  • keine Überhangmandate mehr
  • Listenmandate entsprechend der Wahlbeteiligung (z.B. bei 50 Prozent Wahlbeteilgung nur die Hälfte der jeweiligen Landeslisten)

Die Zahl der Abgeordneten erreicht die bisherigen 598 nur bei 100 % Wahlbeteiligung in allen Bundesländern, was eher unwahrscheinlich sein dürfte …

Eick
1 Jahr her

Wenn überhaupt niemand in Berlin im Parlament sitzen würde bräuchte es JAHRE, bis das irgendwem in Deutschland auffallen würde.

alter weisser Mann
1 Jahr her

Die Frösche wollen den Sumpf (Futterquelle) doch lieber behalten. Alles erwartbar, auch das Gekeife der LINKEN.

Max Anders
1 Jahr her

Dieses Wahlsystem ist an Abartigkeit und Unübersichtlichkeit und Demokratieferne ohnehin nicht mehr zu überbieten – so denkt man. Aber die Ampelinge verstehen es, immernoch einen draufzusetzen. 298 Direktmandate und noch einmal soviel länderübergreifend von den Listen anhand der errungenen Zweitstimmen und das ohne Prozenthürde. Dann müßte sich das Establishment auch mal um die Stimmen von 10 Tierschützern, 12 Linken, 3 Bibeltreuen und 4 Piraten bemühen, um ihre Interessen durchzubekommen. Und vor allem würden dann weniger unbeliebte Spinner im Bundestag sitzen, die gerade mal für eine einstellige Prozentzahl in ihren Wahlkreisen „gut“ sind und dank Quote und Parteiklüngel derzeit doch in… Mehr