Boris Pistorius‘ Wunsch nach Wehrpflicht spaltet die SPD

Die Wehrpflicht soll jetzt doch schon während dieser Wahlperiode kommen. Das hat Verteidigungsminister Boris Pistorius öffentlich gefordert – damit wird der Riss deutlich, der durch die Regierungspartei SPD geht.

picture alliance / Panama Pictures | Christoph Hardt

Ein bedeutendes Ereignis wie der amerikanische Angriff auf die iranischen Atomanlagen wirkt auf eine politische Landschaft wie ein “Game Changer”. Einerseits bleiben alle Themen da, die es schon vorher gegeben hat. Andererseits bekommen diese jetzt ein neues Gewicht. Etwa die Debatte um die Wehrpflicht. Das Ziel, die Sollstärke der Bundeswehr um rund 60.000 Soldaten aufzustocken, ist jetzt wichtiger und dringender geworden – und hat das Zeug, den Riss zu verstärken, der durch die Regierungspartei SPD geht.

Verteidigungsminister Boris Pistorius ist nun bei Caren Miosga vorgestoßen. Er hält es für nötig, schon jetzt im Wehrdienstgesetz Regeln festzuschreiben, die eine Wehrpflicht im Krisenfall ermöglichen. Damit rennt er beim Partner CDU-CSU offene Türen ein. Doch in ihrem Koalitionsvertrag hat sich die neue Regierung auf ein Modell geeinigt, das rein auf freiwilligen Wehrdienst setzt. Auf Druck der Linken in der SPD. Der Fraktionsvorsitzende Matthias Miersch hat jüngst in einem Interview deutlich gemacht, dass diese Regelung gesetzt sei.

Den SPD-Vorsitzenden und Vizekanzler Lars Klingbeil setzt das unter Druck. Er selbst sieht auf der einen Seite das Begehren des Koalitionspartners, die Wehrpflicht schon jetzt anzugehen. Und er kennt die außen- und verteidigungspolitischen Notwendigkeiten, auf die nicht zuletzt sein Genosse, der Verteidigungsminister, öffentlich hinweist. Auf der anderen Seite muss er eben die stärker gewordene Gruppe der Linken in seiner Partei befrieden, für die nicht zuletzt Miersch steht.

Diesen Konflikt gab es bereits vor diesem Wochenende. Ein “Manifest” hat Schlagzeilen gemacht, in dem die Autoren eine Verteidigungspolitik vorschlugen, die irgendwo zwischen Willy Brandts Versöhnungspolitik der frühen 70er-Jahre und Erhard Epplers vergeblicher Anbiederung an die Friedensbewegung der frühen 80er-Jahre mäanderte. Dieses “Manifest” hatten Gescheiterte wie Ralf Stegner und Ehemalige wie Hans Eichel unterschrieben – oder der einstige Fraktionsvorsitzende Rolf Mützenich, der ein bisschen was von beidem ist. In die Debatte um die vorgezogene Wehrpflicht sind jetzt aber auch aktuell bedeutende Politiker wie der amtierende Fraktionsvorsitzende einbezogen. Der Angriff auf die iranischen Atomanlagen war ein Game Changer.

Wobei unklar ist, ob eine tatsächliche Einführung der Wehrpflicht eher Symbolpolitik oder konkrete Verteidigungspolitik wäre. Aktuell besteht die Bundeswehr aus rund 180.000 Soldaten. Eigentlich sollten es 200.000 Soldaten sein. Pistorius will die Stärke auf rund 250.000 Mann erhöhen. Woher diese 70.000 Anwerber kommen sollen, wenn schon jetzt 20.000 Stellen unbesetzt bleiben, ist eine offene Frage, deren einzige brauchbare Antwort derzeit nur eine Aktivierung der Wehrpflicht ist.

Im Koalitionsvertrag steht ein Kompromiss, der auf Druck der SPD-Linken entstanden ist: Der Staat schreibt alle Männer und Frauen im wehrfähigen Alter an. Die geben in ihrer Antwort ihre Daten an und eine Aussage ab, ob sie in der Armee dienen wollen. Die Männer müssen antworten. Die Frauen nicht. Das ist eine Lösung in dem Stil, in dem die Regierungen Angela Merkel (CDU) und Olaf Scholz (SPD) regiert haben: Maximaler bürokratischer Aufwand für maximal überschaubaren Ertrag.

Allerdings hat auch Pistorius viele entscheidende Fragen offengelassen: Wo kommen die Ausbilder für die zu verpflichtenden 70.000 neuen Soldaten her? Wo die Ausrüstung? Wo die notwendigen Kasernen? Wie soll es Wehrgerechtigkeit geben, wenn nur ein Teil der Zielgruppe eingezogen wird, aber nicht alle benötigt werden? Noch viel entscheidender: Inwiefern sorgen junge Männer für eine Verteidigungsfähigkeit, die sich nur für wenige Monate einem Zwangsdienst unterstellen? Einsätze wie der am Wochenende zeigen, wie militärische Operationen im Jahr 2025 aussehen: Präzisionsschläge basierend auf komplexer Technik. Große Fußheere gehören eher zu einem überholten Konzept.

Wobei eine deutlich größere Armee einen anderen Faktor kommender, möglicher Kriege widerspiegelt. Der Krieg im Gaza-Streifen begann mit einem Terror-Anschlag. Männer töteten Säuglinge, vergewaltigten Frauen und schändeten Leichen. Das erwärmte die Herzen von Teilen der Bevölkerung in Deutschland so, dass sie Kindermorde, Vergewaltigungen und Leichenschändungen etwa in Berlin-Neukölln feierten, indem sie Süßigkeiten auf der Straße verteilten. Geriete Deutschland an der Seite seiner Verbündeten in einen Krieg mit einem islamistischen Land wie dem Iran, stünden die Süßigkeiten-Verteiler hinter der Front – es wäre nur spannend, auf welcher Seite. Der Angriff auf die iranischen Atomanlagen war ein Game Changer. Es bestehen immer noch dieselben Probleme wie vorher – nur bekommen sie nun ein anderes Gewicht.

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Kommentare ( 66 )

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Rob Roy
25 Tage her

Dass nicht mehr von „Verteidigungsfähigkeit“ gesprochen wird, sondern von „Kriegstüchtigkeit“ sollte uns zu denken geben.

Innere Unruhe
25 Tage her

„Geriete Deutschland an der Seite seiner Verbündeten in einen Krieg mit einem islamistischen Land wie dem Iran, stünden die Süßigkeiten-Verteiler hinter der Front – es wäre nur spannend, auf welcher Seite.“ Sie würden an der Waffe ausgebildet werden und könnten sich die Seite aussuchen.
Mit dem Pass und Zugang zu sensibelsten Stellen und Informationen ausgestattet, braucht es auch keine Waffe mehr, um DE zu sabotieren.
Aber deutsche Frauen haben diese Schicksal für sich und ihre Kinder selbst gewählt… Jeder Frau muss sich fragen, wie der jeweilige Messerstecher und Vergewaltiger nach DE gekommen ist. Wann hat sie dem zugestimmt.

Peter W.
25 Tage her

Die Wehrpflicht wurde niemals abgeschafft sondern nur „ausgesetzt“ und besteht natürlich nur für Männer! Deshalb eiern die so rum.

wackerd
25 Tage her

„Wehrpflicht im Krisenfall“: also Wehrpflicht wann immer die Kriegseuphorisierten es wollen. Nichts leichter, als eine Krise herbeireden. Corona, Klima, Putin, afghanische Ortskräfte (so um die 50.000 vielleicht?) etc. Das sind die Beispiele, wie sich der schwarzrotegrüne Krisenapparat die Situation zurechtbiegt. Aber eines ist sicher: Meine Kinder bekommt ihr nicht! Weder für einen Krieg, noch für „sogenannte soziale Dienste“; womöglich noch „Flüchtlingshilfe“ oder Müll im Park aufsammeln, oder ähnliches.

Innere Unruhe
25 Tage her

„Er hält es für nötig, schon jetzt im Wehrdienstgesetz Regeln festzuschreiben, die eine Wehrpflicht im Krisenfall ermöglichen“ Meint er damit, dass er untrainierte Angestellte mit Bauchansatz in zwei Monaten oder gar sofort mit einer Waffe an die Front schickt??? Was ist Krisenfall? – Gibt es genug Uniformen in passen Größen für diesen Krisenfall? Genug Kasernen, Fahrzeuge und ausgebildete Fahre? Köche, Töpfe, Lebensmittel??? Was ist mit der mentalen Verfassung der Notfallrekruten? Schon wieder gewollt und nicht gekonnt. Selbstverteidigung ist das oberste Ziel eines Staates. Das Volk muss mental und materiell auf Verteidigung eingestellt sein. Während der zweite Aspekt relativ schnell mit… Mehr

BKF
25 Tage her

Der Angriff auf den Iran wäre nur ein Game Changer, wenn daraus der Schluß gezogen wird, daß Deutschland dringen eigene Kernwaffen braucht zur Abschreckung, dafür bräuchte man dann aber auch wieder eine funktionierende Kernindustrie, die wir uns aber gerade selbst kaputt gemacht haben unter Beifall der Grünen (und vielleicht auch aus den USA von den Demokrats). Die Frage nach eigenen Kernwaffen wird sowieso aufkommen, sollten sich die USA mehr auf das Pacific Theatre konzentrieren wollen und Westeuropa selbst seine Abschreckung organisieren soll, da nicht zu erwarten ist, daß Frankreich oder UK auf die nationale Kontrolle über ihre Kernwaffen verzichten werden.

BKF
25 Tage her

Was passiert eigentlich, wenn man als Mann nicht auf diesen Brief antwortet? Vorladung zur Musterung? Gibt es dafür überhaupt schon wieder genug Kreiswehrersatzämter? Es ist zwar vollkommen untypisch für deutsche Armeen, aber wenn man schon jetzt auch die Frauen hinzuziehen will, sollte es auch vollständig unter gleichen Bedingungen geschehen, entweder alle müssen antworten oder keiner. Ist jetzt eigentlich schon endgültig geklärt, ob entweder Geschlecht oder Gender in der Armee gilt und bei der Einberufung gilt? Unsere Freunde überm Teich machen da ja gerade tabula rasa.

Last edited 25 Tage her by BKF
Innere Unruhe
25 Tage her
Antworten an  BKF

Sie müssen mindestens einen Orden bekommen. Ein Asylant wird für Abschiebungen nicht angetroffen, aber laut Gericht müssen wir ihm weiterhin Teilhabe an unserer Gesellschaft ermöglichen…
Für nicht gefundenen Rekruten muss mindestens Geld für einen Führerschein drin sein.

BKF
25 Tage her

Wir haben geschichtlich schlechte Erfahrungen gemacht mit Gefreiten als Kriegsherr, auch ein Obergefreiter wird es nicht besser machen. Warum läßt man da nicht mal richtige Experten ran?

Lucius de Geer
25 Tage her
Antworten an  BKF

D’land hat keine Experten auf dem Sektor. Schauen Sie sich mal die unsoldatisch wirkenden Beamtentypen an der Spitze der bunten Wehr an. Ist auch besser so, wenn hier keiner „kriegstüchtig“ ist. Waffen für unbescholtene deutsche Staatsbürger (Netto-Steuerzahler) zur Selbstverteidigung ok, mehr braucht es nicht. Der Gegner kommt nicht von außen, sondern ist längst im Land.

GefanzerterAloholiker
25 Tage her

Ein wunderbarer Artikel mit fulminatem Schlußteil. Chapeau! Lachend könnte man noch hinzufügen, das über 12% (Tendenz steigend), weder schreiben noch lesen können. Da wird es in Zukunft wohl dünner werden mit den Planzahlen. Zur Rettung der cause, stellt sich die Frage einer Verteidigung von Industrieanlagen in Zukunft glücklicherweise nicht mehr. Vielleicht so: wie verteidige ich ein Windkraftanlage? Und tut man so etwas, bei Flaute? Aber im Ernst. Zur Verteidigung von Ballungsgebieten und Industrieanlagen, sowie Landmaschienen bei der Arbeit gab es bereits in der Vergangenheit nie ein Konzept. Die sog. BRD-Wehr war in Gänze falsch aufgestellt. Seit Afghanistan verliert sie zusammen… Mehr

Innere Unruhe
25 Tage her

Bin in Osteuropa aufgewachsen. Auf meine Verwunderung, warum Selbstverteidigug, Notfallvorräte, Warnsysteme und Armee kein Thema in der Gesellschaft sind, war stets die Antwort, dass man das ja schon hatte und es schlecht endete….. das war durch die Bank verbreitete Meinung.
Hamstern – schlecht. Preppen – rechts.
Dass man im Notfall nicht versorgt werden muss, sondern selbst Hilfe anbieten kann; kein Teil der Panikmasse ist – keinen Gedanken wert.
DE muss viel gedankliche Arbeit leisten, noch bevor auch ein Soldat eingezogen wird.

alter weisser Mann
25 Tage her

Was ist denn der gamechanger an dem „Schlag gegen den Iran“?
Dass die USA es vermögen, gegen die allermeisten Länder mit gewaltiger Luftübermacht einen erfolgreichen Schlag oder auch mehrere zu führen, erspart nicht mal denen das umfängliche Militär und sichert ihnen nicht den Sieg.
Die Halbwertszeit der gamechanger ist scheinbar auch recht begrenzt, gerade waren es noch die Drohnen …. die aber augenscheinlich auch nicht unbedingt Siege erfliegen.
Jetzt wie wild Milliarden und Abermilliarden in die Rüstung zu pumpen, das ist der reale gamechanger … weg vom Wohlstand, wegen imaginierter oder propagierter Bedrohungen.

HPs
25 Tage her
Antworten an  alter weisser Mann

Wegen diesen „imaginierten Bedrohungen“ sind Finnland und Schweden in die NATO eingetreten.