Beim „Duell“ am Sonntag duellieren sich die Moderatoren

Am Ende wird das (wieder) ein Duell um die Gefühle der Wähler, wo die Amtsinhaberin bei der Masse der gefühligen Deutschen klar im Vorteil liegt - so sie keinen Fehler macht.

Gibt es beim Kandidaten-Duell am Sonntag Verlierer? Wird oder bleibt Kanzler, wer das Studio ohne Patzer verlässt? Die medialen Schlachtenbummler der einzigen direkten Auseinandersetzung zwischen Amtsinhaberin Angela Merkel und ihrem Herausforderer Martin Schulz scheinen zu hyperventilieren. Man könnte fast meinen, am Wahlsonntag werde lediglich ratifiziert, was am Duellsonntag entschieden werde.

So wird es natürlich nicht sein. Aus allen bisherigen Elefantenrunden und Duellen in Bund und Ländern wissen wir: Noch nie hat der ultimative TV-Showdown in der Bundesrepublik eine Wahl entschieden. Merkel hat schon gegen Gerhard Schröder, Frank-Walter Steinmeier und Peer Steinbrück „im Ring“ gestanden, war Schröder und Steinbrück rhetorisch unterlegen, gewann aber dennoch die Wahl. Richtig ist aber auch: Wer schon – umfragemäßig – schwach auf der Brust ist und auch noch wenig überzeugend auftritt, der verlässt das Schlachtfeld noch schwächer. Umgekehrt sichert eine gute Performance gute demoskopische Werte ab.

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Was erwartet uns also am Sonntag? Zunächst einmal vier Moderatoren. Schließlich geht es ARD, ZDF, RTL und SAT.1 nicht in erster Linie darum, einen wichtigen Beitrag zum Prozess der politischen Willensbildung zu leisten. Aus Sicht der Sender ist es völlig gleichgültig, was Schulz und Merkel sagen. Ihnen geht es in erster Linie darum, dass ihre „Talking Heads“ gut aussehen – vor allem besser als die ihrer TV-Konkurrenten. Ein Duell der Sender und Moderatoren. Für die beiden Privatsender ist das Ganze zudem noch ein Test. Da die Wahlsendung zeitgleich in allen vier Programmen ausgestrahlt wird, erfahren RTL und SAT.1 auf diese Weise, wie viele beziehungsweise wie wenige Zuschauer sie einschalten, um sich politisch zu informieren.

Für die beiden Kontrahenten Schulz und Merkel geht es in erster Linie darum, im Duell ja keinen Fehler zu machen. Also peinliche Versprecher vermeiden, keine unverständliche Wissenslücken offenbaren, nicht dem widersprechen, was man vor kurzem selbst gesagt hat, keine Gegensätze zu Seehofer beziehungsweise zu Gabriel aufkommen lassen, auf keinen Fall von der Parteilinie abweichen. Wer das schafft, hat schon mal das Schlimmste vermieden.

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Wie aber punkten? Martin Schulz muss natürlich angreifen. Seine Duell-Strategie wird so aussehen: Alle Erfolge der Großen Koalition gehen auf das Konto der Sozialdemokraten. Dass es dennoch Fehlentwicklungen gibt, liegt an der Sturheit von Merkel/Seehofer, die geniale SPD-Vorschläge stur abgelehnt haben. Dass diese „Erzählung“ nicht ganz stimmig ist, spielt keine Rolle. Schließlich hat die SPD in 15 der letzten 19 Jahre im Bund mitregiert und 7 Jahre davon sogar den Kanzler gestellt. Auch fallen viele von Schulz beklagte Missstände, beispielweise im Bildungswesen, in die Kompetenz der Länder und damit auch in die von SPD-Ministerpräsidenten. Sei’s drum: Schulz wird das so erzählen; er hat keine andere Story.

Angela Merkel wird dagegen die Landesmutter geben, sozusagen die „mater familias“: Unter meiner sanften Führung haben die Sozialdemokraten doch ordentlich mitregiert. Warum sich jetzt also künstlich aufregen und streiten? Dieser Stil wird von Journalisten gerne als langweilig kritisiert, trifft aber die Gemütslage der Deutschen, nicht ein Duell. Die wollen nämlich keinen Parteienstreit, sondern ruhig und ordentlich regiert werden. Merkel weiß, dass die meisten Menschen sich hierzulande wohl fühlen und sich um das Kleingedruckte in Parteiprogrammen nicht scheren. Dieses Gefühl des Wohlbefindens und der Ruhe wird Merkel am Sonntag zu befördern suchen. Am Ende ein Duell um die Gefühle der Zuschauer.

Spannend könnte es werden, wenn es um die Koalitionsfrage geht. Merkel hat sich festgelegt: Mit der AfD und den Linken geht gar nichts. Ansonsten ist aus der Sicht von CDU/CSU alles möglich: Schwarz-Rot, Schwarz-Gelb, Schwarz-Grün oder Schwarz-Gelb-Grün. Schulz dagegen wird herumeiern: Er wird weder Rot-Rot-Grün kategorisch ausschließen noch eine Neuauflage der GroKo. Mit Sicherheit wird er sagen, gegen Rot-Schwarz unter seiner Führung wäre nichts einzuwenden. Aber es wäre eine Sensation, wenn er eine Neuauflage von Schwarz-Rot hundertprozentig ausschließen würde.

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Laut „Forsa“ will am Sonntag jeder zweite der 61,5 Millionen Wahlberechtigten die Sendung anschauen. Jeder Fünfte, der einschalten will, gab an, dass er seine Wahlentscheidung vom Verlauf des Duells abhängig mache. Sollte tatsächlich jeder Zweite vor dem Fernseher sitzen, wären das mehr als 30 Millionen Wahlberechtigte – und damit doppelt so viele wie bei den Duellen 2013 und 2009. Nun ja, was die Leute bei Umfragen so alles sagen. Gegenüber Meinungsforschern bekunden auch immer viel mehr Menschen die Absicht, auf alle Fälle zur Wahl zu gehen, als es dann tatsächlich tun.

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Wahlkampfweisheit zum Tage: Die Sekundanten in TV-Duellen nehmen sich meistens wichtiger als die Duellanten.

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Kommentare ( 32 )

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Jens Frisch
6 Jahre her

„Die Politiker sprechen, ohne etwas zu sagen“:
https://www.youtube.com/watch?v=60WLlID124Y

(Meine Empfehlung: Lernen Sie, zwischen den Zeilen zu lesen und zu hören)

Jens Frisch
6 Jahre her

„Angela Merkel wird dagegen die Landesmutter geben…“

Besser noch die „Umm al Aminun“ – die Mutter der Gläubigen.

bitbuerster
6 Jahre her

Jeder zweite Wahlberechtigte will seinen Sonntagabend vor dem TV ruinieren? -Da schaue ich ja lieber Farbe beim Trocknen zu..

Herbert Wolkenspalter
6 Jahre her

Ich halte von solchen Duellen rein gar nichts. Viel besser wäre, wenn jeweils ein Vertreter jeder Partei eine Sendung für sich bekäme und dort sein Politikmodell konsistent erklären kann, möglichst in freier Rede ohne Störungen und ablenkende Zwischenfragen aber auch ohne Videos von der Werbeagentur. Die Politiker sollen wenigstens ein Mal ihre Politik selber zusammenhängend erklären ohne Journalisten. Bei dieser Gelegenheit, weil es um den Öffentlich-Rechtlichen Rundfunk geht: Warum sollte der Informationsprozess nicht via TV direkt von Politiker zu Bürger stattfinden sondern ausschließlich durch die Hände Dritter, den Journalisten und Redaktionen? Die 140 Zeichen bei Twitter sind für Politiker zu… Mehr

Markus Gerle
6 Jahre her

Kleine Korrektur zu Einschaltverhalten der Fernsehzuschauer: Nicht jeder Mensch, der einen Fernseher besitzt ist ein Fernseh-Junkie. Ich schaue nur noch sehr selten fern und habe auch kein Vertrauen mehr in die Berichterstattung der ÖR-Sender. Dennoch werde ich dieses sog. Duell auf ARD oder ZDF anschauen, falls es sich überhaupt einrichten lässt. Daraus lässt sich aber nicht auf einer Präferenz in der Senderwahl schließen. Grund: ARD und ZDF muss ich bezahlen. Und zwar nicht zu knapp und völlig unabhängig davon, ob ich das will. Im Gegenzug senden beide Sender in HD. RTL und SAT1 empfange ich auch. Dies jedoch kostenlos. Wenn… Mehr

claudius_germanicus
6 Jahre her

Meine Empfehlung ist, sich diese Sendung nicht anzuschauen. Jeder soll natürlich selbst entscheiden, aber sich bewusst sein, dass er eine Theateraufführung vorgesetzt bekommt, die dem Zuschauer subversiv folgende Narrative einflüstern will: 1. Wir haben in Deutschland eine gut funktionierende und stabile Demokratie, weil wir Politiker wie Merkel und Schulz haben. Beide sind offen, tolerant und wollen niemanden ausgrenzen (im Gegensatz zu Trump und der AfD), beide wollen sich auch um die schwächsten der Gesellschaft kümmern und deren Teilhabe fördern (im Gegensatz zu Trump und der AfD), beide sind immer bemüht zu deeskalieren und somit den Frieden zu bewahren (im Gegensatz… Mehr

F.Peter
6 Jahre her

Nachdem dem Sender und somit den sogenannten Moderatoren – Hampelmänner bzw. Marionetten wäre treffender – vom Kanzleramt „mitgeteilt“ wurde, wie die Sendung zu verlaufen habe, lässt man die Flimmerkiste am Besten aus!
Das Kanzleramt hat dem Sender ein Korsett verpasst, das es der Unsäglichen erlaubt, sich nicht bewegen zu müssen und den Sankt Martin daran hindern wird, sich bewegen zu können!
Diese Mainstreammedien führen sich selbst immer weiter in den Abgrund!

Nichtzufassen
6 Jahre her

Am Satzanfang wird groß geschrieben. Und das fehlende Komma finden Sie sicher auch noch.

Michel Rieke
6 Jahre her

Wenn Sie nach der Sendung etwas Trost brauchen:

https://www.youtube.com/watch?v=QflkKpPKDOY

Michel Rieke
6 Jahre her

Ich erlaube mir zu ergänzen: zu 1. Wie steht Merkel zu Seehofers gestriger Aussage, dass eine Koalition mit den GRÜN*INNEN ausgeschlossen ist? zu 2. Würde Merkel „Jamaika“ auch ohne CSU für eine Option halten, wenn es für eine Mehrheit reicht? zu 3. Wurden und werden bei Antrag auf Familiennachzug wenigstens die Asylbescheide der Antragsteller überprüft, die im Fragebogenverfahren bzw. ohne Papiere anerkannt wurden? Frage 4. Wie kommen die „Experten“ bei einer Geburtenrate von 2,9 pro Frau (letzter bekannter Wert für Syrien) auf nur einen Nachziehenden pro syrischem Flüchtling? Was gedenken Merkel und Schulz zu tun, wenn nach „Freigabe“ des Familiennachzuges… Mehr