Tichys Einblick
Wenn Habeck TE zitiert, aber nicht versteht

Habecks neue Volkswirtschaftslehre: Die Unternehmen investieren schon noch, nur nicht in Deutschland

Habeck will keine Kritik, er will Bestätigung, Zustimmung und schöne Bilder aus dem grünen Medienland. Diesen Gefallen hat ihm die ARD erneut getan und leistete in den Tagesthemen propagandistische und aktivistische Mithilfe, um die bösen realistischen Wirtschaftszahlen weg zu senden.

Screenprint: ARD / Tagesthemen

Nachdem TE, aber auch andere Zeitungen wie Welt, FAZ oder das Handelsblatt am 25. Juli über die alarmierenden Zahlen des IWF und des Ifo-Instituts berichtet haben – selbst das ZDF, allerdings erst spät abends im heute journal ziemlich am Ende, nicht umhin kam, die Meldung in seinen Börsennachrichten zu bringen –, herrschte bei der ARD diesbezüglich immer noch Funkstille. Man könnte spotten und würde die Realität nicht überzeichnen, wenn man vermutete, dass der Haussender der Grünen 24 Stunden benötigte, um diese Nachricht ebenfalls zu bringen – solange hatte man wohl am Framing gebastelt.

Das Framing der ARD stellt inzwischen das der Aktuellen Kamera des DDR-Fernsehens in den Schatten. Entscheidet der Rat für deutsche Rechtschreibung, die Genderei, Gendersternchen und andere Alfanzereien nicht ins Regelwerk aufzunehmen und die gendergerechtes Schreiben genannte Sprachverhunzung vom amtlichen Regelwerk auszuschließen, verpackt die ARD dies in der Meldung, dass die Genderregeln immer häufiger angewandt werden. Von gleicher intellektueller Güte und journalistischer Rechtschaffenheit strotzte die Berichterstattung zur technischen Rezession, aus der eine Dauerrezession und Ärgeres werden kann, gestern Abend in den tagesthemen. Fast nordkoreanisch versuchte Klimaminister Robert Habeck, sein ramponiertes Image aufzubessern.

— tagesthemen (@tagesthemen) July 26, 2023

Habeck reist derzeit durch die Bundesrepublik, eine für den Steuerzahler mehrere Milliarden Euro kostende Reise. Denn Habeck fährt zu den Firmen, denen er höchstpersönlich Förderbescheide überbringt. Beispielsweise zwei Milliarden für die Stahlkocher von Thyssen, die ihre gut funktionierenden Hochöfen damit klimaneutral auf grünen Wasserstoff umrüsten. Habeck setzt damit ein Urgesetz der Wirtschaft außer Kraft: nämlich, dass Investitionen sich lohnen müssen, damit sie sich aus dem Gewinn bezahlen lassen. Bei Habeck zahlt nur der Steuerzahler. Und dafür hat Habeck auch gleich einen zweiten Lehrsatz parat: Unwirtschaftliche Produktion wird halt mit Schulden bezahlt. Die Frage ist, so Habeck: „Keine Gelder aufnehmen oder keine Industrie mehr haben?“ Bisher hatten wir immer Geld UND Industrie; oder wir hatten Geld gerade WEGEN Industrie.

Zukünftig kaufen wir uns mit Schulden Industrieanlagen, die sich nicht rechnen und mit grünem Wasserstoff das Geld des Steuerzahlers verbrennen. Wirtschaft ist, wenn wir alle ärmer werden. Habeck mit dem Geschenk-Scheck in der Hand, das gibt schöne Bilder; dass er dort nicht mit wirklicher Kritik zu rechnen hat, dürfte klar sein, außer der erlaubten und gewollten, dass es mit Deutschlands Talfahrt nicht schnell genug vorwärts geht und noch zu wenig Geld und noch zu viele ordnungspolitische Widerstände die Talfahrt hemmen. Und wenn er keine Schecks überbringt, dann spricht er mit Bürgern, die nur eine Bedingung erfüllen müssen: dass sie Grüngläubige sind. Denn Habeck will keine Kritik, er will für die Medien Bestätigung, Zustimmung und schöne Bilder aus dem grünen Medienland. Diesen Gefallen tat ihm die ARD und leistete gestern Abend propagandistische und aktivistische Mithilfe, die bösen Zahlen weg zu senden.

Studie über Risiken für die Menschheit
Klima-Hysterie: Ein besonders schwerer Fall von German Angst
Die Schlagzeile, die Habeck lieferte, lautete, dass der Deindustrialisierungsminister keinen Grund für German Angst sieht. Mal ganz davon abgesehen, dass ich in meinem Text vor drei Tagen diesen Begriff aus der Mottenkiste geholt hatte, hatten Habecks Medienschaffende ihn auch noch falsch verstanden, denn er bezog sich nicht auf das wirtschaftliche Desaster, sondern auf die Klimahysterie, die über das Framing bis hin zur Lüge geschürt wird, um Habecks kommandowirtschaftliche Politik, die in die Rezession und wohl auch in die Depression führt, zu begründen. Statt mit Argumenten, machen die Grünen und ihre willigen Helfer in den öffentlich zwangsfinanzierten, grünen Medien mit Angst, Panik, Hysterie und Apokalyptik Politik. Habeck hat es zumindest in den tagesthemen wieder belegt.

Laut Habeck sollten die Deutschen keine Angst beim Marsch in das Desaster empfinden. Wenn man nur fest genug vor der Wirklichkeit die Augen und die Ohren verschließt, wird alles gut. Schließlich stehen wir nur vor einem Umbruch, der natürlich gelingen wird. Belege oder gar Beweise für die steile These – keine. Woher er seine Gewissheit nimmt, hat er nicht erläutert. Hatte Habecks Ministerium einst für das Frühjahr 2023 noch ein Wirtschaftswachstum von mageren 0,4 Prozent prognostiziert, wurde daraus in der Realität ein Minus von -0,3 Prozent, wodurch Deutschland auf den letzten Platz der G7-Staaten rutschte. Selbst das schwersanktionierte Russland kann ein Wirtschaftswachstum von 1,5 Prozent vorweisen.

Doch die ARD framt dieses Ergebnis als „überraschend“. Überraschend ist nur, dass die Wirtschaftsredaktion der ARD nun vollkommen die Ökonomie mit der Astrologie vertauscht zu haben scheint, denn „überraschend“ ist nichts an dem Ergebnis, weil alle Wirtschaftsdaten seit Monaten auf dieses Ergebnis hinweisen.

Robert Habeck antwortete in der gewohnt scheinkritischen Attitüde, dass die Zahlen „natürlich nicht gut“ seien, „da muss man nicht drüber hinweggehen“ – um dann doch nichts anderes zu tun, als drüber hinwegzugehen, denn schon ist Habeck dort, wo er sich vorzugsweise aufhält: im grünen Lummerland. Obwohl, das Wort Lummerland darf man im Habeck-Ataman-Wegner-Lehmann-Land auch nicht mehr verwenden, denn das Kinderbuch eines richtigen Kinderbuchautors, nämlich von Michael Ende, steht inzwischen auch auf dem Index der Antidiskriminierungsinquisition.

Politiker in Bayreuth statt Wirtschaft:
Tagesschau ohne zentrale Themen aus Deutschland
An der ganzen Misere, schwurbelt Habeck unterunterkomplex, sind nur der Russe und die Merkel schuld, nämlich nur die deutsche Abhängigkeit vom russischen Erdgas und Erdöl. Kein Wort davon, dass die von den Grünen konzipierte und von Merkel durchexerzierte Energiewende zu den höchsten Energiepreisen führte und die Explosion der Preise nur durch günstiges und verlässliches Erdgas und Erdöl aus Russland abgebremst wurde. Kein Wort davon, dass Baerbock und Habeck in Embargen rasten, ohne auch nur die geringste Vorstellung davon zu besitzen, wie die Energieversorgung alternativ sichergestellt werden kann – sie ist übrigens immer noch unsicher. Aber Ideologie frisst Realität. Habecks Begründung vertauscht dreist Ursache und Wirkung. Nachfrage oder Widerspruch vom Tagesthemen-Moderator – Fehlanzeige.

Noch lächerlicher ist mit Blick auf die IWF-Prognose für die anderen G7-Staaten die Behauptung, die deutsche Exportschwäche läge am Weltmarkt und den Zinserhöhungen. Richtig ist nämlich, dass der Rückgang des Exports vor allem an der politisch verursachten Konkurrenzschwäche der deutschen Wirtschaft liegt. VW hat auf politischen Druck und mit Blick auf Subventionen auf die Produktion von E-Autos gesetzt und ist in China und in Europa auf ihren Modellen sitzen geblieben. Mercedes steigerte laut Unternehmen seinen Reingewinn im ersten Halbjahr auf 7,7 Milliarden Euro und legte damit im Vergleich zum Vorjahr 13 Prozent zu – doch nur durch Verbrenner, nicht durch E-Mobilität. In dem Bereich sieht es bei Mercedes nicht viel besser aus, deswegen will der Mercedes-Chef VW auf dem beeindruckenden Erfolgskurs folgen und 40 Milliarden gutes Geld dem schlechten Geld, das für Investitionen in E-Mobilität verloren wurde, hinterherwerfen. Denn wir haben, so Habeck, bis 2030 „eine starke Transformationsphase vor uns“.

Und nun ist der Minister ganz bei sich, ganz in seinen Träumen, in seiner infantilen Wasserstoff-Welt: „Wir kriegen die Energiepreise runter, die Leute sind top ausgebildet, die Unternehmen haben eine Standorttreue und ein Tag wie heute, wo große Förderbescheide überreicht wurden, zeigt auch, dass in der Zukunft hier wieder ordentlich produziert wird.“ Probleme? Welche? Deshalb ist Robert Habeck auch dort, wo er ist, dort, wo er Schecks in Milliardenhöhe überreichen kann: in Oberhausen, wo ein Werk zur Wasserstoffproduktion gebaut wird, in Duisburg, wo dank Subventionen Thyssenkrupp seine Stahlproduktion von Erdgas auf grünen Wasserstoff umstellt. Dieses Hochgefühl, das auf einem begeisterten Empfang beruht, den sich der Minister mit Steuermitteln erkauft, verführt ihn zu der Aussage: „Tief in den Maschinenbau, ins Handwerk hinein werden hier Aufträge generiert und das ist ja das Gegenteil von einer Deindustrialisierung.“

Die Realität spricht allerdings eine andere Sprache: Laut dem Branchenverband VDMA sanken die realen Auftragseingänge gerade im Maschinenbau im Februar bereinigt um Preiserhöhungen, also real um 17 Prozent, im Mai um 10 Prozent. Vor allem in Baden-Württemberg verdüstert sich die Situation. So konstatiert der VDMA: „Im baden-württembergischen Maschinen- und Anlagenbau hat sich der Abwärtstrend bei den Auftragseingängen mit einem Minus von real 22 Prozent im Mai fortgesetzt. Dabei gingen die Orders aus dem Inland um 24 Prozent und aus dem Ausland um 21 Prozent zurück. Im weniger schwankungsanfälligen Drei-Monats-Zeitraum März bis Mai 2023 sanken die Bestellungen um real 16 Prozent gegenüber Vorjahr. Dabei schlugen ein Minus von 19 Prozent im Inland und von 14 Prozent im Ausland zu Buche.“ Von Januar bis Mai 2023 „verzeichneten die Baumaschinen bereits ein Minus von insgesamt 19 Prozent beim Auftragseingang und die Baustoffanlagen ein Minus von 23 Prozent“. Logisch: Wo weniger gebaut wird, werden auch weniger Baumaschinen und Baustoffanlagen benötigt. Weitere Zahlen mit ähnlicher Tendenz können leicht angefügt werden.

Bravo Ampel:
Deutschland droht Dauer-Rezession
Die Aussage des zuständigen Ministers lässt sich also auf den alarmierenden Satz bringen: Aufträge werden in Deutschland nur dort generiert, Wachstum ist nur dort zu verzeichnen, wo der Staat die Rechnung bezahlt. Das nennt man in der Ökonomie eine Staatswirtschaft, eine sozialistische oder eine Kommandowirtschaft. Die Folgen, die Habecks Politik hervorrufen wird, sind bekannt. Habeck sagt: „Man muss auch ehrlich sein: Das sind Gelder, die wir aufnehmen, das sind also schuldenfinanzierte Gelder, deswegen verstehe ich auch, dass der Finanzminister kritisch drauf schaut. Aber die Frage ist: Keine Gelder aufnehmen oder keine Industrie mehr haben?“ Wenn Habeck die Frage so stellt, muss er auch die Frage beantworten: Führt seine Politik dahin, das wir nur noch dort Industrie haben werden, wo der Staat schuldenfinanziert subventioniert und interveniert – und auch nur solange er das tut? Folgt nach dem Auslaufen der Subventionen, des süßen Geldes, die Pleite?

Es klingt fast nach Satire à la Böhmermann, wenn Habeck nicht verschweigen will, dass dies auch „Zumutungen“ bedeutet. Schuld daran ist natürlich nicht Habeck, sondern Merkel, die zwar die Konzepte der Grünen durchgesetzt hatte, die aber „diese Transformation nicht so energisch … angegangen“ ist. Statt zu sagen, woher der viele Strom für die Herstellung von Wasserstoff, für die E-Mobilität, für die Wärmepumpen kommen soll, segelt Habeck lieber zu den Inseln der gestrigen Utopie, in seinen Wasserstoff-Staat. Tapfer behauptet er: „Aber wir haben alle Möglichkeiten, wir haben alle Technik und wir haben auch die finanziellen Ressourcen, sie zu bewerkstelligen.“ Die Technik haben wir schon mal nicht, denn es existiert bis heute kein einziges vollwasserstofffähiges Gaskraftwerk, die vorgestellten Erdgasleitungen sind alle nicht wasserstofftauglich.

Haben wir wirklich alle „Möglichkeiten“? In Deutschland wird nicht genügend Wasserstoff hergestellt werden können. Also machen wir uns von Importen aus so sicheren Ländern wie Namibia abhängig. Hatte nicht vor nicht allzu langer Zeit Südafrika ein gemeinsames Seemanöver mit der russischen Kriegsmarine durchgeführt? Außer, dass Annalena Baerbock in Südafrika ihren Beacon-of-hope-Moment hatte, war ihr Besuch nicht von Erfolg gekrönt. Wie sehr darf man Habecks Einschätzung trauen, dass „wir“ „die finanziellen Ressourcen“, die Habeck-Transformation „zu bewerkstelligen“ besitzen, wo doch der Oppositionspolitiker Robert Habeck zu der Zeit, als er noch Finanzminister werden wollte und die Öffentlichkeit mit hochfliegenden Haushaltsplänen zu beeindrucken suchte, sich öffentlich von einem Studenten die Regeln von Basel-III erklären lassen musste.

Habeck behauptet, die Regierung habe die Transformation bereits eingepreist. Wie hoch sind denn die Summen, die die Regierung für die Habeck-Transformation eingepreist hat: 500, 600 oder 800 Milliarden Euro oder mehr, wo doch allein der Netzausbau 240 Milliarden kosten wird, da ist aber der Ausbau der örtlichen Verteilernetze noch nicht dabei.

Was Habeck als Transformation mystifiziert, heißt Deindustrialisirung, gerechtfertigt durch die German Angst, die Habeck und seine Mitstreiter durch das Schauermärchen von der Klimaapokalyptik erzeugen. Angesichts der Fragilität des wirtschaftlichen Netzes wird es Zeit für einen Lastenabwurf, wird es Zeit, dieser Regierung und diesem Minister den Stecker zu ziehen.

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