Ein Monitoringbericht oder: Keine Wende bei der Wende

Nach dem Amtsantritt der schwarz-roten Regierung versprach Wirtschaftsministerin Katherina Reiche eine Bestandsaufnahme der Energiewende. Sie gab einen Monitoringbericht in Auftrag, der mit Hoffnungen oder Befürchtungen verbunden wurde. Nun wissen wir, es wird sich wenig ändern. Raider heißt jetzt Twix.

picture alliance / Chris Emil Janßen

„Energiewende effizient machen“ lautet der offizielle Titel des Berichts. Ministerin Reiche hatte mit dem Energiewirtschaftlichen Institut der Uni Köln (EWI) und der privaten BET Consulting GmbH zwei Institutionen mit dem Monitoringbericht beauftragt, die als energiebranchenfreundlich gelten, aber nicht dezidiert die „Erneuerbaren“ als Arbeitsschwerpunkt haben. Das weckte frühzeitig Kritik von Seiten der Wind- und Sonnenbarone und ihrer Verbände. Es bestand die Gefahr, dass nicht mehr alle Entscheidungen der CO2-Minderung und dem Ausbau der „Erneuerbaren“ untergeordnet werden, sondern eine – eigentlich längst überfällige – systemische Betrachtung erfolgt. Nicht Agora und das DIW durften erwartbare Ergebnisse aufschreiben, sondern Institute, denen eine Nähe zur Energiewirtschaft unterstellt wird. Wie schrecklich – Wirtschaftsnähe! Eine Wirtschaft, die täglich konkret das System am Laufen hält und immer liefert, auch wenn kein Energiewende-Wetter herrscht.

Monitoringbericht
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Am 15. September stellten Vertreter der Auftragnehmer den Monitoringbericht der Presse vor. Zentrale Themenfelder wurden bearbeitet: der künftige Strombedarf, der Ausbau der „Erneuerbaren“, der Stromnetzausbau, der Wasserstoff-„Hochlauf“, die Versorgungssicherheit und die Digitalisierung.

Verkürzt kann man konstatieren, dass von einem „Abwürgen“ der Energiewende nicht die Rede sein kann. Weder werden das 80-Prozent-Ziel („Erneuerbaren“-Produktion im Jahr 2030) noch die illusorische Dekarbonisierung bis 2045 in Frage gestellt. Sanfte Korrekturen werden beim erwarteten Stromverbrauch angebracht, was nicht gerade eines hochkarätigen Gutachtens bedurfte. Dass sich E-Mobile und Wärmepumpen schlechter verkaufen, als im Habeckschen Staatsplan vorgesehen, dürfte sich herumgesprochen haben. Die Abwanderung von Industrie hat sich als Trend verfestigt. Viele Sachverhalte werden korrekt beschrieben, nötige Folgerungen fehlen. Teils sind die Ausführungen widersprüchlich.

Dass weitere Industrie abwandern wird, ist keine gewagte Prognose, sondern eine ziemlich sichere Perspektive. Wenn sogar die selbsternannte „Transformationsgewerkschaft“ IG BCE konstatiert, dass der Emissionshandel unsere Betriebe umbringt und der Zeitplan zur Dekarbonisierung die Unternehmen überfordere, wenn ostdeutsche Betriebsräte noch nie so viele Arbeitsplätzte wie heute bedroht sehen, die Energiewende mit einer Operation am offenen Herzen der Volkswirtschaft vergleichen und fürchten, dass dieser Patient droht, auf dem OP-Tisch zu sterben, wären deutlichere Worte der Sprecher der beauftragten Institute zu erwarten gewesen. Stattdessen samtweiche Formulierungen, wohl um nicht anzuecken.

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Nach mehr als 25 Jahren Energiewende bestand in Erwartung des Berichts die Hoffnung auf ein Energiewende-Management, dass die Abhängigkeiten im System, zum Beispiel beim Zubau volatiler Erzeuger und dem Netzausbau, berücksichtigt.

Stattdessen soll ungebremst der Ausbau der „Erneuerbaren“ weitergehen, obwohl der Netzausbau sich nicht mehr beschleunigen lässt und Speicher riesenhafter Kapazitäten mittelfristig nicht entstehen können. Eine bessere „räumliche Steuerung“ des „Erneuerbaren“-Ausbaus ruft hingegen nach weitergehenden Gesetzen und Regelungen durch Behörden. Damit ist ein weiterer Bürokratieaufbau vorprogrammiert.

Desweiteren ist vom Wasserstoff-„Hochlauf“ die Rede, als hätte es die zahlreich gestorbenen H2-Projekte der letzten Wochen und Monate nicht gegeben. Die fehlende Wirtschaftlichkeit eines Wasserstoffsystems wird zwar angesprochen, aber Folgerungen werden nicht abgeleitet.

Der größte Mangel des Monitorings besteht darin, dass es offenbar keine deutlichen Änderungen am Erneuerbare Energien Gesetz (EEG) geben soll. Damit bleiben die Verwerfungen durch Einspeisevorrang, Festvergütung und Bezahlung von Phantomstrom bestehen. Die PV-Vergütung für Neuanlagen soll entfallen. Das wäre heute schon und auch für Bestandsanlagen zumutbar.

Die Vergütung von Ökostrom bei negativen Preisen an der Strombörse ist an volkswirtschaftlicher Idiotie kaum zu überbieten. Die Tatsache, dass schon bei der Herstellung eines Produkts das Wissen um seine kostenpflichtige Entsorgung besteht, ist skandalös und die daraus folgenden negativen Marktpreise entspringen blankem wirtschaftspolitischem Unfug und widersprechen jeglicher Vernunft. Auch dafür steht nun Katherina Reiche. Weitere schädliche Gesetze stünden zur Änderung, besser noch, zur Streichung an, zum Beispiel das wachstumsfeindliche hochbürokratische Energieeffizienzgesetz (EnEfG).

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Einzig ableitbare Konsequenz aus der verfahrenen Lage wäre ein Ausbaumoratorium der „Erneuerbaren“. Mit den vorgelegten Ergebnissen und folgenden kosmetischen Maßnahmen wird es nicht gelingen, Wirtschaftlichkeit herzustellen, Versorgungssicherheit zu erhalten und die deutsche Wirtschaft wieder international konkurrenzfähig zu machen.

Natürlich finden sich Kritiker, denen schon leichte Veränderungen zu viel sind. Greenpeace beklagt, dass die Klimaschäden nicht eingepreist würden. Wie die berechnet werden bei einem 1,6-prozentigen deutschen Emissionsanteil und dass Klima-Anpassungskosten ohnehin anfallen werden, interessiert grüne Ideologen nicht. Von deutschem Boden aus werden wir am globalen Klimawandel nichts ändern, wenn China im Jahr 2024 eine Rekordzahl an Kohlekraftwerken in Betrieb nahm und auch andere wachsende Länder ihre fossilen Kapazitäten ausbauen. Es gehört zur Ideologie von Greenpeace und regierungsbezahlter „Nichtregierungs“-Organisationen, trotzdem an der Forderung nach Klimakampf um jeden Preis festzuhalten und weiter die Schuldzuschreibung den Menschen hierzulande zu betreiben. Ziel ist, die Forderung nach „mehr Erneuerbaren“ permanent zu indoktrinieren und die Menschen dazu zu bringen, regierungsamtliche Zumutungen klaglos hinzunehmen.

Mitleid mit Politkern?

Dabei kann einem Katherina Reiche eigentlich leidtun. Mit ihrem Vorwissen aus Politik und Energiewirtschaft unterscheidet sie sich deutlich von ihren minderleistenden Vorgängern. Peter Altmaier war ein fachfremder Paladin Merkels, Habeck ein knallharter ideologisierter Philosoph, beide waren in Fragen der Wirtschaft weitgehend ahnungslos. Vorvorgänger Sigmar Gabriel nahm die Realitäten insofern wahr, dass er feststellte, dass wir hinsichtlich der Energiewende für die meisten Länder der Welt sowieso die Bekloppten seien.

Wenn Ministerin Reiche dürfte, würde sie mit Sicherheit deutliche Entscheidungen treffen. Allein der Versuch wäre das Ende der Koalition und würde von Kanzler Merz verhindert. Sie wäre dann auch ihr Amt los. Der Kanzler ohne Rückgrat würde umfallen, wenn die SPD-Fraktion auch nur den Mund zum Pfeifen spitzt.

Kritik ließ vom Koalitionspartner nicht lange auf sich warten. Mit diesem wird es keine zukunftsfähige Energiewende-Wende geben. Doktor Nina Scheer ist für die SPD Obfrau im Ausschuss für Wirtschaft und Energie und will das Erbe ihres Vaters, dem Solarpapst Herrmann Scheer, erfüllt sehen. Forderungen nach Kürzungen im „Erneuerbaren“-Bereich wie auch eine Verlängerung von Laufzeiten der Kohlekraftwerke werden hier auf erbitterten Widerstand treffen.

Da es aber terminlich ausgeschlossen werden kann, dass im Jahr 2030 eine nennenswerte Zahl an neuen Gaskraftwerke läuft, müsste man schon heute über den Elefanten im Raum, das Kohleverstromungsbeendigungsgesetz (KVBG), reden und es zeitnah novellieren. Die SPD wird das verhindern, solange es geht und bis der Druck der Realitäten zu groß wird.

Egal, was Ministerin Reiche künftig an Handlungsspielraum bleibt, es wird nicht reichen. Sie wird obendrein die „Gas-Kathi“ sein, weil die Rotgrünen ein Feindbild brauchen, das man regelmäßig auf niedrigem Niveau angreifen kann. Eine Wende von der Wende wird es nicht geben.

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Kommentare ( 10 )

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Nun ja
2 Monate her

Die Personalplanungen der Kohlekraftwerke dürften fixiert sein. Selbst wenn das Ausstiegsgesetz novelliert wird, wird es dann schlicht kein Personal mehr geben, welches die Kraftwerke betreiben kann. Vom Investitionsrückstau mal ganz abgesehen. Wir rennen in eine Katastrophe und die verantwortlichen Politiker werden dann natürlich steif und fest behaupten, das hätte ihnen niemand gesagt.

Urmeli
2 Monate her
Antworten an  Nun ja

Das dürfte nicht gelingen. Die Bundesnetzagentur veröffentlicht „Berichte zum Netzreservebedarf„ seit 2012. JEDER, der lesen kann, konnte die Entwicklung ableiten.

Sonny
2 Monate her

Ich lehne diese Politik total ab.
Und mittlerweile auch meine „Mit-„Menschen, die mit ihrem Wahlverhalten dafür sorgen, dass das Elend und der Niedergang immer weiter und weiter gehen.
Die damit zusammenhängende Inflation wird Deutschland so sehr beschädigen, dass es über Jahrzehnte keinerlei Lichtblicke mehr geben wird.
Deutschlands Menschen werden grandios verarmen (wenn sie es nicht schon sind) und der linksgrünrote Pöbel wird weiterhin durch die Straßen ziehen und alles vernichten, was einmal Wohlstand und Zufriedenheit bedeutet hat.

Last edited 2 Monate her by Sonny
Fatmah
2 Monate her

Die ganze neue Regierung ist ein Schwindel. Nicht ein einziges der Hahnebüchenen Vorhaben der chaotischen Vorgängerregierung wurde zurück genommen. Es wurden Billionenschulden vereinbart um die Infrastruktur endlich zu renovieren. Stattdessen wird das Geld nun verwendet um weiterhin den Missbrauch unseres Sozialsystems durch „Ankommende“ aus aller Welt zu finanzieren.

Montesquieu
2 Monate her

Das politische System Deutschland kann und wird sich nicht gundsätzlich korrigieren.
Wir müssen das endlich einmal nüchtern zur Kenntnis nehmen, Was wir für eine Konsequenz daraus ziehen, bleibt jedem sich selber überlassen.

Dr.KoVo
2 Monate her

Mein Mitleid mit Frau Reiche hält sich in Grenzen. Entweder sie weiß, dass etwas geändert werden muss und sie tut es nicht, dann ist sie auch nicht besser als ihre Vorgänger. Oder sie weiß es nicht, dann ist sie auch eine Fehlbesetzung.

Michael Palusch
2 Monate her

Da stellt sich doch die Frage, was hält Frau Reiche in der Regierung? Warum geht sie nicht wieder zurück, bzw. warum verließ sie überhaupt den Vorsitz der Geschäftsführung der Westenergie GmbH? Erwarten diejenigen, die die damalige Abgeordnete Reiche trotz fehlender einschlägiger Erfahrung oder Qualifikation auf hochdotierte Geschäftsführerposten setzten, heute die Gegenleistung? Ihre Salto rückwärts in die Politik erstaunte mich schon von Beginn an, und mit jeden Tag ihres Wirkens erscheint mir ihre Rolle dubioser. Und dass sich an der Wasserstoffstrategie nichts ändert verwundert kaum, denn schließlich ist Katharina Reiche auch seit 2020 (!!!) Vorsitzende des Nationalen Wasserstoffrates der Bundesregierung. Da… Mehr

Kassandra
2 Monate her
Antworten an  Michael Palusch

H2 – die Habecksche Wunderwaffe – wo doch schon Volker Wissing, auch Ampelminister, die Forschungsgelder strich – während unser Held noch Milliarden dafür ins Nirwana transferierte?
Jetzt hört man davon nichts mehr! Aber das Steuergeld ist weg!
Waren das eigentlich Briefkastenfirmen, dort in Namibia? https://tkp.at/2024/12/11/produktion-von-gruenem-wasserstoff-in-namibia-milliardengrab-fuer-deutsches-steuergeld/
Wir schlingern ungebremst in weiter Blackouts! Zumal so gut wie keine Energie gespeichert werden kann!
Haben die uns von Anfang an belogen? Obwohl doch Fachkräfte in Millionenanzahl uns seit 2015 bereichern?

H. Hoffmeister
2 Monate her

Herr Hennig, wir alten weissen Männer mit naturwissenschaftlich-technischer und wirtschaftlicher Ausbildung können uns den Mund fusselig reden. Unsere „Eliten“ wissen es besser. Frau Reiche in Schutz zu nehmen ist unangebracht. Die Frau hat dem Bürger zu dienen und nicht ihre Zugehörigkeit zu einer Partei abzusichern.

Dieter Rose
2 Monate her

Irre, was hier abgeht!
Und es wird geschluckt!