Arbeitnehmer zahlen bald deutlich höhere Beiträge zur Rentenversicherung

Christian Lindner hat die "Aktienrente" vorgestellt. Doch die ist eigentlich nur ein Blink-Ding fürs Schaufenster. Eigentlich hat die Ampel keinen Plan, wie sie die Rente künftig finanzieren will.

IMAGO
Es gibt sichere Wege, sich finanziell zu ruinieren: Scheidungen, Drogen, schnelle Autos, Partys auf Sylt, Glücksspiel oder Kredite aufnehmen, um damit an der Börse zu spekulieren. Letzteres macht demnächst die Ampel. Sie nimmt Schulden auf und spekuliert damit an der Börse. Die Gewinne sollen höher sein als die Zinsen. Die Differenz will die Ampel nutzen, um die Rente zu finanzieren. Soweit der Plan. Die Details später.

Denn eigentlich ist die Aktienrente angesichts der Summen, um die es geht, nur ein Tropfen auf den heißen Stein. Ein Blink-Ding, mit dem Finanzminister Christian Lindner (FDP) glänzen will. Entscheidend ist, dass demnächst die Beiträge für Betriebe und Arbeitnehmer steigen. Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) verspricht, den Beitrag noch einige Jahre „stabil“ halten zu können. Dann würde der „moderat“ steigen. Doch in den Unterlagen steht schon jetzt, dass Betriebe und Arbeitnehmer bald mit einem Rentenbeitrag von 22,3 Prozent rechnen müssen.

In seiner PR setzt Heil auf die schlechte mathematische Bildung in Deutschland im Allgemeinen – und unter deutschen Journalisten im Besonderen. Denn der Arbeitsminister verkauft als Argument, dass der Beitrag ja schon lange bei 18,6 Prozent gelegen habe und halt jetzt steige. Damit tut er so, als ob die Betriebe und Arbeitnehmer über Jahre das Gleiche für die Rente bezahlt hätten und sich diese Wohltat nun nicht mehr halten lasse. Doch das ist natürlich Unsinn. Wer 1.000 Euro verdient hat, hat 186 Euro für die Rente bezahlt. Stieg sein Lohn im Rahmen der Inflation auf 2.000 Euro, hat er 372 Euro bezahlt – mit den höheren Beitragssätzen sind es dann 446 Euro. Auf einen Schlag fast ein Fünftel mehr.

Die Rente ist ein heikles Thema. Allzumal für die SPD. Olaf Scholz‘ Wahlsieg von 2021 beruhte vor allem auf seinem starken Abschneiden in der Gruppe der Leute über 60 Jahren. An ihren Besitzstand kann der Kanzler nicht ran, wenn er 2025 noch irgendeine Chance haben will. Also verspricht sein Arbeitsminister Heil, das Rentenniveau werde unter der Ampel nicht sinken – das Renteneintrittsalter nicht weiter steigen, als ohnehin schon geplant.

Es ist wie so oft unter der Ampel. Die Politik geht zu Lasten derer, die arbeiten gehen. So war es bei der Erhöhung des Bürgergelds um 25 Prozent innerhalb eines Jahres. So ist es nun bei der Erhöhung des Rentenbeitrags. Auch wenn Heil versucht, den auf nach die Wahl 2025 zu verschieben. Lindner sagt zwar: „Menschen und Betriebe können nicht grenzenlos belastet werden.“ Er weiß darum, wie teuer die Regierungen Schwarzgelb, große Koalition und nun Ampel das Arbeiten in Deutschland gemacht haben. Nur, was Lindner weiß und sagt, steht oft im diametralen Gegensatz zu dem, was Lindner tut.

Doch selbst, wenn man außen vorlässt, dass Betriebe und Arbeitnehmer für Heils und Scholz‘ Rentenversprechen zahlen müssen. Diese Versprechen sind wahrscheinlich trotzdem nicht zu halten. Denn der Arbeitsminister sagt zwar, das Renteneintrittsalter werde unter der Ampel nicht steigen. Doch er kündigt an, finanzielle Anreize für die setzen zu wollen, die freiwillig länger als bis zum 67. Lebensjahr arbeiten wollen. Wie das konkret aussehen soll, sagt Heil noch nicht. Und es ist gut möglich, dass die Ampel zwar verspricht, die belohnen zu wollen, die nicht pünktlich in Rente gehen – dann aber faktisch die bestraft, die eben doch pünktlich in Rente gehen.

Die Aktienrente Lindners ist kein Heilsbringer. Der Finanzminister selbst sagt: „Die Reform bleibt nicht die letzte Maßnahme.“ Er wolle mit ihr für den Aktienmarkt werben. Der Finanzminister fällt also jetzt schon aus der Rolle, aus der er 2025 gewählt werden wird und übt sich in der Rolle, die ihm dann bevorsteht: die des abgehalfterten Politikers, der als „Berater“ für viel Geld und mit wenig Selbstwertgefühl durchs Land tingelt, um Wirtschaftsinteressen zu vertreten.

In Wirklichkeit ist die Aktienrente ein Tropfen auf den heißen Stein. Derzeit bezuschusst der Bund die Rente mit 100 Milliarden Euro jährlich aus dem eigenen Haushalt. Lindner will für die Aktienrente bis 2037 rund 200 Milliarden Euro Schulden aufnehmen, die dann an der Börse zehn Milliarden Euro im Jahr für die Rente erwirtschaften soll – zehn Prozent von dem, was der Staat heute gibt. In 15 Jahren. Wenn 15 mal die Inflation zugeschlagen hat.

Die Aktienrente ist ein Tropfen auf den heißen Stein. Und das auch nur dann, wenn sie funktioniert. Wer an der Börse spekuliert, kann gewinnen. Wer mit Schulden spekuliert, kann sogar mehr gewinnen, als er an Zinsen für die Schulden zahlen muss. Er kann das Geld aber auch verlieren. Das ist das Wesen des Aktienmarktes. Dann ist ein Teil des Geldes weg und die Zinsen für die Schulden wollen trotzdem bezahlt werden. Die Schulden auch. Spekulation, die auf Schulden basiert, bleibt ein guter Weg, sich finanziell zu ruinieren.

Damit das Geld gewinnbringend angelegt wird, will Lindner eine Stiftung ins Leben rufen. Sie soll das „Chancenkapital“ „politikfern“ anlegen. Soweit der Plan. Der erinnert an den Mindestlohn. Zu dessen Einführung hat die Politik Stein und Bein geschworen, dass ein Expertengremium dessen Höhe festlegt und die Politik sich raushält. Heute macht die Kanzlerpartei SPD Wahlkampf mit der letzten und den künftigen Erhöhungen des Mindestlohns. Ob Lindners Stiftung wirklich „politikfern“ bleibt, ist eine der vielen offenen Fragen. Aber eher eine der kleineren. Die größte lautet: Wie soll künftig angesichts einer alternden Gesellschaft die Rente finanziert werden? Das ist mit der Aktienrente genau so offen wie ohne.

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Kommentare ( 34 )

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Dieter Blume
1 Monat her

Ein weiterer durchschaubarer Versuch, die Schuldenbremse zu umgehen. Die Regierung fühlt sich berufen, das Universum, das Klima, den Regenwald und die Diskriminierten mit deutschem Steuergeld zu retten. Bei so viel Sendungsbewusstsein bleibt für die deutschen Rentner eben nichts übrig.

Michael M.
1 Monat her

Dass mit den 10 Milliarden für die Aktienrente ist, insbesondere im Vergleich mit dem jährlichen 100 Milliarden Haushalts-Zuschuss, wirklich ein Witz und eigentlich nur eine Blendgranate , denn mit Aktiengeschäften werden ja auch nicht per se Gewinne erzielt (was auch alles richtigerweise und nachvollziehbar im Artikel erwähnt wurde). Wer wirklich glaubt, dass dieser Käse die Rentenkasse rettet bzw. entlastet, der glaubt wohl auch dass wir hierzulande die Energie wenden können 😉. Was mich aber auch hier wieder stört H Thurnes ist der Umstand, dass auch Sie hier wieder erwähnen, dass die Betriebe und Arbeitnehmer sich die Beiträge teilen würden. Das… Mehr

Alf
1 Monat her

Laßt Euch nicht verampeln. Der Rentenwumms wird kommen. Nicht die Wanne ist voll, sondern die Kasse ist leer. Es klinggt doch besser, wenn wir sagen: Die Renten sind sicher, nur nicht in welcher Höhe. Scholz: „Kürzungen bei der Rente kommen nicht in Betracht“Mit ihm werde es „keine Erhöhung des Renteneintrittsalters und auch keine Änderung bei der Regelung zur Rente nach 45 Beitragsjahren“ geben, betonte der Kanzler weiter. „Beides wäre nichts anderes als eine Rentenkürzung für alle. Und dafür bin ich nicht zu haben.“ Stimmt. Das ganze heißt nicht Kürzung. Kürzung ist nur das Ergebnis. Es gibt keine Erhöhung des Renteneintrittsalters… Mehr

Sam99
1 Monat her

Zunächst einmal sei daran erinnert, dass der norwegische Staatsfonds nicht auf Schulden gegründet ist, sondern aus Einnahmen aus dem Erdölgeschäft. Und genau da hakt auch Ihre Argumentation mit den Dividenden. Bei einem breitgestreuten Aktienportfolio liegt die Dividende um die 2%. Da helfen auch High Dividend-ETF nicht, denn deren höhere Ausschüttung von ca. 4% geht zu Lasten des Kurses. Auch wenn der Staat Schulden fast nie zurück zahlt, so müssen doch Zinsen bezahlt werden, deren Höhe die der Dividendenzahlungen deutlich übersteigt. Kursrisiken seien hier einmal außen vor gelassen. Ich bezweifle, dass diese Anlagestrategie besonders klug ist.

Flik Flak
1 Monat her

Lindner erfindet Geschichten für die ganz dummen. Also für die überwiegende Mehrheit. Es geht nur noch darum den Kollaps hinauszuzögern, also werden die Probleme von einer Legislatur in die Nächste verschoben. Und wenn es dann knallt ist die AfD schuld. Oder Putin. Oder beide.

Reimund Gretz
1 Monat her

Die Altersversorgung zu reformieren, wurde schon zu Zeiten von Blüm (1986) verpasst. Da waren die Kassen voll und es wurde das Geld nur so rausgehauen! (Vorruhestand usw.)
Auch diesmal ist es nur Augenwischerei und die Altersversorgung wird sich weiter verschlechtern, weil keine Partei bereit ist aus den unterschiedlichen Altersversorgungsregelungen die es für Arbeiter/Angestellte, Beamte, Selbständige gibt etwas wirklich Vernünftiges zu machen!

Sam99
1 Monat her

Da hat Herr Lindner wohl die Weisheit vieler Finanz-Youtuber zu Rate gezogen. Die erklären nämlich unisono, dass ein breitgestreutes Aktien-Investment, in der Regel sowas wie ein ETF auf den MSCI World Index, historisch(!) gesehen im Mittel eine Rendite von 5-7% p.a. abwirft. Leider sind die Dinge nicht so simpel. Und Schulden für einen Aktienkauf aufzunehmen, ist schon grob fahrlässige Dummheit. Anstatt sich so einen Unfug auszudenken, könnte man ja auf die naheliegende Idee kommen, die Steuerbelastung von Renten und privater Altersvorsorge einfach mal abzuschaffen. Was nützt mir meine gesetzliche Rente, wenn ich davon ca. ein Drittel wieder an den Staat… Mehr

elly
1 Monat her

kein Geld für RentnerInnen aber „Menschen aus Syrien, Afghanistan, Irak Staat zahlte 460 Millionen Euro Bürgergeld an erwerbsfähige Migranten – in nur einem Monat“ https://www.focus.de/finanzen/news/menschen-aus-syrien-afghanistan-irak-460-millionen-euro-buergergeld-fuer-erwerbsfaehige-migranten-in-einem-monat_id_259729948.html
Dazu kommen noch Miete und Heizung, Krankenversicherung ( ca. 100€ der Bund – den Rest müssen die gesetzlich Versicherten zahlen) und viele weitere Leistungen.,

Innere Unruhe
1 Monat her
Antworten an  elly

Und was deren Kinder kosten? – Schule, Kita, Wohnen…
Es gibt genug Potential zu sparen.
Als es um die Asylanten ging, wurde nicht lange überlegt, wo das Geld herkommen soll.
Auch habe ich bisher keine Überlegungen gelesen, aus welchem Topf Asyler zu versorgen sind.. Das Geld für sie ist einfach da.
Was für eine Verachtung für eigene Bürger, deren Finanzierung gesichert werden soll.
Aber, dass die Jugend mehr zahlen und schlechtere Schulen für die eigene Kinder bekommt, damit kann ich leben. Wer pro Asyl ist und freitags demonstriert, Grüne wählt und antirechts ist, hat es ja selbst herbeigewählt.

Markus Gerle
1 Monat her

Wie bitte? Für die Aktienrente will der Staat Schulden aufnehmen? Ich hatte in meinem jugendlichen Leichtsinn angenommen, dass ein Teil der Rentenbeiträge nicht sofort umverteilt, sondern langfristig investiert wird, um langsam aus dem nicht nachhaltigen Umlagesystem herauszukommen. Umlagesysteme sind schließlich Schneeballsysteme, die nur bei unendlichem Wachstum dauerhaft funktionieren können. Und wer soll die Anlageentscheidungen treffen? Vor Jahren gab es eine Umfrage unter BT-Abgeordneten. Da kam heraus, dass die überwiegende Mehrheit unserer Politiker noch nicht einmal den Unterschied zwischen einer Anleihe und einer Aktie kennt. Diese Dilettanten müssen ja auch keinen Vermögensaufbau betreiben, weil sie obszön hohe Pensionen vom Steuerzahler geschenkt… Mehr

Flik Flak
1 Monat her
Antworten an  Markus Gerle

Die Beiträge reichen nicht für die Rentenzahlung. Es werden, aus allgemeinen Steuermitteln, noch einmal 100 Milliarden zugezahlt.

gmccar
1 Monat her

Wie wäre es. die Entwicklungshilfe massiv einzuschränken und das Asyl-Unwesen auf Dach überm Kopf, drei Mahlzeiten und Schlafgelegenheit zu reduzieren und sonst NICHTS anzubieten ? Wenn dann die Sozio-und alle anderen -Logen ihren Arbeitsplatz gefährdet sehen bei Caritas, AWO, Diakonie, DRK usw., dann können sich mal die Kirchen dazu bequemen, mit ihrem Vermögen diese Organisationen zu subventionieren. Bisher darf der Steuerzahler sogar die Gehälter von Pfaffen und vor Allem die völlig überzogene Versorgung von Bischöfen und Kardinalen übernehmen. Es wird Zeit für einen radikalen Schnitt in diesem Land.