Antworten 7: Deutsch sein, was ist das für Sie ganz persönlich?

Mit dem siebten Antwortpaket schließen wir diese formlose Volksbefragung und ziehen ein Zwischenfazit.

Fotolia

Fortsetzung – Seite 2

46, männlich, Ruhrgebiet

Deutscher zu sein, bedeutet Erbschuld an zwei Weltkriegen und dem Holocaust.

Deutschland hat:

  • Zuviel Bürokratie, Lobbyismus, Egoismus, Opportunismus, schädlichen Konsum, Konkurenz,
  • Zuwenig Pragmatismus, Gemeinwohl, Zusammenhalt, intelligente und sachlicheAuseinandersetzung um best mögliche Lösung für die Mehrheit zu finden, Bescheidenheit, Synergien.

Arbeiterkind aus dem Ruhrgebiet zu sein, Kumpel (Bergmann) zu sein, bedeutet, dass man sich auf seinen Kumpel ( Mitarbeiter/Freund) verlassen muß. Das ist überlebenswichtig. Seinen Kumpel läßt man nicht hängen und den belügt man auch nicht.
Absolutes Vertrauen in den wichtigen Situationen trotz noch so großer Differenzen ist kein Widerspruch. Also auch Ehrlichkeit.

Dass die Persönlichkeit eines Menschen wichtiger ist als die Herkunft, die Religion oder die Sprache, lernt man bei der Zusammenarbeit. Faulheit oder Fleiß, Kollegialität oder Arschkriecherei sind Verhaltensweisen, die nicht nur Unter Tage schnell bemerkt werden und Konsequenzen zur Folge haben.

Im Ruhrgebiet gibt es sehr viele Menschen mit Migrationshintergrund. Vielleicht der größte Schmelztegel Europas. Das Vertrauen und den Respekt, den z.B. Türken und Deutsche in den letzten 40 Jahren bei der gemeinsamen Arbeit für einander entwickelten, führte trotzdem nur zu einem Nebeneinander. Ausnahmen bestätigen die Regel.

Mittlerweile gibt es in allen Ruhrgebietsstädten immer weniger Berührungspunkte zwischen Deutschen und Türken. Türkische Kulturvereine, Moscheen, Islamschulen, Boxvereine, Fußballvereine, Friseure, Metzger, Supermärkte, Kleine Läden mit Elektrokram, Dönerbuden, Restaurantes, Reisebüros, KfZ Werkstätten … wo es (fast) nur türkische Mitglieder oder Mitarbeiter gibt. Ein riesiger Wirtschaftszweig in NRW. Eine Bereicherung und eine eigene Welt. Eine Paralellgesellschaft, mit Menschen, die seit 30 Jahren in Deutschland leben und kein oder kaum ein Wort Deutsch können.

Diese Paralelgesellschaft gehört zu meinem Ruhrgebiet: Eine friedliche Koexistenz mit wenigen Berührungspunkten aus meiner Erfahrung.

Bisher war ich guter Dinge, dass es zumindestens bei der friedlichen Koexistenz bleibt.
Nun bin ich sehr gespannt, wie es die arabischen Zuwanderer machen, und was es für Auswirkungen auf die Gesamtsituation im Ruhrgebiet haben wird.

53, weiblich, Freising

Ich bin als Kind schwäbischer Eltern in Württemberg in der Landwirtschaft aufgewachsen und habe in den 1970ern die Realschule besucht. Ich kann mich gut erinnern, wie ich als Kind Interesse hatte an unserer Nationalhymne und mich stolz freute, wenn ich von deutschen Erfolgen in Sport und Technik oder Wissenschaft hörte. Zuhause wurden bei den Familienfesten Volkslieder und Kirchenlieder gesungen. In der Realschule nicht.

Auch die Nationalhymne hört man nur beim Fußball und bei Bayern 2. Das erlebte ich erst wieder mit meinen Kindern hier in Bayern. Im Nachhinein stellte ich in den vergangenen Jahren immer mehr fest, wie arm wir Deutschen auf dem Gebiet des Nationalbewußtseins geworden sind. Auf Reisen in Argentinien und Brasilien begegneten mir Familien, die mit Jung und alt das Volkslied pflegten. Meine türkischen Nachbarn und Freunde singen und tanzen bei allen Hochzeiten auch alte Weisen.

Die Schweizer haben überall ihre Fähnchen ….Ganz besonders bewegt hat mich ein Besuch in Israel:Am Jerusalemtag waren alle Schüler der Stadt und Umland – an die 10.000 Jugendliche in der Stadt. Überall wurde gesungen, gelacht, gesprochen und getanzt. Adrett gekleidet und mit ihren weiß-blauen Fahnen geschmückt vergnügten sie sich. Nicht einer war rauh im Umgang mit den Anderen, nicht einer betrunken, nicht ein Pärchen anstößig; die Straßen waren sauber, die Stimmung angenehm heiter und trotz der Massen rempelte keiner …spontan tanzten sie ihre in der Schule gelernten Volkstänze und Lieder.

Ich mußte dort in Jerusalem weinen über unsere deutsche Jugend. Mir wurde dort bewußt, wie arm wir geworden sind. Wir haben unser Volksgut, unser Nationalbewußtsein, unsere hohen moralischen Werte (und ich behaupte, daß diese nicht aus der Aufklärung stammen, sondern aus der Bibel!)  verloren.

Deutsch sein heißt für mich, dankbar zu sein für meine Wurzeln, meine Familie. Mich zu besinnen auf die Vorbilder, die meine Sprache sprechen, mir Worte für mein Leben geben, aber auch aus ihren Mühen und Leistungen zu lernen, sie zu schätzen.

Ich und jetzt meine Kinder haben es über gehabt, immer nur vom dritten Reich zu hören und darüber zu lernen, wenn es um Deutschland ging. Und ich denke das ist genau der Punkt, den die Jugend – auch ich schon damals – empfindet, aber nicht ausdrücken und ändern kann.

Andererseits will ich aber auch betonen, daß ich im Kontakt zu Menschen nahezu aller Kontinente verspürt habe, daß wir Deutschen immer noch die gemäßigteren Verschlechterungen haben als die Anderen. Z.B. wird bei uns immer noch mehr zuhause gekocht, gemeinsam gegessen, sparsamer gehaushaltet, bescheidener gelebt, sicherer gewohnt. Wir haben (noch) eine homogene Gesellschaft ohne Standesdünkel wie zum Beispiel in Chile, unsere Behörden sind nicht korrupt … Alles Dinge, für die ich auf unser Land stolz bin – aber auch große Sorge trage.

Ich bin Christ und nehme die Bibel ernst. Deshalb weiß ich, dass ich eines Tages in Gottes neuer Welt mit allen Nationen und Sprachen vor meinem himmlischen Vater stehen werde als (s)ein Volk.Aber weil dieser Vater so viele Völker gemacht hat, will und darf ich mich hier freuen und identifizieren mit dem Volk, in das ich hineingeboren wurde, das deutsche Volk.

56, männlich, Berlin

Was ist Deutsch? Diese Frage habe ich mir schon oft gestellt. Oberflächlich betrachtet, beginnt die deutsche Identität mit dem Ausweis und der Kenntnis der deutschen Sprache. Dann könnte man noch einige Eigenschaften anführen, die landläufig für typisch deutsch gehalten werden, wie zum Beispiel Fleiß, Pünktlichkeit, Ordnungsliebe und Zuverlässigkeit. Nur-, wo kommen denn diese Eigenschaften her?

Es beginnt vielleicht im ganz Kleinen. Mit der Geburt, mit Vater und Mutter, mit der Familie, mit dem Ort, an dem ich aufgewachsen bin. Es beginnt mit der Frage, wo komme ich her? Wo sind meine Wurzeln? Wo ist meine Scholle? Wer sind meine Eltern und Großeltern? Wo kommen sie her? Warum leben oder lebten sie so, wie ich es erfahren und gelernt habe? Wie haben sie die Zeiten überstanden?

All diese Fragen kann sich zum Beispiel ein Franzose oder ein Italiener auch stellen. Er wird vermutlich nach einer Weile des Nachdenkens ähnliche Antworten erhalten wie der Deutsche, aber ganz andere identitätsstiftende Schlüsse ziehen. Es muss also noch etwas anderes geben, was die deutsche Seele bestimmt.

Was bedeutet also deutsch sein? Klingt nach einer einfachen Frage. Aber je mehr ich darüber nachdenke, desto tiefer muss ich „graben“, in mich hineinhören, und statt Antworten zu erhalten, stoße ich auf immer mehr Fragen.

Am schlüssigsten empfinde ich am Ende Begriffe wie Herkunft und Heimat. Obwohl diese Begriffe auch wieder viele Fragen aufwerfen. Deutsch sein bedeutet für mich ganz persönlich und im Kleinen eine tiefe Verwurzelung mit meiner Heimat, meiner „Heimatscholle“.

Deutsch sein bedeutet aber auch nationale Identität. Diese ist m. E. geprägt durch die individuelle Erziehung und dem erlernten Wissen über die Geschichte und die Traditionen unseres Landes.

Am deutlichsten bringt für mich der Erzähler Siegfried Lenz den Begriff Heimat auf den Punkt. In seinen zahlreichen Erzählungen setzt er sich mit der jüngeren deutschen Geschichte auseinander. Er beschreibt einerseits die Heimatliebe, aber auch die Entwurzelung der Menschen nach dem zweiten Weltkrieg.

Für mich sind die Erzählungen von Siegfried Lenz einer der Schlüssel um das „deutsch sein“ in seiner Tiefe zu verstehen.

58, weiblich, Düsseldorf

Boing … aufgeschreckt! Ich habe ja noch vor kurzer Zeit geschrieben, dass ich die Deutschen als ein nettes Volk wahrnehme, das sich über Jahrhunderte hin vermischt, sich Gesetze und Normen gegeben und sich damit weitergebracht hätte.

Allerdings habe ich dabei ganz vergessen zu erwähnen, was derzeit bei uns abläuft: Unser Haus hat gebebt (Mehrfamilienhaus). Die Häuser in der Umgebung werden wohl auch gebebt haben.

Junge Erwachsene hatten wohl eine Feier – eine “Weihnachtsfeier”! Sie schmissen mehrere Male einige Böller, die wohl aus dem Ausland stammten, in eine Toreinfahrt. Es ging von ca. 20 Uhr bis 1 Uhr nachts!

Wir lesen hier täglich in den Zeitungen, dass sich irgendwelche Islamisten in Deutschland aufhalten würden. Der englische Ableger der Zeit berichtet über einen geplanten Blitzkrieg (u.a. in Deutschland).

Und diese “Konsum-Junkies” knallen permanent ihre illegalen Feuerwerkskörper ab und freuen sich darüber, andere Menschen zu ängstigen, zu verstören oder einfach nur zu stören.

Und das haben viele von diesen “Individuen” von kleinauf gelernt. Man erlebt es auf den Straßen, in den öffentlichen Verkehrsmitteln, …! Und genau das ist das heutige Deutschland: Ein Irrenhaus! Ein Land, in dem junge Erwachsene überhaupt nicht mehr wählen dürften, weil sie sich benehmen wie Unsoziale! Weil sie anscheinend überhaupt nicht in der Lage sind, mit ihren Mitmenschen sozial umzugehen!

Man sieht sie dauernd in den Lichterketten stehen … aber wenn es um soziales Verhalten geht, dann sieht man bei den meisten von ihnen enorme Defizite.

60, männlich, Rheinland-Pfalz

Neben den bekannten Eigenschaften wie Fleiß, Sparsamkeit, Ordnungssinn, Geradlinigkeit, Gründlichkeit, Pünktlichkeit insbesondere auch die Verlässlichkeit, sowohl im privatem als auch im beruflichen Bereich.

Typisch deutsch sind für mich auch die Schrebergärten, die Liebe zum Wald, zu Orchideen und Wildvögeln. Hier sehe ich auch viele Gemeinsamkeiten mit unseren Nachbarn in Holland oder England.

Das gesellige Zusammensein in allen möglichen Vereinen (Gesang, Musik, Fasching, Sport, Naturschutz, Garten) betrachte ich auch als typisch deutsch.

Leider sehe ich aber auch, dass einige dieser Eigenschaften in den letzten Jahren deutlich rückläufig sind. Sie wurden leider verdrängt durch eine Kommerzialisierung und Amerikanisierung auf allen Ebenen; gefördert durch Wirtschaft und Politik und deren Handlanger in vielen Medien. Solange die Verwässerung unserer deutschen Werte, Bräuche und Traditionen weiter geht, wird auch die Integration der aktuell vielen Neueinwanderer aus allen möglichen Ländern kaum gelingen.

67, männlich, Landsberg am Lech 

Deutsch sein: das heißt für mich zuallererst und am allermeisten, die deutsche Sprache zu pflegen. Denn unsere Sprache ist lebendiger, authentischer, urdemokratischer Ausdruck unserer Kultur, unserer Denkweise, unserer spezifischen Sicht auf die Welt.

Eingebettet in unsere Sprache sind Begriffe wie Pflichtbewußtsein, Rechtschaffenheit, Unbestechlichkeit, Gerechtigkeitssinn, Ordnungsliebe und soziale Verantwortung. Mehr als in den meisten anderen Ländern der Welt prägen diese Eigenschaften in deutschsprachigen Ländern den Umgang miteinander und das Verhältnis zwischen Volk und staatlichen Institutionen.

Wie jede Eigenschaft wird natürlich auch das übertrieben und führt dann zu den als “typisch deutsch” bekannten, verknöcherten, formalistischen, ritualisierten Auswüchsen. Andererseits liefern dieselben Eigenschaften aber die Voraussetzung für ein Grundvertrauen als deutscher Bürger: mehr als anderswo kann ich in deutschsprachigen Ländern auf die Redlichkeit und Rechtschaffenheit von Mitbürgern, auf Gerechtigkeit von Polizei und Justiz und auf die Unbestechlichkeit von Beamten vertrauen. Eine Gemeinschaft, die auf ein solches Grundvertrauen aufbauen kann, hat weniger Reibungsverluste: das ist der tiefere Grund für die Effizienz unserer Wirtschaft und Infrastruktur, um die man uns in den meisten Teilen der Welt beneidet.

Vertrauen will verdient sein; wird es enttäuscht, dann geht es verloren. Mit dem für Deutsche typischen Grundvertrauen steht und fällt unsere gesamte Gesellschaft.

65, männlich, Oberbayern  

So etwa seit 3-4 Jahren wird mir zuerst ein klein wenig schlecht beim Gedanken an Deutschland. Diesem bunten Sortiment von Dialekten, Mentalitäten, Ergebnissen verschiedenster Völkerwanderungen, das über Jahrhunderte so Manches an Hervorragendem hervor hervor gebracht hat. Hervorragendes, um das wir weltweit fast ausschließlich geachtet, wenn nicht gar bewundert werden. –

Wie steht es heute um unsere Achtung aus Sicht des „Restes der Welt“? Klar, da sind immer noch die Autos, all die Maschinen, die Chemie, da sind Goethe, Kant und Beethoven. – Und sonst?

Da sind die großen Augen des „Auslandes“ ob des eingeschlagenen Sonderwegs. Was macht nur diese scheinbar so beliebte Frau aus der Uckermark? Will sie mit Hilfe dieser phantastisch undurchsichtigen EU-Organisation und deutscher Wirtschaftsmacht die Völker Europas auf ihren merkwürdigen, Humanität grotesk überdehnenden, jegliche Identitäten negierenden Entgrenzungs-Sonder-Weg ZWINGEN? Haben wir denn kein Recht auf unser Estisch-, Italienisch-, Bretonisch- … Sein? Installiert diese unscheinbare kleine Frau etwa gerade einen Merkel-Deutschen Moral-Hegemon mit altem Utopisch-Deutschem Besserwisser-Geschmack??? –

So weit mein Eindruck aus dem Ausland und dessen Presse. Auch ich glaubte, das sei ein Etwas das hinter uns läge. Und DAS wäre nicht mehr das, was ich mit tiefer innerer Freude, ein klein wenig Stolz und ganz ohne düstere Kapitel Deutschlands zu verkennen „mein Deutschland“ zu nennen beliebe: Ein Stück meiner Identität als Mensch.

Unterstützung
oder

Kommentare ( 18 )

Liebe Leser!

Wir sind dankbar für Ihre Kommentare und schätzen Ihre aktive Beteiligung sehr. Ihre Zuschriften können auch als eigene Beiträge auf der Site erscheinen oder in unserer Monatszeitschrift „Tichys Einblick“.
Bitte entwerten Sie Ihre Argumente nicht durch Unterstellungen, Verunglimpfungen oder inakzeptable Worte und Links. Solche Texte schalten wir nicht frei. Ihre Kommentare werden moderiert, da die juristische Verantwortung bei TE liegt. Bitte verstehen Sie, dass die Moderation zwischen Mitternacht und morgens Pause macht und es, je nach Aufkommen, zu zeitlichen Verzögerungen kommen kann. Vielen Dank für Ihr Verständnis. Hinweis

18 Comments
neuste
älteste beste Bewertung
Inline Feedbacks
Alle Kommentare ansehen