Angst vor Salvini

Am Jahrestag der Lampedusa-Reise feiert Franziskus eine Messe hinter verschlossenen Türen. Ansonsten hält sich Italiens Kirche in der Causa Seenotrettung zurück.

Massimo Di Vita/Mondadori Portfolio via Getty Images

Als dann schließlich eine Richterin im sizilianischen Agrigent die deutsche Kapitänin Carola Rackete aus dem Hausarrest entlassen hatte, schäumte Innenminister Matteo Salvini vor Wut. „Ungehorsam gegenüber staatlichen Gesetzen, italienische Soldaten angreifen, rammen, riskieren, sie umzubringen: das verdient keine Gefängnisstrafe. Und das soll Gerechtigkeit sein?“, erregte er sich auf Twitter. Dass die Rempelei zwischen der „Sea Watch 3“ und einem Boot der italienischen Finanzpolizei beim Einlaufen in den Hafen von Lampedusa ein Angriff auf die italienische Armee gewesen sein soll, glaubt der Lega-Mann wohl selber nicht. Aber Salvini trifft den Ton der Leute und spricht für viele Italiener, die in der Aktion des Rackete-Schiffs von Anfang an eine Provokation und moralische Belehrung sahen. Warum musste die „Sea Watch 3“ die aus dem Meer gefischten Flüchtlinge ausgerechnet nach Lampedusa bringen? War es nicht doch irgendwie ein Angriff auf Italien, dessen Politik der für Flüchtlinge geschlossenen Häfen sich auch in den Kreisen der privaten Seenotretter herumgesprochen haben muss?

„Wir werden Ehre, Stolz, Wohlergehen,
Hoffnung und Würde für unser Italien
wiederherstellen, koste es, was es wolle“
Italiens Innenminister Matteo Salvini

Jedenfalls haut Salvini mächtig auf die Tasten der nationalen Empfindlichkeiten und kann sich der Zustimmung nicht nur seiner Anhänger sicher sein. „Ich bin empört“, twitterte er weiter, „ich bin angewidert, aber ich gebe nicht auf: Wir werden Ehre, Stolz, Wohlergehen, Hoffnung und Würde für unser Italien wiederherstellen, koste es, was es wolle.“ Und er schäme sich für Richter, die zuließen, „dass der erstbeste Verbrecher aus dem Ausland hier ins Land kommt, die Gesetze missachtet und das Leben der Soldaten aufs Spiel setzt“.

Der Anti-Salvini hinter den heiligen Mauern, Papst Franziskus, dürfte über diese Zuspitzung gar nicht glücklich sein. Am Montag findet im Petersdom eine sonderbare Messe statt. Zum sechsten Jahrestag seiner ersten Reise als Papst auf die Flüchtlingsinsel Lampedusa feiert Franziskus einen Gottesdienst mit 250 Migranten und Flüchtlingshelfern. Die Basilika bleibt zu, an der Messe teilnehmen dürfen nur die, die dazu von der – vom Papst persönlich geleiteten – Sektion für Migranten und Flüchtlinge des Dikasteriums für die integrale Entwicklung des Menschen eingeladen wurden. Journalisten sind nicht zugelassen, „Vatican News“ überträgt den Gottesdienst live.

Parolin: Menschliches Leben muss auf jede Weise gerettet werden

Am Rande einer Veranstaltung der katholischen Tageszeitung „Avvenire“ hatte sich Kardinalstaatssekretär Pietro Parolin vorsichtig zum Fall „Sea Watch“ geäußert. „Ich glaube, dass menschliches Leben auf jede Weise gerettet werden muss. Das muss deshalb der Polarstern sein, der uns leitet – alles andere ist sekundär“, sagte er am Festtag Peter und Paul. Zu den Flüchtlingsdramen auf dem Mittelmeer ist von der Italienischen Bischofskonferenz schon seit Wochen nichts mehr zu hören. Man möchte Innenminister Salvini nicht provozieren. Vatikan und italienische Kirche suchen immer ein einvernehmliches Verhältnis mit der Regierung in Rom – doch jetzt besteht nicht einmal ein Gesprächsfaden zu der Koalition von Lega und der „Bewegung der fünf Sterne“, in der Salvini der starke Mann ist.

Zwischen Kirche und Italiens Regierung droht ein kühler Sommer

In Italien entscheiden die Steuerzahler, wohin die von jedem zu entrichtende Kultursteuer fließt, von der die Kirche traditionellerweise den Löwenanteil einstreicht. Aber das könnte sich auch einmal ändern. Und wenn eine kirchenkritische Regierung darangehen würde, kirchliche Immobilien und Liegenschaften sowie eventuelle steuerliche Erleichterungen unter die Lupe zu nehmen, könnte das auch für den Vatikan unangenehm werden. Beim Geld hört der Spaß auf und die Kirche weiß, dass sie in der Migrationsfrage den Kürzeren ziehen würde, müsste sich die breite Masse auch finanziell zwischen Papst und Bischöfen und der Haltung des wütenden Salvini entscheiden. Im Verhältnis zwischen Kirche und italienischer Regierung droht ein kühler Sommer.


Dieser Beitrag von Guido Horst erschien zuerst am 04. Juli 2019 in Die Tagespost. Katholische Wochenzeitung für Politik, Gesellschaft und Kultur.

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Kommentare ( 27 )

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Abifiz
4 Jahre her

Zu der schnoddrigen Eingangsbemerkung im Artikel: Die Soldaten der „Guardia di Finanza“ haben internationalen Kombattantenstatus

Polit-Legastheniker
4 Jahre her

Ein Feuer muss auf jeden Fall gelöscht sein! – sagt ein Piromane, der diesen gelegt hatte…

Johann Thiel
4 Jahre her

Die Kirche versagt, weil sie dem Zeitgeist nachgibt und ihre eigentliche Aufgabe vergessen hat. Die bei Ihnen so beliebten „Ströme von Blut“ hätte es im übrigen auf jeden Fall gegeben. Mit oder ohne RKK.

Harald Kampffmeyer
4 Jahre her

Ja, und warum fällt so ein Satz dem Kardinalstaatssekretär Pietro Parolin sowie den anderen Oberhirten niemals zu den orientalisch Christen ein, deren Leben von den „Rechtgläubigen“ oft arg verkürzt wird?

honky tonk
4 Jahre her

Der Papst möchte also Leben um jeden Preis retten.Dass die meisten Migranten garnicht in Lebensnot waren erkennt er nicht(oder passt nicht in seine Agenda)und,dass ein erheblicher Teil der „Geretteten“ zur Lebensgefahr für Europäer wird kommt in seiner Welt nicht vor.Unter Christoph für Moral versteh ich etwas ganz anderes.

Ananda
4 Jahre her

Das Thema der Messe zeigt wo es laut Vatikan längs geht : „….für die integrale Entwicklung des Menschen“. Es wird wieder am „neuen Menschen“ gebastelt. Voll auf grün sozialistischem Zeitgeist.

Herr Salvini, bitte verteidigen Sie weiterhin den Rechtsstaat.

Britsch
4 Jahre her

Man sollte doch in Erinneerung rufen daß sich Italien bereits etliches vor 2015 bemüht hat die in Italien ankommenden“Flüchtlinge“ EU weit „gerecht“ zu verteilen. Da war Merkel, (trifft besser zu Merkeldeutschland?) strikt dagegen und hat dies in der EU maßgeblich verhindert. Später als Merkel merkte, daß sie das Tor zu Deutschland und Europa aber hauptsächlich zu Deutschland doch ein bischen zu weit aufgestoßen hat wollte sie da sie nun Betroffen war das was sie zuvor Anderen abgelehnt und verhindert hat. Dazu kommt natürlich, daß Italien in der Zwischenzeit, zumindest nach meiner Kenntniß mit „Flüchtlingen“ sehr schlechte Erfahrungen gemacht hat, wenn… Mehr

manfred_h
4 Jahre her
Antworten an  Britsch

In Italien wurde auch „dank“ dem aus Afrika kommenden „Schwarzen Gold“ in zB Mailand/Milano Soldaten eingesetzt um dortige Bevölkerung zu beschützen. Aber auch anderorts ging/geht es in Italien oft hoch her. Wobei es hier dann auch Berichte gab wo auch in Italien junge Mädchen vergewaltigt wurden oder eine zerstückelte Frau gefunden wurde uäm. Die v.a linksgrünen Polit-Clowns lassen u, holen diesen „Flüchtlings“-Mop ins Land UND die eigene Bevölkerung muß sich dann mit diesen „Flüchtlings“-Mop auseinandersetzen UND HINZU auch noch hinnehmen u. erdulden dass wegen diesen Mop das eigene Land so nach u. nach zum Überwachungs- u. Polizei-Staat umfunktioniert wird. 1:)… Mehr

Maria KH
4 Jahre her

Die Kirchen regen sich auf, wenn Salvini seinen Rosenkranz zeigt und das Kreuz küsst. Das ist aus ihrer Sicht teilweise nachzuvollziehen. Mich spricht diese kraftvolle Geste dagegen sehr an. Dabei fällt mir immer ein Fragment aus der Rede von Houellebecq zum Schirrmacher-Preis ein. Er skizzierte zwei seiner Schriftsteller-Kollegen, denen er sich eng verbunden fühlte und deren Ideen er wichtig fand. Einer war der unkonventionellen Ansicht, dass nur ein wehrhaftes Christentum als spirituelle Kraft geeignet sei, dem Islam in Europa etwas entgegenzusetzen. Ein wehrhaftes Christentum gibt es auch durch dem Zeitgeist hinterherhechtende Kirchen in Europa nicht mehr, und dieser Papst ist… Mehr

Vae Victis
4 Jahre her

Es geht längst ums nackte Überleben, es geht längst ums gerettet werden – für die Europäer selbst. Wenn die Europäer der sicheren gewaltsamen Vertreibung und dem progressiven ethnischen Ersatz entrinnen wollen, müssen sie sich so gefühlsduselige wie scheinheilige Betsprüche, wie die von Frau Parolin ganz schnell abgewöhnen. „Vielfalt“ ist ein Codewort für eine Welt ohne weiße Europäer, „Toleranz“ ist ein Codewort für für Kollektiv-Harakiri und „Europäische Werte“ ist längst zum Synonym für Selbsthass und Selbstaufgabe geworden. Unser Geist wurde systematisch vergiftet, unser Immunsystem systematisch supprimiert und unsere Selbsterhaltungskräfte werden systematisch gelähmt. Selbst leben zu wollen, ist kein „Rassismus“, als Europäer… Mehr

Johann Thiel
4 Jahre her
Antworten an  Vae Victis

Sehr wahre Worte. Die Lügerei muss aufhören, darin liegt der ganze Kern. Die Dinge müssen beim Namen genannt werden. Deutlich, so deutlich, dass es kracht. Die PC muss ein Ende haben. Die Sprech-, Denk- und Meinungsverbote müssen bewusst durchbrochen werden, insbesondere in Bezug auf die Grünen.

SPQR64
4 Jahre her
Antworten an  Vae Victis

Bald werden sie so siegessicher sein, dass sie sich nicht einmal mehr die Mühe machen zu lügen. Vermutlich wird es trotzdem keinen nennenswerten Widerstand geben.

Ananda
4 Jahre her

Das immer noch von „Flüchtlingen“ und „Seenotrettung“ geredet wird statt von größtenteils illegalen Einwanderern ! Unbegreiflich. So tut man sich mit der Problemlösung natürlich extrem schwer. Ich verweise nur auf die tatsächlichen Anerkennungsquoten der „Flüchtlinge“. Also Franziskus verbietet jegliche Verhütung damit die Bevölkerung Afrikas weiterhin ungebremst wächst. Die Überbevölkerung sorgt für die Probleme in Afrika. Siehe zum Beispiel Gunnar Heinsohns Kriegsindex. Gleichzeitig macht er ganz zeitgeistmäßig SchmusiSchmusi mit den Migranten. Wenn er gerade Zeit hat und kein Allein das Thema der Messe zeigt wo es lang geht : „….für die integrale Entwicklung des Menschen“. Es wird wieder sozialistisch am „neuen… Mehr