Lockdown auf Französisch, oder: die Maus, die brüllte

Auf dem Weg an die Ardèche hält die Lockdown-Staatsmacht aus Paris niemanden auf. Macron sucht womöglich durch den Verzicht auf Kontrollen einen Ausweg aus der verfahrenen Situation. Was von Anfang an das Richtige gewesen wäre – die Bürger sich selbst schützen zu lassen – schleicht sich jetzt durch die Hintertür herein.

imago Images/Hans Lucas

Ich weiß ja nicht, ob die Franzosen wirklich so locker und flockig sind, wie der Mythos will: Laissez faire, laissez aller. Die Gendarmerie mit umgehängter MPi kennt wenig Nachsicht mit hartnäckigen Verkehrsindividualisten und in Paris wird schon immer gern angeordnet und gedroht. Wir wagten es dennoch. Das Ziel war die Ardéche, also die Provinz, von der es in Frankreich besonders viel gibt, und dort hält man von Paris und dem, was man dort so denkt und anordnet, schon aus jahrhundertealter Erfahrung eher wenig.

Andererseits gibt es sie ja wieder, hört man, eine Grenze zwischen Deutschland und Frankreich, einreisen dürfe man nur mit frischem PCR-Test und ausgefülltem Fragebogen, in dem man ankreuzen muss, welche Symptome man nicht hat. Wir erreichten also die Grenze in Habachtstellung. Doch niemand erwartete uns, der Verkehr floss ungehindert gen Süden. Auffällig nur, dass kaum Deutsche oder andere Touristen aus den Nachbarländern unterwegs waren, die hatten sich also abschrecken lassen. Nun, an der nächsten Mautstation würden sie uns kontrollieren, da waren wir sicher. Wir waren im übigen extra früh losgefahren, Sperrstunde ab 19 Uhr, hieß es, da muss man dann die Zugbrücke hinter sich hochgezogen haben.  

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Doch niemand lag auf der Lauer, um unser ordnungsgemäßes Verhalten zu überprüfen. Auch tags darauf nicht, obwohl man sich gemäß Anordnung nur im Radius von zehn Kilometern vom Wohnort entfernen darf. Vor einem Jahr musste man bei jeder Fahrt zur Arbeit, zum Einkaufen oder zum Arzt einen Zettel mit sich führen, dem der Gendarm am Kreisel das Woher und Warum entnehmen konnte. Diesmal: niemand zu sehen. 

Dabei hatte Macron doch noch einmal so richtig zum Zügel anziehen geblasen! Allerdings mit einer einschränkenden Fußnote von Bedeutung: Man appelliere an die Breitwilligkeit der Bürger. Kontrollieren werde man nicht – höchstens im Fall von öffentlicher Party mit Alkohol.

Nach außen Härte und Abschreckung, nach innen Zurückhaltung? Man könnte aus dieser Strategie zweierlei schließen: Die Angst hat die Franzosen dermaßen im Griff, dass man sie nicht mehr überwachen und strafen muss. Angesichts der bekannt antiautoritären Einstellung vieler Franzosen, staatlicher Hoheit gegenüber, kommt mir das unwahrscheinlich vor. Also spekuliere ich auf ein anderes Kalkül: Macron sucht einen Ausweg aus der völlig verfahrenen Situation. Wer sein Handeln auf ein tödliches Virus abgestellt hat, das eine nationale Notlage bewirkt, die einschneidende Einschränkungen verlangt, kommt von diesem Ross nach einem Jahr gepflegter Hysterie nicht so leicht wieder herunter. Was von Anfang an das Richtige gewesen wäre – an den Selbstschutz der Bürger zu appellieren – schleicht sich jetzt durch die Hintertür herein. Auch in Frankreich spricht die Statistik eine deutliche Sprache. Die Panikpandemie muss ein Ende haben, irgendwie. 

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Bedauerlich, dass die deutschen Ministerpräsidenten sich nicht dazu aufraffen können, ihre Unabhängigkeit von der Berliner Regierung auszukosten. Stattdessen lassen sie die Kanzlerin vom noch schärferen, vom allerschärfsten Lockdown mit Ausnahmesperre auch tagsüber reden, als letzten Versuch, ihre längst angezählte Macht unter Beweis zu stellen. Deutsche Untertanen, die derzeit mit ergebenster Dankbarkeit von ihrem erfolgreichen Impferlebnis schwärmen, und mehr oder weniger Prominente, die mit zu einem Dächelchen gefalteten Händen unter dem Slogan „Wir bleiben zuhause“ fürs Gesundheitsministerum posieren, lassen offenbar alles mit sich machen. 

Zuhause? War das nicht mal die Stätte kleinfamiliären Grauens? Und soll heute der Ort sein, an dem man sich am ehesten ansteckt? Egal. Danke, Mama Merkel! 

Wie gesagt:  vielleicht ist das ja ein Mythos, die Sache mit den lässigen Franzosen. Doch ich bin heilfroh, dem deutschen Mutterland für eine Weile entflohen zu sein.

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Kommentare ( 25 )

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Kalmus
3 Jahre her

Die gleichen Erfahrungen. PCR, den niemand sehen wollte, keine Kontrollen, das gleiche heilfrohe Gefühl, monentan nicht im Merkelland zu sein, und die gleichen Impfschwärmer als Bekannte. Wie kann man sich auf ein eilends zusammengeköcheltes Gebräu freuen, das auf einem dubiosen Basar gehandelt wird, weitgehend unerprobt, und das einem in den Körper gespritzt wird? Mein Gott, wenn man vor was Angst haben sollte, dann davor!

cws
3 Jahre her

die mit zu einem Dächelchen gefalteten Händen unter dem Slogan „Wir bleiben zuhause“ …“
Ich sehe da kein „Dächelchen, ich sehe das ganze Bild und sehe die Raute die hier mit den Armen gebildet wird. Es ist die Merkelraute, die Raute, die eigenes Denken einhegen soll. Das ist die Raute, die ich nicht bereit bin zu machen, denn ich bin nicht bereit mich der Unfreiheit zu unterwerfen.

Lizzard04
3 Jahre her

Wir wird Herr Reizle heute in der Welt zitiert:“Deutschland ist nach 16 Jahren Merkel ein Sanierungsfall“. Stimmt, und zwar in jeder Hinsicht, digital, wirtschaftlich (auf dem besten Wege dahin), idiell, außen-und innenpolitisch (verwaltungstechnisch), was die Bildung betrifft usw. Aber der Untertanengeist blüht ungebrochen weiter, obwohl die Steuer-und Abgabenlast bereits schwindelerregenye Höhen erreicht hat und die meisten Kommunen an ihren Schulden ersticken, so dass sie noch die letzten Leistungen für die eigenen Bürger einstellen (Schwimmhallen, Freibäder, Kultur jeder Art usw.)! Wie blind uns einfältig muss man eigentlich sein, all das nicht zu sehen und den Verursachern dieser Misere noch immer hinterherzulaufen!

Kassandra
3 Jahre her
Antworten an  Lizzard04

Der Herr Reizle wäre ein schlechter Manager, wenn er das erst jetzt erkannt hat. Aber gut – besser spät als nie.

Lizzard04
3 Jahre her

Wir wird Herr Reizle heute in der Welt zitiert:“Deutschland ist nach 16 Jahren Merkel ein Sanierungsfall“. Stimmt, und zwar in jeder Hinsicht, digital, wirtschaftlich (auf dem besten Wege dahin), idiell, außen-und innenpolitisch (verwaltungstechnisch), was die Bildung betrifft usw. Aber der Untertanengeist blüht ungebrochen weiter, obwohl die Steuer-und Abgabenlast bereits schwindelerregenye Höhen erreicht hat und die meisten Kommunen an ihren Schulden ersticken, so dass sie noch die letzten Leistungen für die eigenen Bürger einstellen (Schwimmhallen, Freibäder, Kultur jeder Art usw.)! Wie blind uns einfältig muss man eigentlich sein, all das nicht zu sehen und den Verursachern dieser Misere noch immer hinterherlaufen!

F.Peter
3 Jahre her

Da lebt halt die sonst so gerühmte „deutsche Gründlichkeit“ wieder auf und feiert Urstände!
Aber „Mama Merkel“ – sorry, da wird mir schlecht!
Mit diesen „schon länger hier Lebenden“ lässt sich kein Staat mehr machen – und das schon seit Jahrzehnten, seit man sich dafür entschuldigen muss, Erfolg gehabt zu haben – und mit den neu eingewanderteten ist gerade auch kein Staat zu machen. Ein Konklomerat an Unbill, Unwille, Unselbständigkeit, Unvermögen in der Bevölkerung und in Verbindung mit Unverschämtheit der Regierenden!

anita b.
3 Jahre her

Es gibt auch in deutschland solche und solche. Voriges jahr war der lockdiwn etwas neues und hatte einen gewissen Reiz . Jetzt ist dieser Reiz verflogen, und das ganze ermüdet nur noch. Es ist wie früher im osten, wir tun alle so , als ob……
Merkel müsste das eigentlich wissen.

Talleyrand
3 Jahre her
Antworten an  anita b.

Eigentlich hat mich der Lockdown von Anfang an „gereizt“.

Kassandra
3 Jahre her

Ob die mit dem „Dächelchen“ über den Kopf auch ein genutztes „Oberstübchen“ haben werden? Ich zweifele. Wobei Argonerd nicht alle zeigt, die sich für so was hergeben: https://twitter.com/argonerd/status/1378743516176777216/photo/1
Ihnen alles Gute nach Frankreich und danke für die Standortbeschreibung!

NorbertG
3 Jahre her
Antworten an  Kassandra

Die Promi-Aktion mit den „Dächelchen“ zeigt leerstehende Häuser 😉

AnSi
3 Jahre her

Ich liebe die Sachsen! Bin selbst aus Riesa …
Hier im äußersten Westen ist man noch weit entfernt vom eigenständigen Denken (und handeln!).

AnSi
3 Jahre her

Na ja, Sie sind im Osten! Das ist ein gravierender Unterschied und Ihr Vorteil ;-)! Im Westen ist man viel ängstlicher, obrigkeitshöriger und staatsergeben. Da glaubt man noch an das, was die Politiker sagen und um Gottes Willen ist selber denken hier ganz verpönt! Musste man ja nie in den letzten 70 Jahren! Glauben Sie mir, die Ossis sind weitaus aufgeklärter und cleverer als der westliche Teil der Republik!

Sonny
3 Jahre her

Es wird Jahrzehnte dauern, die Psychologie hinter dieser herbei-verordneten „Schreckenspandemie“ zu durchleuchten. Und vor allem die wahren Gründe dafür herauszufinden.
Eine unaufgeregte Behandlungsweise mit der Eigenverantwortung von Bürgern und Empfehlungen hätte, wie man jetzt schon erkennen kann, völlig ausgereicht. Einen Impfstoff zu entwickeln, war die richtige Herangehensweise. Allerdings lassen die Impfstoffe selbst doch einiges zu wünschen übrig – kein Wunder bei der Kürze der zur Verfügung stehenden Zeit.
Demnächst muss das Paniklevel dann vielleicht ein Komet richten, der in einigen tausend Kilometern Entfernung an der Erde vorbeirauscht. Oder ein Virus im Trinkwasser. Die werden sich schon was einfallen lassen.