Inflation: Spottbillig war gestern

Der Euro wird zur weichen Währung, weil Deutschland der Übermacht der anderen Europäer und der Amerikaner nicht gewachsen ist. Aber Anleger können sich erfolgreich dagegen wehren.

Im Mai gab es einen Anleihencrash, von dem sich die Börsen bis heute nicht erholt haben – und der weiter reichende Folgen haben wird, als die meisten Anleger derzeit ahnen. Er wurde „durch Inflationserwartungen ausgelöst“, schrieb die französische Fondsgesellschaft Amundi. „Gestiegene Inflationserwartungen“ meldete kurz darauf die Bremer Landesbank. Der Begriff ist nicht gerade neu; schon Alan Greenspan, der legendäre frühere Chef der US-Notenbank Fed, pflegte ihn bei jeder Gelegenheit anzuwenden. Die harmlose Definition: Geldentwertung im Futur. Die ganz und gar nicht harmlose: Das Geld wird immer weniger wert, sodass seine Kaufkraft kollabiert und die Preise für Güter und Dienstleistungen schließlich explodieren.




Blicken wir gerade mal knapp zwei Jahre zurück: „Kartoffelpreis um 44 Prozent gestiegen“, meldete die FAZ am 14. August 2013. „Teure Paprika“, kommentierte am selben Tag die Süddeutsche Zeitung den Preisanstieg des rot-gelb-grünen Gemüses um sogar 48 Prozent. Beide Schlagzeilen vermitteln heute den Eindruck, als seien sie vor Lichtjahren entstanden. Denn in den westlichen Industrieländern – speziell in Deutschland, aber auch in der Eurozone – durchlaufen wir gerade eine Phase, während der Lebensmittel und andere im sogenannten Warenkorb enthaltene Produkte und Dienstleistungen spottbillig sind.

Angelsachsen wollen uns Deflation einreden

Inflation? Fehlanzeige. So scheint es jedenfalls. Doch das Thema ist viel zu komplex, als dass man es einfach abtun sollte. Gehen wir also etwas gründlicher darauf ein. Noch vor wenigen Monaten hat man über negative Inflation und Deflation heiß diskutiert. Bundesbank-Chef Jens Weidmann, Befürworter einer stabilen Währung, hat indes bei verschiedenen Gelegenheiten immer wieder zu Recht betont, in der Eurozone gebe es keine Deflation. Dagegen hört man vor allem aus dem Internationalen Währungsfonds IWF, der stark von amerikanischen Interessen geprägt ist, die Europäer sollten endlich etwas gegen die Deflation unternehmen. Dafür hält dann auch noch der eine oder andere gleichgesinnte Professor seinen Kopf hin.

Gegen Deutschland richtet sich der Vorwurf der angelsächsisch geprägten Länder wie auch der Mittelmeer-Anrainer aus der Eurozone, weniger zimperlich zu sein und die Währungsstabilität nicht zu übertreiben. Dagegen verweisen deutsche Stabilitätsanhänger gern auf die Erfolge der Bundesbank mit der harten D-Mark in den Jahren vor der Euro-Einführung. Und wenn sie länger über das Thema diskutieren, fügen sie zur Erhärtung des eigenen Standpunkts noch hinzu, man müsse doch verstehen, dass Deutschland 1923 eine verheerende Hyperinflation erlebt habe, und nach dem Zweiten Weltkrieg sei das in Geldwerten, wie Sparkonten oder Anleihen, angelegte Vermögen wegen der vor Kriegsende aufgestauten Inflation weiter vernichtet worden.

Inflations-Blaupause von Helmut Schmidt

Die Angelsachsen werden sich durchsetzen, mittelbar auch in der Eurozone, obwohl sie mit ihr direkt nichts zu tun haben; das internationale Währungssystem funktioniert nun mal nach dem Prinzip der kommunizierenden Röhren. Die entsprechende Blaupause für Deutschland stammt ja nicht etwa von der Fed oder vom IWF, sondern von Altkanzler Helmut Schmidt: 5 Prozent Inflation sind besser als 5 Prozent Arbeitslosigkeit, gab er einst als Parole aus. Rechnen wir weiter: 100 Euro sind bei 5 Prozent Inflation in fünf Jahren nur noch 78,40 wert, in zehn Jahren gerade schlappe 61,40 Euro.

Nicht dass die Inflationserwartungen überall schon so weit sind, doch der Trend geht dahin, wetten dass? Bis Januar war die Inflationsrate in der Eurozone wie auch in Deutschland unter Null gefallen. Diese Episode ist längst abgehakt; inzwischen sind wir bei 0,3 bzw. 0,7 Prozent angelangt. Nebbich? Von wegen, bei Fortschreibung des seit Frühjahr anhaltenden Trends dürften wir bereits während des Spätsommers in der Eurozone etwa 2 Prozent erreicht haben, also die von der EZB angestrebte Größenordnung, in Deutschland sogar etwas mehr. Und dann? Machen wir uns nichts vor, dann werden die Inflationserwartungen über kurz oder lang gegen 3, danach gegen 4 und 5 Prozent streben. Die Inflationsrate bei den offiziell gewünschten knapp 2 Prozent festzuhalten, dürfte sich als ebenso unmöglich erweisen, wie ein Schwein mit dem Griff nach dem eingeseiften Schwanz zu fangen.

Startschuss für eine Goldrally

Aus einer Studie von Forsa im Auftrag von pro aurum ergibt sich, dass 34 Prozent der Deutschen eine Lebensversicherung besitzen, je 32 Prozent einen Bausparvertrag oder ein Tagesgeldkonto, dagegen nur 15 Prozent Aktien sowie 11 Prozent Gold und Silber. Mit dem Schwerpunkt Lebensversicherung und Bausparen liegen sie im Hinblick auf höhere Inflationsraten total falsch, wohingegen beim Tagesgeldkonto differenziert werden muss, ob es als Daueranlage gedacht ist (kaum zu empfehlen) oder der Schnäppchenjagd an den Finanzmärkten dienen soll (dann vernünftig).

Gold und Silber bieten, ebenso wie Aktien, langfristig einen gewissen Schutz vor Inflation. Deshalb folgt hier zum Schluss noch das Ergebnis einer aktuellen Studie des Internet-Informationsdienstes wellenreiter-invest.de zur voraussichtlichen Entwicklung der mittelbar auch die Eurozone betreffenden US-Inflationsrate bis Anfang 2016, abgeleitet aus gängigen volkswirtschaftlichen Daten. Demnach dürfte der Geldwertschwund in den USA von zurzeit minimalen 0,03 auf gut 3 Prozent zu Beginn des kommenden Jahres steigen. Dazu das Wellenreiter-Fazit: „Wenn es so kommt, wie wir uns die Entwicklung von Inflationsrate und Zins vorstellen, dann würde in diesen Tagen der Startschuss für eine Goldrally gegeben werden. Diese dürfte im dritten und vierten Quartal anhalten.“ Dem ist nur noch hinzuzufügen, dass der Goldpreis mit dem Überschreiten der Marke von 1200 Dollar je Unze (31,1 Gramm, die international übliche Messlatte) in der vergangenen Woche schon ein entsprechendes Signal gesetzt hat.




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