Die sogenannte Reform der Grundsteuer – Verschlafen oder blockiert

Mehr als ein halbes Jahrhundert lang schiebt eine verschworene Gemeinschaft von Gesetzesverhinderern die Reform der Grundsteuer vor sich her. Ein Ende ist längst noch nicht abzusehen.

© Getty Images

Wie viel ist ein Grundstück, ein darauf errichtetes Haus oder eine darin befindliche Wohnung wert, wie hoch soll man den Wert von Ackerland oder Wald ansetzen? Mit diesen Fragen mussten sich die Verfassungsrichter während einer Anhörung verschiedener Interessengruppen am vergangenen Dienstag nolens volens beschäftigen, nachdem der Bundesfinanzhof zuvor die Bewertungsvorschriften zur Ermittlung der den Kommunen zufließenden Grundsteuer als verfassungswidrig eingestuft hatte. Es geht um nicht weniger als zirka 35 Millionen deutsche Immobilien. Nun haben die Verfassungsrichter bis zu vier Monaten Zeit, um in einem Urteil erste Details auszuarbeiten. Danach soll es ans Eingemachte gehen, die Bewertung jener 35 Millionen. Dafür veranschlagen mit der Materie vertraute Experten offiziell mindestens sechs, hinter vorgehaltener Hand sogar mehr Jahre.

Geht’s noch? Da haben Bundestag und Bundesrat, Bundes- und Landesregierungen verschiedener Couleur, oberste Richter und von eigenen Interessen gesteuerte Lobbyisten über mehr als ein halbes Jahrhundert lang die Reform der Grundsteuer abwechselnd verschlafen oder blockiert, und auf einmal soll der große Wurf gelingen? Erhebliche Zweifel sind angebracht.

Manipulierbare Daten

Kurz zu den Wurzeln: Ausgangspunkt zur Festlegung der Grundsteuer ist der mittlerweile veraltete, 1964 für West- und 1935 für Ostdeutschland vorgeschriebene Einheitswert. Er wird mit der Grundsteuermesszahl multipliziert, und aus dem um den Hebesatz in Prozent ermittelten Ergebnis ergibt sich der jährlich zu zahlende Grundsteuerbetrag. Bis hierher ist nur eines klar: Was die Eigentümer von Immobilien unterm Strich den Steuereintreibern der Kommunen zu zahlen haben, basiert auf äußerst variablen manipulierbaren Daten.

Und was verheißt die Zukunft, sobald die Verfassungsrichter ihr Urteil in einigen Monaten gesprochen und die aktuell noch geltenden Einheitswerte für verfassungswidrig erklärt haben? Auf jeden Fall viel Streit um Bewertungsmethoden, von denen es – Unterabteilungen inbegriffen – Dutzende gibt.

Arme Vermieter

Eine Arbeitsgruppe der Bundesländer hatte sie zunächst auf drei zurechtgestutzt: Orientierung am Verkehrswert (Nordländer-Modell), an Flächen von Grundstücken und Gebäuden (Südländer-Modell) oder an einer vom Gebäudewert unabhängigen Kombination (Thüringer Modell). Daraufhin hat eine Bund-Länder-Kommission alle drei Modelle verworfen und sich auf ein Konsensmodell geeinigt. Schließlich ist aus dem ganzen Gerangel das sogenannte Kostenwertmodell hervorgegangen: Bewertung unbebauter Grundstücke nach Bodenrichtwerten von Gutachterausschüssen, also nach dem durchschnittlichen Verkaufswert eines bestimmten Gebiets, Bewertung bebauter Grundstücke zusätzlich nach einem Zungenbrecher: Gebäudepauschalherstellungswert.

Dabei sollen die Baukosten in regelmäßigen Abständen aktualisiert werden – asymmetrisch: nach oben, nicht nach unten, was zwangsläufig zur Folge haben wird, dass die Grundsteuer steigt und steigt. Aufwendig für Immobilieneigentümer, falls sich dieses Modell durchsetzt, und nicht nur aufwendig, sondern sehr teuer für Mieter, weil Vermieter die Grundsteuer auf sie abwälzen dürfen.

Aber man ahnt ja, was kommt und in diesem Land nur kommen kann: Es wird teurer für den Bürger.


Manfred Gburek ist Wirtschafts- und Finanzjournalist, er schrieb mehrere Bücher zu verschiedenen Geldthemen. Sein erfolgreicher Ratgeber Besiege die Inflation ist in überarbeiteter Neuausgabe ist in unserem Shop erhältlich: www.tichyseinblick.shop

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Kommentare ( 45 )

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Oblomow
6 Jahre her

Wieso denn keine Demokratie?
Das Begräbnis von Recht und Freiheit wird doch von der Zustimmung der wählenden Mehrheit -wenngleich wohl in demokratischer Sklavenmentalität (Kenneth Minogue)- begleitet.

Swengoessouth
6 Jahre her

Die Grundsteuer ist nichts anderes als eine Zwangshypothek mit endloser Laufzeit.

Gustl
6 Jahre her

Sollte die Neubewertung richtig teuer werden, wird es für Häuslebauer eng. Wenn dann auch noch die Zinsen anziehen sollten. So manche Finanzierung stößt dann schnell an ihre Grenzen. Zwangsversteigerung droht dann und fallende Hauspreise . So manche finanzierende Bank wird schnell in Schieflage geraten, wenn die Kredite notleidend werden.

gmccar
6 Jahre her
Antworten an  Gustl

Alleine die Verzinsung mit rund 12 % hat doch in den 80ern zu einer ähnlichen Situation geführt. Bei uns im Kreis gibt es Kommunen, deren Hebesatz knapp unter 1000 liegt ! Das Zinszenario noch obendrauf und die Kommunen schaffen sich ein richtiges Problem.

Justin Theim
6 Jahre her

Mir scheint, dass noch eine zusätzliche Stellschraube geschaffen werden soll, die ebenso willkürlich manipuliert werden kann wie der Grundsteuerhebesatz, damit nun auch Hausbesitzer gnadenlos ausgeplündert und im Extremfall in den Ruin getrieben werden können. Nun will man auch den Einheitswert variabel gestalten, am Hebesatz wird sich womöglich gar nichts ändern. Und nun frage ich einmal: warum soll überhaupt jemand Grundsteuer bezahlen müssen? Was die Einrichtung und Unterhaltung des Stromnetzes, des Abwassernetzes, der Müllabfuhr, der Straßenreinigung etc. angeht, wird uns doch ohnehin schon separat in die Tasche geriffen? Für jeden Gang zum Gemeindeamt wegen Reisepass und Personalausweis zahle ich Gebühren! Schwimmbäder,… Mehr

Edgar Thormeyer
6 Jahre her
Antworten an  Justin Theim

Korrektur Und nun frage ich einmal: warum soll überhaupt jemand Grundsteuer bezahlen müssen? Was die Einrichtung und Unterhaltung des Stromnetzes, des Abwassernetzes, der Müllabfuhr, der Straßenreinigung etc. angeht, wird uns doch ohnehin schon separat in die Tasche geriffen? Für jeden Gang zum Gemeindeamt wegen Reisepass und Personalausweis zahle ich Gebühren! Schwimmbäder, Büchereien werden geschlossen, Schulen verkommen, Lernmaterialien müssen selber bezahlt werden, Kindergärten müssen teuer bezahlt werden! Von der mangelnden Qualität der Dienstleistungen ganz zu schweigen. Warum also soll ich Geld dafür zahlen, in einer bestimmten Gemeinde zu wohnen? Der Staat verlangt Geld wofür? Für keine Leistung! Da lob ich mir… Mehr

Oblomow
6 Jahre her
Antworten an  Edgar Thormeyer

Ich stimme Ihnen zu, die meisten Entscheidungen müßten auf kommunaler Ebene und zwar von den Bürgern selbst, nicht von Räten/Parteien, getroffen werden. Das würde zu mehr Interesse und Verantwortlichkeit und auch zu Wettbewerb führen. Wenn Sie die Schweiz anführen, kennen Sie vielleicht Robert Nefs Gedanken zu dem Thema: http://www.libinst.ch/publikationen/LI-Paper-Nef-Non-Zentralismus-d.pdf Zudem wäre aber eine umfassende Beschneidung der Kompetenzen der Politik, deren Tentakel inzwischen in intimste private Lebensbereiche reichen, nötig. Und der Länderfinanzausgleich -von Macron und Konsorten längst für die EU-Mitglieder angestrebt- fördert sicherlich nicht Eigenverantwortlichkeit und Sparsamkeit. Die Schweiz ist jedoch auch nicht erst seit gestern auf einem bedenklichen Weg; denke… Mehr

mucko
6 Jahre her

Der Bundesfinanzhof hat also verfassungsrechtliche Bedenken hinsichtlich der Bemessung der Grundsteuern. Interessiert es Frau Merkel, dass gemäß Artikel 38 des Grundgesetzes der Abgeordnete nur seinem Gewissen unterworfen ist, wenn sie die Abgeordneten bei der Entscheidung über die Einführung der Ehe für alle vom Franktionszwang entbindet ? Interessiert es in diesem Land irgend eine für unser Gemeinwesen relevante staatliche Institution, dass nach Artikel 16a des Grundgesetzes nur der auf direktem Weg nach Deutschland reisende politisch Verfolgte Asyl beantragen darf ?
Nein natürlich nicht. Das Grundgesetz wird erst relevant wenn es um die Optimierung der Steuereinnahmen geht.

Andie Theke
6 Jahre her

Wenn die Mieten in Berlin noch höher werden , gibts Krieg. Als Alleinstehender bezahlst du 50% deines Einkommens nur dafür, das du nicht obdachlos bist. Und Ost-Berlin gehört genau denen , die das entscheiden, ein Abbild des Bundestages. Ärzte , Anwälte und Beamte aus Westdeutschland.

Sigrid Schonard
6 Jahre her

Die Gemeinden entschulden sich über die Grundsteuer. Früher gab es mal Hypotheken, die einfach aufs Haus kamen, wenn das Geldsystem am Ende war. Diese Form der anpassungsfähigen Steuer ermöglicht eine ständige Neuverschuldung, bis zum St. Nimmerleinstag.

Wasdennun
6 Jahre her

Da ich mich in der Landwirtschaft ein bisschen auskenne, kann ich nur soviel beitragen, daß die Renditen des Ackerlands auf dem Sinkflug sind und das seit Jahren. Mit ein Grund sind die unsäglichen Sanktionen gegen Russland u.a. die daraus resultierenden niedrigen Milch- und Getreidepreise. Da brach ein Markt weg. Und der kluge Putin nutzt sie, um seine Landwirtschaft für die Zukunft stark zu machen. Russland hat ja Resourcen ohne Ende. Also zuerst macht die Politik den Markt kaputt, dann will sie die Steuern erhöhen.

Eco
6 Jahre her

Es lebe die Heuschrecke! Wenn der Vermieter/Eigentümer die Grundsteuer nicht zahlen kann, dann steht selbstverständlich ein Investor bereit das Haus zu übernehmen und dem Mieter die Arbeit am und im Haus zu übertragen und entsprechend hohe Miete einzutreiben. Kann der nunmerige Mieter das nicht zahlen, dann fliegt er halt raus. Höhere Kosten, höhere Mieten, mehr Obdachlosigkeit. Ob es sich für die Kommune bzw. den Staat rechnet wage ich zu bezweifeln. Ob die von Haus und Grund verbreiteten Rechnungen nach denen die Grundsteuer auf das 30fache (nicht Prozent!) steigen könnte https://www.focus.de/immobilien/mieten/mieten-explosion-wegen-grundsteuerreform-laut-berechnungen-droht-vielen-immobilieneigentuemern-30-fache-belastung_id_8228390.html kann ich nicht einschätzen. Solllte es aber dazu kommen, dann… Mehr

Torsten Gürges
6 Jahre her

Was bei der ganzen Diskussion gerne vergessen wird: Diskutieren wir doch einmal darüber, ob eine dauerhafte „Grundsteuer“ überhaupt gerechtfertigt ist! Denn wirkliches „Eigentum“ erwirbt eigentlich niemand, solange es eine solche Steuer gibt. Wenn jemand seine Steuern für ein Grundstück oder ein Haus auf Dauer nicht bezahlt, wird er enteignet. Wenn man es von dieser Perspektive sieht, kann man also Immobilien nicht kaufen! Man „pachtet“ (mit Vererbungrecht) vom Staat (oder in Deutschland von der Gemeinde an die die Grundsteuern fließt). Ich spreche hier ausdrücklich nicht von laufenden Kosten, wie die Bereitstellung und Instandhaltung von Anschlüssen für Elektrizität, Zu – und Abwasser… Mehr

Oblomow
6 Jahre her
Antworten an  Torsten Gürges

Ihre Gedankenexperimente führen m.E. zu den richtigen Fragestellungen. Haben Sie sich hier http://www.misesde.org http://www.mises.at https://mises.org schon einmal umgesehen? Was in diesem Lande unter Steuer verstanden wird, ist in § 3 Abs. 1 Abgabenordnung (AO) definiert: „§ 3 Steuern, steuerliche Nebenleistungen (1) Steuern sind Geldleistungen, die nicht eine Gegenleistung für eine besondere Leistung darstellen und von einem öffentlich-rechtlichen Gemeinwesen zur Erzielung von Einnahmen allen auferlegt werden, bei denen der Tatbestand zutrifft, an den das Gesetz die Leistungspflicht knüpft; die Erzielung von Einnahmen kann Nebenzweck sein.“ Die Grundsteuer wird nach § 3 Abs. 2 AO neben der Gewerbesteuer als „Realsteuer“ verstanden. Gegenleistungen… Mehr