Tsipras bei Merkel: Griechischer Wein vom Spree-Ufer

Und jetzt kommen seit fünf Jahren irgendwelche Technokraten daher und wollen das überschuldete griechische Staatssystem möglichst mit einem Paukenschlag reformieren, damit sofort neues fremdes Geld nach Griechenland geschickt wird. Mit dem neuen geliehenen Geld sollen Altschulden, so sie nicht ohnehin erlassen oder gestundet wurden, aber auch der aktuelle, der operative Finanzbedarf Griechenlands bezahlt werden. Beamte , die nicht verwaltet, sondern Däumchen gedreht haben, wurden von den „Reform“-Regierungen der letzten fünf Jahre aus den Behörden entfernt und frühverrentet, und, wie die Öffentlichkeit jetzt erfährt, wurden die früh verrenteten Beamten, einem der luxuriösesten und relativ gesehen teuersten Altersversorgungssysteme Europas auf die Tasche gelegt. Aber richtig ist auch: Was sollen entlassene Staatsdiener, für die es im Staatsapparat nichts Adäquates zu tun gibt, auch sonst machen, wenn nicht auf Rentenbasis zu privatisieren, wenn es in dem Land alternativ keine realen Arbeitsplätze gibt?




Aktuell wird die Öffentlichkeit damit geködert, dass griechische Unternehmen und reiche Griechen dem Land 76 Milliarden Euro Steuern (Laut Finanzminister Gianis Varoufakis schulden rund 3,7 Millionen Griechen und 447 000 Unternehmen dem Staat diese Summe) zahlen müssten und dass man diese Steuern jetzt mit einem neuen Gesetz, der Gesetzesentwurf ist bereits auf den Weg gebracht, auch eintreiben würde.

Wer es glaubt, hat eine gute Chance selig zu werden. Aber ok: Einmal blindwütig angenommen der griechische Staat hätte fällige Steueransprüche in der genannten Höhe und, grenzenlos naiv unterstellt, er könnte die offenen Steuerforderungen auch beitreiben, was geschähe dann? Fakt ist, dass die 76 Milliarden Euro Hinterziehungsbeträge, die ja nicht über Nacht entstanden sind, in die Unternehmen und deren Bücher längst eingepreist sind. Sie dienen als Sicherheit, auch wenn sie ins Ausland verschoben sein sollten und sie arbeiten für die Steuerschuldner. Würden alle angeblichen Steuerschuldner des griechischen Staates ihre fälligen Steuern auf einmal oder auf gesetzlich gestundeter Basis kurzfristig in Raten zahlen, hätte der griechische Staat zwar 76 Milliarden Euro mehr und könnte hoffentlich ein paar seiner 320 Milliarden Euro Schulden abbauen, aber dafür würde die griechische Wirtschaft, die traditionell mit dem Schwarzgeld arbeitet, implodieren: Der Wirtschaft würden die 76 Milliarden Euro schlicht fehlen. So gesehen liegt das Schwarzgeld nicht einfach überflüssig, sinnlos in irgendwelchen Tresoren herum und wartet auf seinen schleichenden Wertverlust.

Statt zu erkennen, dass die Steuerhinterziehungsbeträge zu einem guten Teil ein weiterer Beleg für die fehlende Wettbewerbsfähigkeit der griechischen Wirtschaft sind, die nämlich auf der Basis normaler Kapitalmarktbedingungen und eines normalen Steuersystems nicht profitabel arbeitet, wird der Spieß umgedreht und für das öffentliche Publikum, gerade auch für das linke Publikum, wird mit der ganz hoch gehängten Wurst griechischer Steueransprüche herumgefuhrwerkt. Nach der einfachen Devise: Wir müssen einfach die Steuern bei den Reichen abkassieren und schon funktionierte der griechische Staat und liefe die Wirtschaft. Klar, soll der griechische Staat möglichst schnell beginnen für ihn auskömmliche Steuern gesetzlich festzuschreiben und einzuziehen. Natürlich wäre der griechische Staat mit sprudelnden Steuereinnahmen, die er ja in die Wirtschaft wieder einspeist, ein wirtschaftlicher Impulsgeber. Aber der Einmaleffekt jahrelang hinterzogene Steuern beizutreiben, hat noch zu wenig mit dem Aufbau einer wettbewerbsfähigen Volkswirtschaft zu tun und auch zu wenig mit der Implementierung eines neuen griechischen Staates, der eine solche Bezeichnung verdient. Publikumsveralberung könnte man die Show also auch nennen, die Merkel und Tsipras am Montag als eine weitere Stereotype, wie sie in den vergangenen fünf Jahren inflationär vorgekommen sind, abgeliefert haben.

Es gilt die Schornsteintheorie

Dreht man bei einem Staatsapparat nicht an den dafür vorgesehenen Justierschrauben, sondern verschiebt man die Fundamente, gerät die ganze Statik aus den Fugen. Die vergangenen fünf Jahre haben bewiesen, dass die mandatierten Krisenmanager die Aufgabenstellung nicht begriffen haben und die Rettung Griechenlands im Euro als kaum lösbare Aufgabe vollkommen unterschätzen. Ob die Gläubiger Griechenlands durch eine Schenkung, einen Schuldenerlass oder einen Schuldenschnitt ihr Geld zum einen Schornstein rausjagen oder ob sie die griechischen Schulden durch einen großen administrativ teuren Ringelpitz beitreiben, in dem sie mit neuen Krediten in gleicher Höhe Griechenland fiktiv zahlungsfähig machen und das Geld de facto zum anderen Schornstein raushauen, ist wirklich herrlich egal. Griechenland wird seine bestehenden Schulden nach menschlichem Ermessen nie abtragen und es macht keinen Sinn, wenn die Gläubiger faule Forderungen durch besagten Ringelpitz immer weiter perpetuieren. Alles steht und fällt mir der viel besungenen Wettbewerbsfähigkeit der griechischen Wirtschaft, die mit Staats-und Systemreformen allein nicht über Nacht aus dem Boden gestampft werden kann.

Die Griechenlandrettung bleibt mit dem Euro, anders als mit dem Grexit, der teuer genug wäre, ein weithin ungedeckter Wechsel auf die Zukunft. Merkels immer wieder neues Anbeten des Prinzip Hoffnung, auf das sich alle Partner des Eurovertrages eingeschworen haben, ist eine unnötige Belastung der Eurozone und des Euro selber. Die historisch gesehen in kürzester Zeit angehäuften Schulden Griechenlands von derzeit mutmaßlich 320 Mio. Euro, sind in ein unangemessenes Konsumverhalten der griechischen Bevölkerung geflossen, die mit oder ohne Euro den Gürtel vorübergehend wird enger schnallen müssen. Zu solchen Agenda 2010-Maßnahmen ist eine sich kommunistisch-sozialistisch gebende Regierung am ehesten in der Lage – siehe hier der Artikel zum „Glücksfall Tsipras“.

Aber die alten ideologischen Begrenztheiten lassen die Regierung Tsipras als wenig geeignet erscheinen den Reformbedarf zu qualifizieren und zu quantifizieren und die Reformen tatsächlich umzusetzen. Die Regierung Tsipras bietet bisher nichts für eine seriöse Bejahung eines echten Reformwillens und die von den Geldgebern erwarteten Reformen lassen sich auch objektiv nicht in den Zeiträumen verwirklichen, die den notorischen Rettern sinnvollerweise vorschweben. Fest steht: Egal, wieviel Geld die EZB für Anleihekäufe jedweder Art aus dem Nichts schöpfen wird, mit immer neuen Krediten und immer neuen Umschuldungen, wird nicht zu erreichen sein, dass griechische Waren und Dienstleistungen die Weltmärkte alsbald überschwemmen werden. Dagegen gäbe der Grexit Griechenland nicht nur seine Souveränität wieder, sondern die Möglichkeit mittels einfacher, primitiver Währungsanpassungen das System, das es zu reformieren gilt, soweit aus eigener Kraft aufrecht zu erhalten, dass sich die besagten Reformen entwickeln können, wofür allerdings ein Zeitraum von zehn oder auch zwanzig Jahren realistisch anzusetzen ist. Mit der Möglichkeit der laufend angepassten dosierten Abwertung einer eigenen griechischen Währung würde der Grexit bekanntlich die griechische Wirtschaft am ehesten in die Lage versetzen wettbewerbsfähige Produkte und Dienstleistungen zu produzieren.

Merkels jüngste Äußerungen nach dem ersten offiziösen Berlin-Besuch von Alexander Tsipras zeigen, dass das bloße „weiter so“ weitergeht. Dieses „weiter so“ ist die Garantie dafür, dass die notwendigen Reformen, derer es in großer Zahl und gleichzeitig bedarf, allenfalls auf kleinstem Niveau auch tatsächlich durchgezogen werden.

Ein bitterer Tag für den Euro und für Griechenland in Berlin.




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