Merkels Washington-Trip: Außer Spesen nichts gewesen

Biden und Merkel haben im Grundsatz gegensätzliche Auffassungen. Washington wartet auf die Nach-Merkel-Zeit.

IMAGO / UPI Photo

Frau Merkel hatte gute Gründe, zu ihrer Abschiedsvisite nach Washington nicht das übliche Berliner Pressecorps mitzunehmen. Nur ein kleiner Kreis auserwählter Schönschreiber durfte sie begleiten. Die Kanzlerin wusste im Vorhinein, dass ihr – jenseits aller Freundlichkeiten – im Weißen Haus keine Rosenkränze geflochten werden würden. Auch noch so salbungsvolle Sätze der Sympathie und symbolische Gesten wie ein Präsidentendinner mit Ehegatten schaffen das Fazit des amerikanischen Präsidenten Joe Biden am Ende des Besuches nicht aus der Welt: „We all agree, we do not agree.“ Über Wochen hatten zuerst ein amerikanisches Verhandlungsteam in Berlin und dann ein deutsches Team, unter Leitung des außenpolitischen Beraters im Kanzleramt, versucht, irgendeine Form von Gemeinsamkeit in den zentralen Fragen herzustellen. Vergeblich! Die Agenden der beiden Führungspersönlichkeiten sind einfach zu unterschiedlich, ja gegensätzlich.

Merkel teilt nicht Bidens Einschätzung und Haltung gegenüber den beiden Diktaturen China und Russland, aber auch in der Iranfrage und, last but not least, in der leidigen Nordstream-2-Problematik waren nicht einmal Formelkompromisse möglich.

Biden hatte auch die Signale aus Berlin zur Kenntnis nehmen müssen, die – unmittelbar nach seinem Gespräch mit Putin mit dem Ergebnis sechsmonatiger Sondierungsgespräche zwischen Moskau und Washington – von der Initiative Merkels eines Gipfeltreffens der EU mit Putin ausgingen. Nur der heftige Widerstand besonders der osteuropäischen Staaten vereitelte diese Illoyalität. Einfach schlecht gelaufen für Merkel. Was übrig blieb, war das hundertste Bekenntnis zur Bekämpfung der „Klimawende“ und eine weitere Ehrendoktorwürde. Kurzum, der Graben zwischen Deutschland und den USA ist auch jetzt, nachdem der böse Trump weg ist, keinen Deut schmaler geworden. Schon die nahe Zukunft wird zeigen, wie lange noch die Brüche unter dem Tisch gehalten werden können.

In Washington wartet man jetzt auf die Zeit nach Merkel. Und tatsächlich könnte sich da einiges ändern. Denn Merkel betreibt Merkelpolitik mit der ihr eigenen Beharrlichkeit und der für Außenstehende kaum wahrzunehmenden Härte und Kälte. Merkel als Persönlichkeit ist so gesehen unersetzlich, aber – warten wir es ab.

Noch eines zu Nordstream 2. Es würde nicht wundern, wenn eine alte, bereits zwischen Schröder und Putin diskutierte Variante wieder auf den Tisch kommt. Gemeint ist die Gründung einer deutsch-russisch-ukrainischen Gesellschaft zur Verwaltung und Sanierung der gesamten ukrainischen Infrastruktur, einschließlich der Energieversorgung, des Energietransportes, aber auch des Schienen- und Straßennetzes. Damit trügen alle drei Länder Verantwortung auch für die ukrainischen Interessen. Sämtliche Risiken des Gasdeals mit Moskau sind dadurch noch nicht ausgeräumt – aber immerhin: die Kuh wäre erst mal vom Eis.


Unterstützung
oder

Kommentare ( 59 )

Liebe Leser!

Wir sind dankbar für Ihre Kommentare und schätzen Ihre aktive Beteiligung sehr. Ihre Zuschriften können auch als eigene Beiträge auf der Site erscheinen oder in unserer Monatszeitschrift „Tichys Einblick“.
Bitte entwerten Sie Ihre Argumente nicht durch Unterstellungen, Verunglimpfungen oder inakzeptable Worte und Links. Solche Texte schalten wir nicht frei. Ihre Kommentare werden moderiert, da die juristische Verantwortung bei TE liegt. Bitte verstehen Sie, dass die Moderation zwischen Mitternacht und morgens Pause macht und es, je nach Aufkommen, zu zeitlichen Verzögerungen kommen kann. Vielen Dank für Ihr Verständnis. Hinweis

59 Comments
neuste
älteste beste Bewertung
Inline Feedbacks
Alle Kommentare ansehen
Angelina
2 Jahre her

Nun denkt ja jeder, dass diese Tour ein farewell-Ereignis ist. Hoffentlich! Wenn man überlegt, welch eine Meisterin im Ränkeschmieden Mrs. M. ist, ist ein gewisses Misstrauen angebracht. Ich habe bisweilen Alpträume, dass sie sich schweren Herzens nochmal opfert. Wegen Corona, Hochwasser etc., da wäre doch eine Wahl „nur von Nachteil, da man jetzt alle Kräfte bündeln muss“. Ich weiß leider nicht mehr, da es schon so lange her ist, ob Kohl und Schröder auch zwecks Abschied durch die USA getingelt sind.

usalloch
2 Jahre her

Der “böse Trump ” hat neulich vor 20 000 begeisterten Menschen gesprochen. Unsere Vorturnerin bekäme nicht mal 200 auf den Marktplatz.

Pankratius
2 Jahre her

Was soll DAS denn heißen? Zitat aus dem Artikel: …Initiative Merkels eines Gipfeltreffens der EU mit Putin … „Nur der heftige Widerstand besonders der osteuropäischen Staaten vereitelte diese Illoyalität“. „Illoyalität“ ??? Ein Treffen der EU mit Putin in der gespannten Atmosphäre des westlichen Truppenaufmarsches bis hin zum Schwarzen Meer wäre „illoyal“ gewesen? Das ist doch eine Verkehrung der Zusammenhänge! Ein Treffen mit Putin wäre eine Friedens-Initiative der EU gewesen. Den östlichen Säbelrasslern (mit fremder Staaten Waffen) muss das Handwerk gelegt werden. Die bringen noch das Pulverfass zur Explosion. Die US-Amerikaner haben in Osteuropa genau so wenig zu suchen wie die… Mehr

Juergen P. Schneider
2 Jahre her

Die Abrissbirne aus der Uckermark auf Abschiedstournee. Viele sind froh, dass es bald vorbei ist. Ich auch. Die Verwüstungen, die sie hinterlassen hat, werden uns noch Jahrzehnte beschäftigen.

jorgos48
2 Jahre her

Die Abschiedstournee der Göttlichen und in Deutschland saufen die Dörfer und Städte ab. Hunderte Tote, Obdachlose Familien und diese Frau bringt es nicht fertig ihre Tournee abzubrechen und bei den Menschen hier zu sein. Der Symbolwert ihrer Anwesenheit wäre wichtig gewesen. Wer jetzt immer noch dieser Frau zujubelt oder nachweint, dem ist nicht zu helfen. 26.9.21 Augen zu-CDU? Sicher nicht!

Mertens
2 Jahre her
Antworten an  jorgos48

Sie haben ja so Recht! Dass sie den gesamten Zirkus nicht sofort beendet und nach Hause fliegt,, zeigt doch zweierlei: Anstatt – wie weiland Schröder – in die Katastrophengebiete zu reisen, verweigert sie damit aktive Wahlkampfhilfe für ihren Nachfolger und es zeigt sich wieder einmal, dass ihr jedwede Empathie für die Betroffenen abgeht.Auch hier sind ihr die Bürger wiederschlichtweg egal!

Abraham
2 Jahre her
Antworten an  Mertens

: So kann man das sehen, die Not der Menschen geht M. wie immer am Allerwertesten vorbei. Gummistiefel wie weiland Schröder würden ihr ja auch nichts mehr nützen, also lässt sie’s. Aus Sicht der Betroffenen würde ich denken, dass sie auf Schwurbelsätze voll geheuchelter Empathie verzichten können. Also: Soll sie sich dich ihr x. Doktorkäppchen abholen und gut ist.

Mertens
2 Jahre her
Antworten an  Abraham

Auch wahr

Memphrite
2 Jahre her

„Merkel teilt nicht Bidens Einschätzung und Haltung gegenüber den beiden Diktaturen China und Russland“ Bei allen Respekt vor der eigenen Meinung aber das hier ist leider deutlich unter dem journalistischen Standard von Tichy. China ist eine „Ein Parteien Diktatur“ aber Russland ist es nicht! Putin wurde von einer Mehrheit der Menschen in einer geheimen Wahl gewählt. Gab es bei dieser Wahl lokale Unstimmigkeiten? Klar aber nichts in der Form wie im „freien Westen“. (USA Briefwähler ?) Russland wird genauso „autoritär“ geführt wie z.B. Frankreich. Dann bitte auch das nächste Mal die USA ein Oligarchi nennen, den das kommt der Realität… Mehr

Andreas aus E.
2 Jahre her
Antworten an  Memphrite

Ich bin (leider) kein Rußlandkenner, aber Putins Regiment als Diktatur zu bezeichnen ist sicher bestenfalls als alberne Entgleisung einzustufen.

reiner
2 Jahre her
Antworten an  Andreas aus E.

Das ist wohl wahr. War einige Male dort hatte eine russische Freundin und könnte ja wohl ein bisschen mitreden.

Thomas Grote
2 Jahre her

Na, hat sie wieder nichts für Deutschland erreicht? Nicht mal, daß Bidens Travelban bei faktisch keiner echten „Infektionszahl“ aufgehoben wird?
Komödie, Panoptikum, Schmierentheater.

Kassandra
2 Jahre her

Dachte sie ja anscheinend auch.
Tja. Die Zeiten von Mr. Obama sind endgültig vorbei.

Andreas aus E.
2 Jahre her

Mache ich was falsch?
Schon zum dritten Mal jetzt mein bislang unveröffentlichter (oder von mir übersehender? kann ja sein) Hinweis, daß Kanzlerin Merkel sich nach Biden mit Vize-und de-facto-Außenminister-Harris trifft und ich das immerhin bemerkenswert finde.
Wie auch immer: Merkel ist Staatschef, Biden auch. Treffen insoweit angemessen.
Aber warum Harris? Die ist derzeit nix – oder wurde Merkel schon von kommender Präsi eingenordet, müssten Septemberwahlen coronabedingt vertagt werden?

Warte nicht auf bessre zeiten
2 Jahre her
Antworten an  Andreas aus E.

„Mache ich was falsch?“ Ja, Merkel ist nicht Staatschef.

Mertens
2 Jahre her

Während wir in Deutschland fassungslos vor den Folgen schlimmster Verheerung stehen, lässt Madame sich ein Doktorhütchen aufsetzen und macht „Abschiedstournee“. Mr fällt zu dieser Frau nichts Freundliches mehr ein…

ChrK
2 Jahre her
Antworten an  Mertens

https://www.youtube.com/watch?v=M-PDwlXsFl0

Etwas zur Aufheiterung. Bud Spencer und Terence Hills Lösung des Problems. Ab 0:50 wird’s gut. 😀

Mertens
2 Jahre her
Antworten an  ChrK

?‍♂️??