Zahlreiche EU-Abgeordnete sollen chinesische Schmiergelder angenommen haben

Ein neuer Korruptionsskandal erschüttert das Europäische Parlament – diesmal stehen chinesische Bestechungsgelder im Fokus. Während 15 Abgeordnete verdächtigt werden, Huawei-interne Lobbyarbeit gegen großzügige Vergünstigungen betrieben zu haben, droht der EU eine weitere brisante diplomatische Krise.

IMAGO - Collage: TE

Das Europäische Parlament ist von einem weiteren mutmaßlichen Korruptionsskandal betroffen, bei dem es um ausländische Einflussnahme geht. 15 Abgeordnete wurden verdächtigt, Bestechungsgelder für die Förderung chinesischer Geschäftsinteressen angenommen zu haben.

Am frühen Morgen des 13. März starteten die belgischen Behörden eine groß angelegte Aktion, bei der etwa 100 Beamte 21 Immobilien von Europaabgeordneten und deren Mitarbeitern durchsuchten. Die Razzien waren Teil einer Untersuchung, bei der es um den Vorwurf ging, dass diese Personen in europäischen politischen Kreisen unrechtmäßig für die Interessen des chinesischen Technologieriesen Huawei eintraten und dafür verschiedene Vergünstigungen erhielten.

Die Nachrichtenagenturen Le Soir, Knack und Follow the Money berichteten am 13. März, dass die Ermittlungen vor mehr als zwei Jahren aufgrund eines Hinweises des belgischen Geheimdienstes eingeleitet wurden. Dieser hatte Huawei laut Medienberichten vom März 2023 unter die Lupe genommen. Die belgische Bundespolizei führte Durchsuchungen in den Räumlichkeiten von Huawei-Lobbyisten im Rahmen einer Untersuchung wegen des Verdachts auf Korruption, Geldwäsche, Fälschung und Beteiligung an einer kriminellen Vereinigung durch. Bei Razzien in ganz Belgien und in Portugal wurden Dokumente und Gegenstände beschlagnahmt.

Im Europäischen Parlament selbst wurden jedoch keine Durchsuchungen vorgenommen, und Anträge auf Aufhebung der einschlägigen Immunitäten wurden noch nicht gestellt. Berichten zufolge wurden mehrere ungenannte Lobbyisten festgenommen, die möglicherweise später dem Ermittlungsrichter vorgeführt werden sollen. Ein Sprecher des Europäischen Parlaments erklärte am 13. März gegenüber Brussels Signal: „Das Europäische Parlament nimmt die Informationen zur Kenntnis. Wenn es darum gebeten wird, kooperiert es immer vollständig mit den Justizbehörden.“

Die Polizei suchte nach Beweisen für die Anschuldigungen, dass Vertreter von Huawei gegen das Gesetz verstoßen haben, indem sie versuchten, rund 15 Abgeordnete des Europäischen Parlaments zu beeinflussen, wurde berichtet. Die belgische Bundesstaatsanwaltschaft bestätigte dies in einer Pressemitteilung an Brussels Signal: „Mehrere Personen wurden zur Befragung im Zusammenhang mit ihrer mutmaßlichen Beteiligung an aktiver Korruption innerhalb des Europäischen Parlaments sowie wegen Fälschung und Verwendung falscher Dokumente festgenommen.“ Und weiter: „Die Straftaten sollen von einer kriminellen Vereinigung begangen worden sein.“

Berichten zufolge konzentrieren sich die Ermittlungen derzeit vor allem auf Vorwürfe wie Beteiligung an einer kriminellen Vereinigung und Geldwäsche. Quellen sagten den drei Nachrichtenagenturen, die über die Geschichte berichteten, dass die Behörden zum jetzigen Zeitpunkt nicht gegen eine mögliche ausländische Einmischung Chinas ermitteln würden.

Den Ermittlungen zufolge, die unter dem Codenamen „Operation Generation“ laufen, wurde Huawei verdächtigt, Eintrittskarten für Fußballspiele zu verschenken – Huawei hat eine Privatloge im Lotto-Park, der Heimstätte des RSC Anderlecht. Darüber hinaus sollen luxuriöse Reisen nach China, Huawei-Smartphones, Essensausgaben, Geschenke und möglicherweise Tausende von Euro als Gegenleistung für positive Werbung für das Unternehmen gezahlt worden sein.

Die Bundesanwaltschaft erklärte, dass die Vorfälle „regelmäßig und sehr diskret von 2021 bis heute unter dem Deckmantel der kommerziellen Lobbyarbeit“ stattgefunden haben sollen. Ein portugiesisches Unternehmen wird verdächtigt, Zahlungen an Abgeordnete des Europäischen Parlaments vermittelt zu haben. Die Staatsanwaltschaft geht davon aus, dass die Bestechungsgelder mit Konferenzgebühren kombiniert und über verschiedene Vermittler gezahlt wurden.

Gemäß dem Verhaltenskodex für MdEP muss jeder von einem Dritten geschenkte Gegenstand im Wert von mehr als 150 Euro gemeldet und im Geschenkeregister öffentlich aufgeführt werden. Die Bundesanwaltschaft erklärte: „Die finanziellen Vorteile im Zusammenhang mit der mutmaßlichen Korruption könnten mit den Finanzströmen im Zusammenhang mit der Übernahme von Konferenzkosten vermischt und an verschiedene Mittelsmänner gezahlt worden sein, um ihren illegalen Charakter zu verschleiern oder es den Tätern zu ermöglichen, den Folgen ihres Handelns zu entgehen.“ Weiter: „Unter diesem Gesichtspunkt zielen die Ermittlungen auch darauf ab, etwaige Hinweise auf Geldwäsche aufzudecken.“

Bis zum 13. März war der Fall „unter Embargo“, was bedeutet, dass die Protokolle der Voruntersuchung nicht in die Polizeidatenbank aufgenommen wurden und nur eine begrenzte Anzahl von Richtern und Beamten Kenntnis von den Vorgängen hatte. Als Gegenleistung für die angeblichen Vorteile wurde den Abgeordneten vorgeworfen, gegen die zunehmenden Bedenken hinsichtlich der nationalen Sicherheit, der Spionage und der Verbindungen von Huawei zur chinesischen Regierung zu argumentieren.

Insbesondere im Hinblick auf die Befürchtung, dass die Kapazitäten des Unternehmens im Zusammenhang mit 5G-Netzwerken für Spionagezwecke genutzt werden könnten. In den letzten Jahren haben mehrere Mitgliedstaaten der Europäischen Union Maßnahmen ergriffen, um „Hochrisiko-Anbieter“ von ihren 5G-Netzen auszuschließen. Huawei hat diese Anschuldigungen stets kategorisch zurückgewiesen. Brussels Signal hat das Unternehmen wiederholt um eine Stellungnahme gebeten, aber bis zum Zeitpunkt der Veröffentlichung noch keine Antwort erhalten.

Der Nachweis einer chinesischen Einmischung auf europäischer Ebene käme zu einem schwierigen Zeitpunkt. Die EU hat mit den US-Zöllen zu kämpfen, und die Präsidentin der Europäischen Kommission von der Leyen hat erneut ihre Bereitschaft zur Zusammenarbeit mit Peking signalisiert. Da chinesische Unternehmen trotz gegenteiliger Behauptungen eng mit dem chinesischen Regime verbunden sind, könnten die Ergebnisse der Untersuchung zu einer explosiven diplomatischen Situation führen.

Während die Bemühungen der Huawei-Lobbyisten, die Interessen des Unternehmens zu fördern, möglicherweise die rechtlichen Grenzen zur Korruption überschritten haben, wäre es nach Ansicht von Experten ein besorgniserregenderes Szenario, wenn sich herausstellen würde, dass die chinesische Regierung direkt Einflussoperationen orchestriert und das Technologieunternehmen beispielsweise als Stellvertreter benutzt hat, um sich in EU-Angelegenheiten einzumischen.

Huawei ist im Transparenzregister der europäischen Institutionen als Lobbyorganisation eingetragen. Seit 2019 versucht das Unternehmen mit 18 Lobbyisten, den Bemühungen der USA entgegenzuwirken, die Europäer davon zu überzeugen, keine chinesische Ausrüstung für 5G-Netze zu kaufen. Es soll 1,7 Millionen Euro an europäische Denkfabriken und Institutionen gezahlt haben, um ihnen die Teilnahme an Konferenzen und öffentlichen Veranstaltungen zu ermöglichen.

Eine Person, die von den drei Medien in diesem Fall genannt wurde, war der belgisch-italienische Lobbyist Valerio Ottati. Er arbeitete als Assistent für zwei italienische Europaabgeordnete. Bei dem einen soll es sich um den damaligen Europaabgeordneten Nicola Caputo von der Progressiven Allianz der Sozialisten und Demokraten und bei dem anderen um Crescenzio Rivellini von der Europäischen Volkspartei handeln. Beide waren Mitglieder der inoffiziellen Freundschaftsgruppe EU-China im Europäischen Parlament.

Der belgische Bundesstaatsanwalt sagte zu den laufenden Ermittlungen: „Weitere Informationen, einschließlich personenbezogener Daten und/oder anderer Elemente, die die Identifizierung der beteiligten Personen ermöglichen, können in diesem Stadium nicht offengelegt werden, in Übereinstimmung mit der Unschuldsvermutung der betroffenen Personen und der Untersuchung selbst.“

Im Jahr 2021 schrieben acht Europaabgeordnete aus dem gesamten politischen Spektrum einen offenen Brief gegen den „technologischen Rassismus“ der Europäer, die sich gegen chinesische Technologieprodukte wenden. Fünf von ihnen waren Italiener, die anderen Rumänen.

Die jüngste Korruptionsermittlung erfolgte etwas mehr als drei Jahre nach Ausbruch des Qatargate-Skandals, bei dem Abgeordnete des Europäischen Parlaments angeblich Bestechungsgelder für Einflussnahme aus Katar und Marokko angenommen hatten. Dieser Skandal ist immer noch nicht abgeschlossen, nachdem es zu Verfahrensstreitigkeiten und neuen Anklagen gekommen ist.


Dieser übersetzte Beitrag ist zuerst bei Brussels Signal erschienen.

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Kommentare ( 33 )

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DeppvomDienst
13 Tage her

Habe ich es gestern nicht erst angemerkt ! Wenn China in Brüssel, warum nicht dann auch Katar und Konsorten im Bundestag ?

Jens Frisch
13 Tage her

Versicherungsvertreter verkaufen Versicherungern,
Staubsaugervertreter verkaufen Staubsauger.
Was also verkaufen „Volksvertreter“?

K.Selberdenker
13 Tage her

Anders ist sich auch die Abschaffung der eigenen Autoindustrie auch nicht anders zu erklären als da die Chinesen die Finger ganz tief im Spiel haben, nur komplett naive Trottel würden es nicht sehen ,oder eben unsere Politiker.

hoho
13 Tage her
Antworten an  K.Selberdenker

Ach was – ich denke eher, dass es kein Zufall ist, dass man plötzlich Labor-These ausgegraben hat und über chinesische Gelder für die EU Beamten die sich Volksvertreter nennen. Wenn überhaupt, waren das japanische Gelder die zB die DUH finanziert haben. Wobei ich würde das eher Schutzgelder für Toyota nennen und so viel war das auch wieder nicht. Ich denke der deutsche Staat hat das ganz selbst geschafft. Dazu muss man genau schauen, wem jetzt den Prozess gemacht wird. Ich glaube gar nicht an Zufälle. Das ganze System ist nur korrupt und es gibt sehr viele politisierte Staatsanwälte und Richter.… Mehr

elly
13 Tage her

ZON formuliert umgekehrt „Belgische Behörden werfen Huawei Bestechung im EU-Parlament vorLobbyisten von Huawei stehen im Verdacht, Abgeordnete im EU-Parlament bestochen zu haben. “
So wird Huawei ( China halt) zum Übeltäter gemacht und liest man die Leserkommentare funktioniert das auch. Das wird jetzt kurz medial aufgebauscht, dann wird der Mantel des Schweigens darüber gelegt. Wie bei Frau Kaiili, bei UvdLs Deal mit Pfizer … das sichert die Vergesslichkeit der Bevölkerung.

Apfelmann
13 Tage her

Was Maximilian Krah kann, können die anderen doch schon lange. Immer schön Schmiergeld nehmen oder am besten gleich die Chinesen anstellen. Weiter so!

Jerry
13 Tage her
Antworten an  Apfelmann

Sind Sie denn sicher, dass Maximilian Krah Schmiergeld genommen hat? Mein Stand ist, dass im Frühjahr 2024 ermittelt wurde, ob er Schmiergeld angenommen hat. Danach war Funkstille! Übliches Vorgehen übrigens, kennt man z.B. auch von Correctiv. Irgendwas wird schon hängen bleiben…

Ernst-Fr. Siebert
14 Tage her

Wenn das Geld von Bill Gates oder/und für eine (N)GO kommt, ist das sicherlich anders zu bewerten.

DDRforever
13 Tage her
Antworten an  Ernst-Fr. Siebert

Muss es ja sonst würde man gegen jeden im EU Parlament ermitteln müssen.

EinAlterWeisserMann
14 Tage her

Sorry, aber alle von der belgischen Staatsanwaltschaft gemachten „Vorwürfe/Anschuldigungen“ klingen wie der staatlich orchestrierte Versuch, mehr oder weniger „handelsübliche Lobbyarbeit“ zu kriminalisieren. Im Vergleich zu dem, was in Washington „abgeht“, sind das hier nicht mal Peanuts. Btw – Huawei ist in China die Nummer eins und die chinesischen Geheimdienste sind wahrlich keine Anfänger oder Stümper. Diese Geschichte hier ist m.E. ein weiterer Versuch, China zu diskreditieren, um den „europäischen Markt“ zu schützen.

Jerry
13 Tage her
Antworten an  EinAlterWeisserMann

Oh, das sehe ich anders. Hier kann jetzt ruhig genau so ein Faß aufgemacht werden wie bei Herrn Krah von der AfD, der lediglich einen chinesischen Mitarbeiter hatte.

Ombudsmann Wohlgemut
14 Tage her

Das EU-Parlament korrupt? Ist doch nicht wahr…

Elmar
14 Tage her

Beim letzten Schmiergeldskandal war es laut der Frau Metsola noch ein Angriff auf die „europäische Demokratie“. Jetzt lässt sie nichts mehr von sich hören.

Alf
14 Tage her

Mist. Dumm gelaufen.
Wir siind doch alle Demokraten, oder?

DDRforever
13 Tage her
Antworten an  Alf

„Unseredemokraten“ bitte!