Weber wirbt um Stimmen, nicht gegen Nord Stream 2

Merkel kann das ihrem Willen zuwiderlaufende Votum Webers auch deshalb ignorieren, weil es in ihrem ganz persönlichen Kalkül am Ende wahrscheinlich besser ist, wenn kein Deutscher den Stuhl Junckers einnimmt.

LOUISA GOULIAMAKI/AFP/Getty Images

»Webers ablehnende Haltung zu „Nord Stream 2“ weicht von der Bundesregierung ab, die das Projekt unterstützt. „Ich bin nicht der deutsche Kandidat für die EU-Kommission, sondern der Kandidat der EVP. Europa – das sind 28 Länder“, sagte Weber. Wenn man an Europa denke, müsse man an die Unabhängigkeit von russischem Gas denken.« Schreibt BILD online.

»Die Bundesregierung tat am Mittwoch, was sie im Zusammenhang mit der geplanten Gaspipeline von Russland nach Deutschland schon immer gerne getan hat. Nord Stream 2 sei ein „unternehmerisches Projekt“, reagierte eine Sprecherin des Wirtschaftsministeriums auf die jüngsten Äußerungen des EVP-Spitzenkandidaten zu dem Bauvorhaben … Die Bundesregierung, die das Projekt befürwortet und vorantreibt, versuchte also, in der nachösterlichen Ruhe abzutauchen …«

Weber glaubt immer noch, Juncker an der Spitze der Kommission der EU nachfolgen zu können und hat daher mit dem Stimmen sammeln schon vor den Wahlen zum Parlament der EU angefangen. Wer Präsident der Kommission wird, entscheidet der Rat der EU, also die Regierungen der Mitgliedsländer. Dabei ist der Rat an das Votum des dann neu zusammen gesetzten Parlaments nicht gebunden. Und Weber versucht sich von Merkel etwas zu distanzieren, um die Stimmen jener Länder zu erhalten, die gegen das Projekt sind: Das sind große Länder wie Frankreich und Polen, aber auch die kleineren osteuropäischen. Formal hat er natürlich richtig gehandelt – der Kommissionspräsident ist nicht seinem Herkunftsland verpflichtet, sondern der Gemeinschaft. Es zeigt eher, wie kompliziert in der EU die Dinge laufen und warum die Ergebnisse oft nicht nachvollziehbar und kontraproduktiv sind: Nicht um die Sache geht es, sondern um eine Überlagerung von divergierenden Staatsinteressen, den Plänen der mächtigen Brüsseler Bürokratie, und dem Machtanspruch einzelner Personen.

Weber ist ohnehin nur noch formal Spitzenkandidat, um die Wähler in Deutschland für CDU und CSU an die Urnen zu treiben. Denn den Wählern dieser Parteien sind die EU-Parlamentswahlen ziemlich egal, sie haben das Spiel längst durchschaut. Für die Anhänger der AfD dagegen sind es Protestwahlen, und die werden von den höher motivierten Anhängern von Protestparteien als Ausdrucksmöglichkeit gerne wahrgenommen. In Deutschland ist also zu erwarten, dass die AfD stärker abschneidet als ihr das bei den Bundestagswahlen gelingt – einfach weil die Wähler der anderen Parteien lieber zu Hause bleiben.  Daher wird so getan, als könne Weber das höchste EU-Amt erreichen. Ist die Wahl durch, kann Weber gehen, er hat dann seine Schuldigkeit getan. Und die EU-Wirklichkeit hat mit Wahlen wenig gemein.

Merkel kann das ihrem Willen zuwiderlaufende Votum von Weber bei Nord Stream 2 auch deshalb ignorieren, weil es in ihrem ganz persönlichen Kalkül am Ende wahrscheinlich besser ist, wenn kein Deutscher den Stuhl Junckers einnimmt.

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Kommentare ( 81 )

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Ursula Schneider
5 Jahre her

Mal eine eher praktische Frage: Der Bau von Nord Stream 2 ist weit fortgeschritten und soll bis Ende dieses Jahres abgeschlossen sein. Was ist denn mit all den Verträgen, die abgeschlossen wurden? Was mit den riesigen Investitionssummen? Soll das nach dem Willen Webers alles in die Tonne? Die CSU sitzt schließlich mit in der Regierung. Ich kann mich nicht erinnern, dass sie energisch gegen das Projekt gekämpft hätte.
Jetzt mit der Ablehnung auf Stimmenfang zu gehen, hat schon mehr als nur ein Geschmäckle, es ist absolut verantwortungslos …

Luisa Nemeth
5 Jahre her

Danke, lieber Herr Goergen, für den Einblick in Ihren Durchblick. Zustimmung für jedes Wort. Schönes Wochenende allerseits.

Bummi
5 Jahre her

Was für eine Persönlichkeit, für den persönlichen Erfolg geht der über Leichen. ** und abstoßend so etwas.

Luisa Nemeth
5 Jahre her

JA! Der Bogen ist seit Jahren überspannt – das „Stimmvieh“ sollte vielleicht geschlossen streiken. So lange, bis wir ein zumindest im Ansatz ein anständiges Angebot bekommen.

Contra Merkl
5 Jahre her

Sehr viele begeisterte Anhänger scheint Herr Weber nicht zu haben. Unter http://www.hna.de etwas runterscrollen, da hat jemand das Plakat im Grossformat mittels Filzer umgestaltet.

Alf
5 Jahre her

Weber glaubt immer noch, Juncker an der Spitze der Kommission der EU nachfolgen zu können…
Kann er ruhig glauben, hilft aber nichts.
Die Wähler in Deutschland haben längst erkannt, daß es diesem Mann nur um das eigene Pöstchen geht.
Weber will Einwegplastik auf der ganzen Welt verbieten, 1000 überflüssige Gesetze und Vorschriften abschaffen u.a..
Diese Allmachtsphantasien können nicht einmal im Wahlkampf überzeugen.
Positiv gefragt: Wo sind die deutschen Interessen, die Weber so angeblich vertreten will?

Der Ketzer
5 Jahre her

Manfred Weber ist das Musterbeispiel eines Populisten. Seine Äußerung „Es gibt keine Institution auf der Welt, die so naiv ist, ihre eigenen Gegner zu finanzieren.“ (https://www.welt.de/190929155) nehme ich als Wähler ernst, denn ich gehöre zu denen, die nicht so naiv sind, „ihre eigenen Gegner“ zu wählen.

Ursula Schneider
5 Jahre her
Antworten an  Der Ketzer

Gut, dass Sie noch einmal an diesen ungeheuerlichen Vorschlag, „europafeindlichen Parteien“ kein Geld mehr aus dem EU-Haushalt zukommen zu lassen, erinnern!
Weber hat sich allein damit schon vollkommen disqualifiziert.

Micky
5 Jahre her

Der Mann kann offenbar noch nicht einmal die EU von Europa unterscheiden. Dieses Niveau hat zum Niedergang der EU beigetragen, mit Alkoholexzessen und Peinlichkeiten von EU-Entscheidungsträgern. Das sollte sich die EU nicht auch in Zukunft leisten. Es gibt bestimmt unverbrauchte junge Kandidaten, die verstehen, dass die Individualität der EU Staaten mehr wert ist, als der Einheitsbrei, den die Junckers, Oettingers, Verhofstadts, Tusks – und Webers den Bevölkerungeb in den EU Staaten aufoktroyieren wollen.

kiki667
5 Jahre her

Juncker hat doch Trump unter Ischiaseinfluss zugesagt, dass Deutschland viel, viel mehr Frackinggas abnimmt und das dann als erfolgreiche Verhandlung verkauft, das muss doch jetzt vom Nachfolger auch eingehalten werden. Wo kämen wir denn hin, wenn wir eigene Interessen hätten? Ich kann diesen aalglatten ** Weber einfach nicht mehr sehen, genauso wenig wie ein paar andere, die meinen Magen zum Hüpfen bringen. Juncker sowieso, der widert mich genauso an wie sein überaus kompetentes Gesamtkunstwerk, von dem er so schwärmt.

Bubi111
5 Jahre her

Wenn ich mir den Artikel auf der Zunge zergehen lasse: der nächste Kommissionspräsident wird eine Frau, als eine Präsidentin! Merkel for president!!! Ischiasjuncker hat sie schon sehr gelobt!!! Was liegt näher!