Experten-Gruppe nimmt die Corona-Mythen der Bundesregierung auseinander

Eine Autorengruppe aus namhaften Wissenschaftlern und Führungspersönlichkeiten der Gesundheitsbranche um Matthias Schrappe hat eine umfangreiche Analyse veröffentlicht: Darin wird die deutsche Corona-Politik scharf kritisiert. Vor allem Kinder seien deren "Verlierer".

IMAGO / photothek
Prof. Dr. Matthias Schrappe

Am 29. August haben acht Experten aus dem Gesundheitsbereich ein Thesenpapier zur Corona-Pandemie veröffentlicht. Auf 151 Seiten sezieren die Autoren (Mediziner, Universitätsprofessoren oder Vertreter medizinischer Interessenverbände) die Corona-Maßnahmen und -Mythen der letzten anderthalb Jahre und fordern dringlich ein Umdenken im Umgang mit dem Virus. Es ist bereits das achte Thesenpapier der „Autorengruppe zu Corona“, die sich zu Beginn der Pandemie im März 2020 gegründet hat. Für Aufsehen sorgte vor allem das „Schrappe-Papier“ zur verfälschten Daten über Corona auf den Intensivbetten (TE berichtete). Unter den Unterzeichnern ist auch Franz Knieps, Vorstand im Dachverband der Betriebskrankenkassen.

Im Folgenden die wichtigsten Aussagen aus dem neuen Papier:

„Wir verfügen über zahlreiche Zahlen zum Virus, aber wir verstehen nicht das Geringste“. heißt es da etwa. Den Verlauf der Pandemie an einzelnen Parametern („Inzidenz“, „Hospitalisierungsrate“) zu bemessen, sowie auf einseitige Lösungsansätze (Impfkampagne) zu vertrauen, sei Irrsinn. Stattdessen wäre notwendig, über die „wesensmäßigen Eigenschaften“ der Pandemie (z.B. Altersabhängigkeit) und die Wirksamkeit von Interventionen (z.B. Schulschließungen) zu forschen.

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Die neu eingeführte, jetzt maßgebliche „Hospitalisierungrate“ erhält von den Experten ein ebenso schlechtes Zeugnis wie die bisher politisch herausgestellte 7-Tage-Inzidenz. Die Zahl der Krankenhausaufnahmen liefere zwar in der Altersgruppe der 36- bis 65-Jährigen wichtige Informationen – bei älteren und jüngeren Patienten aber nicht, da diese grundsätzlich seltener ins Krankenhaus eingeliefert werden würden.

Eine Alternative wären „Multidimensionale Indikatoren-Sets“. Das Autorenteam stellt selbst eine Meldesystem vor, das, aufgeteilt in unterschiedliche Altersgruppen, spezifische Angaben zu folgenden Indikatoren macht: Impfstatus, Nebenerkrankungen, sozioökonomische Faktoren, Positivitätsrate, Testfrequenz sowie Hospitalisierung, Intensivbettenbelegung und Beatmungspflichtigkeit.

Die Unterscheidung nach Altersklassen spielt dem Papier zufolge ohnehin eine zu geringe Rolle. Kinder und Jugendliche seien die „großen Verlierer der Pandemie“, stellen die Experten fest: Sie erkranken nur selten und tendenziell harmlos, sind aber dennoch am folgenschwersten von den Corona-Maßnahmen betroffen. Hier fassen die Autoren in großem Umfang Studienergebnisse zusammen und bewerten ergriffene Maßnahmen. Die Aussagen im Detail:

  • Bei einer Corona-Infektion sind Kinder und Jugendliche entweder asymptomatisch oder haben nur einen milden Krankheitsverlauf – verfügen aber dennoch über einen langfristigen Immunschutz. Weniger als ein Prozent aller Kinder und Jugendlichen mit einer Corona-Infektion mussten ins Krankenhaus eingeliefert werden. Ein tödlicher Verlauf ist extrem selten.
  • Es wird in diesem Herbst mit einem Anstieg des relativen Anteils der Kinder und Jugendlichen am Infektionsgeschehen gerechnet – ob dieser sich aber in absoluten Zahlen bemerkbar machen wird, sei fraglich. Es ist außerdem unwahrscheinlich, dass mit dem relativen Anstieg mehr schwere oder tödliche Verläufe einhergehen werden.
  • Die Corona-Maßnahmen und ihre Folgen („Schul- und Kindergartenschließungen, Fehlernährung, Bewegungsmangel und erhöhter Medienkonsum“) haben zu einem „deutlich erhöhten gesundheitlichen Risiko“ für die Kinder und Jugendlichen geführt. Außerdem haben „psychische Erkrankungen, Gewalttaten gegen Kinder und Jugendliche, sexueller Missbrauch und Kinderpornographie“ beträchtlich zugenommen.
  • „Schulen sind keine Hotspots.“ Nur selten haben Infektionsketten hier begonnen, vielmehr wurden Infektionen in die Schulen hineingetragen.
  • Es gibt keine wissenschaftliche Evidenz dafür, dass Reihentestungen, Quarantäneregeln und Maskenpflicht für Schüler das Infektionsgeschehen beeinflussen. Die Maßnahmen sind „hinsichtlich der Risiko-, Aufwands- und Nutzenbewertung weder geeignet noch verhältnismäßig“.
  • Auf Kinder und Jugendliche wirkt ein großer Impfdruck, der nicht durch die reale Gefahr einer Erkrankung hervorgerufen wurde (siehe oben), sondern durch eine „Politik, die den Lebensalltag der Heranwachsenden in einem unverhältnismäßigen Ausmaß einschränkt“.

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 Zuletzt diskutieren die Autoren eine Auswahl verschiedener Fehlentwicklungen und -entscheidungen in Politik und Gesellschaft. Die Rollenverteilung von beratender Wissenschaft, entscheidender Politik und kommentierenden Medien sei von allen Seiten verwischt worden: „Von Medien, die für sich in Anspruch nahmen, zwischen guten und schlechten Virologen zu unterscheiden, um letztere aktiv zu bekämpfen, sich also als Instanz der Ab- und Zuerkennung wissenschaftlicher Reputation gerierten; von einer Politik, die sich mit ihrer Berufung auf die Wissenschaft ihrer politischen Begründungspflicht zu entledigen und zugleich Kritiker moralisch ins Abseits zu stellen suchte, und von Wissenschaftlern, die bereitwillig zur Verfügung standen, politischem ‚Dilettantismus … ein Mäntelchen des Rationalen überzuwerfen‘.“

Erwähnenswert ist außerdem ein kämpferisches Appell für den Rechtsstaat: Die „Wiedereinsetzung der Grundrechte [ist] als unbedingtes Ziel zu bezeichnen. […] Versuche, über die Argumentation „Gesundheitsschutz“ und „Epidemie- Bekämpfung“ Instrumente der fortgesetzten Orts- und Kontaktkontrolle der Bürgerinnen und Bürger in digitaler Form zu etablieren, [sind] abzulehnen und müssen sofort beendet werden.“

Lange Zeit haben Gesundheitsexperten aus der ersten Reihe immer einen fast übertrieben verständnisvollen Ton aufgelegt, wenn es um die Corona-Politik der Regierung ging. Das ist hier anders: Die Kritik ist vernichtend. Sie zeigt die vermeintlich wissenschaftsfreundliche Politik aus dem Kanzleramt als Aneinanderreihung von leichtsinnigen Fehleinschätzungen, hervorgerufen durch mangelndes Interesse an der Wirklichkeit. Die Autoren machen klar, dass es eben nicht die Regierung ist, die der Wissenschaft folgt, sondern dass im Gegenteil die Wissenschaft durch die Politik auf Linie gezwungen wird.

Das Virus, so die Autoren, habe auch die Gesellschaft infiziert.

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Kommentare ( 110 )

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Wuehlmaus
2 Jahre her

Und kinderlose Arbeitskollegen fordern schärfere Maßnahmen gegen Schulen. Schließlich wollen die in Clubs und auf Musikkonzerte. Ich kann nur noch kotzen.

zweisteinke
2 Jahre her

Als ob diese Anhäufung von Unfähigkeit, die sich „Regierung“ nennt, jemals Fakten interessiert hätte. Ideologie ist Trumpf!

Altliberaler
2 Jahre her

ES liegt aber auch an dem in den allgemeinbildenden Schulen vermittelten „Unterrichtsstoff“, der oft mehr Propaganda als tatsächliches Wissen ist, als Naturwissenschaftler stehen mir die Haare zu Berge, was ich den Schulbüchern für Chemie, Physik und Biologie derzeit lesen kann. Es ist kein Wunder, wenn die meisten nichts über Viren, ihre ständige Präsenz auch im gesunden Körper wissen. Wenn sie für das Klima hüpfen, weil die Hauptsätze der Thermodynamik nicht mehr gelehrt werden und sie nicht wissen, das ohne Kohlendioxid keine grüne Pflanze wachsen würde.

horrex
2 Jahre her

Mal grundsätzlich: Angst, Ängste entstehen bzw. werden reflexartig (also nicht bewusst) ausgelöst durch Unbekanntes mit dem Mensch konfrontiert wird. Wenn uralte biologische und psychologische Reaktionsmechanismen überfordert sind. – Überforderung und „Nichtwissen“ gehen immer Hand in Hand. – Dieses Nichtwissen so Vieler (die gnadenlose Überforderung, damit also ganz natürlich entstehende Angst) wird so systematisch wie schamlos durch eine konfuse, weil sich selbst permanent widersprechende Politik immer weiter verstärkt. Dazu kommen obendrein die der Politik überwiegend zuarbeitenden Medien plus ebenfalls zuarbeitende und willige angebliche Experten. – Ein sich selbst – bis zum so zwangsläufigen wie endgültigen Kollaps – immer weiter verstärkender Kreislauf.… Mehr

John Beaufort
2 Jahre her

Eigentlich is so gut wie jede Behauptung der Regierung zu Corona seit anderthalb Jahren jeweils kurz nach ihrer Aufstellung widerlegt worden. Aber leider spielt das keine Rolle, solange sie beim Volk mit einer Lüge nach der anderen durchkommen und es genug Leute gibt, die Ungeimpfte als den Teufel in Person betrachten. Danke, liebe gekaufte Mainstream-Medien, für die erfolgreiche Gleichschaltung!

nachgefragt
2 Jahre her

Sehr geehrte Redaktion, könnten Sie vielleicht einmal der Frage nachgehen, in wie weit die sogenannten Experten, auf die sich unsere Regierung stützt, als Gutachter bzw. Sachverständige vereidigt oder verpflichtet sind? Nicht selten ist in vielen Bereichen von Regierungsgutachtern die Rede. Ein amtlich bestellter Sachverständiger oder Gutachter ist entweder selbst für grob fahrlässige oder vorsätzlich falsche Gutachten haftbar zu machen oder die ihn beauftragende Amtsperson/Behörde/Ministerium amtshaftend aufgrund der Amtspflichtverletzung. Das gilt übrigens auch für diverse Gutachten im Umweltbereich, beispielsweise DUH oder DIW, wenn dort mit falschen Grundannahmen Gutachten erstellt werden.

Del. Delos
2 Jahre her
Antworten an  nachgefragt

Heißen Dank für die Erläuterungen zur Haftungsfrage bei Gutachtern! Das werde ich mir speichern… für hoffentlich später.

Gabriele Kremmel
2 Jahre her

Hier befassen sich auch verschiedene Fachleute zum Thema Kinder: http://corona-kinder-film.de/

Konservativer2
2 Jahre her

„Das Virus, so die Autoren, habe auch die Gesellschaft infiziert.“ Genau das ist das Problem, nicht die Krankheit. Mir stellt sich von Beginn an die Frage, was wir eigentlich tun, wenn eine ernste Erkrankung über uns hereinbricht. Angesichts der Erfahrungen der letzten eineinhalb Jahre habe ich da ernste Bedenken.

Reiner07
2 Jahre her

Vor was die „Geimpften“ Angst haben ist sicher nicht das Virus, sondern die traurige Erkenntnis, dass diese „Impfung“ real nur einen Schutz von 0,8% hat, also für den Ar*ch war!
Es ist die Angst vor ihrer eigenen Dummheit, welche zur Schau gestellt wird und deshalb vielfach vollmundig die Forderung der Impfpflicht einher geht. Wenn „alle“ geimpft sind wird man nicht mehr zu den DUMMEN gehören, denn dann ist gelebte und bewiesene Dummheit die Norm!

TschuessDeutschland
2 Jahre her

Die Antwort ist ebenso einfach wie erschreckend:
Wenn man erst mal psychotisch ist braucht man keinen Grund mehr, Angst zu haben. Da reicht auch ein leichter Windhauch oder ein Fahrradklingeln auf der Straße. Das geht ganz von alleine.