„So kann es nicht weitergehen”: Neue Lücke in der Pflegekasse

Zweimal hat Karl Lauterbach die Beiträge zur Pflegeversicherung erhöht. Trotzdem arbeitet die weiter mit roten Zahlen: Ein Defizit von 160 Millionen Euro erwirtschaftete sie zwischen Januar und März, wie der Dachverband GKV mitgeteilt hat.

picture alliance / CHROMORANGE

Nach der Beitragssatzerhöhung ist vor der nächsten. Die alte Weisheit des Fußballtrainers Sepp Herberger passt leicht abgewandelt auch auf die Pflegeversicherung. Deren Beitrag ist in den letzten zehn Jahren von 2,35 auf 3,6 Prozent des jeweiligen Bruttolohns gestiegen. Dazu kommt ein Zuschlag von 0,6 Prozent für Kinderlose. Die größten Sprünge gab es unter Karl Lauterbach (SPD) als Gesundheitsminister.

Die nächste deutet sich an. Das lässt sich aus einer Erklärung des Dachverbands der gesetzlichen Pflegekassen, der GKV, ableiten. Demnach haben die Pflegekassen im vergangenen Jahr ein Defizit von 1,54 Milliarden Euro erwirtschaftet. Im ersten Quartal dieses Jahres waren es erneut 160 Millionen Euro – trotz neuerlicher Beitragserhöhung. “So kann es nicht weitergehen, denn diese Art von Finanzpolitik hält die Pflegeversicherung nicht mehr lange aus”, sagt Doris Pfeiffer, die Vorstandsvorsitzende des Dachverbands GKV.

Die GKV fordert vom Bund, dass der die Milliardenbeträge zurückzahlt, die Kanzlerin Angela Merkel und ihr Gesundheitsminister Jens Spahn (beide CDU) der Kasse während der Pandemie entnommen haben. Außerdem solle der Bund die Versicherungsbeiträge derer bezahlen, die ihre Angehörigen pflegen. Solche Schritte müssten “schnell” erfolgen.

Die schwarz-rote Koalition hat sich vorgenommen, weitere Beitragserhöhungen zu vermeiden. Eigentlich sollen die Belastungen von Betrieben und Beschäftigen sogar sinken. Doch das von der GKV vorgeschlagene Paket würde rund 10 Milliarden Euro kosten. Deswegen kann die neue Gesundheitsministerin Nina Warken (CDU) das Thema erst angehen, wenn der Haushalt für dieses Jahr steht – doch bisher hat Finanzminister Lars Klingbeil (SPD) noch nicht einmal einen Entwurf vorgelegt. In der Pflege droht daher weiter die nächste Erhöhung des Beitragssatzes. Aber Ministerin Warken ist nicht untätig. Sie hat vorgeschlagen, Bratwürste am Rande von Fußballspielen zu verbieten, um die Besucher vor dem Hitzetod zu retten.

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Kommentare ( 59 )

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59 Comments
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DeppvomDienst
1 Monat her

Ein passendes Beispiel aus der heutigen Frühbesprechung im grenznahen Krankenhaus zu den Niederlanden. Es heißt vom Dienstabenden Kollegen in gebrochenem Deutsch, er habe einen Patienten aus den NL aufgenommen. Angina pectoris und er wünsche ( sic ) einen Herzkatheder. Nun, fragt der Chef der Kardiologie nach, ist der Patient in Deutschland versichert ? Es stellt sich heraus, er ist es nicht, und hat mindestens zwei Häuser der Maximalversorgung auf dem Weg zu uns umschifft. Es stellt sich ebenso heraus, das der Patient neben dem hohen Alter, aber auch wegen einer terminalen Lungenfibrose, in den NL nicht mehr für einen Herzkatheder… Mehr

luxlimbus
1 Monat her

Jedem Neuankömmling seine persönliche Schuldenuhr! Einmal in irgendeinem Amt vorgesprochen: -300.- € (angenommene tatsächliche Endkosten – nur mal so als Beispiel). Plus die Kosten des vom Staat bezahlten Anwalts bezüglich des Rechtsweges Stichwort Bleiberecht / Anerkennung plus Justizpauschale. Monatliche Leistungen von der Krankenkasse, Leistungen der Wohnunterkunft etc., etc.. Alles addieren! Kriminell aufgefallen – die Kosten der Schäden, des Polizei- Justizapparates dazu! Statistiken führen und den Bürger darüber aufklären. Einbürgerung erst, oder überhaupt erst, wenn abzüglich der erwartbaren gerontologischen Kosten (auch des Pflegekassen-Risikos) ein gehöriges Plus, durch eigene Arbeit, für den Staat nachweislich erarbeitet worden ist. Es könnte alles sooo einfach… Mehr

W aus der Diaspora
1 Monat her

Ich bin dafür, dass wir Windräder ganz offiziell in Matratzen umbenennen. Dann ist die korrekte Entsorgung garantiert :-))
https://www.tichyseinblick.de/daili-es-sentials/buerger-sollen-leben-ihrer-matratzen-dokumentieren/

VollbeschaeftigtmitNichtstun
1 Monat her
Antworten an  W aus der Diaspora

Es hat schon ordentlich Schlagseite, aber da geht noch was.

haqus b.
1 Monat her

Einmal könnte es eine Hilfreiche Erfahrung sein in Japan oder China zu sehen welche Möglichkeiten es dort gibt Pflegern die Arbeit zu erleichtern und Gepflegten das Leben angenehm.
Zum Anderen höre ich von Betroffenen aus verschiedenen Bundesländern das ihnen die Pflegestufe genommen wird ohne das sich etwas gebessert hat. Andere die sich nur sehr schwer auf den Beinen halten können eine Pflegestufe gar nicht erst bekommen, obwohl sie sich aus diesen Gründen nicht in der Küche stehend aufrecht halten können oder zum Arzt laufen können. Was nutzt eine Versicherung die keine Leistungen mehr anerkennt?

Last edited 1 Monat her by haqus b.
Johny
1 Monat her

Man kann ein Sozialsystem haben und man kann offene Grenzen haben, aber beides gleichzeitig schließen sich aus. – frei nach Milton Friedman.

Der-Michel
1 Monat her

Herr Thurnes, ich korrigiere die folgende Passage: Nach der Beitragssatzerhöhung ist vor der nächsten. Die alte Weisheit des Fußballtrainers Sepp Herberger passt leicht abgewandelt auch auf die Pflegeversicherung. Deren Beitrag ist in den letzten zehn Jahren von 2,35 auf 3,6 Prozent des jeweiligen Bruttolohns gestiegen. Dazu kommt ein Zuschlag von 0,6 Prozent für Kinderlose. Die größten Sprünge gab es unter Karl Lauterbach (SPD) als Gesundheitsminister. wie folgt: Nach der Beitragssatzerhöhung ist vor der nächsten. Die alte Weisheit des Fußballtrainers Sepp Herberger passt leicht abgewandelt auch auf die Pflegeversicherung. Deren Beitrag ist in den letzten zehn Jahren von 2,35 Prozentpunkten auf… Mehr

Herr Mann
1 Monat her

War doch nur eine Frage der Zeit, bis das Ganze kollabiert.
Da gibt es mitunter viel Misswirtschaft und Korruption, da wundert mich das nicht.
Auf der anderen Seite werden nun Milliarden für die Kriegsindustrie veruntreut….

DDRforever
1 Monat her
Antworten an  Herr Mann

Schlimm genug diese Aufrüstung, aber das Problem der Sozialkassen heisst regierungsgesteuerte Landnahme arbeitsunwilliger und bildungunfähiger Einwanderer.

Mikmi
1 Monat her

Die Kosten für die Pflege wurden vor 1995 Privat, aber überwiegend von Sozialamt/Kommune getragen. Heute werden ca. 60 Mrd. von der Pflegekasse eingenommen, die Personalkosten/Verwaltungskosten stiegen hier auf mittlerweile über 10%. Wer prüft das, wer reduziert das, wer bedient sich da nach Lust und Laune?

Marcel Seiler
1 Monat her

Die Defizite der Pflegeversicherung sind der Demographie geschuldet. Es ist völlig unnötig, darüber die Hände über dem Kopf zusammenzuschlagen und „Wie konnte das passieren!“ zu rufen. Die Demographie kann nicht geändert werden. Ich wüsste auch nicht, wie man die Pflege billiger machen kann.

Die Politik ergeht sich im Moment darin, den Wählern die Wahrheit erst dann zu sagen, wenn es nicht mehr anders geht. (Am liebsten auch nicht, die würden einem die Beträge am liebsten so abluchsen, dass es niemand merkt.) So schiebt jede Politikergeneration das Problem auf die nächste. Vertrauen schafft das nicht.

Last edited 1 Monat her by Marcel Seiler
Mikmi
1 Monat her
Antworten an  Marcel Seiler

In China leben über 200 Mio. Pflegebedürftige, virtuelle Pflege ist das Zauberwort. Da gibt es Medikamentenautomaten, die die Alten an die Einnahme ihrer Medikamente erinnern, da gibt es bei bedarf einen virtuellen Arzt und vieles mehr. Hier gibt es eine Verwaltung, alles muss dokumentiert werden, es wird mittlerweile mehr verwaltet, als gepflegt.

Britsch
1 Monat her
Antworten an  Mikmi

Alles muß dokumentiert werden bis ins kleinst weil „Erbsenzähler“ verwalten und jedes Interessiert ist in der Verwaltung noch möglichst viele unter sich zu haben um Selbst aufzusteigen. Alles muß künstlich kompliziert werden. Das Sind Verwaltungskträfte die viel Zeit aufwenden sich selbst zu verwalten. Diese „Entscheider“ haben meist von der Praxis der Pflege und die es ja eigentlich geht auch nicht wirklich eine Reale ahnung, daher muiß auch allers bis ins kleinste dokumentiert und erklärt werden. Diese Verwaltung Frißt immer mehr des zur Verfügung stehenden Geldes. Vielfach geht heutzutage mehr als die Halfte der zur verfügung stehenden zeit der Pflege für… Mehr

alter weisser Mann
1 Monat her
Antworten an  Marcel Seiler

„Ich wüsste auch nicht, wie man die Pflege billiger machen kann.“ Wenn Sie z.B. die Abrechnng von Einzelleistungen von Pflegdienst kennen würden, wüssten Sie, wo man anfangen kann. Wir hatten z.B. gerade das halbjährliche Pflichtberatungsgespräch. Hat meine Frau in 10 Minuten beim Pflegedienst erledigt, der sonst nicht für uns tun darf, weil dann das Pflegegeld spätestens zur Hälfte des Monats alle wäre. Der rechnet für diesen Termin mit Ferndiagnose („alles in Ordnung“) 70 Euro mit der Kasse ab. Hätten wir den Pflegedienst innerstädtisch dafür zu uns kommen lassen (2 Minuten Weg) wäre es teuerer geworden. Gepflegt wurde damit nichts und… Mehr

Reinhard Schroeter
1 Monat her
Antworten an  Marcel Seiler

Die Demographie ist nicht über uns gekommen , wie ein Starkregen. Man hat die Augen verschlossen nach dem Motto, was ich nicht sehe, existiert nicht. Andere Länder haben die gleichen Sorgen, versuchen aber aktív gegen zu steuern. In Ungarn sind Kindereinrichtungen kostenfrei,ebenso wie das Mittagessen, welches man den Kindern anbietet. Zum Erwerb von Wohneigentum erhalten Familien eine zinslose staatliche Beihilfe von ca. 30.000 €, deren Rückzahlung sich mit jedem Kind um 10.000 € reduziert. Wer drei Kinder hat zahlt somit nichts zurück und die Mutter eben dieser drei, muss ihr Leben lang auch keine Lohn-und Einkommenssteuer zahlen. Ab 2026 auch… Mehr

Marcel Seiler
1 Monat her
Antworten an  Reinhard Schroeter

Die demographische Entwicklung wurde seit den 1970’ern bewusst ignoriert. Denn es hätte keine Wählerstimmen gebracht. Heißt also: die Wähler wollten es ignorieren. Die gesamten Frauenrechtlerinnen hätten jeden Politiker lebend gefressen, der eine höhere Geburtenrate propagiert hätte. Außerdem wäre er als Nazi diffamiert worden, weil die Nazis Bevölkerungspolitik betrieben hatten – auch wenn sie das in völlig anderer Zeit und mit völlig anderen Zielen taten.

Wie dem auch sei: Jetzt haben wir das Problem. Es lässt sich nicht beseitigen, nur die Belastungen rumschieben kann man.

Britsch
1 Monat her
Antworten an  Marcel Seiler

wie richtigf geschrieben, handelt es sich um eine Versicherung, bei einer Versicherung sind normalerweise nur Diejenigen versichert, die auch eingezahlt haben. Man sollte auch nicht nur die statistische Demographie betrachten sondern die Zahl Derjenigen die regulär arbeiten und die zahl Derer die arbeiten klnnten aber nichts arbeiten, wenn man Diese Vesicherung als Sozial einstuft. Dann sollte man noch nachprüfen, wie Viele etwas bekommen die regulär eingezahlt haben und wie Viele leistungen bekommen, die nie etwas eingezahlt haben oder nur ganz kurze zeit. Es wird oft vopm Weltsozialamt gesprochen. Wenn das zutrifft ist es auch sache der ganzen Welt die Kosten… Mehr

Mikmi
1 Monat her
Antworten an  Britsch

Das BVerfG hat entschieden, die Rentenversicherung sind öffentliche Gelder, noch Fragen?

Johny
1 Monat her
Antworten an  Marcel Seiler

Österreich etwa halbe deutsche Pflege- und Krankenkassenbeiträge. Die Pflegekosten in Dänemark werden durch Steuern finanziert und sind für Bürger und Einwohner kostenlos. Demographieprobleme haben die auch, wie machen die das bloß?

alter weisser Mann
1 Monat her
Antworten an  Johny

„durch Steuern finanziert und sind für Bürger und Einwohner kostenlos“
Seit wann ist die Finanzierung durch Steuern kostenlos für Bürger und Einwohner?

M. Stoll
1 Monat her

Seit mindestens 30 Jahren läuft die Dampfwalze DEMOGRAFIE im Schneckentempo auf Deutschland zu.
30 Jahre traute sich niemand, von G. Schröders halbherzigem Versuch der Reformen mal abgesehen, das Bismarcksche Sozialsystem zu reformieren.
Man beschränkte sich (und beschränkt sich immer noch) auf Flickschusterei.
Jetzt ist es zu spät, die Dampfwalze steht auf Deutschlands Füßen.
Die Sozialsysteme sind am Ende, weil die Deutschen zu wenig Kinder bekommen haben und den Umstieg auf ein Ansparmodell (Fonds) verpasst haben.

Aegnor
1 Monat her
Antworten an  M. Stoll

Sparen fürs Alter ist an sich schon mal eine gute Idee. Fonds sparen noch deutlich mehr als (Fiat-)Geld sparen. Allerdings bringt es nicht viel, wenn zu wenig Kinder existieren die die Güter und Dienstleistungen anbieten, welche man im Alter konsumieren muss/will. Da hilft einem auch gespartes Geld wenig. Aber trotzdem besser wie das aktuelle System, keine Frage. Davon abgesehen bin sowieso der Meinung, dass die Altersrente eine Sozialleistung sein sollte, für Menschen die altersbedingt wirklich nicht mehr arbeiten können. Naturgemäß trifft das Menschen mit körperlich schwerer Arbeit (der berühmte Dachdecker) wesentlich früher als Bürohengste (und -stuten). Was ja auch fair… Mehr

Last edited 1 Monat her by Aegnor
Peterson82
1 Monat her
Antworten an  M. Stoll

Demographie ist kein Problem, wenn ein Land das durch steigende Produktivität/Automatisierung oder technischen Fortschritt wettmacht. Wir machen aber das Gegenteil.