Mütter laufen Sturm gegen Lauterbachs Hebammen-Sparpläne in der Pflege

Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) will die Krankenhäuser reformieren. Dazu gehört, dass er die Hebammen aus dem Pflegebudget streichen will. Dagegen laufen Mütter Sturm mit einer Petition.

IMAGO / IPON
Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach, 03.11.2022

Mit Karl Lauterbach (SPD) und dem Gesundheitswesen ist es wie mit einem Ehepaar im Bett – die Decke ist immer zu kurz. Egal wer wo zieht, einer liegt immer blank da: Die Kranken- und Pflegekassen sind unterfinanziert. Vorerst stopft der Gesundheitsminister Löcher, in dem er Rücklagen aufbraucht und Kredite zulässt. Das trägt ihn und das Gesundheitssystem bestenfalls noch übers nächste Jahr. Auch die Krankenhäuser warnen vor einer Pleitewelle, weil die Kosten und Einnahmeausfälle für Corona, ausgebliebene Behandlungen und Strom sie rote Zahlen schreiben lassen.

Lösen lässt sich das mit Geld. Aber das ist selbst in Zeiten des „Doppelwumms“ immer noch begrenzt. So verspricht Lauterbach den Krankenhäusern und Pflegeheimen 8 Milliarden Euro aus dem „Wirtschaftsstabilisierungsfonds“, um mit den explodierten Energiepreisen zurecht zu kommen. Doch auch das verschiebt nur die Probleme der Kliniken und Heime nur kurzfristig.

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Eine Reform soll helfen. Es wird „die größte Krankenhausreform der vergangenen 20 Jahre“, wie der Leverkusener in der ihm eigenen Bescheidenheit ankündigt. Die Kliniken sollen zwar nicht mehr kommerziell arbeiten, aber dafür kostendeckend, verspricht der Minister. Soweit das „Narrativ“, wie Versprechungen heutzutage heißen. Die Detailarbeit ist weniger glamourös – mit ihr steht Lauterbach ein bunter Strauß an Ärger ins Haus: So will der Minister ab 2025 nur noch die qualifizierten Pflegekräfte übers Pflegebudget bezahlen, die unmittelbar Patienten versorgen.

Was bedeutet das? Aufgaben, die heute Physiotherapeuten, Logopäden oder Hebammen übernehmen, müssten die Krankenhäuser querfinanzieren, streichen oder von anderen Pflegern übernehmen lassen. Krankenhäuser finanzieren den laufenden Betrieb aus dem Geld, das sie für Behandlungen von den Kassen erhalten. Für Investitionen sind die Länder zuständig. Doch die statten die Kliniken zu schlecht aus. Das hat zwei Folgen: Zum einen ist laut Deutscher Krankenhausgesellschaft allein zwischen 2010 und 2019 ein Investitionsstau von 30 Milliarden Euro in deutschen Kliniken entstanden. Zum anderen zweckentfremden die Kliniken das Geld der Krankenkassen und zahlen damit einen Teil der notwendigen Investitionen.

Die Bettdecke ist zu kurz: Dass Krankenhäuser das Geld der Kassen schon jetzt für Investitionen missbrauchen müssen, geht zu Lasten der Qualität der Behandlung. Wenn sie jetzt auch noch Dienstleister wie Physiotherapeuten, Logopäden oder Hebammen querfinanzieren müssen, fällt der medizinische Standard in Deutschland weiter ab. Auch möglich ist, dass den ohnehin überarbeiteten, verbleibenden Pflegern noch mehr Arbeit aufgelastet wird. Wenn sie etwa die Betreuung der Neugeborenen und deren Mütter mit übernehmen müssen.

Doch schon jetzt fehlt es an Pflegern. Entsprechend sind die vorhandenen überarbeitet. 30 000 unbesetzte Stellen gebe es in den Kliniken, teilte Henriette Neumeyer dem Focus mit. Sie ist die stellvertretende Vorstandsvorsitzende der Deutschen Krankenhausgesellschaft. Allein im letzten Jahr sei die Zahl der unbesetzten Stellen um 10 000 Stellen angestiegen. Nun soll das dermaßen unterbesetzte Personal noch zusätzlich Aufgaben übernehmen. Was sagen seine Vertreter dazu? Ricardo Lange ist als Pfleger berühmt geworden, als er seinem Berufsstand während der Pandemie eine Stimme verlieh. Er formuliert auf Twitter mit gewohnt drastischen Worten: „An der Versorgung von Schwangeren sparen? Sorry, ihr spinnt doch!“

Mit seiner Sicht der Dinge scheint Lange alles andere als allein zu stehen. Michelle Franco aus Karlsruhe hat auf Change.org eine Petition gestartet. Sie ist nach eigenen Angaben Mutter einer Tochter und studiert Jura. „Hebammen waren ein wichtiger Teil meiner Schwangerschaft, sowohl vor, als auch nach der Geburt. Es ist mir wichtig, dass auch andere Menschen weiterhin diese Versorgung erhalten“, begründet sie die Petition auf Change.org. Mehr als 1,2 Millionen Menschen haben diese in wenigen Tagen unterschrieben. Damit gehört sie laut der Plattform zu den am meist unterstützten Petitionen in Deutschland.

An Lauterbach und die Bundesregierung schreibt Franco: Das Gesetz werde „gravierende Folgen für die Geburtshilfe in Deutschland haben“. Hebammen drohe die Kündigung. Dabei seien diese „essenziell für eine qualitative Betreuung von Frauen und Neugeborenen“. Würden dafür ersatzweise andere Pfleger eingesetzt, dann habe das „einen massiven negativen Einfluss auf die Versorgungsqualität“. Hebammen brächten durch ihre Ausbildung und ihre tägliche Arbeit Kenntnisse mit, die nicht nebenbei ersetzt werden könnten. Zumal das Pflegepersonal schon jetzt überlastet sei. Franco verweist auf die Statistik des Deutschen Hebammenverbandes. So habe es 1991 noch 1186 Krankenhäuser mit Geburtshilfe gegeben. 2018 waren es nur noch 655.

Das entspricht einem Rückgang von über 40 Prozent. Obwohl die Geburtenzahlen mittlerweile wieder stiegen. Angesichts dieser Situation warnt Franco: „Viele Frauen sind bereits verzweifelt, weil ihre Kreißsäle und Wochenbettstationen überfüllt sind. Schwangere werden im Voraus bei Kliniken wegen Überlastung abgelehnt. Schwangere haben bereits Probleme beim Finden einer Hebamme für die Wochenbettbetreuung zuhause. Umso wichtiger ist doch eine qualitativ hochwertige Betreuung nach der Geburt im Krankenhaus.“

Lauterbach spürt den Gegenwind. Zumindest in Sachen Klinikfinanzierung gibt er ein Stück weit nach und kündigt weiteres Geld an. Laut dem von der SPD stets gut informierten RND sollen die Kliniken über zwei Jahre verteilt zusätzliche 240 Millionen Euro vom Bund erhalten.

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Kommentare ( 40 )

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Klaus Kabel
1 Jahr her

Dieser Mann ist völlig unfähig in seinem Amt. Er ruiniert das deutsche Gesundheitssystem und schätzt über Pflege und Hebammen Dinge von denen er keinerlei Ahnung hat. Dieser sogenannte Gesundheitsminister gehört unter Entzug seiner Bezüge sofort entlassen.

bfwied
1 Jahr her

Petitionen sind ja schön und gut, aber sie reichen nicht, sie zeigen den Steuerzahler als Bittsteller, der leicht davongeschickt werden kann. Es reicht nicht, denn diese torkelnde Bombe macht aus der Gesundheitsversorgung in D. die Versorgung in Nairobi – ich habe den Vergleich selbst ein paar Male erlebt! Ich bezahle sehr viel pro Monat, aber jemand aus meiner Familie bekam in 3 Kliniken wegen heilloser Überlastung keine Hilfe, obwohl derjenige nicht mehr selbst laufen konnte. Das ist in der Schweiz und in Italien weit, weit besser.

Deutscher
1 Jahr her

„Dazu gehört, dass er die Hebammen aus dem Pflegebudget streichen will.“

Passt doch zur Abtreibungspolitik.

Juergen Schmidt
1 Jahr her

»… die Decke ist immer zu kurz. Egal wer wo zieht, einer liegt immer blank da: Die Kranken- und Pflegekassen sind unterfinanziert.« Das stimmt ja so nicht. Das deutsche Gesundheitssystem ist eines der teuersten der Welt, Geld ist in Hülle und Fülle vorhanden. Nur: es wird falsch eingesetzt, kommt immer weniger den deutschen Bürgern, den Beitragszahlern zugute. In dem Zusammenhang muss man sich auch noch mal klar machen: »Corona« war ein gigantischer Raubzug. Astronomische Summen von Beitragsgeldern der deutschen Versicherten und Steuerzahler wurden auf die Konten von Big Pharma und anderer Beteiligter geschaufelt. Politik hat auf ganzer Linie versagt, weil… Mehr

Last edited 1 Jahr her by Juergen Schmidt
Irdifu
1 Jahr her

Die Politik reformieren wäre auch nicht schlecht und Politiker wie Lauterbach aus dem System entfernen , somit wären Milliarden an Steuergeldern für Experimentierstoff , massenhaft mit Lügen durchzogene Werbung für nutzlose “ Impfstoffe “ , Nebenwirkungsfreie Plörre und Milliardenkosten für gegen Viren Nutzlose
Gehorsamslappen im Gesicht eingespart , von Lauterbachs 20 000 Euronen für Volksschädigung jeden Monat ……………

Last edited 1 Jahr her by Irdifu
elly
1 Jahr her

Bundesgesundheitsminister brummte den gesetzlichen Krankenkassen die Beiträge für die Haftpflichtversicherung der Hebammen auf. Wenn Frauen ein wenig mehr verdienen flüchten sie in Privatversicherung, wollen aber selbstverständlich alle Leistungen der gKVs wie z.B. Hebammen auch kostenlos haben.
2020 war ein goldenes Jahr für Klinikfinanzen.
https://www.hcm-magazin.de/das-goldene-jahr-der-krankenhausfinanzierung-273361/
Beides ist schon vergessen, die Haftpflichtversicherungen von Hebammen und die üppigen „Entschädigungen“ für Kliniken. 2020

Cart
1 Jahr her

Diese Mütter, die jetzt Sturm laufen, haben wen gewählt in den letzten Jahren? Kann die Empörung 0 nachvollziehen. Das Land wird sich keine hochstehende Medizin und Pflege leisten können.

Endlich Frei
1 Jahr her

Nicht „die Kranken- und Pflegekassen sind unterfinanziert“, sondern unser grünbunter Staat begibt sich in den exzessiven Wahnsinn der grenzenlosen Flutung der Kliniken mit Nichtbeitragszahlern aus dem vordern, mittleren und hinteren Orient, Afrika etc…. Und nicht nur das – gerade läuft auf 3-SAT eine mehrteilige Serie, wie unser Staat Flüchtlingen aus Syrien auch noch die Geschlechtsumwandlung bezahlt. Mehrteilige Sendung deswegen, da dies etliche sündhaft teure Operationen (Geschlechtsteil-Formung, Po, Rücken, Stimmbänder etc…etc….etc….), Hormontherapien, psychologische Vollbetreuung etc.. erfordert – begleitet wird eine syrische Familie in deutschen Kliniken, in der keiner ein Wort Deutsch spricht und gleich zwei erwachsende Söhne diese Komplettumwandlung wünschen, welche… Mehr

Alf
1 Jahr her

Das zweite Problem sind die Wummserzählungen der Ampel. Die Ampel bekommt nichts gebacken. Dazu ein Beispiel: Die EU-Länder wollen eine Gaspreisbremse, die die bestehenden Lieferverträge sowie die Versorgungssicherheit nicht gefährdet. Die Kommission hat nun Insidern zufolge den Mitgliedsstaaten verdeutlicht, dass aus dem Plan möglicherweise nichts wird.https://www.n-tv.de/politik/EU-bekommt-Gasdeckel-offenbar-nicht-hin-article23704718.html Schuld wird also die EU sein, sollte der Wumms mal wieder nicht nicht funktionieren. Ich höre schon das Kichern in der Bürgerbefragung. Und die Gesundheitsreform ist nach dem gleichen Muster angelegt. Es werden nicht die Ursachen behämpft, die Probleme der Unterfinanzierung gelöst, sondern ein Aufreger geboren, der die Gesellschaft (Mütter, Hebammen u.a.) in Angst… Mehr

Last edited 1 Jahr her by Alf
Stephan M.
1 Jahr her

Zur Erinnerung: Das Problem der Unterfinanzierung der Krankenhäuser ist durch die Einführung der Fallkostenpauschalen vor x Jahren ausgelöst worden. Wer hat es eingeführt? Gesundheitsminister „Ullala Schmidt“ (Lehrerin) aus Aachen und ihr Leverkusener Adlatus KARL LAUTERBACH! In der Zeit ihres Nachfolgers Gröhe (Bahr und Rösler lasse ich aus) fiel die existenszerstörende Erhöhung der Versicherungsbeiträge für Hebammen, die Hausgeburten machten. Große Worte von Gröhe, nichts passierte, viele Hebammen haben einfach aufgegeben. Jetzt bastelt Lauterbach wieder rum, ganz im Sinne der rahmabschöpfenden Privatkliniken, aber nicht zum Wohle der Patienten, werdenden Mütter … In den Gremien sitzen alle, nur keine Pfleger, Ärzte oder Hebammen.