Maaßen: Dass „Alles für Deutschland“ strafbar ist, wusste vor Fall Höcke niemand

Ex-Verfassungsschutzchef Hans-Georg Maaßen warnt vor einer gefährlichen Entgrenzung staatlicher Macht: Der Inlandsgeheimdienst überwache zunehmend Einzelpersonen und konstruiere dabei Verfassungsfeindlichkeit, wo keine sei. Mit unklaren Strafnormen und fragwürdigen Interpretationen entstehe ein diffuses Klima der Angst, in dem das Schweigen der Bürger zur neuen Norm wird.

picture alliance / SZ Photo | Friedrich Bungert

Berlin. Der Verfassungsschutz überschreitet nach Meinung seines früheren Präsidenten Hans-Georg Maaßen mit der Überwachung von Einzelpersonen nicht nur seinen Auftrag. Inzwischen gehe er dazu über, nicht nur konkrete verfassungsfeindliche Bestrebungen zu dokumentieren, sondern interpretiere sie herbei. Ähnliche Entwicklungen sieht Maaßen auch bei den Gerichten wie im Fall des AfD-Politikers Björn Höcke. Dies führe dazu, dass sich die Menschen nicht mehr trauen, ihre Meinung zu sagen, erklärt Maaßen im Gespräch mit der Juli-Ausgabe des Monatsmagazins Tichys Einblick.

„Denken Sie allein an das Urteil gegen Herrn Höcke. «Alles für Deutschland» hat er gesagt – das wusste bis dahin kaum ein Bürger, dass das strafbar sein kann. Und jetzt kommen Richter und sagen, man hätte wissen müssen, dass «Alles für Deutschland» eine NS-Parole war und damit verboten sei. Wer hätte das vor diesem Urteil schon gewusst? Es gibt keine Liste verbotener Parolen, nur Urteilssprüche“, betont Maaßen. „Ein solches Strafrecht verstößt eklatant gegen den Bestimmtheitsgrundsatz, der besonders im Strafrecht peinlich eingehalten werden muss, denn jedem Bürger muss vor einer Tat klar sein, ob sein Handeln verboten ist oder nicht.“ Die Folge sei, dass die Leute nicht mehr ihre Meinung äußern. „Je unbestimmter Strafrechtsnormen sind, desto mehr werden die Bürger verunsichert. Im Zweifel werden sie den Mund halten, weil sie als Nichtjuristen nicht wissen, ob das, was sie sagen wollen, erlaubt oder verboten ist.“

Dem Verfassungsschutz sei es eigentlich nicht erlaubt, Einzelpersonen wie ihn selbst zu überwachen. „Der Verfassungsschutz ist nicht Polizei, sondern er sollte grundsätzlich nur Bestrebungen gegen die freiheitlich-demokratische Grundordnung beobachten, analysieren und überwachen“, so Maaßen. „Bestrebungen sind Personenzusammenschlüsse, zum Beispiel Banden, Organisationen oder Terrorgruppen. Von Einzelpersonen geht normalerweise nicht die Gefahr aus, dass sie einen Umsturz vollziehen können. Deswegen war es verboten, Einzelpersonen zu beobachten.“ Dieses Verbot sei nicht nur ausgehöhlt worden. Der Verfassungsschutz sei dazu übergegangen, Aussagen ins Gegenteil zu interpretieren. „Ich bekenne mich permanent zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung. Ich habe Jahrzehnte für diesen Staat gekämpft. Ich habe etliche Terroranschläge mit meinen Leuten verhindert. Da ist es sehr schwer, in meinem Leben ein Verhalten oder auch nur eine Aussage zu finden, die belegen würde, dass ich ein Verfassungsfeind oder ein Antisemit sei“, so Maaßen. Deshalb nutze der Verfassungsschutz eine perfide Technik: „Er sagt, ich wäre so klug und raffiniert, dass ich nie das sagte, was ich wirklich meinte. Ich würde mich zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung bekennen, aber in Wirklichkeit verfolgte ich die gegenteiligen Ziele.“

Wie der Verfassungsschutz vorgeht, erklärt Maaßen an zwei Beispielen. „So habe ich in einem englischen Text den Begriff «Globalisten» verwendet. Im Englischen wird der Begriff „globalist“ eigentlich permanent verwendet für Leute, die die globalistische Ideologie vertreten. Der Vorwurf des Verfassungsschutzes ist nun, dass ich diesen Begriff Globalisten nutze, um den Ausdruck «jüdische Finanzoligarchie» zu verschleiern, weil Antisemiten den Ausdruck «Globalisten» auch als Codeausdruck verwenden“, erläutert Maaßen. „Ein anderes Mal hinterfragte ich in einem Interview vom Sommer 2024 die geistigen Fähigkeiten von Präsident Joe Biden und stellte die Frage, wer die Entscheidungen für Biden traf. Das brachte laut Verfassungsschutz zum Ausdruck, dass ich an einen «tiefen Staat» glauben würde – und das sei eine rechtsextreme Verschwörungstheorie.“

Das ganze Interview in Tichys Einblick 07-2025 >>>

Unterstützung
oder

Kommentare ( 101 )

Liebe Leser!

Wir sind dankbar für Ihre Kommentare und schätzen Ihre aktive Beteiligung sehr. Ihre Zuschriften können auch als eigene Beiträge auf der Site erscheinen oder in unserer Monatszeitschrift „Tichys Einblick“.
Bitte entwerten Sie Ihre Argumente nicht durch Unterstellungen, Verunglimpfungen oder inakzeptable Worte und Links. Solche Texte schalten wir nicht frei. Ihre Kommentare werden moderiert, da die juristische Verantwortung bei TE liegt. Bitte verstehen Sie, dass die Moderation zwischen Mitternacht und morgens Pause macht und es, je nach Aufkommen, zu zeitlichen Verzögerungen kommen kann. Vielen Dank für Ihr Verständnis. Hinweis

101 Comments
neuste
älteste beste Bewertung
Inline Feedbacks
Alle Kommentare ansehen
Nibelung
24 Tage her

Das ist ja geradezu lächerlich, wenn man die deutsche Sprache, auch ansatzweise verbieten will, weil es nicht ins eigene Konzept paßt, denn alles was im dritten Reich gesagt wurde könnte im Nachhinein gegen jeden verwendet werden, denn geredet wurde viel und das reicht in jedem Fall aus um den Einzelnen unter Anklage zu stellen, wenn man denn will und das alles hat schon angefangen, indem man nach dem verlorenen Krieg bestimmte Reizwörter gesetzlich verboten hat und ist heute lediglich die Fortsetzung des Ganzen, was unerträglich ist, damit die universellen Ansichten zu unterdrücken, was der Anfang vom Ende ist und da… Mehr

Wolfgang Richter
24 Tage her

Daß der fragliche Spruch eben nicht NS-Propaganda war, sondern lediglich wie vieles anderes haslt auch mal übernommen wurde, hat ein gewisser Herr ansgar Neuhof vor Monaten mal geschichtlich aufgedröselt. Außerdem fiel die justiziable Strafbarkeit des Zitats ja wohl nur bei Personen auf, denen mal „Deligitimierung“ unterstellte. Andere blieben ja frei von „staatlicher Verfolgung“, darunter meinem schon mal löchrigen Gedächtnis nach auch eine „Balltreter-Ex-Frau“.

Dellson
24 Tage her

Frau Weidel sollte JD Vance und Mark Rubio bitten beim nächsten Deutschlandbesuch diesen Satz öffentlich auf einer Bühne vor den Kameras als Aufforderung für jeden einzelnen Bürger zu sagen. Das wäre für unsere Korinthen und Rosinenpicker die Höchstrafe ihrer moralischen Scheinheiligkeit!

eifelerjong
25 Tage her

 Der Vorwurf des Verfassungsschutzes ist nun, dass ich diesen Begriff Globalisten nutze, um den Ausdruck «jüdische Finanzoligarchie» zu verschleiern, weil Antisemiten den Ausdruck «Globalisten» auch als Codeausdruck verwenden“
Woran festzustellen ist, dass diese Figuren wohl den Stürmer, den NS-Jargon tief verinnerlicht haben.
Sie übernehmen exakt deren Definition.

BellaCiao
25 Tage her

„Nichts für Deutschland“ ist glaube ich eine noch zulässige Zuspitzung – und gleichzeitig eine Zustandsbeschreibung.

Dieter Rose
25 Tage her

Merz bzw.seine Gesprächspartnerin wussren offenbar auch nichts über die Verwendung des Wortes „Drecksarbeit“ bei der SS.
Der Blätterwald und die Justiz blieben erstaunlich ruhig…

Wolfgang Richter
24 Tage her
Antworten an  Dieter Rose

Der glänzt doch durch Geschichtsvergessenheit genauso wie seine derart damals bekennende Kanzlerdarstellerin.

Innere Unruhe
24 Tage her
Antworten an  Dieter Rose

Es ist an der Zeit, SS Archive und Mein Kampf zur Pflichtlektüre zu machen, damit jeder weiß, was er nicht sagen darf.

Sonny
25 Tage her

Die erste richtige Maßnahme nach der „Inthronisierung“ des Herrn merz wäre die Wiedereinsetzung eines Herrn Maaßen als Verfassungsschutz-Chef gewesen.
Ein Mann mit Verstand und einem sehr guten Kenntnisstand für Recht und Unrecht.
So aber dümpelt die Bundesrepublik weiter im tiefen Wasser der Korruption, der Verleumdungen und der Vetternwirtschaft. Und als Folge dessen in einem Unrechtsstaat, der die Kleinen oder sogar die Unschuldigen hängt und die Bösen alimentiert.

Ostfale
25 Tage her

Werte Redaktion, welch ein unglückliches Bild. Bei erstem Hinsehen kam mir spontan der Spruch: „Bei Sonnenuntergang wirft auch ein Zwerg einen langen Schatten“ in den Sinn. So schlecht kann es doch um den Stellenwert eines Hoffnungsträgers traditioneller CDU-Konservativer hier bei TE nicht bestellt sein, oder?

AlexR
25 Tage her

Das ist strafbar, Habecks Äußerungen in Dresden nicht. Wobei diese Habecksche Äußerung einen deutlicher Hinweis auf Parteien oder Personen enthält, als „Alles für Deutschland“. Und was passiert, wenn ich wie Trump sage: „Deutsche und Deutschland zuerst!“?

Ich hol schon mal den Bademantel aus dem Schrank. Und die Apostelbereifung.

Sanijo
26 Tage her

Natürlich existiert der Deep State, der tiefe Staat und er ist linksextrem und linksradikal, ebenso existieren Globalisten und die sind nichtjüdisch! Wer traf denn nun die Entscheidungen für Joe Biden? Joe Biden war es mit hundertprozentig Sicherheit nicht!