Der Kindermedizin droht der Zusammenbruch

Eine Krankheitswelle bei Kindern droht das Gesundheitswesen in der Kindermedizin zusammenbrechen zu lassen. Es fehlt an Pflegern und freien Plätzen in Krankenhäusern – die Ursachenforschung hat begonnen.

IMAGO / photothek
Symbolbild

Geht es um spannende Rätsel, dann hat die Gesundheitspolitik den Tatort längst als Marktführer abgelöst: Dieser Herbst beschert den Deutschen schon das zweite Mysterium. Zuerst ging es um die Frage, warum plötzlich im Schnitt deutlich mehr Menschen sterben als vorher. Nun liegt das Rätsel darin, wieso derzeit so viele Kinder krank werden.

Die Lage ist übel: Kitas müssen schließen, die Praxen sind voll. Es fehlt an Plätzen in Krankenhäusern. Berliner Kliniken verschicken in Einzelfällen ihre Patienten bereits ins rund 150 Kilometer entfernte Magdeburg. Der Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) ruft Eltern bereits dazu auf, Ärzte nur noch telefonisch um Hilfe und Krankenscheine zu bitten. Untersuchungen zur Vorsorge sollen sie verschieben. So entsteht für Eltern nur wenige Monate nach dem letzten Lockdown die nächste Situation, in der sie für den drohenden Zusammenbruch des Gesundheitswesens aufkommen sollen.

Sicher ist, dass Kinder sich derzeit verstärkt mit dem RS-Virus infizieren, außerdem hat wohl die Grippewelle früher als sonst begonnen. Woher diese Situation kommt, gilt derzeit als unklar. Wobei sich wie schon bei der Übersterblichkeit abzeichnet, dass die Corona-Maßnahmen keine negativen Folgen haben – dürfen. Obwohl Lauterbach schon im Sommer vor einer „Immunitätslücke“ gewarnt hatte: weil durch den starken Schutz der vergangenen zweieinhalb Jahre nun manche schutzlos gegenüber Krankheiten seien.

Die Epidemiologin Berit Lange sagte gegenüber dem Magazin Spektrum, dass die Erkältungswelle „keine Überraschung“ sei. Lange ist die Leiterin der klinischen Epidemiologie am Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung. Das RS-Virus habe zwar nicht mutiert, aber die Kinder hätten ihre erste Infektion nicht zum normalen Zeitpunkt erlebt. Das werde nun nachgeholt. Auch sei die Zahl der Schwangeren zurückgegangen, die eine RS-Infektion mitgemacht und Antikörper schon im Mutterleib weitergegeben hätten. Der pädiatrische Infektiologe Johannes Hübner nennt das im Focus eine „wilde Hypothese“. Der Focus kommt zur staatstragenden These: „Für Kinderärzte sind weder die Pandemie noch die erlassenen Corona-Maßnahmen die Verursacher der aktuell teils dramatischen Situationen in den Kliniken.“

Den Zusammenbruch des Gesundheitswesens verhindern zu wollen, war fast drei Jahre lang das Argument für die Einschränkung von Grundrechten. Nun droht dieser Zusammenbruch – zumindest im Bereich der Kindermedizin. Der leitende Arzt Thomas Erler berichtet in der Tagesschau aus seiner Kinderklinik in Potsdam: „Bei uns sind 80 Prozent der Patienten Notfälle. Die kann man nicht planen. Dafür muss man Personal vorhalten. Dadurch haben wir hohe Vorhaltekosten – die werden aber nicht adäquat erstattet. Das macht Kindermedizin aus wirtschaftlicher Sicht unattraktiv.“ Burkhard Rodeck, Generalsekretär der Deutschen Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin, bestätigt, dass es das Problem der unterfinanzierten Kindermedizin bundesweit gebe. Vor allem in den großen Städten herrsche Mangel.

Demnach fehlen auch 5.000 Pfleger. Freie Stellen könnten gar nicht oder nur in Teilzeit besetzt werden, berichten Ärzte der Tagesschau. Lauterbach will nun Pfleger aus anderen Bereichen in die Kindermedizin schicken. Doch so einfach geht das nicht, sagt Ricardo Lange auf Twitter: „Ich selbst habe schon auf einer Kinderintensivstation ausgeholfen. Noch nie im Leben hatte ich soviel Angst etwas falsch zu machen. Nie wieder!“, schreibt Lange auf Twitter.

Lange hat sich in den Corona-Jahren eine Rolle als Sprecher der Pflegekräfte erarbeitet. Er kritisiert den Gesundheitsminister dafür, dass der jetzt die Untergrenzen für Besetzungen aufhebt: „Danke für gar nichts“, antwortet er dem Minister. Für Lauterbach ist die Krankheitswelle bei Kindern ein Praxisschock, der zur Unzeit kommt. Eigentlich stellt er gerade über Tage verteilt seine Krankenhausreform vor. Weil sie von ihm stammt, ist es gleich „die Revolution des Krankenhauses“. Darunter zieht das Jahrhundert-Genie aus Leverkusen morgens nicht mal Socken an.

Herzstück dieser Reform – soweit sie in ihrem epochalen Ausmaß schon bekannt ist – ist eine Personalbemessung für Pfleger. „Idealbesetzungen“ für Stationen würden „errechnet und durchgesetzt“. Ab 2025 will Lauterbach Kliniken scharf sanktionieren, die diese Grenzen nicht einhalten. Soweit die Zukunft, soweit das Ideal. Im real-existierenden Alltag sind die Pfleger, mit denen Untergrenzen eingehalten werden sollen, einfach nicht da – deswegen hat Lauterbach die Krankenkassen am Donnerstag angewiesen, die Personaluntergrenzen nicht mehr zu überprüfen. Faktisch ist es also derzeit egal, wie wenige Pfleger sich mit wie vielen Patienten durchkämpfen. „Danke für gar nichts“, sagt dazu Ricardo Lange.

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Kommentare ( 53 )

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jansobieski
2 Jahre her

„Lauterbach will nun Pfleger aus anderen Bereichen in die Kindermedizin schicken“. Immer wieder das gleiche: Der Verursacher des Problems empfiehlt sich als Lösung.

thinkSelf
2 Jahre her

Das ist schon lustig. Während meines Studiums hatten sämtliche Mediziner eine fürchterliche Angst vor der „Ärzteschwemme“, was natürlich besonders fatal für die war, da sie ihr Studium ja im wesentlichen auf Grund üppiger Verdienstmöglichkeiten und noch wichtiger, des hohen sozialen Status wegen ausgesucht hatten (war auch noch die Hochzeit von „Prof. Brinkmann“ und der Schwarzwaldklinik). Damals war die Ärztedichte gegenüber heute allerdings nur halb so hoch. Und da ist der Hausarzt sogar noch ins Haus gekommen! Kleine Info für die Jüngeren: Herzoperationen wurden übrigens damals bereits erfolgreich durchgeführt und auch die Anästhesie hatte das Stadium von Schnapsflasche und Beißholz auch… Mehr

fatherted
2 Jahre her

Kinderkrankenhaus? Mal ehrlich….bei den meisten stellt sich die Frage: Wozu? Sind das Notfälle? Wenn ja…dann RTW/Notarzt rufen und gut ist…keine Wartezeit….man fährt mit….kommt in die Notaufnahme und dort sofort ins Bett…oder man wird weitergefahren bis ein Bett frei ist. Die Kids die dort mit ihren Eltern vor Ort sind (gestern im TV) springen alle noch rum…das sind…sorry…keine Notfälle. Scheinbar werden Kinderkrankenhäuser aufgesucht wenn die Kleinen mal Fieber haben bzw. stark Husten. Erstaunlicherweise vor allem von Eltern die Medikamente mit medizinischer Wirksamkeit ablehnen. Kein Wunder wenn man ein Kind zwei Wochen lang mit Zuckerkügelchen füttert und die Erkältung nicht besser wird.… Mehr

89-erlebt
2 Jahre her

10 Mrd für Indien, 770 Mio für ein Kanzleramt, Mrd für Ukraine und Moldau, Mrd für irgend was mit Wald & Kliiima … für das eigene Land stets weniger. Die Mehrheit hat das so angekreuzt .

Hans Nase
2 Jahre her

Neben der akuten Problematik gibt es noch eine viel weitreichendere. Kürzlich las ich (weiss nicht mehr, ob Monatsschrift Kinderheilkunde oder Ärzteblatt), daß in 5 J etwa 1/3 der Kinderärzte in den Ruhestand gehen…

Richy
2 Jahre her

Unser Enkel, 5 Jahre alt, bringt alle paar Wochen irgendwelche Erkältung- und andere Virenerkrankungen aus dem Kindergarten mit nach Hause. Regelmäßig steckt er damit seine Eltern und uns als Großeltern an. Für mich ist die einzige Erklärung, dass es ihm durch diese ganzen Lockdowns an Immunität fehlt!

Sonny
2 Jahre her

Wenn man alles so auf den Tisch packt, was in diesem Land nicht mehr funktioniert, dann fragt man sich langsam, warum die Menschen überhaupt noch hierbleiben!? Als Eltern von Kleinkindern kann man in Anbetracht der Lage doch nur verzweifeln. Wie will man den (überlebenden) Kindern denn später mal erklären, warum man sich nicht gewehrt und diese Politik auch noch immer wieder gewählt hat? Aber die Geburtenraten sprechen ja eine deutliche Sprache, dass hat Herr Sarrazin schon vor fast 20 Jahren eindrucksvoll bewiesen mit seinem Buch „Deutschland schafft sich ab“. Viele Deutsche haben schon seit Jahren erkannt, dass Kinder zu bekommen… Mehr

Julischka
2 Jahre her
Antworten an  Sonny

In unserem Bekanntenkreis ist es tatsächlich immer wieder Thema dieses Land zu verlassen, denn nicht nur wir fühlen uns hier nicht mehr wohl. Die Frage ist nur WOHIN, zumal man als Deutsche auch nicht (mehr) überall gern gesehen ist. Und es stellt sich die große Frage, ob es dort wo es im Moment gut ausschaut in zwei, drei Jahren auch noch so ist!? Wer kommt schon gern vom Regen in die Traufe?

Julischka
2 Jahre her
Antworten an  Julischka

Ich will keine 100%ige Sicherheit, weil ich weiß, dass das nicht möglich ist, sonst hätte ich mich nämlich „Impfen“ lassen ?
Es ist trotzdem nicht so einfach sich dafür zu entscheiden, zumal ich vier (erwachsene und fast erwachsene) Kinder zurücklassen würde, da sie nicht mitgehen würden, denn sie empfinden das Leben hier NOCH nicht so wie ich! Meine Kindheit und Jugend hab ich auch in einer Diktatur verbracht und empfand das damals nicht so schlimm, sondern als normal!

Niklot
2 Jahre her

Als wir nach den Endlos-Lockdowns das erste Mal das Haus für ein paar Tage verlassen hatten, wurde unser Neugeborenes (10 Monate) so schwer krank, dass uns angst und bange wurde. Es hatte zuvor keinerlei Immunität gegen irgendwas entwickelt. Das rächte sich nun bitter. Dann ging es ca. vier Monate am laufenden Band mit jedoch milderen Krankheitsverläufen weiter bis hin zu Corona, die jedoch am Ende bei dem Kleinen kaum noch Symptome zeigte. Wenigstens jetzt scheint es gut.

P_Karl
2 Jahre her

Derzeit kann man nur hoffen, nicht ins Krankenhaus zu müssen!!

Werner Geiselhart
2 Jahre her

Durch die verschiedenen Kontaktsperren (Kindergartenschließungen etc.) und die Maskenpflichten konnten die Kinder ihr natürliches Immunsystem nicht trainieren.
Im Gegensatz zu Jugendlichen und Erwachsenen dürfte die Covid-Impfung kaum eine Rolle spielen, die Impfquote war gottseidank zu gering (unter 5%), es wäre aber trotzdem interessant, das bei den Patienten zu ermitteln.
Lauterbach hat obigen Zusammenhang ja indirekt zugegeben, als er den Nutzen von Kindergartenschließungen anzweifelte, der Focus-Artikel ist also absoluter Stuss, welche und wieviele Kinderärzte bezweifeln da den Zusammenhang, ich kenne da andere Kinderarztmeinungen, die das Gegenteil besagen.
Hier ein Artikel dazu vor Corona
https://www.rtl.de/cms/immunsystem-staerken-bei-kindern-deshalb-sind-kinderinfekte-eigentlich-gut-4418178.html

Michael Palusch
2 Jahre her
Antworten an  Werner Geiselhart

Die Maske hatten wenig bis gar keinen Einfluss, die Erkenntnisse dazu können als gesichert gelten. Es sind die Kontaktsperren und die Abstandsregel, die jetzt ihren Tribut fordern. All das war vorher bekannt und auch die Studienlage darüber sind eindeutig. Mit den „Maßnahmen“ verhinderte man gar nichts, man verschob das Problem (Infektion) nur in die Zukunft. Das galt für den Coronaschnupfen und das gilt im Besonderen auch für die RSV-Erkrankungen bei Kindern.

Richardt_W
2 Jahre her
Antworten an  Werner Geiselhart

Die „Impfung“ spielt sehr wohl eine Rolle, wenn auch indirekt, indem die Ressourcen bei den Kinderärzten verknappt wurden. Denn die Beschäftigten im Gesundheitswesen wurden zwangsgestochen – auch wenn es nun angeblich alles freiwillig war. Nun fallen Arzthelfer und Ärzte verstärkt krankheitsbedingt aus. Ich selbst kenne einen jungen Mann, der seine erste Anstellung nicht verlieren wollte, sich stechen ließ und der nun schwerbehindert ist und womöglich nie mehr arbeiten wird. Ein großes Verbrechen und leider kein Einzelfall.
Ein Studie der Uni Würzburg zeigt, dass die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen von Pflegern und Ärzten mit jeder Impfung steigen. Siehe hier:
https://www.medrxiv.org/content/10.1101/2022.11.21.22282594v1

Julischka
2 Jahre her
Antworten an  Werner Geiselhart

Die „Impfung“ spielt bei den bis zu zweijährigen natürlich eine Rolle, wenn sich die Mütter in den Schwangerschaften und während der Stillzeit „impfen“ ließen! Es konnte ganz klar mRNA in der Muttermilch nachgewiesen werden!