Wie Grüne Aussagen von Bundestagspräsidentin Klöckner erfanden

Am Ostersonntag traten linke Politiker eine Desinformationskampagne los: Sie legten der CDU-Politikerin kurzerhand in den Mund, was sie nie gesagt hatte.

picture alliance/dpa | Kay Nietfeld

Am Ostersonntag erschien in der BILD ein Interview mit der neuen Bundestagspräsidentin Julia Klöckner, CDU, das zu einem mehrtägigen Empörungsrausch quer durch das linke Lager führte. Was hatte die Politikerin Unerhörtes geäußert? Politiker der Grünen und der Linkspartei suggerierten unisono, Klöckner hätte einen „Maulkorb für die Kirchen“ gefordert. In dem BILD-Interview, das sich größtenteils um ihr Amtsverständnis drehte, kam Klöckner tatsächlich in ihren letzten beiden Antworten auch auf die Kirchen in Deutschland zu sprechen. Hier die Passage im Wortlaut:

„BILD: Warum treten immer mehr Menschen aus der Kirche aus?

Klöckner: „Ich glaube, es hat mit mehreren Punkten etwas zu tun. Mit steigendem Wohlstand lässt häufig auch eine Kirchenbindung nach. Dann der zweite Punkt: Es gibt auch Ersatzreligionen. Ich bin fest davon überzeugt, dass jeder Mensch irgendetwas braucht, woran er glaubt. Eine weitere Erklärung ist sicherlich, dass Kirche nicht immer die Antworten gibt, die die Menschen gerade brauchen. Kirche ist auch nicht frei von Fehlern und Skandalen. Und wenn wir in die Corona-Zeit schauen – da hätte die Kirche vielleicht noch einen Tick mehr an Stabilität, mehr an Sinnstiftung und Seelenbegleitung geben können. Und ich glaube, an der einen oder anderen Stelle hat sie wirklich eine Chance verpasst.“

BILD: Was meinen Sie?

Klöckner: Wenn Kirche manchmal zu beliebig wird, oder zu tagesaktuellen Themen Stellungnahmen abgibt wie eine NGO (Nicht-Regierungsorganisation, Anm. der Redaktion) und nicht mehr die grundsätzlichen Fragen von Leben und Tod im Blick hat, dann wird sie leider auch austauschbar. Ich meine: Klar kann sich Kirche auch zu Tempo 130 äußern, aber dafür zahle ich jetzt nicht unbedingt Kirchensteuer. Gut, es ist ein freies Land, da kann man alles sicherlich tun und machen. Aber ich glaube, von Kirche erwartet man sich diese sinnhafte Begleitung, diese Antwort auf Fragen, die ich in meinem Alltag habe, vielleicht auch Trost und Stabilität.“

Sie äußerte also eine außerordentlich zurückhaltende Kritik daran, dass beide Kirchen über die tagespolitische Trendsurferei – so gut wie ausschließlich nach links – ihr seelsorgerisches Kerngeschäft vernachlässigen. Von einem angeblichen „Maulkorb“, einem „Redeverbot“ – kein Wort. Noch nicht einmal eine Andeutung. Sie sagt sogar das genaue Gegenteil: „Gut, es ist ein freies Land, da kann man alles sicherlich tun und machen.“

Das hielt den grünen Bundestags-Fraktionsvize Andreas Audretsch nicht davon ab, faktenfrei auf X zu schreiben: „Ein Maulkorb für die Kirche?“ Das Fragezeichen steht nur pro forma da, denn Audretsch fährt fort: „Plant die CDU nun 551 Fragen?“ – in Anspielung auf die Fragen der Unionsfraktion nach der Verwendung von Steuergeld für linke bis linksradikale NGOs.

In einem anderen Post auf X polemisiert der Grüne: „Wie kann es sein, dass erst Jens #Spahn eine Debatte lostritt, die #AfD zu normalisieren. Und nun Julia #Klöckner eine Debatte startet, die Kirchen aus dem Diskurs zu drängen.“

Bei seinem Auftritt im Sender n-tv erfindet Audretsch sogar das Klöckner-Interview praktisch komplett neu: Nichts von dem, was er unterstellt, findet sich irgendwo im eigentlichen Text.

Auffälligerweise verwendet keiner in dem „Maulkorb“-Kampagnenzug ein konkretes Zitat aus dem Klöckner-Interview. Kein Wunder: Dann würde die Erregungsblase ja platzen.

Fast wortgleich meldete sich der Geschäftsführer der Grünen-Fraktion Niedersachsen Volker Bajus auf X zu Wort: „Maulkorb für die Kirche? So wie Klöckner redet jemand, der weder Bergpredigt noch Evangelium kennt. Kirche ist natürlich NGO I, keine Vorfeldorganistaion der Union.“

Die unvermeidliche Grünen-Fraktionschefin im Bundestag Britta Haßelmann fragt händeringend: „Warum sollten die Kirchen sich nicht äußern zu Ungerechtigkeiten in der Welt, zu Humanität und Menschlichkeit, zum sozialen Zusammenhalt und zur Nächstenliebe, Julia Klöckner?“, und suggeriert damit, die CDU-Politikerin hätte so etwas auch nur ansatzweise gefordert.

Die grüne Bundestagsabgeordnete Katharina Beck sieht mit Klöckners Worten sogar das Dritte Reich wiedererstehen: „Unglaublich deplatziert. Wenn sich was anbahnt, das sehr ähnlich aussieht, wie als sich das Dritte Reich anbahnte …“

Screenprint via X

Beim Falschbehaupten wollte die gescheiterte frühere Linkspartei-Chefin Janine Wissler nicht zurückstehen. „Absurd, dass eine Bundestagspräsidentin den Kirchen Redeverbot erteilen will“, fabulierte sie auf X.

Für die passende Medienbegleitung sorgt ein „Handelsblatt“-Journalist mit dem dichterischen Einfall: „Ein Maulkorb für die Kirchen – Klöckners unpassender Vorstoß“.

Sollte das von der neuen Koalition geplante Gesetz gegen bewusste Verbreitung von Falschbehauptungen tatsächlich kommen, würde es in Fällen wie diesem spannend. Interessant an der Technik wirkt neben der strikten Meinung von echten Zitaten auch die ständige Wiederholung des Klingelworts „Maulkorb“, das sich offenbar in den Köpfen festsetzen soll. Auf der anderen Seite scheinen die Kampagneros zu hoffen, dass nur wenige nachlesen, was Klöckner tatsächlich sagte. Einige wie dieser X-Nutzer tun das allerdings doch – und kommen zu einem eindeutigen Urteil:

Apropos Maulkorb: Forderungen in diese Richtung gibt es tatsächlich. Nur nicht von Klöckner gegenüber den Kirchen – sondern von Audretsch und seinem grünen Parlamentskollegen Konstantin von Notz gegenüber den Plattformen X und Facebook, die zum Zorn der beiden Politiker keine Meinungslenkung mehr durch Löschung und „Blacklisting“ betreiben.

In einem Beitrag für die „Wirtschaftswoche“ schrieben Audretsch und von Notz kürzlich: „Sollten sich die Konzerne weiterhin hartnäckig gegen jede Veränderung sperren, sollten wir nicht davor zurückschrecken, die Konzerne, wenn nötig, auch zu zerschlagen.“

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Kommentare ( 75 )

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Rainer Schweitzer
21 Tage her

„Ich denke, also bin ich“ sagte einmal ein alter, weißer Mann. Gottseidank sind Politiker der Grünen und der SPD, aber auch anderer Parteien da inzwischen wesentlich „moderner“: „Ich poste also bin ich.“ Denken ist halt anspruchsvoller als Daddeln, das kann nicht jeder. Also: „Daddeln statt denken, labern statt zuhören“, Das ist heute modern, inklusiv, irgendwie nachhaltig und klimaschonend. Fr. Klöckner hätte das Interview halt in einfacher Sprache halten sollen, für Grüne/Rote und ihre Journalisten-Claque. Kennen Sie übrigens den? Fragt ein Bürger einen grünen/roten Politiker: „Was denken Sie über…“ Die Antwort, wie aus der Pistole geschossen: „Wie soll ich wissen, was… Mehr

Wolfgang Schuckmann
21 Tage her

Ich habe das Gefühl, dass sich die Amis gar nicht so sehr irrten, als die nach dem November 1989 überlegten, was sie mit diesem Land anfangen könnten in Zukunft und ich glaube in internen Beurteilungen haben sie Deutschland richtig eingeschätzt, indem sie den 2+ 4 Vertrag so ausgestaltet haben, dass eine volle Souveränität zunächst für Deutschland nicht in Frage kam. Damals war ich Fuchsteufelswild, weil ich nicht glauben wollte, dass der Krieg immer noch nicht vorbei sei für Deutschland. Selbstverständlich haben die Beteiligten unseres Landes versucht diese ganzen Tatsachen unter der Decke zu halten. Keiner fragte wirklich ernsthaft. Und jetzt?… Mehr

bfwied
21 Tage her

Ach Gott, die Grünen und ihre Narrative, ein unappetitliches Verhältnis zur Wirklichkeit.

moorwald
21 Tage her

Von Frau Klöckner werden wir hoffentlich noch öfter treffende Worte hören. Sie ist bestimmt kein blondes Dummchen.
Der Haß gerade von Grüner Seite läßt sich z.T. wohl auch dadurch erklären, daß Julia Klöckner hübsch und gepflegt daherkommt – nicht gerade ein Markenzeichen Grüner Damen.
Es ist der Haß der Zukurzgekommenen (beiderlei Geschlechts übrigens) auf die Wohlgeratenen im Sinne Nietzsches

Luke
21 Tage her
Antworten an  moorwald

Sie ist bestimmt kein blondes Dummchen.

Ich habe 15 Jahre in Rheinland-Pfalz gelebt und die Dame im Wahlkampf erlebt. Mein Urteil lautet daher: Doch, sie ist es. Nicht schlimmer als Frau „Malu“, aber auch nicht besser.

moorwald
21 Tage her
Antworten an  Luke

Ich halte mich nur an das, was sie aktuell von sich gibt

Rainer Seidel
21 Tage her

Kurzes Zitat aus Wikipedia:
Nach dem Abitur 1992 am Gymnasium an der Stadtmauer in Bad Kreuznach studierte Klöckner Politikwissenschaft, Katholische Theologie und Pädagogik an der Johannes-Gutenberg-Universität Mainz.[6] … 1998 schloss sie das Studium mit dem Grad der Magistra Artium in den Fächern Theologie, Politikwissenschaft und Pädagogik ab; zusätzlich legte sie das Erste Staatsexamen für ein Lehramt an Gymnasien für die Fächer Sozialkunde und Katholische Religion ab.[7]

Die Dame weiß also, worüber sie bzgl. Kirche redet.

moorwald
21 Tage her
Antworten an  Rainer Seidel

Ja, sehr gut, daß sie katholisch ist…

Waehler 21
21 Tage her

Hass und Hetze inklusive Verleugnung . Diesmal gegen die CDU. Warum zeigt keiner die Grünen an?

Juergen Schmidt
20 Tage her
Antworten an  Waehler 21

Weil es inzwischen keinen Staatsanwalt mehr weit und breit gibt, der ein Verfahren aufnehmen würde, und keinen Richter, der ein angemessenes Urteil sprechen würde.

RuBisCO
21 Tage her

Nach gängiger Rechtsprechung müsste es für die ehrabschneidende Behauptung Frau Klöckner wolle den Kirchen einen Maulkorb verpassen, eigentlich 7 Monate auf Bewährung geben.

a.bayer
21 Tage her

Der Satz, dass der Faschismus sich bei seiner Wiederkehr als Antifaschismus tarnt, ist richtig. Das gesamte Potential an Niedertracht und Bosheit ist hier vorhanden. Inklusive Mordlust. Dafür kriegen Sie in Nürnberg(!) einen Kunstpreis.

Peter Gramm
21 Tage her

Frau Klöckner ist immerhin zweite Dame im Staat. Ihr Wort hat Gewicht. Als (Queen of wine oder Reina de vino) ist sie sich sicherlich der Tragweite ihrer Worte bewußt. Kritik daran sollte wohlüberlegt sein. Die Einordnung Oben über Unten sollte gewahrt bleiben.

Hueckfried69
21 Tage her
Antworten an  Peter Gramm

Ich bin selbst katholisch. Aber mir ist völlig klar, dass die Kirche die AfD nur deshalb lautstark bekämpft, weil die sie -wie jedes andere Mitglied der Asylindustrie auch- am Geldscheffeln hindern will. Das hat Frau Klöckner natürlich nicht gesagt. Aber alleine unter dem o.g. genannten Gesichtspunkt habe ich keinen Grund, Frau Klöckner zu widersprechen.

Harry Hirsch
21 Tage her

Wie lange will sich die CDU eigentlich noch von Links-Grün demütigen lassen? Gibt es an der Parteibasis tatsächlich keinen mehr, der der Parteispitze Feuer unterm Hintern macht?

Budgie
21 Tage her
Antworten an  Harry Hirsch

Warum?
Weil große Teile der CDU Grüne sind, bis ins Mark.
Und wie lange noch?
Bis die Nichtgrünen der CDU die Partei gewechselt haben oder die Grünen rausgeschmissen wurden! Ansonsten gilt der alte Schluss in den Märchen:
Wenn sie nicht gestorben sind, dann leben sie noch heute.