Nicht zu fassen: Tatort Wien vergreift sich

Kaum wird in Deutschland die nächste gefährliche rechte Terrorzelle ausgehoben, schon folgt ein Tatort Wien mit einer weiteren "rechten Bedrohung".

Screenprint: ARD / Tatort

Rupert Henning hätte den Vorschlag für das Drehbuch auch einfach ablehnen können, stattdessen muss er sich mit einem Stoff herumschlagen, der in Hollywood zu einem Blockbuster, bei der ARD jedoch zu einem abstrusen Schwurblerkrimi gerät. Es ist Revolution in Wien Zentrum (könnte das auf dem Heldenplatz gedreht worden sein?), es gelbwestet gewaltig, allerdings ohne die in Frankreich üblichen neonfarbenen Leiberl. Die Meldungen im Polizeifunk überschlagen sich: „…sie wollen zum Parlament!…erhöhte Bedrohungslage im Regierungsviertel…Absperrungen teilweise durchbrochen…“.

Polizeihubschrauber werden mit Laserpointern angegriffen,1200 Ordnungshüter stehen in „vorderster Linie“ sind gereizt, müssen mit dem Schlagstock gegen eine aggressive Menge vorgehen. „Spaziergänger“ stürmen Absperrungen. Seit der „Räumung eines Querdenker-Protestcamps“ vor Monaten habe es „eine Demo nach der anderen“ gegeben. In Wien riegelt die Polizei, obwohl sie laut Einsatzleiter Markus „die Mauer“ Schuch (Wolfgang Oliver) „Personalmäßig aus dem letzten Loch pfeife“, Krankenhäuser ab und bewacht die Eingänge, teilt Pfefferspray an die Mitarbeiter aus, falls sie auf dem Weg zur Arbeit angepöbelt werden.

Wenn der ARD-Erklärbär stottert

Das „System“ wird hier einmal mehr in Zweifel gezogen, wütende Protestler die den Staat verachten, machen ihrem Ärger und ihrer Frustration Luft. Seltsam: es fehlen knackige klare politische Parolen, die üblichen Fahnen, die Springerstiefel. Ganz Wien wird, wie die Einstellungen zeigen, von einem anonymen, aber jungen Mob tyrannisiert, der mit Kapuzen vermummt, kichernd und scheibenklirrend durch die Stadt tobt. Die Einsatzkräfte sind verständlicherweise hypernervös, haben „in zehn Minuten mehr als ein Dutzend Verletzte durch… Pflastersteinwürfe und Wurfbrandsätze“ zu beklagen. Plötzlich liegt da einer der Krakeeler in seinem Blut (Jakob Volkmann, gespielt von Tilman Tuppy). In einer Rückblende soll deutlich werden, was diesen toten jungen Mann so bewegt hat, dass er sich mit seiner Familie am Esstisch zoffte und seine Mutter (Nora Volkmann, gespielt von Daniela Gaets) ihn rauswirft. Aber viel mehr als nebulöse Sprachfetzen kann man weder den Parolen der Revoluzzer auf der Straße noch den Streitereien der Familie Volkmann entnehmen: „…freies Land nur noch auf dem Papier… der Scheiß-Staat schränkt uns alle ein und nimmt uns jede individuelle Freiheit… Widerstand…“. Hier hält sich der Krimi vornehm zurück, will keine Angriffsflächen auf dem Debattentisch öffnen.

„Vertrottelte Slogans von Zehntausenden auf der Straße“ (Fellner)

Die im Todesfall Volkmann ermittelnden Polizisten Moritz Eisner (Harald Krassnitzer) und Bibi Fellner (Adele Neuhauser) interessieren die politischen Gründe der Unruhen erstmal weniger. Ihr erstes Augenmerk fällt auf die vielen Dienstknüppel ihrer Kolleginnen, mit denen die Protestierer davon abgehalten wurden, das Parlament „wie das US-Capitol“ zu stürmen. Hat hier einer (Polizist Jonas Leisch, gespielt von Noah L. Perktold) zu stark zugehauen? Die Sichtung der Videoaufnahmen führt zu der dauerempörten zweifachen Mutter Jessica Plattner (Julia Edtmeier), die sich den Einsatzkräften besonders lautstark widersetzt hatte. Auch ihre Sinne sind von der „üblichen wilden Mischung“, dem Zorn über die vermeintliche staatliche Unterdrückung, vernebelt, auch sie lässt sich durch die „Gruppendynamik aufputschen“, wird zum Instrument, um die „Stabilität und staatliche Ordnung zu unterminieren“, hat eine „LGBTIQ-Allergie“, meint, sich gegen „Kinderschänderflaggen“ zur Wehr setzen zu müssen, zieht auch ihre Kleinen mit hinein: “Ihr seid Krieger, euch kommt keiner so schnell blöd“.

„Der Regierung geht der Arsch auf Grundeis“

Im Ministerium setzen sich die Ermittelnden aus Polizei und Innenministerium zusammen. Auch ein Mann vom Verfassungsschutz („Schubert“, gespielt von Dominik Warta) nimmt teil, um den Ausnahmezustand zu besprechen. Scheinbar nur zur Deko dabei: Moritz und Bibi mit ihrem toten Demonstranten, bei dem Gerichtsmediziner Prof. Werner Kreindl (Günter Franzmeier) nun auch noch in Zweifel zieht, dass ihn der Schlag auf den Kopf getötet hat. Schlapphut Schubert klärt auf: Jakob Volkmanns Akte sei bis vor zwei Jahren „weiß“ gewesen, bis er Kontakte zu „Staatsverweigerern“ bekommen habe. Die Parolen dieser Gruppe, die sich KAPO („Kampfbereite Außerparlamentarische Opposition“) nennt, konnten der Ende-zu-Ende verschlüsselnden Kommunikation nur deshalb entnommen werden, weil einige Mitglieder die App befehlswidrig nicht regelmäßig ge-updated hätten: „…ein paar Tage, und das Land gehört uns… jetzt keine offenen Telefonate mehr!“

„Wogegen protestieren die eigentlich?“ fragt Eisner

Aber der „Tatort“ weiß es genauso wenig wie die Revolutionäre selber, die wie Jakob Volkmann „In Verschwörungstheorien abdriften“: „…die korrupten internationalen Eliten, gegen Bevormundung, gegen „die da oben“, gegen den Mainstream,…gegen verrottete Elemente in den Parlamenten…im kosmischen Endkampf zwischen Gut und Böse…“ Bei dem europaweiten Netzwerk KAPO, so Aussteiger Heiko Tauber (Gerold Votava), handle es sich um „den Gully, in dem der ganze staatsfeindliche Dreck zusammenlaufe“. Diese Typen seien „Humorbefreit“ und würden jeden, der versuche, die Fliege zu machen, umbringen. „Diesmal“, so der schwarz vermummte „KAPO“-Mann Alexander Woltschak (Philip Leonhard Kelz) „werfen wir keine Farbbeutel“, als er den naiven Jakob Volkmann in einer weiteren filmischen Erklär-Rückblende als Fahrer für einen als „Impulsaktion“ bezeichneten Brandanschlag auf die Polizeiinspektion in der Wiener Keplergasse rekrutiert. Volkmann ist so geschockt, dass er sich vom Verfassungsschutz anwerben lässt und „alles aufschreibt“. Das führt dazu, dass ihn Woltschak und ein Komplize mit einem Narkosemittel für Pferde betäuben und in die Polizeikette werfen, wo er scheinbar durch eine Polizeiknute tödlich verletzt wird. Dumm nur, dass ihre als Doppelschlag gegen den V-Mann und die Polizeimethoden gedachte Aktion wegen der Videoaufnahmen der Bodycameras auffliegt.

Volkmanns schwangere Freundin Katja Ralko (Julia Windischbauer) dreht völlig durch, als sie erkennt, dass die „Schutzprogramme eures Scheißvereins“ den Vater ihres Kindes nicht retten konnten und nun auch sie im Fadenkreuz von “KAPO“ steht. Gerade noch ist Polizeiassistentin Meret Schande (Christina Scherrer) glimpflich einem Molotov-Cocktail-Wurf Woltschaks entkommen, da läuft er ihr beim Versuch, Katja zu eliminieren, vor den Lauf der Dienstpistole und sie kann ihn festnehmen.

Ein Pate aus Österreich und Madagaskar

Die KAPO, dieser „versponnene Verein von Verschwörungschwurblern“, so erfährt man, lasse sich auf die Idee einer „Utopistischen Republik auf Madagaskar, die radikal libertär sein sollte“ zurückführen. Der Insellage geschuldet habe man sich für die Piratenflagge mit den gekreuzten Knochen, den sog. „Jolly Rodger“ als Emblem entschieden. KAPO werde „keine Pseudohumanität oder Nachgiebigkeit gegenüber den Repräsentanten des Staates an den Tag legen… und ihn durch wohl temperierte Grausamkeit destabilisieren“.

Einer der Hintermänner der KAPO und ihrer Schwesternorganisationen, z.B. in der Schweiz und Deutschland, ist das „kosmopolitische Bürscherl“, der ehemalige Internatsschüler und Fremdenlegionär, heute staatenlos (die Österreicher haben ihn rausgeworfen), Gejza von Rencz (Michael Weger), der gerade aus dem Gefängnis entlassen wurde und nun schnellstens in seinem schwarzen SUV mit Fahrer und windigem Rechtsanwalt aus dem Lande fliehen will. Eine seiner Unterschlüpfe ist das mondäne Gestüt von Tierärztin Dr. Vettach-Alsmeier, die bereits mit „antidemokratischen Sprüchen“ aufgefallen sei und offenbar das Pferdenarkosemittel für die Beseitigung von Jakob Volkmann besorgt hatte. Dort liegt im Schreibtisch bereits die Kabinettsliste der neuen revolutionären Regierung, neben einer geladenen Pistole und verschiedenen Alias-Pässen.

Obwohl die Wiener Kommissare vor Ort warten, kann der Pate der „KAPO“ entkommen, Verfassungsschützer Schubert beruhigt aber: Man habe immer „mehrere Eisen im Feuer“, lasse öfter mal die großen Fische zu den anderen schwimmen, um sie dann alle ins Netz zu bekommen.

Und die Moral von der Geschicht‘, die weiß der „Tatort“ selber nicht…

Fellner und Eisner dürfen die Schlussszene versöhnlich ausklingen lassen: „wie man jetzt wieder zusammenkommen könne mit all den Leuten, die da “gegen den Staat spazieren” gehen? “Ned aufgebn, ned in an Topf werfen! Miteinander redn”.

Anzeige

Unterstützung
oder

Kommentare ( 21 )

Liebe Leser!

Wir sind dankbar für Ihre Kommentare und schätzen Ihre aktive Beteiligung sehr. Ihre Zuschriften können auch als eigene Beiträge auf der Site erscheinen oder in unserer Monatszeitschrift „Tichys Einblick“.
Bitte entwerten Sie Ihre Argumente nicht durch Unterstellungen, Verunglimpfungen oder inakzeptable Worte und Links. Solche Texte schalten wir nicht frei. Ihre Kommentare werden moderiert, da die juristische Verantwortung bei TE liegt. Bitte verstehen Sie, dass die Moderation zwischen Mitternacht und morgens Pause macht und es, je nach Aufkommen, zu zeitlichen Verzögerungen kommen kann. Vielen Dank für Ihr Verständnis. Hinweis

21 Comments
neuste
älteste beste Bewertung
Inline Feedbacks
Alle Kommentare ansehen
F. Hoffmann
21 Tage her

Es war in der Tat ein “Hä was iissn dös“-Tatort. Die Klasse 10b des Wiener Stadl-Gymnasiums bekam wohl den Auftrag: Machts aan Tatort, Zutaten linksextremes Agieren, aber mit Querdenkern plus internationale Verschwörung, Verfassungsschutz erste Sahne, wenn die ganzen Tricks rauskommen. Plus irgendwie äh moralischer Schluss? Oder so? Schad um die Bibi und den Moritz, der auch noch den Oberboss, natürlich ohne Konsequenzen, attackiert. Voll wie im richtigen Leben.

Michael Grieme
22 Tage her

die davorgesessen haben, nehmen die Botschaft mit, dass Protestierer Chaoten sind, die die heile Welt zerstören. Schwurbler, Aluhüte, Rechte, Nazis. Genau das war beabsichtigt und dafür zahlen sie ihre Zwangsgebühren.

Lars Baecker
22 Tage her

Wien, Dortmund und München waren die letzten Tatorte, die ich mir noch angesehen habe. Als ich zu Beginn des gestrigen Tatorts die Programminfo gelesen habe, habe ich sofort entsetzt umgeschaltet und mir gedacht: Jetzt also nur noch München und Dortmund. Mal sehen, wie lange es noch dauert, bis auch die mich indoktrinieren und für dumm verkaufen wollen.

Koeller
21 Tage her
Antworten an  Lars Baecker

Ich habe als letztes den Münsteraner Tatort gesehen, das ist aber jetzt auch schon eine ganze Weile her. Diese Politisierung ist mir voll gegen den Strich gegangen und wie man hier wieder lesen konnte ist es noch schlimmer geworden. Problematisch ist nur, daß man dafür auch noch zahlen muß !

Stephan M.
22 Tage her

Meine Anerkennung an den Autor, der sich den Tort angetan hat, diesen Blödsinn von Anfang bis Ende anzusehen. Ich persönlich sehe darin aber eine Vergeudung von Lebenszeit. Ich habe zu dieser Zeit bei meinem Stammitaliener gesessen und habe mich in bester Gesellschaft an den Spezialitäten aus Küche und Keller erfreut. Später am Abend gab es dann „Links – Rechts – Mitte“ auf servus.tv. Ein runder Sonntagabend ohne Volkserziehung.

RMPetersen
22 Tage her

Na, „Staatsverweigerer“ klingt doch nach Anarchismus. Also keine Rechten.
Und die Linken mögen Anarchisten auch nicht; im Spanischen Bürgerkrieg wurden sie von den Kommunisten als (Super-)Linke Abweichler exekutiert.
NB Nach Lektüre des Ankündigungstextes haben wir auf das Einschalten verzichtet. Überhaupt kommen wir im Jahr maximal auf ca. 20 Stunden ÖRR.

MarcusPorciusCato
22 Tage her

Natürlich sind diese niveaulosen TV-Produktionen nichts als Propaganda.
Andererseits ist ein Bürgerkriegsszenario nicht so weit hergeholt, wenn man die Unterminierung der Verfassung durch antisemitische Bolschewiken wie den Österr. Vizekanzker und seine grünen Alliierten weiter vorantreibt.

Unglaeubiger
22 Tage her

„kann der Pate der „KAPO“ entkommen, Verfassungsschützer Schubert beruhigt aber: Man habe immer „mehrere Eisen im Feuer“, lasse öfter mal die großen Fische zu den anderen schwimmen, um sie dann alle ins Netz zu bekommen“ Schenkelklopfer des Tages! Abgesehen davon, haben die „Rechten“ absolut recht, die Politmafia hat sich den Staat gekrallt, die Staatskasse geplündert, lügt und betrügt ungeniert was das Zeug hält. „Das „System“ wird hier einmal mehr in Zweifel gezogen, wütende Protestler die den Staat verachten, machen ihrem Ärger und ihrer Frustration Luft!“ Es wäre nur zu hoffen, dass den Menschlein auch in der Realität der Kragen so… Mehr

Polit-Legastheniker
22 Tage her

Merkmal eines totalitären Staates. In Komunismus könnte man als Künstler gut überleben, wenn man Lenin-Portraits oder Revolutionsbilder malte. In einer linken Postdemokratie bekommt man sofort eine üppige Finanzierung, wenn man Geschichten über überall drohende rechte Verschwörung verbreiten will.

Last edited 22 Tage her by Polit-Legastheniker
Konradin
22 Tage her

Es ist vielleicht weniger ein vergreifen des Staatsfernsehens ARD/ORF, sondern eher systemisch. Deshalb nennt man diesen heute umstrittenen polit-medialen indoktrinierenden Erziehungs- und Propaganda-Komplex des ÖRR mittlerweile ja auch zurecht System. Das darbende, siechende und vom immer mehr selberdenkenden Bürgern abgelehnte ÖRR-System wehrt sich erwartungsgemäß immer giftender und um sich schlagender dagegen. Nämlich mit noch mehr staatlich finanzierter, indoktrinierender Linkspropaganda. Der grantelnde Harald Krassnitzer wird nebst Kollegin (Bibi?) nun zum schmähenden Krassnitzer. Wiener Schmäh wird zur Wiener Schmäh-ung. Wenn auch drehbuchgerecht und schauspielerisch bemüht verdeckt-perfide Schmähung. Geschmäht und agitiert wird gegen konservative, freiheitliche, patriotische, selberdenkende Bürger, die Demokratie, verfassungsgegebene Freiheits- und… Mehr

Alf
22 Tage her

Krassnitzer und Neuhauser in einem Tatort, der kein Krimi ist.
Billiges Geschwurbel und der Geheimdienst, der alles im Griff haben will.
Die Polizei als Bösewicht.
Wer will diesen Schwachsinn sehen?
Schade um die Zeit.