Der inzwischen angelaufene Koalitionspoker macht deutlich, dass zeitgleich Verhandlungen über eine „Ampel-Koalition“ wie eine „Jamaika-Koalition“ stattfinden werden, um die jeweils anderen zu möglichst weitreichenden Zugeständnissen zu zwingen. Das erhöht die Wahrscheinlichkeit einer weiteren Fortsetzung der „GroKo“.
IMAGO/Rene Traut
Von den Medien wird derzeit mehrheitlich eine Koalition aus SPD, Grünen und FDP hofiert, obwohl für eine solche Koalition im Wahlkampf von keiner der beteiligten Parteien geworben worden ist. Dasselbe gilt für die von den meisten Medien weniger oder auch gar nicht hofierte Koalition aus Union, Grünen und FDP. Wenn überhaupt, dann haben während des Wahlkampfs SPD und Grüne für ein rot-grünes und Union und FDP für ein schwarz-gelbes Bündnis geworben, nicht jedoch für eine „Ampel-Koalition“ und ebenso wenig für eine „Jamaika-Koalition“. Über sie wird inzwischen aber aufgrund der Ablehnung beider Bündnis-Angebote durch die Wähler verhandelt. Nicht geworben wurde außerdem, entgegen den üblichen Gepflogenheiten, von den beiden Regierungsparteien Union und SPD für eine erneute Fortsetzung ihrer Zusammenarbeit. Deren Resultate priesen sie jeweils im Wahlkampf aber öffentlich gleichwohl als überaus positiv.
Die einstigen Wahlverwandtschafts-Koalitionen von Schwarz-Gelb oder Rot-Grün sind nach Lage der Dinge in Deutschland bei einer Bundestagswahl nicht (mehr) mehrheitsfähig. Dasselbe gilt für das rot-grün-rote oder das schwarz-grüne Koalitions-Experiment. Von daher wäre es eigentlich naheliegend, Union und SPD zögen erneut eine Fortsetzung ihrer „GroKo” in Erwägung, dieses Mal mit Olaf Scholz als Kanzler. Genau dies tun sie aber bislang nicht. Die Union, weil sie das Kanzleramt behalten will, die SPD, weil sie die Union endlich in die Opposition schicken möchte. Beide sehen sich daher gezwungen, für die von ihnen jeweils angestrebte rot-grüne respektive schwarz-gelbe Wunsch-Koalition um den Wahlverwandtschafts-Partner des jeweils anderen GroKo-Partners zu buhlen. Der SPD müsste es gemeinsam mit den Grünen gelingen, die FDP für eine „linke“ (öko-soziale) Koalition zu begeistern. Die Union müsste es zusammen mit der FDP schaffen, die Grünen für eine „rechte“ (bürgerliche) Koalition zu gewinnen. Eine, freundlich ausgedrückt, überaus anspruchsvolle Zielsetzung, deren Erfolgsaussichten bei nüchterner Betrachtung alles andere als rosig sind, trotz aller derzeitigen Beteuerungen von allseitiger Gesprächs- und Kompromissbereitschaft auf „gleicher Augenhöhe“.
Eine „Ampel-Koalition“ hätte von daher nur Aussicht auf Erfolg, wenn entweder SPD und Grüne deutliche Abstriche an ihren „linken“ Versprechungen gegenüber ihren Wählern machen würden oder die FDP dies umgekehrt mit ihren „rechten“ Versprechungen gegenüber ihren Wählern täte. Hinzu kommen die Differenzen, die es zusätzlich zwischen den Wahlversprechen der SPD und der Grünen, etwa auf dem Feld der Klimapolitik, gibt. Alle drei Parteien stehen somit in hohem Maße unter dem Druck, ihre zur Mobilisierung der eigenen Wählerschaft im Wahlkampf bewusst hochgeschraubten Wahlversprechen ganz oder teilweise zu brechen, um in Regierungsämter zu kommen. Bei ihren jeweiligen Wählern kann dies schon bei den nächsten Landtagswahlen zu entsprechenden Reaktionen führen, die wiederum Einfluss auf die Mehrheitsverhältnisse im Bundesrat haben könnten, auf dessen Zustimmung jede Regierung mehr denn je angewiesen ist. Hinzu kämen die innerparteilichen Spannungen, die sich aus als zu groß empfundenen Zugeständnissen bei allen drei „Ampel-Koalitionären“ ergeben können.
Die inzwischen schon begonnenen informellen und formellen Sondierungsgespräche zeugen ganz im Gegenteil unmissverständlich von dem Bemühen der FDP und der Grünen, durch das Offenhalten beider Koalitions-Optionen den Druck auf CDU/CSU und SPD zu erhöhen, durch weitreichende Zugeständnisse an ihre jeweiligen politischen Vorhaben die Koalitionshürden für eine Beteiligung der FDP an einer „Ampel-Koalition“ und für eine Beteiligung der Grünen an einer „Jamaika-Koalition“ möglichst abzusenken. Je niedriger diese Hürden sind, desto leichter wird der Einstieg nach „links“ für die FDP oder nach „rechts“ für die Grünen, desto größer wird aber gleichzeitig auch der Druck auf die jeweils anderen Koalitionspartner, ihre Wahlversprechen zu brechen.
Gegen den vorzeitigen Abbruch der Verhandlungen über die „Ampel“ durch die FDP oder über „Jamaika“ durch die Grünen spricht außerdem, dass dies sofort mit einem Abbruch der Verhandlungen über die jeweils andere Koalitionsvariante beantwortet werden müsste. Denn sollte sich die FDP der „Ampel“ verweigern, bliebe den Grünen nur der Abbruch der Gespräche über „Jamaika“, wenn sie sich nicht dem Vorwurf der Kapitulation vor der FDP aussetzen wollen. Umgekehrt gilt dasselbe im Falle einer Beendigung von „Jamaika“ durch die Grünen für die FDP, die dann schwerlich weiter über eine „Ampel“ verhandeln könnte. Insofern könnte nur die SPD oder die Union die Verhandlungen über die von ihnen geführten Koalitionen vorzeitig abbrechen, woran aber die beiden Rivalen um das Kanzleramt gewiss das geringste Interesse haben.






Sie müssenangemeldet sein um einen Kommentar oder eine Antwort schreiben zu können
Bitte loggen Sie sich ein
Schon als Kind bestätigten mir Eltern und Lehrer eine blühende Phantasie, was sich vor allem in meiner Interpretation von Mathe widerspiegelte. Es hat sich zum Glück bis heute gehalten. Allerdings fehlt selbst mir die Phantasie wie Herr Lindner mit Gelb die Lücke füllen könnte, die eigentlich von Grün-Rot für die Linke vorgesehen war?
Vor Wochen erwachte ich Schweiß gebadet aus einem Alptraum: ich träumte Merkel stand vorm Mikrofon und erklärte, daß sie sich für weitere 4 Jahre Kanzlerschaft opfern würde.
Gegenfrage: Wie viele der „sozialpatriotischen“ Richtung in der AfD, die derzeit den Ton im Bund und Ostdeutschland angeben, wollen überhaupt mit der Union und erst recht der FDP koalieren? Sozial- und wirtschaftspolitisch jedenfalls liegt dieser Flügel eher auf Linie der alten SPD (daher sein Erfolg im Osten), von der Union und FDP trennen sie weniger ihre Ansichten zur Einwanderung als die Ablehnung von EU, NATO und Euro, die sowohl für die Union als auch die FDP aber das prägende Merkmal der Selbstdefinition sind. Letztlich müsste sich in Deutschland eher eine Partei formieren, die aus dem AfD-„Flügel“ und nationallinken Kreisen wie… Mehr
Die Überschrift „Am Ende kommt es wahrscheinlich anders, als man denkt“ passt bestens zur aktuellen Lage in Deutschland. Die Probleme, die sich die Parteien in den kommenden 4 Jahren zur Lösung wünschen und für deren Lösung sie gewählt wurden, werden nicht die sein, die sie werden lösen müssen. Insbesondere die Themen Klima und Digitalisierung werden zu exotischen Luxusthemen degenerieren. In den Vordergrund rücken werden Inflation (insb. Energie), Euro-Verfall, steigende Zinsen, Insolvenzwellen, Abwanderung von Investoren und Hochqualifizierten, Deindustrialisierung, Bankrott der Sozialversicherungssysteme bei gleichzeitigem Mangel an qualifizierten Mitarbeitern (weil die Falschen zugewandert sind und weiter zuwandern). Irgendwann lassen sich die Probleme nicht… Mehr
Wenn eine Mitgliederbefragung bei der SPD veranstaltet würde, und davon ist auszugehen, steht die Fortsetzung der Koalition in den Sternen. Für das Führungspersonal wäre es die bequemste Lösung, die SPD käme vielleicht endlich dazu, die Lorbeeren für die Politik einzusammeln, die sie ohnehin schon weitgehend bestimmt hat, ohne bisher dafür Kränze geflochten zu bekommen.
Da fehlt noch eine Option. Wenn Jamaika/Ampel scheitern, aus welchem Grund auch immer, und sich Union oder SPD (wobei die Union das forcieren könnte, auch könnte sie die FDP in diese Richtung drücken) einer GroKo verweigern, könnte es Neuwahlen geben. Wenn die Union den Kanzlerkandidaten wechselt, könnte es danach durchaus für schwarz-gelb reichen, zumindest würden rot und grün deutlich geschwächt in die dann anstehenden Verhandlungen gehen.
Im Prinzip ja, aber die Grünen würden sicherlich mit Habeck antreten. Und das dürfte denen vergleichbare Gewinne bescheren, wie sie die Union mit Söder oder Merz auch haben könnte…
Ich denke, auch das bliebe spannend!
..ein Ausriss aus Ihrem Vermutungsspielchen: „….einer schwarz-gelben Minderheitsregierung Tolerierungsangebote unterbreiten….“
…ja, richtig, aber Sdie wagten es leider nicht, es in die richtige Richtung weiter zu schreiben-
…es muesst, und so ginge die Schreibe richtigerweise dann weiter, nur die AfD von Fall zu Fall mit ins Boot geholt werden
…dann waere dem rot-gruenen <Murks mit seiner personellen Inkompetenz auf allen Feldern> in all seinen schlimmen Schattierungen endlich ein Riegel vorgeschoben
Eine Neuauflage der (jetzt nicht mehr ganz so) „Großen“ Koalition wäre für Deutschland das beste im Vergleich zu allen anderen Optionen.
Die Franzosen jubilieren bereits [heute im Gespräch mit EU-Abgeordneten in France24], dass mit den Grünen in der Berliner Regierung demnächst alle ihre Wünsche nach deutscher Beteiligung an den europäischen (und damit französischen) Umverteilungs- und Sozialversicherungssystemen erfüllt werden.
Glauben Sie mir, die Umverteilung in Richtung „Europa“(Süd/West) wird mit und ohne Grün stattfinden … wurde so bestellt!
Nochmal GroKo ließe vielleicht das Tempo des Niedergangs konstant und würde es nicht noch weiter beschleunigen. Aber wer hält es noch aus, weiterhin ggf. Figuren wie PA, AKK, oder gar den Westentaschen-Bismarck H.M. ihr hochbesoldetes Unwesen treiben zu sehen? Dann vielleicht doch lieber Merz, Lindner und Habeck am Kabinettstisch unter Moderation von Lasch.ET. Wenn schon schrecklich, dann wenigstens Mal auf neue Art.
oooch, ich fände es schon gut, wenn Papi dem fff Töchterchen erklären muss, dass das Arbeitslosengeld für den gewohnten Lebensstandard jetzt nicht mehr reicht und der SUV ein Firmenauto war und nun futsch ist. Die Hypothek fürs Haus nur noch schwer zu bedienen ist und eine kleine Wohnung wohl gesucht werden muss.
Oder auch, wenn die Kinder von Papis und Mami erfahren, dass sie ihren Job in der Kohleindustrie, der Automobil- und Zuliefererbranche verlieren werden, weil die fff Kinder das so wollten.
Verzwergte „GroKo“ unter Führung Scholzens gewährt Aussicht auf unterhaltsame MS-Medien. Die werden schäumen, wenn ihre „grünen“ Lieblinge nicht Klimakabinettieren dürfen und volles Rohr auf Scholz schießen, Warburg, WireCard, Cum-Ex, G20 bieten mehr als genug Zielscheiben. Dazu der innerparteiliche Gegenwind der Genossen, das dürften stürmische Zeiten für Kanzler Scholz werden. Der wird allerdings selbst so gewieft sein, diese Gefahr zu wittern und darum auf Gedeih und Verderb RGL anstreben, auf Schonung hoffend – wofür er aber den „Grünen“ maximale Zugeständnisse wird machen müssen. Fragt sich, wo da dann was von der FDP bliebe – das dürfte sich auch der Lindner überlegen,… Mehr