Der Denunziationsbumerang trifft die Linken

Droht den Schulen bald eine Anzeige, wenn der Genderstern zum Einsatz kommt? Das empfiehlt Bayerns Ministerpräsident Markus Söder. Der Aufschrei der Verbände ist groß. Dabei kommt das Denunziationsspiel lediglich als Bumerang zurück.

IMAGO - Collage: TE
Beim Genderstern droht die Denunzierung – wer hätte sich diese ironische Wende noch vor ein paar Wochen ausdenken können? Der Urheber, Wendenmeister Markus Söder, hat in der Bild-Zeitung Eltern dazu geraten, sich bei der Schulleitung oder beim Kultusministerium zu beschweren, wenn sie – trotz Genderverbot – einen Brief mit Genderstern von der Schule erhalten. Ab 1. April soll die Vorschrift für den dienstlichen Schriftverkehr in Schulen, Hochschulen und der Verwaltung gelten.

Ältere erinnern sich: der Ministerpräsident hat schon in der Vergangenheit bewiesen, dass er Bayern mit preußischer Disziplin führt, wenn es der Agenda dient. Früher die härtesten Corona-Vorschriften, dann die Forderung nach größten Freiheiten, jetzt hartes Vorgehen gegen Gendersterne. Zwei Drittel der Bayern wählen rechts der Mitte und die Konkurrenz vonseiten FW und AfD hat auch nach der Landtagswahl nicht nachgelassen. Wie beim Kreuzerlass dürfte weniger die Liebe zu Heimat und Tradition, als PR hinter Söders Anti-Gender-Offensive stecken.

Söders Wenden sind der eine Teil der Ironie. Der andere Teil besteht aus den Verbänden, die gegen diese als diktatorisch wahrgenommene Anordnung Sturm laufen. Simone Fleischmann, Präsidentin des Bayerischen Lehrer- und Lehrerinnenverbands (BLLV), empörte sich: die Anzeige ginge einen Schritt zu weit. Martina Borgendale, Landesvorsitzende der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW), bezeichnete Söders „Aufruf zur Denunziation“ als „total daneben“.

Ja, richtig gelesen: auf der einen Seite hat die GEW keine Probleme damit, auch die Kleinsten mit Anti-AfD-Propaganda zu beglücken und festzulegen, was politisch richtig und was falsch ist. Droht aber Söder mit der Verbannung des Gendersterns, dann ist es wieder kurz vor Zwölf. Es spielt keine Rolle mehr, wer den ideologiefreien Konsens aufgebrochen hat. Aber ohne die Urheber von links ist der Vorgang nicht zu verstehen: Das Argument ist tot, weil die linksbeeinflussten Kräfte im Bildungsbereich in den letzten Jahren längst gezeigt haben, wie wenig sie sich um Neutralität oder die Meinung Andersdenkender scheren. Nun wird Denunziation mit Denunziation, Ideologie mit Ideologie vergolten. Dass das so ist, daran haben auch Vereine wie die GEW ihren Anteil.

Dazu reicht es nicht nur in Erinnerung zu rufen, dass Schulleiter bereits ihre Schülerinnen anzeigen, wenn diese nicht konforme Schlumpfvideos verbreiten. Seit Jahren ist Denunziation das Stichwort im öffentlichen Leben, das von Links zu einer solchen Selbstverständlichkeit erhoben wurde, dass schon damals nur wenige die bange Fragen stellte: was geschieht, sollte der Spieß mal umgedreht werden? In der Siegerlaune der eigenen Meinungshoheit und Triumphgefühl, der Mehrheit anzugehören sind solche Stimmen selten. Nun ist das Gejammer groß.

Unvergessen bleibt die Broschüre gegen Rechtsextremismus, in der nicht nur Mädchen mit langen blonden Zöpfen und blauen Augen unter Verdacht gestellt wurden, sie könnten einem völkischen Elternhaus angehören. Die Amadeu Antonio Stiftung gab auch eine Handreichung für Kindertagesstätten heraus, demnach Erzieherinnen und Erzieher genauer geprüft worden sollten, ob sie nicht rechtsextremes Gedankengut hegten: „Eine rechtsextreme Erzieherin und evtl. Gespräche mit ihr sind eine große Herausforderung, die nur mit externer Beratung, Begleitung und Moderation gelöst werden können.“

Und was ist mit dem Berliner Register, das seit 2016 existiert? Auf der Homepage dieser Einrichtung steht: „Die Berliner Register gehen vor gegen Diskriminierung und Ausgrenzung. Das machen sie, indem sie Vorfälle dokumentieren, die im Alltag in Berlin passieren. Es werden nur Vorfälle aufgenommen, die rassistisch, antisemitisch, LGBTIQ*-feindlich, antiziganistisch, extrem rechts, sozialchauvinistisch, behindertenfeindlich oder antifeministisch sind.“

Wer nicht im Glied marschiert, dem drohen Konsequenzen: „Die Ergebnisse können Politiker*innen, Mitarbeiter*innen der Verwaltung oder politisch engagierte Initiativen in ihre Entscheidungen einbeziehen, und dann Maßnahmen entwickeln, um gezielt gegen Diskriminierung und Ausgrenzung vorzugehen.“

Wer solche Meldestellen einrichtet, sollte sich nicht wundern, wenn von der anderen politischen Seite der Bumerang zurückfliegt. Verzweifelte Hinweise auf den Beutelsbacher Konsens, den man mit Krokodilstränen selbst beerdigt hat, muten heuchlerisch an. Der Kampf um die Kinderbetten und Klassenpulte ist vor Jahren, wenn nicht Jahrzehnten entbrannt. Die Idee, den „demokratischen Diskurs“ bestimmen zu wollen, indem man behauptet, dass, wenn zwei das Gleiche täten, es immer noch nicht dasselbe sei, hat sich überlebt. Da sind Gendersterne noch die kleinsten Späne, die beim Hobeln fallen.

— Sebastian Klaus  @skleftist@bsky.social (@skLeftist) March 28, 2024

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